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Zeiten des Schreckens

von

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Der Fehler

„Was hast du gesagt?“

Bartys Kopf schmerzte. Müde rieb sich Barty die Augen und beobachtete, wie alle Farbe aus Rabastans Gesicht wich, als er zum zweiten Mal vom Vorfall im Ministerium berichtete.

„Weißt du, wie viel sie aus Underwood herausbekommen haben?“, fragte Rabastan mit belegter Stimme.

Barty schüttelte den Kopf. „Ich musste weiter, vielleicht hat Rookwood-“

„Rookwood?“

„Ja, ich bin ihm kurz darauf begegnet. Er weiß bescheid.“

„Scheiße. Sonst noch jemand?“

Barty zuckte die Achseln. „Ich weiß es nicht“, sagte er erschöpft und bemühte sich darum, aufmerksam zu bleiben. Rabastans Verhalten weckte seine Skepsis. Irgendetwas stimmte nicht und er musste herausfinden, was es war. An Erholung würde er später noch denken können. „Aber vielleicht hat Rookwood den Vorfall weitergegeben. Kommt drauf an, wie ernst die Lage ist.“

Rabastan sagte nichts.

„Wie ernst ist die Lage?“, hakte Barty nach.

Rabastan gab noch immer kein Wort von sich.

Bartys Augen verengten sich zu Schlitzen. Er spürte, Adrenalin in sich aufsteigen, das ihn wieder klarer denken ließ.

Plötzlich sprang Rabastan auf. „Okay, tut mir leid, aber das wird heute nichts. Ich muss noch einmal los.“

„Wo willst du hin?“, wollte Barty wissen.

„Das geht dich ’n Dreck an. Geh am besten nach Hause, wir können morgen oder so alles Weitere besprechen.“

„Warte!“, rief Barty, doch zu spät; Rabastan war bereits disappariert. Wütend trat Barty in den Dreck, dann griff er einem Impuls folgend nach seinem Zauberstab, drehte sich einmal um die eigene Achse und apparierte.
 

Taumelnd kam er vor seinem Zuhause an und lief sofort zur Haustür, die er in seiner Eile ungeschickt öffnete.

„Möchte der junge Herr etwas haben? Winky kann ein bisschen von dem Abendessen und ein erfrischendes Glas-“

„Jetzt nicht“, würgte Barty die kleine Hauselfe ab. „Ist Mutter schon schlafen gegangen?“


Die Elfe nickte. „Die Mistress war sehr müde und hat sich früh hingelegt. Aber vorher hat sie Winky gesagt, dass sie sich um die beiden Herren kümmern sollte, wenn sie wiederkommen.“

„Schon gut, danke, Winky“, sagte Barty hastig und hoffte, dass er die fürsorgliche Hauselfe so zum Verstummen brachte. „Ich brauche nichts, wirklich. Am besten wir sind jetzt leise, damit wir Mutter nicht aufwecken, ja?“

Winky nickte.

„Ich muss noch was für meinen Vater holen, heute wird es wieder spät, deshalb kannst du dich zurückziehen. Verstanden?“

„Ja, Winky, versteht, auch wenn Winky es bedauert, dass die Herren so viel Arbeit haben.“

Barty hätte am liebsten die Augen verdreht. Warum mussten Hauselfen sich so lange mit diesen dämlichen Treuebekundungen aufhalten?

„Dann geh!“, zischte er.

„Natürlich, Winky, will den jungen Herr nicht mehr belästigen“, hörte er da die ersehnten Worte aus dem Mund der dummen Hauselfe und beobachtete, wie sie in der Dunkelheit verschwand. Mit einem grimmigen Lächeln sah er in den Flur. Der Griff um seinen Zauberstab wurde fester. Was er nun vorhatte, hatte er sich Zeit seines Lebens noch nie gewagt und er wusste, dass es katastrophale Folgen haben würde, wenn er entdeckt werden würde.

Konzentriert schloss Barty die Augen und begann einen komplexen Zauber zu weben, der seine Präsenz ebenso wie seine Schritte verschleiern würde. Als er fertig war, schlich er vorsichtig näher zur Bürotür seines Vaters und begann sie angespannt nach Schutzvorrichtungen abzusuchen.

Barty fand jedoch überraschend wenig und dazu noch einen überraschend schwachen Schutz. Fühlte sich dieser alte Mistkerl wirklich so sicher? Nun, ihm konnte es recht sein.

Mit einem breiten Grinsen entsicherte Barty die Schutzvorrichtung und wagte sich vorsichtig weiter vor.

„Lumos“, flüsterte er und begann im bläulichen Licht von der Spitze seines Zauberstabs mit seiner Suche.

Es dauerte, da Barty mit größter Vorsicht vorgehen musste, um keine verräterischen Spuren zu hinterlassen, doch am Ende, hielt er zwei kopierte Dokumente in der Hand. Ein Gefühl des Triumphs schwoll in ihm an, als er das Büro samt Schutzvorrichtung in seinen Ursprungszustand versetzte und sich anschließend in sein Zimmer begab.

Angespannt breitete Barty die beiden langen Pergamentrollen vor sich auf dem Schreibtisch aus. In enger Schrift war feinsäuberlich eine kleine Zahl an Zauberern gelistet, die die Aurorenzentrale für verdächtig hielt mit Todessern im Bunde zu stehen. Ein schneller Blick versicherte Barty, dass von den meisten Verdachten keine Gefahr ausging, doch unter ihnen befand sich Peter Underwood.

Bartys Blick schnellte zu dem zweiten Pergament, auf dem sich nähere Angaben zu dem Verdächtigen befanden. Halbblüter, Vater von einem Kind, Vergissmich, Norrell-Tragödie.

Norrell-Tragödie…

Die kleinen Buchstaben begannen vor seinen Augen zu verschwimmen, bis es gar unmöglich wurde, ihren Sinn zu entziffern. Verbissen kämpfte Barty gegen die aufkommende Müdigkeit an. Er merkte, wie seine Glieder schwer wurden, wie an seinen Lidern Gewichte zu hängen schienen, die sie unerbittlich nach unten ziehen wollten. Wenn er sie zumachen würde. Nur für ein paar Minütchen. Vielleicht würden dann auch endlich diese entsetzlichen Kopfschmerzen weggehen. Diese Kopfschmerzen, die ihn den ganzen Tag schon geplagt hatten. Den ganzen langen Tag, den er im Zaubereiministerium verbracht hatte. Die Arbeit … so viel Arbeit…
 

Glühender Schmerz ließ Barty erschrocken hochfahren. Keuchend krümmte er sich zusammen und versuchte zu begreifen, was geschah. Seine Gedanken drehten sich träge im Kreis, noch immer von der Müdigkeit übermannt. Er befand sich in seinem Zimmer, er war mitten in einer Recherche. Er war eingeschlafen!

Und plötzlich war da dieses entsetzliche Brennen. Dieses Ziehen — es glich fast einem Rufen. In dem Moment fiel es Barty wie Schuppen von den Augen. Voller Grauen zog er seinen linken Ärmel hoch und starrte im spärlichen Licht einer verzauberten Kerzenflamme auf das Dunkle Mal, das sich stärker denn je von seiner blassen Haut abhob.

Der Dunkle Lord rief nach ihm.

Hektisch sprang er auf. Sein Blick irrte durchs Zimmer, während seine Gedanken rasten. Er musste dem Ruf augenblicklich folgen, doch durfte er dabei nicht zu unüberlegt vorgehen. Er kämpfte gegen den Impuls an, sofort zu apparieren, sondern widmete sich zuerst mit einem Schlenker seines Zauberstabs den verräterischen Dokumenten. Im Nu waren sie in einem geheimen Fach unter seinem Bett verstaut. Dann begutachtete er sich prüfend im Spiegel, wischte sich den letzten Rest Schlaf aus den Augen und strich sich durch das zerzauste Haar. Mehr Zeit für derlei Eitelkeiten blieb jedoch nicht.

So leise wie möglich verließ er das Haus, um abseits des Apparierschutzes aufzubrechen. Er wusste nicht, wohin es ging, doch vertraute er dem Rufen des Dunklen Mals und so gelangte er ohne irgendwelche Vorkommnisse in einen kleinen Vorraum.

„Da bist du ja“, empfing ihn eine knurrende Stimme, die er für die von Macnair hielt, und er spürte, wie ein grober Schubs ihn nach vorne stolpern ließ. Erschöpft folgte Barty dem anderen Todesser, wobei er geistesgegenwärtig genug war, seine silberne Maske aufzusetzen, bevor er durch die doppelflüglige Tür schritt.

Ein prachtvoller Raum erstreckte sich vor ihm, der von mehreren kleinen Kerzenflammen sowie einem großen Kaminfeuer im hinteren Teil beleuchtet wurde. In der Mitte befand sich eine lange Tafel aus dunklem, kunstvoll bearbeitetem Stein, an dessen beiden Seiten die bereits eingetroffenen Todesser saßen. An ihrem Kopfende thronte der Dunkle Lord persönlich, der seinen mitleidlosen Blick auf seine reglosen Diener gerichtet hatte. Ihre Haltung war steif. Unheilverkündendes Schweigen hatte sich auf die Versammelten herabgesenkt und schien jeden von Bartys Schritten in doppelter Lautstärke erklingen zu lassen. Ein viel zu lautes Scharren ertönte, als er vorsichtig seinen Stuhl hervorzog und am anderen Ende der Tafel, weit entfernt von seinem Herr und Meister, Platz nahm.

Schweigend wartete Barty darauf, dass dieser das Wort ergriff. Unterdessen konnte er jedoch nicht vermeiden, wie seine Gedanken noch immer in einem halsbrecherischen Tempo durch seinen Kopf rasten. Bilder, Gedanken, Satz- und Wortfetzen blitzten auf und scheiterten letztlich daran, einen Zusammenhang zu bilden. Alles schien so furchtbar durcheinander. Am liebsten hätte sich Barty die Schläfen gerieben, doch verhinderte seine Maske das.

Also bemühte er sich, sich zu konzentrieren. Zu konzentrieren auf die verbleibenden Mitglieder, die nach und nach eintrudelten, bis sie zu dieser unmenschlichen Zeit vollständig versammelt waren.
 

„Ich bedauere es wirklich sehr, euch zu dieser Stunde einberufen zu haben“, eröffnete Voldemort leise die Versammlung, „doch blieb mir leider keine Wahl.“

Barty beobachtete, wie sich die Anwesenden fragend ansahen. Keiner schien so recht zu wissen, um was es ging. Keiner — bis auf eine schlaksige Gestalt, die elendig in sich zusammengesunken war.

„Wie ihr alle sicherlich wisst, ist unsere Arbeit von Erfolg gekrönt. Die erbärmlichen Blutsverräter und Muggelfreunde müssen immer weiter vor unserer Macht weichen. Nicht mehr lange und der Sieg ist unser.“

Zustimmende Laute des frühen Jubels ertönten, die jedoch augenblicklich verstummten, als Voldemort jäh aufstand.

„Doch auch wenn wir unser Ziel bald erreicht haben“, zischte er mit eisiger Miene, „ist dies noch lange kein Grund unachtsam zu werden. Denn Unachtsamkeit führt zu Fehlern. Und Fehler werde ich nicht in meinen Reihen dulden!“

Unangenehme Stille füllte den Raum, in dem die Worte des Dunklen Lords langsam ihre volle Bedeutung entfalteten. Verstohlene und teils ängstliche Blicke wurden ausgetauscht, während sich neben dem Dunklen Lord die Schlange Nagini zischend aufrichtete.

„Fehler“, fuhr Voldemort diesmal gefährlich leise fort, „werde ich nicht ungestraft geschehen lassen.“

Noch ehe irgendjemand reagieren konnte, zerriss ein markerschütternder Schrei das Schweigen. Erschrocken beobachtete Barty, wie sich die zuvor zusammengesunkene Gestalt plötzlich wand und krümmte, während sie allmählich in die Höhe stieg.

„Fehler“, donnerte der Dunkle Lord über die Schmerzenslaute seines Dieners hinweg, „erlauben es diesen verachtenswerten Schlammblütern vorzudringen und unsere standhafte Reihe zu schwächen.“

Ein weiterer Schrei folgte diesen Worten und Barty wurde mit einem mulmigen Gefühl klar, dass er die Stimme kannte.

„Wie konnte es passieren, dass ein mickeriger Halbblüter unserem Feind wertvolle Informationen liefern konnte?“

„I-ich weiß es … nicht, mein Herr, bitte…“, drang es dumpf unter der Maske des gequälten Todessers hervor.

„Du weißt es nicht?“, wiederholte Voldemort in gespieltem Erstaunen. Dann zuckte seine Hand blitzschnell hervor. Ein dunkles Licht flammte auf und stieß den Todesser zu Boden, wo er japsend und wimmernd nach Atem rang. Mit einem weiteren Schlenker seines Zauberstabs löste Voldemort die silberne Maske des Gepeinigten in Luft auf und offenbarte das schmerzverzerrte Gesicht Rabastans.

„Bitte glaubt mir“, keuchte Rabastan mit zusammengebissenen Zähnen, „Wir hatten … die Situation unter … Kontrolle. Wir wussten nicht …“ Doch seine letzten Worte wurden von einem weiteren Schmerzensschrei verschluckt.

„Ihr wusstet also nicht, dass bereits Auroren da waren?“, meinte Voldemort höhnisch. „Wisst ihr … vielleicht mehr?“
 

Die Diener des Dunklen Lords saßen stocksteif auf ihren Plätzen. Kaum einer fühlte sich angesprochen oder wagte es gar, seinen Herrn anzusehen.

Barty war es unter seiner Maske schrecklich heiß geworden. Er bemerkte gar nicht, dass er vor Angst unwillkürlich zu zittern begonnen hatte. Alles, was in diesem Augenblick zählte, waren die Informationen, die er hatte und die er nicht hatte.

„Nun, ich höre, Avery?“

Eine zweite Gestalt war, von einer unsichtbaren Macht getroffen, schreiend zu Boden gestürzt.

Bedrohlich schritt Voldemort die Reihe seiner treuen Diener ab, wobei er jeden einzelnen prüfend musterte.

Niemand meldete sich jedoch zu Wort. Alle sahen sie auf die dunkle Tischplatte und schwiegen.

„Er hat einen unserer besten Standorte verraten“, bemerkte Voldemort. „Nicht nur das: Sie hätten fast eine Quelle bekommen, die Namen hätte sagen können. Kannst du dir das vorstellen, Rosier?“

Eine dritte Gestalt wurde zu Boden geschleudert.

„Glücklicherweise reichten unsere Informationsquellen aus. Ich fürchte, der gute Wilf Stroud ist nicht mehr am Leben.“

Barty überlief bei diesen Neuigkeiten ein eiskalter Schauer. Vor wenigen Tagen hatte er ein weiteres Mal mit Rabastan von dem geheimen Treffpunkt in der Nokturngasse Gebrauch gemacht und sich im Keller von Wilfs Geschäft im Duellieren geübt.

„Sollte euch ein weiterer Fehler unterlaufen“, sprach Voldemort dieses Mal wieder an die drei Todesser gewandt, die vor Schmerzen zuckend und wimmernd am Boden lagen, „werde ich nicht so gnädig sein wie heute.“

Die roten Augen des Dunklen Lords schimmerten kalt, als er seine Aufmerksamkeit wieder seinen übrigen Dienern schenkte. „Ich möchte, dass ihr die heutige Nacht im Gedächtnis behaltet, wenn ihr demnächst eure Aufträge ausführt.“

Ein Nicken ging durch die Reihen der Todesser.

„Gut, dann erkläre ich diese Versammlung hiermit für beendet.“

Das Scharren von Stühlen, die nach hinten geschoben wurden, sowie das Rascheln von Roben erklangen, als die meisten eilig aufstanden, um sich aus dem Staub zu machen. Barty hielt in dem Gewirr jedoch zögernd inne. Er sollte gehen. Er wusste, dass er gehen und schlafen sollte, um am Morgen ausgeruht einen neuen Arbeitstag antreten zu können. Es gab nichts, das ihn hier noch hielt und noch weniger wollte er mit dem Zorn seines Meisters konfrontiert werden.

Und dennoch sah er zu Rabastan, der sich ächzend wieder aufrappelte, und fragte sich, was geschehen war. Was das Verhör von Peter Underwood ausgelöst hatte.
 

Etwas weiter abseits konnte Barty Rookwood sehen, wie er zu dem Dunklen Lord ging und ihm in demütiger Haltung einen Bericht abstattete. Plötzlich richtete sich das Augenmerk auf ihn. Barty erstarrte, als ihn der flüchtige Blick seines Herr und Meisters traf. Er überlegte gerade, ob er Anstalten machen sollte, doch noch vorzutreten und die spärlichen Neuigkeiten, die er hatte, vorzubringen, als der Dunkle Lord sich wieder Rookwood zuwendete und ihn im selben Moment ein harter Stoß fast aus dem Gleichgewicht brachte.

„Mitkommen“, hörte er Rodolphus’ Stimme dumpf unter der Maske hervordringen.

Völlig überrumpelt stolperte Barty der großen Gestalt hinterher.

„Rod…“, brachte Rabastan heraus, der unter all den Schmerzen kaum stehen konnte. Aber da hatte ihn bereits ein harter Stoß seines Bruders zu Boden geworfen.

„Was soll das?“, empörte sich Rabastan schwach, während er sich mühselig wieder aufrappelte. „Ich hab…“

„Bis du von allen guten Geistern verlassen?“, zischte Rodolphus und packte Rabastan grob am Kragen seiner Robe. „Warum hast du nichts davon gesagt? Wie konnte dir das passieren?“

Barty wurde unwohl zumute, als er beobachtete, wie der um einiges größere und kräftigere Rodolphus seinen Bruder mühelos in der Luft hielt, wo dieser sich röchelnd aus dem Griff zu befreien versuchte.

„Ich … kann das … erklären“, brachte Rabastan schwach hervor und fiel ein weiteres Mal zu Boden, nachdem ihn sein Bruder losgelassen hatte.

Rodolphus hatte die Maske abgenommen und schnaubte verächtlich. „Erklären“, sagte er bitter, „das ist das Mindeste, was du mieser, unfähiger Haufen von Trolldreck tun kannst!“

„Wir sollten gehen“, erinnerte ihn auf einmal Bellatrix warnend, die mit missgelaunter Miene an die Seite ihres Mannes getreten war. „Sofort“, zischte sie, als Rodolphus Anstalten machte, wieder auf seinen Bruder loszugehen. Stattdessen packte er ihn jedoch nur am Kragen und schleifte ihn mit sich aus dem Versammlungsraum.
 

Eilig folgte Barty den drei Lestranges und apparierte gemeinsam mit ihnen zurück auf ihr Anwesen. Kaum befanden sie sich in dem geräumigen Wohnzimmer, ließ Rodolphus seinen Bruder achtlos los. Barty konnte hören, wie Rabastans Kopf mit einem schmerzhaft klingenden Laut auf den harten Steinboden aufschlug. Stöhnend blieb er dort liegen.

Für einen kurzen Moment kehrte die nächtliche Stille ein, in der die drei Todesser reglos auf die armselige Gestalt zu ihren Füßen starrten.

„Und jetzt verrate mir, was das sollte“, knurrte Rodolphus mit geballten Fäusten. „Wie konntest du unseren Namen so in den Dreck ziehen?“ Außer sich vor Wut wirbelte er herum und trat seinem Bruder mit voller Wucht in die Seite. „Nachdem wir alles getan haben, um uns als treueste Diener würdig zu erweisen, baust du irgendeine Scheiße!“

Hastig rollte sich Rabastan zur Seite, um einem weiteren Tritt zu entgehen und stieß dabei unsanft gegen ein Tischbein. Mit schmerzverzerrtem Gesicht griff er nach der hölzernen Kante der Tischplatte und versuchte sich ächzend aufzurichten. „Tue nicht … so wichtig“, brachte er mühsam hervor. „Dir hätte genauso ’n … Fehler passieren können.“

Dieses Mal zischte ein Fluch durch die Luft, den Rabastan in letzter Sekunde mit einem Protego abwehren konnte.

„Tschuldigung, hab ja ganz vergessen, dass der … ach so große Rodolphus, Träger und Erbe unseres ehrenwerten Namen, unfehlbar ist.“

„Halt die Klappe!“, brüllte Rodolphus. Seile schossen aus der Spitze seines Zauberstabs hervor und schlangen sich um die wehrlose Gestalt seines Bruders.
 

Unruhig wandte Barty den Blick von dem Geschehen ab und sah unwillkürlich zu Bellatrix, die schweigend neben ihm stand. Es war das erste Mal in seinem Leben, dass Barty sie in einer solchen Situation tatenlos vorfand. Ihr war anzusehen, dass sie Rabastan am liebsten mit dem Cruciatus gefoltert hätte, bis ihm Hören und Sehen vergingen, doch überließ sie das ihrem Mann. Es war eine Sache, die weit persönlicher ging, als es den Anschein hatte und das gefiel Barty nicht. Es interessierte ihn auch nicht. Er wollte wissen, wofür er gebraucht wurde und nicht Zeuge werden, wie eine Familienstreit vom Zaun brach. Doch stattdessen musste Barty zusehen, wie Rodolphus den mittlerweile hilflosen Rabastan immer übler zurichtete.

„Du elender Scheißkerl“, fluchte Rabastan und spukte Blut, nachdem ihn ein harter Faustschlag getroffen hatte. „Hör mir doch erstma zu! Das war nicht meine Schuld-“

Ein Fluch peitschte durch die Luft und riss ihm die letzten Worte von den Lippen.

„Natürlich“, höhnte Rodolphus, während er sich langsam seinem Bruder näherte. „Es ist nie deine Schuld. Das war’s auch nie gewesen. Wie konnte mir das nur entgehen?“

„Scheiße noch mal, keiner von uns hat damit gerechnet. Wir haben alles wie geplant gemacht. Dieses kleine Schlammblut hätte ’n ordentliches Willkommen gehabt und dann kam diese verschissene Patrouille!“

„Red dich nur raus“, sagte Rodolphus kalt und Barty bemerkte, wie dessen Zauberstabspitze für einen flüchtigen Moment grün aufblitzte. Ein markerschütternder Schrei folgte. Rabastans Körper begann krampfhaft zu zucken unter den straff gespannten Seilen, während er seinen Kopf im Kampf gegen die Schmerzen von einer Seite auf die andere warf, als würde er die Pein so von sich stoßen können.

Teilnahmslos beobachteten die anderen drei Todesser die leidende Gestalt, bis Rodolphus schließlich den Cruciatus-Fluch wieder aufhob.

„Und ist dir noch was eingefallen?“

Schweratmend hob Rabastan den Kopf. Das verschwitzte Haar hing ihm in die Augen und sein Mund war noch immer zu einer schmerzerfüllten Grimasse verzogen. „Was willst du von mir hören?“, stieß er schwach hervor. „Ja, verdammt mir und Avery und Rosier ist’n gewaltiger Fehler passiert. Zufrieden?“

„Das war doch längst nicht alles“, mischte sich Bellatrix auf einmal ein und richtete ihren Zauberstab auf die armselige Gestalt des jüngsten Lestranges. „Wie wär’s, wenn ich noch den Rest aus dir herauskitzel?“

Doch Rodolphus hob die Hand. „Lass gut sein, ich hab ’ne bessere Idee.“

Zweifelnd sah Bellatrix ihn an, senkte jedoch ihren Zauberstab. „Du hast Glück“, zischte sie mit zornesroten Wangen. „Solltest du beim nächsten Mal auch nur irgendeinen kleinen Fehltritt machen, der das große Werk des Dunklen Lords in Gefahr bringt, werde ich eigenhändig dafür sorgen, dass du nie wieder irgendeinen Mist bauen kannst.“

Rabastan lächelte schwach. „Danke, Bella“, und bekam dafür unsanft die Spitze ihres Zauberstabs in seine Wange gerammt. Dann lösten sich Rodolphus’ Seile und taumelnd kam Rabastan zum Stehen. Als niemand etwas unternahm, um ihn aufzuhalten, drehte er sich um die eigene Achse und apparierte. Böse starrte Bellatrix ihm nach und verschwand kurzerhand ebenfalls an Ort und Stelle.
 

Mit einem Mal befand sich Barty mit Rodolphus allein in diesem großen Haus und versuchte zu verstehen, was er soeben gesehen hatte.

„Komm mit“, sagte Rodolphus schließlich harsch und ging mit ausgreifenden Schritten den Weg zu seinem Arbeitszimmer. Eilig lief Barty ihm nach, unsicher, was der Todesser von ihm wollen konnte. Die Norrell-Tragödie lag bereits mehrere Monate zurück und war zu einer Zeit in der Magischen Strafabteilung bearbeitet worden, zu der Barty sich noch nicht im Ministerium befunden hatte. Wie sollte er also weiterhelfen können?

„Ich brauche Informationen“, sagte Rodolphus knapp, kaum dass die Tür hinter ihnen ins Schloss gefallen war.

„Ich-“, setzte Barty an und wurde sofort von einer unwirschen Handbewegung zum Verstummen gebracht. „Ich weiß, dass du jetzt nichts hast“, fuhr Rodolphus fort, „deshalb hab ich dich hergeholt. Du sollst wissen, wonach du Ausschau halten musst.“

Etwas beleidigt schwieg Barty. Es war schließlich nicht so, als hätte er gar keine Informationen.

„Pass auf, die Norrell-Tragödie wurde so gut es ging vertuscht. Die feinen Ministeriumsleute hatten Schiss, dass die Öffentlichkeit sich sonst einmischen würde. Du weißt, worum es ging?“

„Stephanie Norrell, Schlammblut und Journalistin für den Tagespropheten wurde mitsamt ihrer Familie ermordet“, wiederholte Barty das, was er wusste. „Die Verantwortlichen wurden nie gefasst und die ganze Sache unter den Teppich gekehrt.“

Rodolphus nickte. „Rabastan hatte das Kommando über die Mission. Du hast gehört, was er gesagt hat. Wahrscheinlich war das nicht alles und es wäre gut, wenn du von meinem dummen Bruder mehr erfahren könntest. Außerdem müssen wir wissen, wie viel das Ministerium tatsächlich weiß — dafür hingen zu viele unserer Leute mit drin.“
 

Ein helles Klopfen ließ den Todesser innehalten. Misstrauisch spähte er zu dem hohen Fenster hinaus, auf dessen Sims eine große Eule hockte und ungeduldig mit ihrem Schnabel gegen die Scheibe schlug. Ein eisiger Luftzug fuhr in die warme Behaglichkeit des Arbeitszimmers, als Rodolphus das Tier kurz hineinließ und die Nachricht entgegen nahm. Während die Eule wieder von dannen flog, richtete er seine Aufmerksamkeit auf das kurze Schreiben.

Barty konnte beobachten, wie sich Rodolphus’ Miene von Zeile zu Zeile verfinsterte, bis er mit einem leisen Fluch das Stück Pergament verbrannte.

„Wie gesagt, ich brauche jegliche Art von Information — am besten so schnell wie möglich.“

„Und wie soll ich dir die Informationen zukommen lassen?“, fragte Barty ausdruckslos, wobei er versuchte, sich seinen Ärger über Rodolphus’ plötzliche Unaufmerksamkeit nicht anmerken zu lassen. Stattdessen warf er einen neugierigen Blick auf die verkohlten Pergamentfetzen am Boden in der Hoffnung, mehr über den Inhalt dieser geheimnisvollen Nachricht in Erfahrung bringen zu können. Doch das Feuer hatte bereits alles vernichtet.

„Schick eine Eule, dass du etwas hast oder komm am besten sofort hierhin.“

„Verstanden“, sagte Barty. Rodolphus wirkte unachtsam, fast schon durcheinander, so wie er mit unheilschwangerer Miene aus dem Fenster sah. Und das gefiel ihm nicht. „Gibt es sonst noch etwas?“, fragte er schließlich vorsichtig.

Rodolphus wandte sich wieder dem jungen Todesser zu. Etwas verwirrt blinzelte er, dann schien er sich gefasst zu haben. „Ich hab hier die ersten Entwürfe, wie Rabastan mit seinen Leuten vorgehen wollte.“ Mit einem Ruck öffnete er eine der schweren Schubladen seines Schreibtisches und zog eine große Pergamentrolle hervor. Schweigend breitete er sie auf einer freien Fläche aus. „Präg sie dir gut ein. Sie dir mitzugeben, wäre zu gefährlich.“

Müde nickte Barty und unterdrückte ein Gähnen, als er auf den Plan starrte. Er enthielt die Umrisszeichnung eines kleinen Dorfes, an dessen Ecken und Gassen Markierungen gemacht worden waren. Daneben waren in enger Schrift Operationsschritte festgehalten. Barty merkte, wie die Striche vor seinen Augen zu tanzen begannen; alles verschwamm und zwang ihn dazu angestrengt zu blinzeln, um den Fokus zu bewahren. Die hämmernden Kopfschmerzen, die es sich hinter seiner Schädeldecke bequem gemacht hatten, trugen auch nicht sonderlich zur Besserung bei.

„Ich werde versuchen, an eine Kopie aus dem Ministerium heranzukommen, dann können wir sie hier miteinander vergleichen“, murmelte er und kämpfte gegen die bleierne Müdigkeit an, die ihn mit einem Mal überkommen hatte. Ein sehnsüchtiger Blick auf die kleine tickende Uhr auf einem der vielen Regale verriet ihm, dass zwei Uhr Nacht bereits um war.

„Gute Idee“, stimmte Rodolphus zu, während er den Plan mit einem Schlenker seines Zauberstabs wieder zusammenrollen ließ. „Geh nach Hause und sieh zu, dass du so schnell wie möglich an Informationen herankommst.“

„Ja“, nickte Barty entschlossen und machte sich mit einem leisen ‚Gute Nacht‘ auf den Heimweg.



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