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Über Freunde und Helden

von

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Was wir tun

„Nachdem am gestrigen Nachmittag mithilfe der noch immer unbekannten Gruppe von Superhelden einer der beiden Diebe, Naoko Yamoro, auch bekannt als Knight, festgenommen werden konnte, wurde uns vor wenigen Stunden bestätigt, dass nun auch sein Komplize, der sich selbst als Gunner titulierte, von den Behörden in seinem Apartment festgenommen worden ist . Laut den Polizeiangaben soll es sich dabei um den Onkel des jungen Yamoro handeln, Oda Nobusaka. Vor wenigen Jahren noch ein gefeierter Stararchitekt, der vor allem durch seinen Mut zu spektakulären Risikobauten bekannt wurde. Die Beamten gehen von einem Rachemotiv aus, da er vor etwa vier Jahren mutmaßlich von einigen seiner Kollegen und Rivalen bei einem bedeutenden Projekt übergangen wurde. Nähere Einzelheiten von Mitsu Sarato.“

„Bisher haben wir noch nicht herausgefunden, warum der ehemalige Professor Robert Callaghan an diesem Konflikt beteiligt gewesen war. Noch immer herrscht großes Schweigen über den genauen …“

Dumpf klang die Stimme des Nachrichtenmoderators in ihren Ohren. Dumpf und wie aus weiter Ferne.

Wieso?

War der einzige Gedanke, der in diesem Moment durch ihren Kopf geisterte. Sie konnte es nicht begreifen, geschweige denn überhaupt glauben, welche Bilder sich gerade vor ihren Augen abspielten.

Er, ein Verbrecher?

Sie wusste, dass er sehr impulsiv sein konnte. Manchmal sogar übermütig und verrückt. Doch hätte sie sich in ihren schlimmsten Alpträumen nicht ausmalen können, dass er zu solchen Dingen imstande war.

Wieso tust du so etwas?

Es war ein seltsames Gefühl von Erschöpfung, dass von ihrem Körper Besitz ergriffen hatte. Ein Gefühl, welches sie schon lange verdrängt hatte und gehofft hatte, nie wieder erfahren zu müssen.

Für einen kurzen Moment hatte sie aufgegeben. Doch schnell übermannte ein unglaubliches Maß an Wut und Enttäuschung diesen kurzen Ausbruch und mit der ganzen Kraft, welche ihren Armen noch zur Verfügung stand, schmetterte sie die Fernbedienung gegen die Wand. Ohne weiter darüber nachzudenken, schlug sie die Decke weg, hievte sie sich in den Rollstuhl, der neben ihrem Bett stand, und schob sich in Richtung des Aufzugs am Ende des Ganges. Ob sie jemand aufhalten wollte oder nicht, es war ihr egal und sie hätte es vermutlich sowieso nicht mitbekommen. Mit der Faust schlug sie auf den Knopf für das Erdgeschoss.

Sie spürte, wie die brennenden Tränen über ihre Wange liefen, wie ihr Kopf und ihre Haut zu glühen begannen.

Ein leises 'Kling' und der Aufzug öffnete wieder seine stählernen Türen. Ohne Verzögerung trieb sie den Rollstuhl hinaus. Vorbei an leeren Stühlen und Bänken. An leuchtenden Automaten und einer verwaisten Rezeption. Als die gläserne Pforte des Gebäudes durchführen und kühle Abendluft sie umfing, atmete sie tief durch, begleitet von schlucken und schluchzen. Sie würde nicht weinen, so sehr ihr Körper es auch verlangen mochte. Sie würde ihm nicht nachgeben und stark bleiben. Ihr Herz schien sich in ihrer Brust schmerzhaft zusammen zu ziehen und ihre Lunge verlangte unaufhörlich nach Luft, während die sich ihr Blick zu trüben begann.

Wieso?

Sie schlug auf die Lehne des Stuhls.

Wieso tust du so etwas?

Sie musste etwas tun, wenn sie nicht an der Schwelle zum Krankenhaus in Tränen ausbrechen wollte. Schroff lenkte sie den Rollstuhl in die Mitte des Hofes, wo eine alte Eiche thronte und mit ihrem Blätterdach in alle Richtungen zu greifen schien. Unter den Ästen, an den mächtigen Stamm gelehnt, stand eine Bank. Wie in Trance schob sie sich dorthin, hievte sich wieder aus dem Rollstuhl und setzte sich auf diese.

Just in dem Moment, als ihre Muskeln entspannten und ihr Rücken die Lehne berührte, brach ihr Widerstand und sie gab den Tränen nach. Sie umschlung ihren Körper, als würde sie frieren und ihre Schultern begannen zu beben.

Alles um sie herum verschwand in einem Nebel aus tanzenden Lichtern und Schatten.

Sie wollte nie wieder weinen. Nie wieder.

„Wenn du weiter dort sitzt, wirst du dich erkälten.“

Die Stimme war ihr fremd und klang, als wäre sie weit entfernt. Als sie den wohligen Stoff spürten, den jemand um ihre Schultern legte, erkannte sie, dass der Urheber genau vor ihr war. Sie hob den Kopf und vor ihr stand ein alter, grauer Mann, gehüllt in einen dicken Mantel mit einem Buch unter dem rechten Arm geklemmt. Sein Haar war kurz und schüttern und seinen Hals zierte ein breiter, weißer Verband. Er sah sie aus blauen Augen an, aber dennoch war sein Blick warmherzig.

„So ist es besser, aber du solltest nicht zu lange hier draußen sein. Die warmen Tage sind vorbei.“

Seine Stimme war etwas rau und kratzig, und gelegentlich schien er einen Ton zu hoch oder zu tief zu sprechen, als er es wohl beabsichtigte, doch klang er dabei bestimmend und irgendwie schien gerade dies sie zu beruhigen.

Ohne eine Antwort abzuwarten, setzte er sich neben sie und legte sich das Buch auf den Schoß.

„Wer sind Sie?“

fragte Sora, trotziger als sie es beabsichtigt hatte, doch er ließ sich davon offensichtlich nicht beirren.

„Ich bin Robert.“

Er machte eine kurze Pause und reichte ihr die Hand, welche sie zögernd ergriff.

„Und wie ist dein Name, junge Dame?“

„Sora ...“

schniefte sie leise und begann zögerlich, sich die Tränen von den Wangen zu streichen.

„Sora also. Ein schöner Name.“

fuhr er fort und lächelte sie an.

„Du bist wohl neu hier. Hier am Institut trifft man nicht viele Menschen, vor allem so spät nicht.“

lächelte er sie an.

Sie nickte zustimmend, denn es stimmte wohl. Seit man sie an diesem Morgen hier eingeliefert hatte, hatte sie kaum andere Patienten gesehen. Lediglich die Ärzte und Schwestern, die sie heute Morgen untersucht und sie dabei mit Fragen gelöchert hatten.

„Ja.“

antwortete sie knapp. Sie war eigentlich nicht in der Stimmung für lange Gespräche, doch war sie höflich genug, zu antworten.  

„Was betrübt dich so?“

fragte der alte Mann sie freundlich und lächelte sie weiterhin von der Seite an. Sora antwortete nicht, sondern starrte nur ins Leere und wusste nicht, was sie tun sollte.

„Du scheinst keine sehr gesprächige junge Frau zu sein.“

fuhr er vorsichtig fort.

Sora wagte einen kurzen Seitenblick, nur um sofort wieder ins Leere zu starren.

„Ich verstehe.“

sagte er lächelnd und zog aus seiner Brusttasche eine kleine Brille heraus und pflanzte diese auf seine Nase. Eine Handbewegung später hatte er bereits das Buch geöffnet und begann zu lesen. Minuten vergingen, ohne dass ein weiteres Wort gesagt wurde, doch konnte Sora ihre Neugier nicht völlig zügeln. Sie wagte einen vorsichtigen Blick auf die aufgeschlagene Seite. Ohne zu wissen, was sie tat murmelte sie dabei:

„… Multiversen …“

Robert sah sie interessiert aus dem Augenwinkel heraus an und als Sora dies bemerkte, ließ sie sofort wieder davon ab.

„Interessierst du dich für Physik?“

Sie nickte vorsichtig.

„Ein wenig …“

Robert lachte und nahm die Brille ab.

„Kennst du diese Theorie?“

Sora überlegte kurz. Sie meinte sich zu erinnern, dass es einen solchen Abschnitt in dem Buch gab, dass ihr Bruder ihr geschenkt hatte. Noch ehe sie es selbst realisiert hatte, machte die Erinnerung an dieses Geschenk von nicht mehr als einer Woche jede Ablenkung, die sie in den letzten Minuten von ihren Gedanken abgehalten hatte, zunichte. Sofort senkte sie wieder ihren Blick und schloss die Augen, darauf konzentriert, nicht wieder zu weinen.

„Es tut mir leid, wenn ich etwas Falsches gesagt habe …“

Der alte Mann hatte sein Buch wieder zugeschlagen und legte Sora die Hand auf die Schulter.

„Du darfst es nicht runterschlucken.“

flüsterte er leise.

„Lass es raus und du wirst dich besser fühlen.“

fuhr er flüsternd fort.

„Nein!“

zischte Sora ihn an. Sie war nicht schwach, sie war kein kleines Mädchen. Nie wieder würde sie so schwach sein. Nie wieder würde sie mit ansehen müssen, wie andere sich für sie aufgeben. Nie wieder wollte sie mit ansehen müssen, wie ihr Bruder blutüberströmt neben ihr liegt. Nie wieder wollte sie, dass er alles für Sie aufgab.

„Nie … wieder …“

schluchzte sie und ihre Schultern zitterten bei jedem Atemzug wie Espenlaub.

„Du kannst das …“

Als er das letzte Wort ausgesprochen hatte, gab sie schließlich auf. Sie spürte wie ihre Wange brannte unter dem Salz ihrer Tränen, wie ihre Nase verstopfte und wie ihr Hals zugeschnürt wurde.

Kein Widerstand mehr. Sie ließ alles raus und als der Knoten im Hals sich zu lösen begann, schrie sie aus ganzer Kehle, dass es sich anfühlte, als stünde ihre Lunge in Flammen.

„Wieso tust du mir das an!“

brüllte sie in die Nacht hinaus.

„Warum bist du so ein Idiot?!“

Sie fühlte die warme Hand auf ihrem Rücken. Robert war noch immer da und auch wenn sie es sich nicht eingestehen wollte, so tat es ihr doch unendlich gut, nicht alleine zu sein. Auch wenn sie die Person bei sich nur wenige Minuten kannte. In diesem Augenblick war es ihr völlig egal.

Langsam beruhigte sie sich wieder. Sie atmete tief aus und wieder ein, ließ die kalte Luft durch ihren Körper ziehen.

„Siehst du?“

erkannte Robert.

Sie erwiderte nichts, doch musste sie ihm Recht geben. Sie fühlte sich besser.

„Warum tun Brüder so etwas?“

flüsterte Sora und rieb sich die Augen trocken.

„Wieso sind Brüder so dumm?“

Robert lächelte sie an und seufzte.

„Manchmal tun Menschen das Falsche aus der richtigen Absicht heraus, weißt du?“

Sie sah ihn fragend an und erkannte in seinen Augen, dass er wusste, wovon er sprach, doch traute sie sich nicht zu fragen.

„Was auch immer er getan hat, ich bin mir sicher, er hatte seine Gründe.“

Sein Lächeln war warm und sie schenkte seinen Worten Glauben. Es erfüllte sie mit einem Gefühl der Leichtigkeit mit jemanden sprechen zu können und ein schwaches Lächeln stahl sich über ihre Lippen.

Es legte sich Stille über die beiden, nur erfüllt vom leisen Rascheln der Blätter über ihnen. Doch war diese Stille keineswegs unangenehm. Sie genoss es sogar ein wenig, auch wenn die Kälte langsam begann, durch ihre Glieder zu kriechen. Als sie den Kopf senkte, hörte sie das lange vergessene Klingen ihrer Glöckchen wieder und sie erinnerte sich wieder daran, wie Naoko sie einst gefragt hatte, wieso sie diese trug. Auch Robert schien dies bemerkt zu haben und öffnete den Mund. Jedoch kam er nicht weit, als eine Stimme ihn unterbrach:

„Dad?“

Als die beiden ihre Blicke zum Ursprung dieser Frage richteten, stand dort im Schatten des Tores eine junge Frau.

„Abigail? Was machst du hier?“

Die Angesprochene kam schnellen Schrittes näher, während Sora ihren Blick wieder in Richtung des Tores richtete. Doch die Person war verschwunden.

„Mr. Zilla hat mich hergebracht.“

war die Antwort der jungen Frau, die nun auch Sora bemerkt zu haben schien.

„Oh, wer bist du denn?“

Sie schien überrascht zu sein, ihren Vater nicht alleine anzutreffen, doch wirkte sie nicht, als hätte sie ein Problem mit Soras Anwesenheit. Trotzdem fühlte sie irgendwie sich fehl am Platz.

„Sora …“

antwortete das Mädchen schließlich auch ihr.

„Abigail.“

erwiderte die junge Frau und reichte auch ihr die Hand. Sofort danach richtete sie das Wort wieder an ihren Vater:

„Du sollst doch nicht hier draußen sein. Du bist immer noch angeschlagen.“

Robert hob abwehrend die Hand und lachte vorsichtig.

„Es ist alles in Ordnung, Abigail. Es ist nur eine Wunde, keine Infektion.“

Seine Tochter biss sich auf die Unterlippe und sah ihn streng an, doch war es offensichtlich, dass er sich davon nicht erweichen ließ.

„Das wird nicht funktionieren.“

erwiderte er nur lächelnd. Resigniert seufzte Abigail und ließ einen deutlich sanfteren Ton vernehmen:

„Wir müssen uns unterhalten, unter vier Augen. Können wir rein?“

„Ich denke was auch immer es ist, sie wird es auch ruhig hören können.“

erklärte Robert und sah zu Sora. Abigail seufzte resigniert und nickte grummelnd.

„Mr. Zilla hat mir alles erzählt. Von eurem Plan, dem Kampf, deiner Wunde. Wieso zur Hölle hast du mich nicht eingeweiht?!“

In ihrer Stimme wiegte allzu deutlich Wut mit und mit vorwurfsvoller Miene sah sie Robert an.

Robert hingegen lächelte nur.

„Weil du sonst darauf bestanden hättest, mitzukommen. Oder du hättest mich direkt davon abhalten wollen.“

„Und in beiden Fällen lägst du jetzt nicht hier.“

hielt sie ihm entgegen.

„Du hast deine Sicherheit einem Haufen Kinder anvertraut. Dieser Gunner hätte dich töten können!“

Mit einem Mal wurde Sora hellhörig. Es fühlte sich an, als wäre sie gerade geohrfeigt worden.

Dieser alte Mann war dabei? Sofort fielen ihr die Worte der Reporterin wieder ein.

Bisher haben wir noch nicht herausgefunden, warum der ehemalige Professor Robert Callaghan an diesem Konflikt beteiligt gewesen war …

„Sie waren dabei …“

erkannte Sora und bemerkte wie sich erneut ein Kloß in ihrem Hals bildete. Fragend sahen die beiden sie an.

„Sie haben gegen meinen Bruder gekämpft.“

Das kurze Erstaunen in seinem Gesicht war so schnell wieder verschwunden, wie es gekommen war und in seiner Miene lag nur Mitleid und Trauer.

„Ja, ich war dabei …“

antwortete er ihr.

Sora brachte kein Wort mehr heraus. Sie wusste nicht, was sie fühlen oder denken sollte, so viele Eindrücke brachen mit einem Mal über sie hinein, als hätte sie gerade eine Lawine überrollt.

„Wieso …?“

flüsterte Sora, doch wartete sie gar nicht erst, bis er antworten konnte.

„Erzählen sie es mir!“

verlangte sie.

„Was ist passiert?“

Robert sah zu seiner Tochter. Auch sie schien begierig darauf zu sein, zu erfahren, was sich in jener Nacht im Lager abgespielt hatte. Robert seufzte laut. Er hatte wohl aufgegeben. Doch ehe er antworten konnte, wurde er abermals unterbrochen:

„Wenn sie erlauben, Professor, würde ich ihr das gerne erklären.“

Diesmal kannte Sora die Stimme und es erfüllte sich gleichsam mit Trauer, wie mit Mitleid, als sie die junge Frau von ihrem Fahrrad absteigen sah. Sora fühlte wie die Tränen erneut nach außen drangen, als sie von zwei zierlichen Armen umschlungen wurde.

„Komm mit rein. Ich werde dir alles erzählen.“

sagte sie noch zu ihr, ehe sie sie hochhob und wieder in den Rollstuhl bugsierte. Niemand widersprach ihr, niemand sagte mehr ein Wort und als die Schwarzhaarige sie nach drinnen schob, konnte Sora nicht anders als sich einzugestehen, dass es noch jemanden gab, den ihr Bruder mehr als nur verletzt hatte. Vielleicht sogar genauso wie sie selbst.

„Danke dass du hier bist …“

hauchte sie leise in sich hinein.

„Danke, dass du bei mir bist …“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  jyorie
2016-01-21T10:51:57+00:00 21.01.2016 11:51
Hey (#´ー´)旦

ob sich Naokos Schwester bei den Nachrichten hat zusammen reimen können, das ihr Bruder mit nicht ganz legalen Tätigkeiten an das Geld gekommen ist, oder ob sie das schon zuvor geahnt hat?! hm ... ich fand es toll, das du Challahan zu ihr geschickt hast, ich hatte auch gerätzelt wer es sein kann und bevor du von der Halskrause berichtet hast, hätte ich auf Freds Vater getippt.

Das wird sicher ein spannende Erzählung für die beiden Mädels.

CuCu Jyorie


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