Aufstieg von sennen_item ================================================================================ Kapitel 1: Drei Jahre --------------------- Die Anwohner beobachteten wie sie auf kurzen, wackeligen Beinen durch die Straßen lief, die gerade erst zu laufen gelernt hatten. Die Schritte schnell und aufeinander folgend, hörte man das flotte Taptaptap auf den gepflasterten Wegen, die durch den umgrenzenden Wald in Schatten gehüllt wurden. Wenn sie zu übermutig wurde und ihre kleinen Füße nachgaben, oder sie von der hinter den Bäumen aufblitzenden Sonne geblendet wurde, stürzte sie. Doch sobald auch nur eins ihrer Knie den Boden berührten, war ihr Vater mit einem besorgten Blick zur Stelle um sie aufzurichten und ihr den Staub von den Kleidern zu klopfen. Bei jedem Schluchzen seines Kindes legte sich ein liebevolles Lächeln auf seine Lippen und Güte in seinen Blick, während er sie tadelte, sich nicht zu übernehmen. Er wusste, dass er ansonsten Ärger mit seiner Gattin bekommen würde. Das ein oder andere Mal, konnte man auch beobachten, wie das kleine Mädchen mit seiner Mutter spazieren lief, diese war allerdings darauf bedacht, sie nicht von ihrer Seite weichen zu lassen, geschweige denn zu erlauben, dass sie ihre Hand los ließ. Seine Gemahlin hatte es niemals gut geheißen, das junge Mädchen ohne ausreichende Kontrolle umherlaufen zu lassen. Immerhin war sie die Erbin ihres Vaters und damit die rechtmäßige Nachfolgerin des königlichen Vermächtnisses ihrer Familie. Es war dem Vater aufgrund seiner politischen Pflichten nicht oft möglich, sich und seiner Tochter die nötige Zeit gemeinsam zu arrangieren, weshalb er Tage wie diese in vollen Zügen genoss und auskostete. Eine Wache hatte er auf seinen gemeinsamen Streifzügen mit seiner Tochter bislang immer vermieden, denn wer konnte diesem wundervollen Kind, diesem Geschenk der Götter etwas Böses wollen? Und das in den Landen des Ostens, in denen seit jeher der Frieden untereinander als heilig erachtet wurde? Die Bewohner dieser fernen, versteckten, ja beinahe sagenumwogenden Landen, lächelten, wenn sie das kinnlange Haar der jungen Prinzessin in der Sonne glitzern sahen und verneigten sich vor ihrem väterlichen Begleiter. Nein, eine Wache war nicht von Nöten, nicht solange sein Volk noch hinter ihm stand. Dennoch ließ er seine Augen nicht von der schmalen Figur seiner Tochter weichen, während sie sich den Anwohnern des Dorfes näherte. Er musste die Stirn runzeln, als er zum wiederholten Mal, Zeuge der besonderen Gabe seines Kindes wurde. Das kleine Mädchen verfügte über das verblüffende Geschenk, jeden in seinen Bann zu ziehen. Sie musste nur einmal mit ihren blatt-, nein, beinahe smaragdgrünen Augen zu blinzeln und eines ihrer strahlendweißen Lächeln aufzusetzen und die Bewohner der Stadt sanken sofort auf ihre Knie um ihr zu jegliche Wünsche von eben jenen grünen Augen abzulesen. Mit liebenden Augen beobachtete der König seine Tochter. Wie war es möglich, dass ein dreijähriges Mädchen eine solche Aura besaß? Trotz ihres jungen Alters wirkte sie auf ihn, schon jetzt, wie jemand, der seine Umgebung bereits vollkommen wahrnahm. Sie verhielt wie jemand, der bereits genau wusste was eines Tages aus ihm werden würde und welche Verantwortung dies mit sich brachte. Sie gab sich in ihrem jungen Alter wie jemand, der keine Zeit verlieren wollte, alles ihm Mögliche zu tun, seiner Aufgabe gerecht zu werden. Sie stellte Fragen wo sie nur konnte und soweit ihr kindliches Sprachvermögen dies zu ließ, schlich sich in politische Diskussionen mit seinen Beratern, um ihn im Anschluss mit fragenden Augen anzusehen und geduldig auf seinem Schoß zu verweilen, während er versuchte ihr verständig zu machen, worüber sie gesprochen hatten. Und während er es ihr begreiflich zu machen versuchte, legte sich dieser bestimmte Ausdruck auf ihr Gesicht. Nachdenklich legte sich eine Hand an ihre Wange und fokussierte die sprechende Person mit ihrem wachen Blick. Wenn er in diesen Augenblicken sprach, nickte sie mit weit geöffneten Augen und versuchte Fragen zu formulieren, wenn ihr etwas unklar war. Dies äußerte sich durch einen Griff in ihre feuerroten Locken und einem erschöpften Seufzen. Doch die junge Prinzessin gab nicht auf, ehe sie nicht vollkommen in ihrem Bestreben nach Wissen befriedigt war. Beinahe war es, als ob ihr Hunger nach Informationen und neuen Eindrücken niemals zu erlöschen schien, doch wenn man sie abends zur Nachtruhe bettete, schlief sie binnen weniger Sekunden ein, um alle gesammelten Informationen im Schlaf verarbeiten zu können. Manchmal bewegten sich ihre Lippen in ihrem tiefen Schlaf und man hörte sie leise vor sich hin Murmeln. Dabei klang ihre Stimme wie eine Mischung aus dem sanften Lispeln eines kleinen Kindes und dem Klingeln der Glocken, die eine frohe Kunde in die Welt hinaus trugen. Eine Mischung aus dem heimatlichen Rauschen der Blätter und dem fröhlichen Singen der Vögel zu Beginn eines neuen Tages. Rund um melodisch, rund um rein, rund um unschuldig. Während der König zu ihr hinabsah und den Dreck von ihren Kleidern klopfte, denn sie war erneut ins Straucheln geraten, wünschte er sich, dass es für immer so bleiben würde. Das einfach alles für immer so bleiben würde, wie es in diesem Augenblick war. Vollkommen perfekt. Er genoss die Zeit mit seiner Familie, konnte seiner Tochter bei ihren kindlichen Abenteuern zusehen, ihren Weg ins Erwachsensein beobachten. Der König verbrachte seine Tage damit seine Frau zu lieben und seit einigen Jahren konnte er zum ersten Mal aufatmen, wenn es darum ging, über den Fortbestand seines Volkes nachzudenken. Denn nun, da der Stab der Wahrheit, das heiligste und wertvollste Relikt der Lebensgeschichte, aus den Händen der gierigen, menschlichen Rasse entwendet und in die sicheren Hallen der elfischen Bevölkerung zurückgekehrt war, schien auch die Mords- und Kriegslust dieser Rasse abhanden gekommen zu sein. Menschen. Bösartige, fehlerhafte Geschöpfe, die unter der Herrschaft ihres grausamen Königs die Vereinigten Landen so lange terrorisiert und gepeinigt hatten. Ihr Volk, angeführt von einem Tyrannen und einer Hure, die wie er gehört hatte ein Kind in diese Welt gesetzt hatte, das als der neue „Hoffnungsträger“ der menschlichen Rasse gepriesen wurde. Vermutlich ist es nicht einmal sein rechtmäßiger Sohn., dachte er abfällig und schüttelte Mitleidig den Kopf. Eine solche Regentschaft würde er in seinen Landen niemals zulassen. Denn er hütete sich, als grausamer König in die Geschichtsbücher einzugehen. Er war boshaft, noch hatte er jemals vor, mit diesen Worten betitelt zu werden. Sicherlich, wurde sein Zorn gefürchtet, denn welcher König konnte es sich erlauben als sanft beschrieben zu werden? Sein Volk musste ihm Respekt entgegenbringen und musste wissen, wem es Folge zu leisten hatte. Doch zu gleichen Maße, war ihm die Wertschätzung seiner Untergebenen unersetzlich. King Gerald, so war der Titel des Mannes, der diese Gedanken führte, riss seinen Blick von dem Himmel los, den er immer in diese Richtung schweifen ließ, wenn er nachdachte. Es war eine Art schlechte Angewohnheit und er hatte keine Ahnung woher dieser Drang herrührte, doch wenn er in die Wolken schaute, oder bei Nacht in die Sterne, dann schienen ihm die Ausmaße der Welt meist weitreichender als seine Probleme. Er suchte das orange-farbende Kleid seiner Tochter und erschrak, als er den letzten Zipfel des samtenden Stoffes hinter den Büschen eines Grenzbaumes verschwinden sah. „Kylie!“, schrie er ihren Namen und nahm umgehend die Verfolgung auf. Panik begann in ihm aufzusteigen. Diese Wälder waren gefährlich, sogar für die Prinzessin, denn obwohl sie zum Großteil von Anhängern der elfischen Krone unter Bewachung gehalten wurden, strichen sich auch verlorene menschliche Räuber in ihnen herum, auf der Suche nach etwas zu Essen. Oder nach etwas das sich zu Geld machen ließ. Sicherlich wurden diese Gebiete gesichert, durch regelmäßige Wachstreifzüge, doch es war schon zu oft vorgekommen, dass eine unglückliche Seele einem mordlüsternen Menschen zu Opfer gefallen und Tage später tot und nackt in einem Flussbett gefunden wurde. Der König atmete schwer. Es war so ein schöner Tag gewesen. Blauer, wolkenloser Himmel. Singende Vögel und Zirkaden. Raschelnder Wind der nach Herbst duftete und herunter fallende Blätter in den schönsten Grün, Braun- und Goldtönen funkelnd. Wahrhaftig ein wunderschöner Tag. Und dann hörte der König diesen spitzen Schrei, ausgestoßen zu seiner Linken. Der markerschütternde Hilferuf eines kleinen dreijährigen Mädchens, mit Augen wie Smaragd, einer Stimme wie Glockengeklingel und Haaren so rot wie die aufgehende Morgensonne. Gerald riss sein Schwert aus der Scheide und sprang über die letzten Gebüsche hinweg. Er fand sich auf einer Lichtung wieder. Seine Augen suchten nach denen seiner Tochter und fanden sie schreckensgeweitet in seine Richtung blickend. „Vater!“, schrie sie und bedeutete ihm, mit wilden Gesten, dass er an ihre Seite zu eilen musste. Der König rannte zu ihr und schloss sie in die Arme, während er sein Schwert fallen ließ. „Was ist passiert, Liebes?“, fragte er und suchte die schmale Figur des Mädchens nach Verletzungen ab. Das Mädchen deute mit ihren zarten kleinen Fingern auf den Boden und der König erkannte schließlich, was sie so verängstigt hatte. Auf dem Boden umgeben von einer Lache aus Blut, lag ein kleiner Junge mit schwarzen Haaren. Der König wandte den Blick ab und hielt seiner Tochter die Hände vor das Gesicht. Sie war zu jung um so etwas zu sehen und er wollte nicht zulassen, dass ihr zartes Gemüt von einem solchen Bild des Schreckens gebrandmarkt wurde. „Warum blutet er?“, fragte seine Tochter mit zitternder Stimme, während sie versuchte, die Hände des Königs abzuschütteln. „Ist er verletzt?“ Gerald seufzte erschöpft. Natürlich hatte sie es verstanden. Eine Sekunde lang, stahl sich der Ansatz eines Lächelns auf seine Lippen. Natürlich wusste sie was vor sich ging. Die Prinzessin schob ihren Vater von sich weg und wollte in Richtung des verletzten Jungen laufen, doch der König hielt sie fest und zog sie zurück in seine Arme. „Nein!“, sagte er laut. „Ich glaube nicht, dass wir ihm eine große Hilfe sein werden, mein Täubchen. Überdies hinaus, befürchte ich, dass er ein…“ Er richtete seinen Blick auf den schwarzhaarigen Jungen am Boden. Kein Zweifel. Er konnte seine Ohren sehen und seinen Geruch wahrnehmen. Diesen typischen… „Das er ein was ist?“, wollte seine Tochter wissen. Er packte sie bei den Schultern und strich ihr sanft eine Haarlocke aus dem Gesicht. „Ein Mensch, mein Engel.“ Das Mädchen legte seinen Kopf schief. „Na und?“ Der König zog eine Augenbraue nach oben und öffnete verwirrt seinen Mund um ihr darauf zu antworten. Seine Tochter nutzte diesen Augenblick und riss sich von ihm los, um erneut auf den Jungen zuzugehen. „Kylie!“, schrie ihr Vater sie an und er sah wie sie zusammenzuckte. „Er ist ein Mensch! Er ist keiner von uns. Mach es nicht zu deiner Angelegenheit, dass er hier liegt. Weißt du, was deine Mutter sagen würde, wenn wir einem Menschen helfen? Das ist nicht recht.“ Kylie drehte sich zu ihm um und legte eine Hand an ihre Wange und sie richtete ihren Blick auf ihren Vater. Der Blick seiner Tochter schien ihn zu durchbohren als sie den Kopf schüttelte. „Nein… DAS ist falsch.“, sagte sie schlicht und setzte ihren Weg unbeirrt fort, kümmerte sich nicht mehr um die gerufenen Einwände ihres Vaters. Gerald wollte aufspringen, sich seine Tochter schnappen und sie zurück in das Schloss bringen um sie für ihr trotziges Verhalten zu tadeln. Als König musste er darauf achten respektiert zu werden. Doch als er sah, wie seine Tochter, sein eigen Fleisch und Blut, den kleinen schwarzhaarigen Jungen liebevoll auf ihren Schoß zog und damit begann, ihn mit ihrem Taschentuch zu säubern, während sie versuchte anzusprechen und ihm dabei das Gesicht tätschelte, fiel sein Verlangen von ihm. Vielleicht musste man als König darauf achten, gefürchtet werden, doch nicht als Vater. Und hatte er sich nicht immer damit gebrüstet, dass er die Grausamkeit der Menschen verurteilte? Der Menschenkönig hätte in dieser Situation verfügt, ein elfisches Kind zum Sterben ihm Wald zurückzulassen, doch konnte er das mit seinem Gewissen vereinbaren? Er hörte den Jungen husten und sah, wie er dabei Blut auf das Kleid seiner Tochter spritzte. Sie beugte sich tief zu dem Jungen hinunter und flüsterte ihm beruhigende Worte zu: „Psst. Alles kommt in Ordnung. Du bist sicher. Fürchte dich nicht. Du bist sicher.“ Das Husten wurde leiser und der Junge griff nach der Hand der Prinzessin, die sein Gesicht streichelte. Er öffnete zitternd seine Augen. Blau. Wie der Ozean. , dachte der König. „Wie ist dein Name?“, fragte die Prinzessin leise. Es war beinahe ein Wispern. Sie sprach zu ihm, wie zu einem zu Tode erschreckten Tier. Der kleine Junge starrte in ihre Augen und man hörte sein angestrengtes Atmen. „S- Stanley.“, brachte er schließlich hervor, um sich anschließend wieder in einem lauten Prusten zu verlieren. „Stanley. Mein Name ist Kylie. Keine Angst. Du bist sicher bei mir.“ Der König beobachtete sie, wie sie die Hand der Jungen drückte und ihm ein Lächeln schenkte. Dann wandte sie sich an ihren Vater und sah ihn fragend an. Ohne ein weiteres Wort ging Gerald auf die beiden zu und hob den Jungen auf seine Arme. Ihm entging dabei nicht, dass dieser sich weigerte die Hand seiner Tochter los zu lassen. Erst als sie im Schloss ankamen und die Ärzte sich um seine Wunden gekümmert hatten, ließ er sie los, während er erschöpft in den Schlaf driftete. Auf dem Handgelenk seiner Tochter war wochenlang ein Bluterguss zu sehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)