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Über Freunde und Helden

von

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Die Schwester meines Feindes

„Alles klar, Baymax. Bist du bereit?“

Erwartungsvoll blickte er zu dem Roboter, der ihm nüchtern wie eh und je sagte:

„Meine Sensorik läuft immer.“

Sofort schob Hiro den Chip in die Halterung und drückte diese hinein. Baymax erhob den Kopf, surrte kurz und sagte dann:

„Auswertung der Daten abgeschlossen. Update wird in meine Datenbank aufgenommen.“

„Klasse!“

rief Hiro und wies auf den Tisch, auf dem er allerlei Einzelteile eines von Gogos ehemaligen Fahrrädern ausgebreitet hatte. Aufmerksam besah sich der Roboter die Teile und man konnte es regelrecht sehen, wie das Programm in seinem Kopf zu surren und arbeiten begann.

„Scan abgeschlossen. Beginne mit Phase zwei.“

Beherzt griff er zu und begann die Teile wie wild hin und her zu stecken. Drehte mal hier, mal da. Nahm sich den Hammer, dann den Schraubendreher und die Radpumpe.

„Ja!“

Hiro biss sich vor Freude auf die Unterlippe, bis Baymax mit einem Mal zum Bunsenbrenner griff.

„Moment! Wofür …?“

Noch ehe er den Satz vollständig aussprechen konnte, schoss bereits eine Stichflamme an Baymax‘

Gesicht vorbei und mit einem lauten ‚Peng‘ platzte die Vinylhülle an seinem Kopf. Hiro klatschte sich mit der Hand ins Gesicht und schrieb eine Notiz auf den bereitgelegten Zettel:

Baymax feuerfest machen

Genervt wandte er sich wieder an den Roboter:

„Zeig mal, was du hast.“

Baymax‘ Fratze sah ohne das Vinyl ziemlich unheimlich aus und das geschmolzene Material, das sich auf all die Drähte und Schläuche niedergelegt hatte, machte das Ganze nicht besser. Zumindest war es nur die Hülle gewesen, der Rest schien intakt. Der Roboter drehte sich zu Hiro um und präsentierte ihm einen …

„Rollstuhl?“

Hiro war irritiert. Bei genauerer Betrachtung war das nicht mal ein Rollstuhl, sondern kam eher einem Blumentopf mit Rädern gleich. Und die ganzen Rohre und Stangen hatte er mit dem zerlegten Gerüst in eine Art Busch verschweißt.

Hiro konnte nicht anders, als sich noch einmal an die Stirn zu fassen und laut auszuatmen.

„Test 37: Fehlschlag.“

murmelte er. Vielleicht könnte er, wenn nichts funktionieren würde, Baymax‘ Werke wenigstens als moderne Kunst verkaufen. Das wäre dann zumindest ein kleiner Gewinn. Hiro nahm das Gebilde, welches ihm der Roboter entgegenhielt und pfefferte es in die Ecke, in der die vorangegangenen Misserfolge bereits einen ordentlichen Berg an Schutt verursachten.

Ich brauch ne Pause

dachte er sich genervt. Er wusste, dass der Fehler im Algorithmus lag, doch immer, wenn Hiro glaubte, den Fehler gefunden zu haben, traten drei oder vier neue auf.

Kein Wunder, dass Tadashi an manchen Abenden so fertig und genervt von der Uni kam

Vielleicht würde ihm eine Cola oder ein anderes Getränk ganz gut tun.

„Warte du hier. Ich bin gleich wieder da.“

sagte er noch zu dem Roboter und verließ dann sein Labor. Wie mechanisch lenkte er seine Schritte in Richtung des Getränkeautomaten, von dem er wusste, dass er am Ende des Ganges stand. Im Labor war es weitestgehend ruhig. So kurz vor Beginn des Wintersemesters waren nur wenige Studenten in der Universität und Hiro genoss diese Stille, in der er in aller Ruhe an seinen Ideen tüfteln konnte, auch wenn dieses Labor nichts im Vergleich zu dem auf der Insel von Freds Vater war. Im Vorbeigehen ließ er noch einen kurzen Gruß bei Wasabi und Honey, die völlig in ihre Arbeit vertieft waren.

Fred hingegen lag mit einem seiner zahlreichen Comics auf dem Gesicht liegend in

seinem Sessel und schlief. Hiro musste grinsen. Auch er war etwas müde, hatten sie doch die gestrige Nacht noch damit zugebracht, eine Verfolgungsjagd mit drei Geiselnehmern und der Polizei zu beenden.

Das Heldenleben war ohne Zweifel mit das Beste an seinem Leben, doch hin und wieder konnte es auch ziemlich anstrengend sein.

Er hatte den halben Weg bereits hinter sich gebracht, als zwei Gestalten um die Ecke kamen. Erst beim zweiten Blick sah er, dass eine davon im Rollstuhl saß und die andere diesen schob. Erst als sie näher kamen, erkannte er Gogo.

„Hey Hiro.“

fing die kleine Frau an und blies dabei ihre Kaugummiblase auf. Hiro hob irritiert die Hand, als die Person im Rollstuhl, ein junges Mädchen, ein vorsichtiges

„Hallo.“

vernehmen ließ. Es war eine seltsame Situation und aus irgendeinem unerfindlichen Grund sträubten sich Hiro beim Anblick der jungen Frau im Rollstuhl die Nackenhaare.

„Darf ich vorstellen?“

fing Gogo in ihrer gewohnt teilnahmslosen Weise an.

„Das ist Sora.“

Erst jetzt bekam das unbehagliche Gefühl einen Ursprung. Erst jetzt erkannte er diese hellen, blauen Augen, gleich wie bei ihrem Bruder. Er spürte, wie sich ein dicker Kloß in seinem Hals bildete.

Was soll das?

schoss es ihm durch den Kopf.

Was soll sie hier?

„Ähm …“

Er wusste nicht, was er sagen, geschweige denn jetzt tun sollte. Warum brachte Gogo sie hierher?

„… freut mich.“

brachte er vorsichtig hervor, bemüht, nicht allzu forsch zu klingen. Immerhin war dieses Mädchen nicht ihr Bruder.

„Sora hat sich im Krankenhaus gelangweilt, daher habe ich sie mitgebracht.“

fügte Gogo hinzu, als wäre es das normalste auf der Welt. Hiro wusste, dass Gogo die letzten Wochen damit verbracht hatte, sie in der Uniklinik zu besuchen und das hatte ihn beileibe auch nicht gestört, aber auch nur, weil sie ihn da nicht mit reingezogen hatte.

„Komm, ich zeige dir das Labor.“

Ohne Hiro eines weiteren Blickes zu würdigen, schob Gogo Sora an ihm vorbei ins Labor und ließ den verdutzten Hiro alleine im Gang stehen. Irgendwie war ihm der Durst vergangen und wütend stapfte er den beiden hinterher. Als er den Blick in Richtung Honeys Chemieaufbau warf, sah er auch schon, wie die beiden überschwänglich von der großen Frau begrüßt wurden. Genervt seufzte Hiro. Er hatte gar nicht bemerkt, dass Wasabi nun neben ihm stand und neugierig die Szenerie beobachtete.

„Hab ick wat verpasst?“

warf er sich den Kopf kratzend in den Raum und Hiro versenkte seine Hände in den Hosentaschen.

„Das ist seine Schwester.“

zischte er als Antwort und ging an dem Riesen vorbei. Es war vermutlich das Beste, dieser Sora aus dem Weg zu gehen, auch wenn er sich seine Abneigung ihr gegenüber nicht ganz erklären konnte. Er wusste doch gar nicht, ob sie wie ihr Bruder war.

„Ich registriere eine neue Person im Labor.“

warf ihm der Roboter entgegen, als er sein Labor betrat.

„Ja.“

erwiderte der Junge nur knapp und beließ es dabei. Er hatte jetzt andere Sorgen. „Komm mal her, Großer.“

forderte er den Roboter auf, während er sich Werkzeug und Stuhl schnappte. Als er aus seinem Vorratsschrank den Rest seiner Vinylvorräte hervorhob, musste er erkennen, dass es wohl langsam Zeit wurde, neues zu besorgen.

Bei dem Gedanken klopfte er sich mit dem Daumen gegen die Stirn und murmelte:

„Feuerfest.“

In letzter Zeit tat er das immer und es schien fast so, als würde ihm das zuweilen helfen. Er stieg auf den Stuhl und begann, mit dem Schraubenzieher die geschmolzenen Reste des Roboterkopfes von der Hydraulik und den Kameras zu kratzen. Ganz vorsichtig und darauf bedacht, keine empfindliche Sensorik zu zerstören.

Als er gerade dabei war, das neue Vinyl um die Hyperspektralkameras zu befestigen, hörte er, wie die Tür zu seinem Labor geöffnet wurde. Hiro sah nicht hin, doch hörte er das beinahe lustlose Aufblasen einer Kaugummiblase und Hiro wusste genau, wer da stand.

„Kann ich dir helfen?“

fragte er höflich, doch konnte er die Schärfe in seiner Stimme nicht völlig verbergen. Auch Gogo schien das bemerkt zu haben:

„Warum versteckst du dich?“

fragte sie ihn unverblümt und schloss die Tür hinter sich. Hiro seufzte genervt auf.

„Ich verstecke mich nicht. Ich habe zu tun.“

„Läuft der Reparaturscan immer noch nicht?“

wollte Gogo wissen und war an den Schreibtisch mit ihren ehemaligen Fahrradteilen herangetreten.

Nein

grummelte Hiro in sich hinein. Als er die letzten Verbindungen verklebt hatte, konnte Baymax mit dem Aufpumpen beginnen, was er prompt tat. Leichtfüßig sprang der Junge vom Stuhl und legte seine Werkzeuge zurück. Erst dann wandte er sich an Gogo:

„Was macht sie hier?“

Gogo hob eine Augenbraue. Hiro kannte diesen Blick und wusste, was er zu bedeuten hatte.

„Was hast du vor?“

Sie blies wieder ihre Blase auf und ließ sie wieder platzen.

„Du hast dem Plan von Freds Vater zugestimmt. Du bist damit ebenfalls für sie verantwortlich.“

Hiro schüttelte verächtlich den Kopf.

„Ich kann nichts für die Verbrechen ihres gestörten Bruders, warum sollte es mich also interessieren?“

Hiro nahm bewusst keine Rücksicht auf Gogos Gefühle gegenüber diesem Kerl. Er hatte die beiden auf diesem Ballon gesehen, kurz bevor er selbst dort gelandet war. Doch Gogo verzog keine Miene, sah ihn stattdessen nur stur an.

„Seine Festnahme liegt nun schon vier Wochen zurück und alles, was dieses Mädchen noch hat, sind die weißen, kalten Wände der Uniklinik.“

Hiro erinnerte sich, dass das Gericht vor knapp zwei Tagen das erste Verfahren beendet hatte. Er hatte es noch am selben Abend von Tante Cass erfahren, die dieses in den Nachrichten gesehen hatte. Soweit es Hiro mitbekommen hatte, war niemand aus seiner Familie dabei gewesen, als der Staatsanwalt Naoko das Strafmaß von sechzehn Jahren Haft androhte. Laut Cass hatte er sich unter einem dicken Pullover und Kapuze versteckt und keinerlei Regung gezeigt. Er war allein mit seinem Onkel gewesen, der für etwa zwanzig Jahre hinter Gittern sitzen würde, sollten sie verurteilt werden. Hiro war zu sehr von ihm enttäuscht gewesen, als dass er Mitleid mit ihm gehabt hätte. Verraten hatte er sie alle und seine Tante entführt. Bestohlen hatte er sie und ihnen allen wehgetan. Warum sollte es ihn kümmern, was nun aus ihm werden würde?

„Meine Sensoren ermitteln einen Anstieg von Adrenalin und Noradrenalin. Hiro, hast du Angst?“

unterbrach ihn mit einem Mal der Roboter und blickte den Jungen mit seinen schwarzen Knopfaugen von oben herab an.

Hiro ließ als Antwort nur ein Schnauben vernehmen. Sollten sie doch alle denken, was sie wollten. Er würde sich da raus halten. Er wuselte an Baymax wieder vorbei an seinen Schreibtisch.

„Hier steckst du.“

Die Stimme Soras schallte durch das Labor, doch versuchte Hiro sie zu ignorieren. Während er begann, teilnahmslos seinen Schreibtisch zu ordnen und die darauf wild verstreuten Papiere und Notizen in die Schublade zu bugsieren, sah er aus dem Augenwinkel, wie sie die Tür hineingerollt kam, direkt auf Gogo zu.

„Wow! Was ist das?“

rief sie mit einem Mal aus und neugierig wandte Hiro seinen Blick zu ihr. Inzwischen stand Baymax vor ihr und hob in seiner minimalistischen Art die rechte Hand und sagte:

„Hallo, ich bin Baymax, dein persönlicher Gesundheitsbegleiter.“

Mit leuchtenden Augen besah sich das Mädchen den Roboter von oben bis unten und drückte gegen seine Hülle.

„Vinyl?“

fragte sie neugierig und wie mechanisch erwiderte Hiro:

„Ja. Er soll einen harmlosen und knuffigen Eindruck machen.“

Gogo hatte sich unterdessen auf einen der Stühle zurückgezogen und besah die Szenerie. Hiro war an die Beiden herangetreten und beobachtete, wie Sora den Roboter studierte.

„Hyperspektralkameras?“

„Yep.“

Sofort nach der Antwort drückte sie ihr Gesicht gegen Baymax Bauch. Hiro wusste nicht, was er von der ganzen Sache halten sollte, doch gefiel es ihm, welches Interesse sie an Baymax zeigte.

„Da ist ja weniger drin, als ich dachte.“

fuhr sie fort und Hiro konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Sie erhob ihren Blick und sah ihn erwartungsvoll an.

„Wie groß ist der Algorithmus für seine KI?“

fragte sie mit einem Mal. Der Hamada war überrascht und trat etwas näher heran. Er wusste nicht, wie er es ihr möglichst einfach erklären sollte, als sie weiter fragte:

„Verfolgst du im Zusammenspiel mit den Hyperspektralkameras die Simulationsmethode oder eher die phänomenologische Methode?“

Hiro hob eine Augenbraue.

„Phänomenologische…“

erwiderte er zögernd.

„Er soll schnellstmöglich auf das Ergebnis kommen.“

„Ich wurde zur Diagnose von Gebrechen und Krankheiten, sowie zur ersten Hilfe und Krankenpflege konzipiert.“

schaltete sich nun Baymax ein.

„Du bist also ne Krankenschwester?“

folgerte das Mädchen und Hiro öffnete den Mund, um zu antworten, doch kam ihm Gogo zuvor:

„Er kann viel mehr als das.“

Nervös zuckte Hiro mit den Händen in ihre Richtung.

Verplappre dich nicht

„Ich kann auch Karate.“

fügte Baymax hinzu. Irritiert sah Sora zu Hiro.

„Eine kämpfende Krankenschwester?“

Hiros Kopf raste, als ihm mit einem Mal die rettende Antwort einfiel:

„Ich füttere seinen Algorithmus nur mit verschiedenen Szenarien, um die Grenzen seiner Möglichkeiten zu testen und sie, wenn möglich, zu überwinden.“

Hiro grinste siegessicher, doch nervös.

„Das steigert die Einsatzmöglichkeiten für ihn.“

Baymax hob mahnend den Finger:

„Meine Programmierung verhindert, dass ich Menschen verletze.“

Nun sah Sora ihn und Hiro abwechselnd skeptisch an.

„Ziemlich unpraktisch zur Verbrechensbekämpfung.“

„Er ist ja auch primär nur ein Diagnoseroboter für …“

wollte Hiro ablenken, doch unterbrach Sora ihn sofort wieder:

„Kann er rausfinden, was ich habe?“

Eine seltsame Stille breitete sich im Zimmer aus, als sie diese Worte aussprach. Hiro wusste nicht, was er antworten sollte, und Gogo schwieg dazu. Nur Baymax durchbrach das Schweigen:

„Auf einer Skala von eins bis zehn, wie bewertest du deinen Schmerz?“

Offensichtlich spulte er bereits sein übliches Programm ab.

„Das ist es ja gerade, ich spüre keinen Schmerz.“

gab Sora schüchtern zu.

„Ich scanne dich jetzt.“

Ein kurzes Surren folgte.

„Scan abgeschlossen.“

Sora schien dem Ergebnis entgegenzufiebern und biss sich auf die Unterlippe.

„Dein Körper ist bei guter Gesundheit, doch die mangelnde Muskulatur an deinen Beinen ist ein Zeichen von zu wenig Bewegung. Du solltest mehr Sport treiben.“

Hiro konnte nicht sagen, was sie in diesem Moment dachte, doch war es ein flaues Gefühl, welches sich in seinem Bauch ausbreitete. Als sie den Blick senkte und ein leises:

„Danke.“

flüsterte, konnte er nicht anders, als Mitleid zu empfinden. Er konnte es sich in seinen schlimmsten Alpträumen nicht vorstellen, wie es wäre, wenn das Schicksal ihn an diesen Stuhl gefesselt hätte.

„Es … tut mir leid.“

stammelte er wie in Trance und Sora hob den Kopf.

„Er ist noch nicht ausgereift.“

beendete er den Satz und sah zu dem Roboter auf.

Tadashi hatte nicht genug Zeit

Zu Hiros Überraschung setzte sie ein Lächeln auf und kicherte leise.

„Dieser Roboter ist unglaublich!“

grinste sie ihn schelmisch an.

„Wie heißt er?“

„Bay … Baymax.“

stammelte Hiro und spürte, wie seine Wangen zu glühen begannen.

„Baymax heißt du also.“

richtete sie sich wieder an den Roboter.

„Du warst ein braves Mädchen. Hier hast du einen Lolli.“

trällerte der Roboter und hielt ihr die kleine Süßigkeit hin.

„Woher hast du …?“

begann Sora, doch brach sie mitten im Satz ab und nahm sich das kleine Geschenk, packte es achselzuckend aus und steckte es in den Mund. Geräuschvoll erhob sich nun Gogo von ihrem Platz.

„Ich setze mich wieder an mein Rad.“

gähnte sie gelangweilt in die Runde und fügte hinzu:

„Wenn du in dein Zimmer willst, sag Bescheid. Ich bringe dich dann zurück.“

Mit diesen Worten verließ sie das Büro. Nur Sekunden später wandte sich Sora wieder Hiro zu und fragte voller Elan:

„Was baust du noch?“

„Äh …“

fing Hiro an und kratzte sich verlegen am Kopf, ehe er begann ihr von seinen früheren Werken zu erzählen. Die zahlreichen Bots, mit denen er an vielen illegalen Wetten teilgenommen hatte. Die Microbots, mit denen er es geschafft hatte, in die Uni zu kommen und wie er letzten Endes das Projekt seines Bruders übernommen hatte. Als er geendet hatte, philosophierten die beiden eine Zeit lang über das Für und Wider künstlicher Intelligenz, bei dem Hiro sich langsam eingestehen musste, dass das Mädchen wusste, wovon es sprach.

Nachdem sie mit einem Kompromiss geendete hatten, dass es sowohl Nachteile wie Vorteile brachte, legte sich Stille über das Labor und Sora beobachtete mit gebanntem Blick, wie Hiro sich wieder an Baymax´ Quellcode für den Reparaturscan zu schaffen machte. Die Minuten schienen zu verrinnen wie Sand in offenen Händen und Hiro vergaß beinahe seine Abneigung ihr gegenüber, bis sie ihn mit einem Mal fragte:

„Was machst du nach der Uni?“

Hiro atmete hörbar aus und lehnte sich in seinen Stuhl zurück.

„Um ehrlich zu sein …“

begann er zögerlich und sah zu Baymax hinüber.

„… Habe ich mir das noch nicht wirklich überlegt.“

Vielleicht bleibe ich ja an der Uni und forsche weiter

Er unterbrach seinen Gedankengang und fragte stattdessen:

„Was ist mit dir?“

Sora hob den Kopf und überlegte angestrengt, was man nur allzu deutlich an ihrem starren Blick erkennen konnte. Dann mit einem Mal sah sie ihm in die Augen und erwiderte:

„Mein Ziel ist es, das neue Jahr zu erleben!“

Sie grinste über beide Ohren und Hiro konnte nicht anders, als ihr Lächeln schüchtern zu erwidern.

„Wenn mein Herz und meine Lunge versagen, soll ich an eine Maschine angeschlossen werden."

Hiro war über diesen plötzlichen Themenwechsel überrascht, doch erkannte er, was sie sagen wollte.

„Aber das wirst du nicht tun.“

Sie sah ihn nicht an, sondern ließ ihren Blick durch das Labor schweifen und lächelte dabei so unschuldig und traurig zugleich, dass ihm für einen Moment das Herz versagte.

„Ja.“

sagte sie nur.

„Er weiß es noch nicht, doch ich will, dass, wenn mein Körper letztlich versagt, dass dies auch endgültig sein soll.“

Sie lachte schüchtern und sah ihn aus tiefen, blauen Augen heraus an.

„Verstehst du das?“

Hiro versuchte es, doch konnte er sich nicht vorstellen, wie er an ihrer Stelle reagieren würde.

„Du gibst also auf?“

war das erste, was ihm durch den Kopf schoss und ohne darüber nachzudenken, sprach er es aus. Als er begriff, was er gerade gesagt hatte, erschrak er und begann stotternd sich zu entschuldigen. Sie lächelte ihn nur warm von der Seite an.

„Das hat mit Aufgeben nichts mehr zu tun.“

begann sie nachdenklich und legte einen Finger an ihr Kinn.

„Eigentlich bin ich viel zu stur um aufzugeben.“

Sie machte eine kurze Pause und sah zu dem stillen Roboter hinüber.

„Allerdings weiß ich, wann ich verloren habe und alles, was ich noch will, ist, in Würde zu gehen. Dass ich das noch entscheiden kann.“

Hiro spürte, wie ihm der Mund trocken wurde und er wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Die Stille, die ihre Stimme hinterließ, wurde von dem gleichmäßigen Klacken der Uhr untermalt.

„Das ist doch Schwachsinn.“

erwiderte Hiro, wieder ohne nachzudenken. Doch diesmal entschuldigte er sich nicht dafür.

„Was ist mit den Menschen, die dich lieben? Die dich brauchen?“

Er konnte es sich nicht erklären, doch machten ihn diese Worte von Sora unglaublich wütend.

„Was ist mit ...“

Er schluckte.

„... mit deinem Bruder?“

Einen kurzen Moment sahen braune in blaue Augen, bis sie den Blick abwandte und nachdenklich auf den Boden sah.

„Er wird es verstehen müssen.“

Hiro war sich sicher in ihrer Stimme einen Hauch von Wut zu hören.

„Ich kann nicht immer für ihn da sein.“

Sie hob den Blick wieder und sah Hiro an.

„Er braucht mich mehr, als ich ihn.“

Hiro mochte ihr das gerne glauben, doch konnte er sich nicht vorstellen, dass das alles so spurlos an ihr vorbeiging. Als sie wieder auf den Bildschirm sah, ließ Hiro seinen Blick über ihre Beine schweifen, welche leblos an den Stuhl gebunden waren. Genervt rieb er sich über die Stirn und er seufzte laut.

„Alles in Ordnung?“

„Neuraltransmitter …“

murmelte Hiro nur als Antwort und erhob sich vom Stuhl.

„Was hast du vor?“

Doch Hiro antwortete nicht, sondern machte sich an die Arbeit, um seiner Idee eine Gestalt zu geben.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  jyorie
2016-02-04T06:14:05+00:00 04.02.2016 07:14
⊂( ◜◒◝ )⊃ Hi,

hi hi ... das mit dem ReparaturUpdate für Baymax war lustig, vor allem das Ergebnis mit dem Blumentopf-Rollstuhl (vielleicht sollte Hiro die Krankenschwester-Komponente rausnehmen^^°)

Bei dem Titel des Kapitels, in dem du den „Erzfeind“ erwähnt hast, hab ich mir schon denken können das es in dem Kapitel um starke Abneigung gehen wird. Mir hat es sehr gut gefallen, das gemeinsame Interessen diese Disharmonie überwinden konnten und Hiro sich vielleicht ein klein Wenig an Sora gewöhnen konnte. Es ist ja auch faszinierend wenn eine Gleichaltrige(?) sich mit den gleichen Themen beschäftig wie er und man dann sogar noch mit ihr tiefer in die Materie gehen kann.

Bei dem Scan von Baymax hatte ich ehrlich gesagt auf ein kleines Wunder gehofft und dann als er das mit dem Sport sagte, musste ich die Luft anhalten. Das Sora trotz ihrer aussichtlosen Lage ein so sonniges Gemüt hat ist beachtlich, und vielleicht auch ein kleiner Grund dafür, dass sie schon so viele Glöckchen ins Haar geflochten hat – sicher hätte ein verbitterter Mensch schon lange vorher aufgeben.

Bin gespannt, ob das mit den beiden noch weiter geht und ob Sora vielleicht sogar Hiro helfen kann?

Liebe Grüße, Jyorie

Antwort von:  GrauW0lf
04.02.2016 14:41
Hey :D

Danke für deinen Review!

Das tut einem Überflieger wie Hiro bestimmt auch mal gut und du darfst auch weiterhin gespannt sein.

LG GrauW0lf


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