Zeiten des Schreckens von SweeneyLestrange ================================================================================ Kapitel 6: Hausbesuch --------------------- Das leise Blubbern eines Zaubertranks erfüllte die abendliche Stille, die nur gelegentlich von einem unverständlichen Murmeln und darauf folgendem Pergamentrascheln durchbrochen wurde. Konzentriert saß Barty an seinem Schreibtisch und las in einem kleinen, unscheinbaren Buch. Die dünnen Seiten waren mit einer geschwungenen Handschrift beschrieben. An den breiten Seitenrändern befanden sich Anmerkungen, von denen viele in Runen des Älteren Futhark geschrieben standen. Nichts seiner ordentlichen Lektüre würde in einem außenstehenden Betrachter den Verdacht erwecken, dass sich hinter den Buchstaben verbotenes Wissen verbarg. Doch die tiefschwarzen Letter erzählten von Flüchen, die Brunnen versiegen und das Land ein Jahrzehnt lang brach werden ließen, sie enthielten Informationen darüber, wie man seinen Kontrahenten innere Verletzungen zufügen konnte, die schlimmsten Geschwüre herbeizauberte, Organe von innen nach außen kehrte, Menschen verhexte, auf dass sie einzelne Impulse verspürten, ohne gleich unter dem Imperius zu stehen… Bartys Augen waren vor Faszination weit aufgerissen, während er gierig Zeile um Zeile verschlang. Nur manchmal zwang er sich gewaltsam von seiner Lektüre los, um sich eilig ein paar Notizen auf bereitliegenden Pergamenten zu machen. Angst davor, dass sie in die falschen Hände gelangen würden, hatte er nicht. Dafür hatte er Vorkehrungen getroffen, zu denen auch eine ganz besondere unsichtbare Tinte gehörte und deren Nachschub gerade im Hintergrund vor sich hin köchelte. Und so genoss er die wenigen Stunden der nächtlichen Ruhe, die ihm vergönnt waren, bevor es wieder hieß, die Arbeit im Ministerium zu beginnen. Der dumpfe Knall an seiner Fensterscheibe traf Barty vollkommen unerwartet. Er war so sehr mit seinen Gedanken beschäftigt, wann er ein paar der Flüche ausprobieren könnte, dass er vor Schreck fast das Buch fallengelassen hätte. Eilig sah er zur Quelle des Geräuschs und lief zum Fenster. Da war jedoch nichts. Misstrauisch geworden, zog Barty seinen Zauberstab hervor und spähte aus zusammengekniffenen Augen in die nächtliche Dunkelheit hinein. Er glaubte, zwischen den Bäumen eine Gestalt ausmachen zu können, sicher war er sich jedoch nicht. Dann entdeckte er eine winzige Pergamentrolle auf der Fensterbank schweben. Vorsichtig öffnete er sie mit einem Schwebezauber und machte sich auf alles gefasst. Statt jedoch irgendwelche Flüche oder Drohungen zu enthalten, stand dort ein einfacher Satz geschrieben: Rauskommen, kleiner Streber, es gibt Arbeit für dich. -B Barty wusste sofort, von wem die Nachricht war. Mit klopfendem Herzen spähte er erneut in die dunkle Nacht hinaus und war sich dieses Mal sicher, dass es Bellatrix sein musste, die da im Schatten der Bäume stand. Eilig ließ er die verräterische Nachricht in Flammen aufgehen und blickte sich in seinem Zimmer um. Er wusste, dass er den Trank - oder besser gesagt die Tinte - gefahrlos weiter köcheln lassen konnte; den Rest musste er verstecken. Indessen plagte ihn die Frage, was Bellatrix von ihm wollen konnte, denn er wollte vorbereitet sein. Zögernd blätterte er durch seine Unterlagen, die er nach und nach verstaute und entschied letztlich, dass sein Zauberstab und ein warmer Umhang ausreichen würden. Außerdem würde es fataler sein, Bellatrix Lestrange zu lange warten zu lassen, als ihr unvorbereitet gegenüber zu stehen. Kurze Zeit später befand Barty sich in der eisigen Kälte des Januars und suchte sich einen Weg über die gefrorenen Überbleibsel des Schneematschs. „Da bist du ja endlich!“, empfing ihn Bellatrix, kaum dass er in Hörweite war. „Ich hätte früher dasein können, hätte ich gewusst, dass es noch Arbeit gibt“, erwiderte Barty ruhig. Ein kurzer Blick auf Bellatrix’ schwarze Todesser Robe bestätigte seinen Verdacht, was es mit der ganzen Sache auf sich hatte. „Nichts da, ich habe doch gesehen, wie du Ewigkeiten in deinem Zimmer herumgeschlichen bist, nachdem du die Nachricht bekommen hast.“ Barty schwieg. „Na, was hast du gemacht?“ „Beweise vernichtet“, antwortete er. Bellatrix seufzte. „Seit wann bist du so gefasst geworden? Früher hast du mehr Spaß gemacht.“ „Früher bin ich ein hoffnungsloser Fall gewesen“, erklärte Barty. „Früher hatte ich noch nicht die Möglichkeit…“ Seine Fingerspitzen strichen versonnen über den Ärmel seines linken Unterarms. Bellatrix folgte der Bewegung und lächelte. „Und genau deswegen bist du hier“, erklärte sie schließlich, dann streckte sie ihre Hand aus. „Komm mit, den Rest erkläre ich dir unterwegs.“ Ohne zu zögern, ergriff Barty ihre Hand und spürte sogleich, wie die Welt um ihn herum schwand und er apparierte. Sie erreichten eine weite Wiese, die sich bis ins Nirgendwo zu erstrecken schien und hinter den Hügeln am Horizont verschwand. Angestrengt suchte Barty nach Anhaltspunkten, die seinen Standort verrieten, doch konnte er in der sternenklaren Nacht nichts entdecken. „Was wollen wir hier?“, fragte er vorsichtig, während er seine silberne Todessermaske heraufbeschwor. Bellatrix warf ihm einen spöttischen Blick zu. „Ein paar kleinen Blutsverrätern ordentlich einheizen, natürlich.“ „Welchen Blutsverrätern?“ Die silberne Maske verschluckte Bartys Frage beinahe, so ehrfürchtig hatte er sie gehaucht. Mit klopfendem Herzen folgte er Bellatrix über den unebenen Grund der Wiese, wobei er aufmerksam seine Umgebung in Augenschein nahm — zumindest so weit das bei den spärlichen Lichtverhältnissen möglich war. „Na, was glaubst du, wer das sein könnte?“, stellte Bellatrix ihre Gegenfrage, sichtlich vergnügt darüber, dass Barty sich im Unklaren befand. „Du weißt doch sonst so gut bescheid.“ Nachdenklich ging Barty im Kopf die kürzlich zugetragenen Fälle durch. Es waren nicht viele gewesen und in den meisten waren die Betroffenen bereits tot oder es war sich angemessen um sie gekümmert worden. „Jim Harrison“, entfuhr es ihm schließlich. „Henry Simmons. Ich dachte-“ „Genau“, fiel ihm Bellatrix ins Wort. „Die beiden übrig gebliebenen Beschatter.“ Barty erstarrte. Ungläubig sah er zu seiner Begleiterin, während die unterschwellige Bedeutung ihrer Worte ihren Sinn in seinen Gedanken entfaltete. „Das heißt … ich darf …?“ Er ließ den Satz unausgesprochen. Auch so wollte er sich noch keine falschen Hoffnungen machen; dafür gab es zu viele andere Dinge, für die man ihn brauchen konnte. Doch Bellatrix nickte. „Wird Zeit, dass du dich beweist. Rodolphus hat sich bereits um Jones gekümmert und ist jetzt auf dem Weg zu Clarke. Er glaubt, dass sich Harrison und Simmons zusammengetan haben, deshalb dachte ich mir, ein bisschen Rückendeckung könnte nicht schaden.“ Barty schluckte. Mit einem Mal war er um die Maske froh, hinter der er sein Gesicht verbergen konnte, sonst hätte Bellatrix gesehen, wie er für einen flüchtigen Augenblick die Beherrschung verlor und sich ein aufgeregtes Strahlen in seine Züge legte. „Danke“, hauchte er und versuchte sich wieder auf die anstehende Aufgabe zu konzentrieren. Nun, da er wusste, was ihn erwartete, fiel es ihm schwer, seinen Enthusiasmus im Zaum zu halten. Aufgeregt spähte er auf die verlassene Landschaft, während seine Finger nachdenklich über den verschlungenen Griff seines Zauberstabs strichen. Er hatte eine Idee bekommen. Fragend schaute er zu Bellatrix, die mit einem leichten Lächeln auffordernd nickte. Sofort hob Barty den Zauberstab und murmelte leise Worte, die ihm offenbarten, dass der Bereich vor ihnen von mehreren Zaubern geschützt war — wahrscheinlich war sogar schon ihre Ankunft bemerkt worden. Ohne sich mit längeren Absprachen aufzuhalten, zückte Bellatrix ihrerseits ihren Zauberstab, vollführte eine komplexe Bewegung und stieß zu. Ihre Spitze blitzte in einem grellen Silberweiß auf, dann begann das Bild der nächtlichen Ländereien zu schmelzen und unter dem Anblick der verlassenen Wiese kam ein kleines, altes Bauernhaus zum Vorschein. „Wie bescheiden“, kommentierte Bellatrix spöttisch, während sie schnurstracks darauf zulief. Hastig folgte Barty ihr und kam nicht umhin, ihre Gelassenheit zu bewundern. Er selbst war ein einziges Nervenbündel. Ob vor Aufregung oder Angst konnte er gar nicht sagen. Er wusste nur, dass ihn diese unbekannte und doch langersehnte Situation mit Adrenalin erfüllte. „Klopf, klopf“, rief Bellatrix, ehe sie die alte Holztür mit Bombarda aus den Angeln sprengte. Ein kleine Staubwolke behinderte die Sicht in den schlichten Raum, der von einem schwachen Kaminfeuer beleuchtet wurde. Vorsichtig stieg Barty Bellatrix über die Trümmer hinterher und lauschte nach verräterischen Geräuschen. Doch bis auf den bröckelnden Stein, der mit der Tür aus der Wand herausgerissen worden war, war nichts zu hören. Ein leiser Auffindungszauber offenbarte ihm jedoch, dass sich noch eine weitere Person in ihrem näheren Umfeld befand. Plötzlich spürte Barty etwas hinter sich. Blitzschnell wirbelte er herum und machte sich bereit, jegliche Art von Zauber abzuwehren, aber da hatte Bellatrix bereits den rötlichen Blitz mit einem lässigen Schwenk vereitelt. In der Dunkelheit konnte Barty eine dunkle Gestalt ausmachen, die eilig vor ihnen zurückwich. Schon jetzt war absehbar, dass sie keine Chance gegen die beiden Todesser haben würde. Genauso absehbar war, dass sie sich nicht ohne Kampf geschlagen geben würde. Hastig wehrte Barty einen Fluch ab, der auf ihn gerichtet war und trat, überrascht von der Stärke des Angriffs, einen Schritt zurück. Wütend auf sich selbst, dass er so leicht aus der Fassung zu bringen war, stellte er sich an Bellatrix’ Seite und setzte seinerseits zum Angriff an. Während Barty zusehends in die Verteidigung fiel und immer mehr Zauber abwehren musste, apparierte Bellatrix auf einmal. In dem schwachen Mondlicht konnte Barty erkennen, wie Bellatrix neben ihrem Opfer wieder auftauchte, dann ging es unter qualvollen Lauten in die Knie. Langsam näherte sich Barty den beiden mit erhobenem Zauberstab. „Wie wär’s, wenn wir ihn erstmal reinbringen?“, meinte Bellatrix. „Da ist es warm und gemütlich und da haben wir alle Zeit der Welt, diesem Stück Abschaum ein paar Fragen zu stellen.“ Spielerisch stellte sie ihre Stiefelspitze auf die Wange des besiegten Zauberers und drehte sein Gesicht hin und her. „Oder was meinen Sie, Mr Simmons?“ Der Angesprochene brachte kein Wort heraus. In seinen Augen blitzte noch immer der Kampfgeist, während seine Stimme bereits von einem leisen Wimmern beherrscht wurde. „Schaffen wir ihn rein!“, bestimmte sie zu Barty gewandt und überließ es ihm, Simmons mit einer Ganzkörperklammer zu belegen und in das Haus schweben zu lassen. Das leise Knistern des Kaminfeuers erfüllte den Raum und warf sein flackerndes Licht auf das grausige Geschehen. Während Bellatrix Mr Simmons mit Seilen gefesselt hatte, hatte Barty dafür gesorgt, dass die Tür wieder repariert war und kein eisiger Luftzug in das behagliche Zimmer dringen konnte. Danach hatte er einen Zauber beschworen, der verhindern würde, dass eventuelle Schreie in der Ferne zu hören waren, denn auf eine Überraschung konnten sie in dieser Nacht gut verzichten. Nachdem diese Vorbereitungen erledigt waren, wandte sich Barty dem Grund seines Kommens zu. „Also Mr Simmons“, begann Bellatrix mit süßlicher Stimme, „fangen wir ganz einfach an. Sie wissen, warum wir hier sind?“ Mr Simmons schwieg. Wütend funkelte er die beiden Todesser vom dreckigen Boden herauf an und zeigte keinerlei Anzeichen der Kooperation. „Ich würde ja fast sagen, dass Ihre mangelnde Kooperation schade ist“, sagte Bellatrix und wandte sich dann an Barty. Er konnte das manische Glitzern ihrer Augen hinter der Maske erkennen und musste grinsen. „Aber das … wäre eine Lüge“, fuhr Bellatrix fort. Das gespielte Bedauern in ihrer Stimme war Verzückung gewichen. Plötzlich warf Mr Simmons den Kopf zurück. Seine Augen verdrehten sich, dass nur noch das Weiße zu sehen war und seiner Kehle entfuhr ein markerschütternder Schrei. Sein ganzer Körper begann wild zu zucken, während ihm sichtlich anzumerken war, dass er gegen die Schmerzen ankämpfte. „Versuchen wir es noch einmal“, sagte Bellatrix. „Sie kennen den Grund unseres Kommens, Mr Simmons?“ Der gefesselte Zauberer rang nach Atem. „Ja“, keuchte er schließlich. „Und?“, mischte sich Barty ein und spielte den Ungeduldigen. „Es ist wegen Underwood. Jones habt ihr schon erwischt. Jetzt wollt ihr die anderen.“ „Wollten wird das?“, fragte Barty, der eine Idee bekam. „Eigentlich ging es doch nur um Harrisons Aufenthaltsort, aber wenn wir schon einmal dabei sind …“ Verwirrt blickte Mr Simmons auf. „Wie? Ihr … ihr wollt doch-“ „Wir wollen vieles. Wir wollen die Schlammblüter und miesen kleinen Blutsverräter vernichten. Wir wollen die Zauberer zu ihrer wahren Größe zurück verhelfen. Aber Sie waren eigentlich für uns uninteressant“, fiel Bellatrix ihm ins Wort. „Da Sie aber anscheinend noch andere Informationen haben, wären wir natürlich auch daran interessiert“, fuhr Barty fort und trat einen kleinen Schritt vor. Er genoss es zu beobachten, wie Mr Simmons sich unwillkürlich weiter gegen die Wand presste in dem vergeblichen Versuch, Abstand zwischen sie zu bringen. „D-da gibt es nichts zu erzählen“, brachte Simmons hervor. „Underwood war verdächtig oft als Vergiss-Mich anzutreffen, wenn es weitere Muggelmorde an Einsatzgebieten gab.“ „Das wissen wir doch schon“, erklärte Bellatrix geradezu freundlich. „Gibt es da Einzelheiten?“ „Oder Dokumente?“, half Barty nach. „Es müsste sich alles in seiner Akte befinden.“ Barty hielt kurz inne und rief sich ins Gedächtnis, was er dieser Akte entnommen hatte. Es waren tatsächlich viele Informationen gewesen — einige hatten am Ende sogar besagt, dass Underwood bei einer Muggelleiche gefunden worden wäre. Nie aber etwas Eindeutiges, Aussagekräftiges gegen einen Todesser. „Und wurde sie gewissenhaft ausgefüllt?“, fragte er. „Natürlich!“ Barty wechselte einen flüchtigen Blick mit Bellatrix. Sein Herz hämmerte wild gegen seine Brust, als sie unmerklich nickte und er daraufhin seinen Zauberstab hob. „Crucio“, flüsterte er und beobachtete aufgeregt, wie sich Mr Simmons vor Qual zu Boden warf. Dort wand und krümmte er sich, soweit es seine Fesseln erlaubten, und schrie sich ganz jämmerlich die Seele aus dem Leib. „Sind Sie sich sicher?“, fragte Barty liebenswürdig, nachdem er seinen Unverzeihlichen Fluch wieder aufgehoben hatte. „Ja“, wimmerte der Mann und hob mühevoll das Tränen verschmierte Gesicht. „Alles, … was ich …weiß … befindet sich dadrin.“ „Und was ist mit unserem lieben Mr Harrison?“, wandte Bellatrix ein. Mr Simmons verzichtete jedoch auf eine Antwort. Stattdessen wand er sich auf dem dreckigen Holzboden, in dem vergeblichen Versuch, sich wieder aufzurichten, um seinen Peinigern mit Würde ins Gesicht sehen zu können. Bellatrix schnaubte verdrossen. „Ich höre?“ Ein Schrei gellte auf, als plötzlich eine Flamme Mr Simmons Gesicht streifte. Ehe er reagieren konnte, schossen weitere kleine Flammen aus den Bodendielen, genau aus den Stellen, auf denen er sich abstützte und aufzurichten versuchte. „Mr Harrisons Aufenthaltsort?“, half Bellatrix den Gedanken ihres Opfers nach, nachdem sie ihren Incendio-Zauber wieder beendet hatte. „Ich weiß es nicht.“ „Wirklich nicht?“ Bedrohlich lehnte sich Bellatrix vor. Dann griff sie in Mr Simmons dunkle Haare und riss seinen Kopf nach oben, so dass sie ihm direkt in die Augen sehen konnte. „Sie wissen doch sicherlich, dass Sie sich ein bisschen Leid ersparen könnten, Mrs Simmons, oder?“ Ihr antwortete nur ein trotziges Keuchen, als der Zauberer versuchte, sich aus ihrem Griff zu entwinden. „Und vergessen Sie bitte nicht Ihre schwangere Frau“, warf Barty auf einmal beiläufig ein. „Mit Ihrer Kooperation sorgen Sie dafür, dass wir ihr ein schnelles Ende gewähren — oder vielleicht sogar eine Chance. Das wäre doch etwas!“ „Ihr Schweine!“, schrie Mr Simmons und versuchte sich mit seinem Gewicht gegen Bellatrix zu werfen. Die ließ ihn jedoch einfach los, wodurch er hart zu Boden schlug. Fluchend und windend versuchte er von dort unten erneut einen bedrohlichen Blick auf die beiden Todesser zu bekommen. Doch es hatte keinen Zweck. Der jämmerliche Anblick, den er darbot, brachte Bellatrix und Barty einzig zum Lachen. „Das war die falsche Antwort“, flötete Bellatrix schließlich und ließ spielerisch ihren Zauberstab durch die Luft schwenken. Sofort brach Mr Simmons in schmerzerfülltes Geschrei aus. Nachdenklich stellte Barty fest, dass er einen Menschen noch nie so hatte schreien hören. Er war richtiggehend überrascht, was für Tonlagen die Stimme erreichte. Nachdem Bellatrix ein weiteres Mal ihren Cruciatus von Mr Simmons genommen hatte, lag ihnen ein einziges wimmerndes Nervenbündel zu Füßen. „Ich weiß nichts“, brachte der Zauberer erstickt hervor. „Bitte. Harrison … sollte hier sein … und is dann einfach weg.“ Mit klappernden Zähnen holte er Luft. „Wollte er zurückkommen?“, fragte Barty unbeeindruckt. „Ich … keine Ahnung.“ „Das ist eine sehr unbefriedigende Antwort“, sagte Bellatrix. Barty nickte beipflichtend, dann hielt er inne. Eilig sah er zu Bellatrix, die es ebenfalls bemerkt hatte und zwar keine Sekunde zu früh, denn da schoss die Tür zum zweiten Mal in dieser Nacht aus den Angeln. Sofort beschwor Barty einen Protego, während er in der aufgekommenen Staubwolke etwas zu erkennen versuchte. Neben sich konnte er Bellatrix husten hören, ehe sie den ersten Fluch ziellos in den Eingangsbereich schleuderte. Einem Instinkt folgend trat Barty näher zu Mr Simmons und wartete mit gezücktem Zauberstab den nächsten Angriff ab. Wer immer vor der Haustür stand — es konnten nicht viele sein, sonst wäre der Angriff von mehreren Seiten gekommen. „Wenn das nicht Mr Harrison ist“, hörte er Bellatrix’ Stimme. Ein Fluchen ertönte und ein blitzschneller Wechsel der härtesten Angriffszauber, dann war wieder alles ruhig. Vorsichtig ließ Barty mit einem Schwenk die Staubwolke verschwinden, deren Dichte magisch verstärkt worden war. Bellatrix und Mr Harrison starrten sich wortlos an. Beide hatten den Zauberstab erhoben. Mit Schrecken musste Barty feststellen, dass Bellatrix ihre Maske verloren hatte. Ihre dunklen Augen waren herausfordernd auf den massigen Zauberer vor ihr gerichtet, während ihre aristokratischen Gesichtszüge von einer Mischung aus Wut und Anstrengung verzogen waren. „Ich werde … nicht“, knurrte der Zauberer, bei dem es sich allem Anschein nach um Mr Harrison handelte. Bellatrix sagte nichts. Ihre Hände hatten sich zu Fäusten geballt und ihre geschwungenen Augenbrauen zogen sich finster zusammen. Der Zauberer ächzte. Aufmerksam verfolgte Barty das Geschehen, nicht sicher, ob er eingreifen sollte. Noch sah es nicht allzu gefährlich für Bellatrix aus, weshalb er sich schließlich dagegen entschied. Wenn es brenzlig wurde, konnte er Mr Harrison noch immer verhexen oder im Ernstfall töten. Auf einmal merkte er, wie sich neben ihm etwas rührte. Stöhnend versuchte Mr Simmons einen Blick auf seinen Kollegen zu erhaschen. „Jim“, krächzte er schwach. „J-jim…d-“ Mehr konnte er nicht sagen, da Barty ihm grob in die Magengrube getreten hatte. „Schnauze“, zischte er. Im selben Moment ging Mr Harrison ehrerbietig in die Knie. Überrascht starrte Barty auf den knienden Auroren, der langsam den Oberkörper zu Boden neigte, um Bellatrix demütig die Stiefel zu küssen. Barty musste grinsen. Die Verstärkung hatte ganz offensichtlich verloren. Bellatrix indessen verlor nicht viel Zeit und zwang Mr Harrison mit Hilfe ihres Imperius-Fluchs zum Reden. „Wo sind Sie gewesen, Mr Harrsion?“ „Bei Johanna.“ „Johanna?“ „Mr Simmons Frau“, warf Barty ein. „Gut“, Bellatrix schenkte ihm einen verärgerten Blick, dann wandte sie sich wieder ihrem Opfer zu. „Was haben Sie da gemacht?“ „Ich … ich hab ihr gesagt, dass mit Henry alles in Ordnung ist und er sie bald wiedersehen kann.“ „Ach tatsächlich?“ Bellatrix’ Stimme wurde gefährlich leise, während sie nachdenklich von Mr Harrison zu Mr Simmons sah. „J-Jim“, kam es auf einmal aus der Ecke, in der sich der andere Auror befand. „Bitte … nicht… du“, doch ein weiterer Tritt von Barty brachte den Zauberer mit einem kläglichen Hustenanfall zum Verstummen. „Das hat doch keinen Zweck“, erklärte Barty mit gespielter Liebenswürdigkeit und hockte sich in falschem Mitgefühl neben Mr Simmons, „das müssten Sie doch bereits verstanden haben. Lassen Sie Ihren Kollegen reden — das könnte seine Familie retten.“ „Zum Teufel mit euch, ihr ver-“ „Ah, ah, ah“, sagte Barty und wackelte mahnend mit dem Zeigefinger. „Das macht das alles nicht besser.“ Vergnügt beobachtete er das wutentbrannte Gesicht Mr Simmons, der ihm wahrscheinlich gerade die unflätigsten Dinge an den Kopf warf, die ihm einfielen. Doch über seine Lippen drang kein Laut mehr — dafür hatte Barty gesorgt. „Entschuldige, die kleine Störung“, sagte er galant an Bellatrix gewandt und blickte dann neugierig zu Mr Harrison. Plötzlich brach unter dessen ausdruckslosen Miene ein grimmiges Lächeln hervor. „Ihr werdet das alles noch bereuen“, stieß er aus. „Ihr werdet allesamt nach Askaban kommen und dort eure gerechte Strafe absitzen!“ „Ach wirklich?“, zischte Bellatrix. Dieses Mal glomm unbändiger Zorn in ihren dunklen Augen und ehe es sich Mr Harrison versah, erzitterten seine Glieder unter einem schrecklichen Cruciatus. „Das werden wir ja sehen. Imperio!“ Erneut trübte sich die Miene des Aurors. Mit glasigem Blick starrte er zu den beiden Todessern und brachte dank seiner Schmerzen keinerlei Widerstand mehr auf, um gegen den Imperius-Fluch anzukämpfen. „Also was wisst ihr über Underwood?“, fragte Bellatrix leise. „Underwood? Underwood … stand mit Todessern im Bunde.“ Mr Harrisons Gesicht verzerrte sich flüchtig, als kämpfte noch immer etwas dagegen an, diese Worte hervorzubringen, „Wir haben … nicht herausfinden können … mit wem, aber dieses Arschloch … hat unschuldige Muggel getötet.“ „Na, das ist doch einmal eine klare Aussage“, grinste Bellatrix zufrieden und sah mit zur Seite geneigtem Kopf zu Barty. „Brauchst du den noch?“, wollte sie wissen, wobei sie mit dem Zauberstab bereits auf ihr Opfer deutete. Schweigend schüttelte Barty den Kopf. Er war sich sicher, dass er Mr Simmons Glauben schenken konnte und da auch Rodolphus nach Jones’ „Befragung“ keine neuen Informationen hatte, konnte er davon ausgehen, dass Mr Harrison für sie von keinem Nutzen war. „Gut“, meinte Bellatrix. Lächelnd wandte sie sich Mr Harrison zu, hob ihren Zauberstab und sagte beinahe zärtlich: „Avada Kedavra!“ Wie eine Puppe, der man die Fäden durchtrennt hatte, klappte Mr Harrison in sich zusammen. „Was machen wir mit ihm hier?“, fragte Barty; dabei deutete er auf Mr Simmons, der sich panisch gegen die Wand drückte. „Ich würde sagen, er ist ganz deiner“, antwortete Bellatrix mit einem Lächeln, während sie einen prüfenden Blick aus einem der kleinen Fenster warf. „Wir scheinen diese Nacht keinen weiteren Besuch zu bekommen.“ Barty musste unwillkürlich grinsen. Mit einem Schwenk hob er seinen Silencio wieder auf und starrte nachdenklich auf den am Boden liegenden Zauberer. Er wusste, dass sich ihm gerade die seltene Gelegenheit bot, alles, was er wollte, auszuprobieren. „Bitte … nicht“, japste Mr Simmons jämmerlich. Abschätzig beobachtete Barty hinter seiner Maske, wie Mr Simmons Gesicht einen Ausdruck angenommen hatte, der ganz offensichtlich um Gnade winselte. Er fand das verabscheuenswürdig. Es war ein Zeichen von Schwäche, zeigte, dass man nicht voll und ganz hinter seiner Aufgabe stand. „Du weißt nichts Weiteres über Underwood, oder?“, fragte er kalt. Allen Anwesenden war jedoch bewusst, dass es mehr eine Feststellung als eine Frage war, für die es keine Antwort brauchte. Ein Blick in Mr Simmons weitaufgerissenen Augen und Barty wusste genug. „Gut“, sagte er bedächtig, „vielleicht freut es Sie zu hören, dass … Johanna aus erster Hand erfahren wird, was sich hier zugetragen hat.“ Langsam zog Barty seinen Zauberstab. Unter seiner Maske hatte sich in seine Gesichtszüge ein irres Lächeln ausgebreitet, während er den Moment seiner Macht genoss. Er hatte vor, den größten Nutzen daraus zu ziehen, weshalb er sich einen der kürzlich gelesenen Zauber in Erinnerung zu rufen versuchte. Leise murmelte Barty die beiden lateinischen Worte und spürte einen Schwall dunkelster Magie aus ihm herausbrechen. In einem feinen violetten Nebel sprühte sie aus der Spitze seines Zauberstabs hervor und drang schließlich durch die Poren in Mr Simmons ein. „Was sollte das denn sein?“, fragte Bellatrix belustigt, als keine sofortige Reaktion kam. Mit einem spöttischen Funkeln in den dunklen Augen trat sie an Bartys Seite und betrachtete Mr Simmons verächtlich. „Wart’s ab.“ Konzentriert starrte Barty auf sein Opfer, als könnte er mit seinem bloßen Willen den Zauber beschleunigen. Er war sich sicher, dass er alles richtig gemacht hatte. So wie er es sich die vergangenen Nächte über immer wieder durchgelesen und notiert hatte. Dann begann Mr Simmons zu wimmern. Stöhnend wälzte er sich auf den dreckigen Bodendielen, während sich alles an ihm verkrampfte. Das Wimmern und Stöhnen wurde lauter und qualvoller. Für einen Moment war Barty abgestoßen, von dem was er sah und hörte. Der Gedanke an das, was sich vor seinen Augen abspielte bereitete ihm Übelkeit, bis er sich wieder in Erinnerung rief, dass er es war, der solch ein Werk vollbringen konnte. Er hatte die Macht dafür, er bediente sich Wissen, für das die meisten zu feige waren, es sich anzueignen. „Nicht schlecht“, gab Bellatrix schließlich zu, nachdem die ersten Schmerzensschrei von blutigem Schaum erstickt wurden, der aus Mr Simmons Mund zu quellen begann. „Aber wir sollten uns langsam beeilen, sonst sind wir morgen früh noch hier, bis dieser Verräter endlich verreckt ist.“ Womit sie nicht ganz unrecht hatte, denn Bartys Fluch entfaltete mit qualvoller Langsamkeit seine Wirkung. Also hob Barty erneut seinen Zauberstab und sprach dieses Mal einen Fluch, der ihm besser vertraut war: „Avada Kedavra.“ Fasziniert beobachtete Barty, wie der grüne Lichtblitz in Mr Simmons Körper drang und ihn schlagartig seines restlichen Lebens beraubte. Die Stille, die daraufhin einkehrte, war merkwürdig beklemmend. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, verließen Barty und Bellatrix das kleine Haus. Erst als sie sich wieder in der kühlen Nachtluft befanden, wandte sich Bellatrix mit einem Hauch von Anerkennung an Barty. „Das lief doch nicht schlecht“, sagte sie, während ihr Blick abschätzig zu dem kleinen Gebäude zurückkehrte. So bemerkte sie nicht, wie Bartys Augen zu leuchten begannen bei dem Lob. Die Erinnerungen an das soeben Geschehene, waren noch zu frisch, als dass er sie gänzlich erfassen konnte. Doch Bellatrix’ Worte bedeuteten ihm eine ganze Menge. Dann wandte sich die Hexe ihm wieder zu. „Ich würde sagen, für heute Nacht gebührt dir die Ehre“, bestimmte sie, wobei sie mit einer eleganten Geste in die Höhe deutete. Barty verstand sofort. Voller Freude reckte er seinen Zauberstab gen Himmel und hauchte ehrfürchtig das Wort, das er so lange hatte aussprechen wollen: „Morsmordre!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)