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Über Freunde und Helden

von

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Auge um Auge ...

„Ich wusste, dass du herkommen würdest.“

Gogo hatte gerade die letzte Sprosse der Leiter am Ballon erklommen und stand nun oben auf dessen Gipfel und konnte die ganze Stadt in ihrem regen Treiben unter sich erkennen, als bestünde sie aus Ameisen. Naoko hatte sich, noch immer in voller Kampfmontur, auf den kalten Stahl gesetzt und seinen Blick auf das blaue Meer gerichtet.

„Und trotzdem bist du hier.“

erwiderte Gogo ruhig und folgte seinem Blick.

„Ja ...“

antwortete er knapp. Sie wandte ihren Blick wieder zu ihm.

„Wieso bist du noch hier?“

Er sah sie nicht an, drehte sich nicht einmal um. Obwohl Gogo diese Geste als unhöflich empfinden sollte, so war sie doch irgendwie froh darum, ihm nicht in die Augen sehen zu müssen. Sie hatte die Befürchtung, dass sie sich wieder auf ihn stürzen würde.

Naoko schwieg zunächst und der Wind spielte mit seinen pechschwarzen Haaren. Er hatte etwas ruhiges, friedvolles an sich, sodass Gogo es immer noch nicht glauben wollte, dass er sie und ihre Freunde vor wenigen Stunden noch selbst mit unglaublicher Härte bekämpft hatte.

Mit einem Mal erhob er sich und erst jetzt erkannte sie, dass er sein Schwert neben sich in den Stahl getrieben hatte. Jetzt erst, im Sonnenlicht, erkannte Gogo das ganze Ausmaß ihres Kampfes. Seine Panzerung hatte jeden Glanz verloren, an mancher Stelle war sie von Ruß geschwärzt. Seine Prothese war von Metallsplittern durchbohrt worden, gleichsam wie seine Brust, auch wenn diese nicht annähernd so tief saßen. Er bemerkte ihren Blick und meinte trocken dazu:

„Die Explosion.“

Gogo verstand und wieder kamen die Erinnerungen an jene Nacht hoch, in der sie für einen kurzen Moment in seinen Armen gelegen hatte. Auch wenn sie in diesem Augenblick noch nicht wusste, dass er es gewesen war, so hatte sie für einen kurzen Moment ein Gefühl von Sicherheit und Wärme umfangen. Flüchtig wie ein Windhauch, doch klar wie ein Sturm.

„Ihr wusstet, dass es eine Falle war?“

fragte Gogo plötzlich und sie wusste selbst nicht, wieso sie diese Frage stellte. Naoko sah sie aus seinen müden Augen heraus an.

„Ich wusste es nicht. Vielmehr ich habe es geahnt.“

„Warum seid ihr dann gekommen?“

Naoko ließ ein vorsichtiges Lachen von sich, auch wenn es einem Husten näher kam als einem Ausdruck der Belustigung.

„Mein Onkel wäre euch niemals aus dem Weg gegangen. Egal, was ich gesagt hätte.“

erwiderte er mit trotziger Stimme. Gogo war irritiert und sah ihn fragend an.

"Dein Onkel?“

Naoko nickte.

„Ich brauche seine Identität nicht geheim zu halten, nicht wahr?“

Sie erwiderte darauf nichts. Er hatte Recht. Baymax‘ Scanner hätte ihn so oder so gefunden, egal, wo er sich versteckt hätte. Und es war auch nur eine Frage der Zeit, bis ihre Freunde Jagd auf die beiden gemacht hätten.

„Du gibst auf?“

Die Frage klang seltsam in Gogos Gedanken. Auch wenn sie nicht viel von ihm wusste, so hatte sie immer geglaubt, dass jemand, der eine solche Energie an den Tag legte, um sein eigenes Schicksal zu verändern, nicht so einfach aufgeben würde. Und jetzt, da sie vielleicht den Grund erfahren hatte, glaubte sie das umso mehr.

Naoko antwortete nicht, wich ihrem Blick aus.

Woran denkst du gerade?

Es war ein mehr als seltsames Gefühl hier oben, hoch über den Dächern der Stadt mit ihm alleine zu sein. Alles war offen um sie herum und doch schien es ihr, als wären sie beide in einen Raum eingesperrt. Die Kälte, die der pfeifende Wind auf ihrer Haut hinterließ, fühlte sich gleichsam wie Nadelstiche an und sorgte für noch mehr Unbehagen, als diese Begegnung für sich alleine.

„Ja ...“

erwiderte er schließlich leise und sah ihr in die Augen. Für einen kurzen Moment spürte sie die Wut in ihrem Körper, brodelnd und bebend, doch war es die Leere in seinen Augen, die sie sogleich wieder hinwegfegte.

Er hat wirklich aufgegeben

„Warum das Ganze? Du hattest doch alles.“

Sie wollte es einfach wissen, egal, wie sehr sie die Antwort schmerzen würde. Doch er antwortete nicht. Stattdessen schüttelte er nur vorsichtig den Kopf und gab einen leisen Laut von sich, was Gogo als schmerzhaftes  Lachen verstand.

„Kennst du das Gefühl, völlig machtlos zu sein?“

Er machte eine kurze Pause.

„Und doch siehst du es nicht ein? Willst es nicht wahr haben?“

Gogo senkte den Blick.

„Was hat sie?“

Als Gogo den Blick dabei hob, glaubte sie für einen kurzen Moment so etwas wie Überraschung in seiner Mimik zu erkennen. Doch war der Eindruck nur flüchtig und von kurzer Dauer.

„Ihr Nervensystem versagt.“

Gogo hörte ein Knacken und erkannte, dass Naoko seine metallene Faust ballte, auch wenn seine Mimik nichts als Trauer zeigte.

„Sie leiten keine Signale mehr. Mit jedem Tag wird die effektive Reichweite kürzer und sie verliert die Kontrolle über ihre Körperfunktionen.“

Er wandte den Blick von ihr ab und sah zu den Wolken, die über dem Meer ihre Schatten warfen.

„Als erstes haben ihre Beine versagt, ihre Arme folgen langsam. Irgendwann wird die Krankheit bei ihren Organen angekommen sein. Die Ärzte wissen nicht, wann, aber es wird passieren.“

Die letzten Worte schien er aus seiner Kehle herauszupressen.

„Und dafür stiehlst du?“

fragte sie vorsichtig und er nickte.

„Um die Rechnungen zu bezahlen.“

Gogo spürte, wie sich ein Kloß in ihrem Hals bildete, doch zwang sie sich, weiter zu fragen:

„Und dafür entführst du Hiros Tante, zerstörst sein Haus und verrätst uns alle?“

Sie machte eine kurze Pause und holte tief Luft.

„Deine Freunde?“

Gogo wusste ganz genau, dass er nie wirklich in Gänze ein Teil der Gruppe geworden war, doch stand diesem auch nichts im Weg. Vielleicht, so hatte sie in manchen Momenten gedacht, hätte er mit seinen Fähigkeiten sogar ein Mitglied bei Big Hero 6 werden können. Ihn nun auf der anderen Seite zu wissen, war eine Situation, die sie nie auch nur in Erwägung gezogen hatte.

„Ich habe nicht gewusst, dass Hiro die Microbots gebaut hat.“

„Und als du es erfahren hattest, habt ihr trotzdem seine Tante entführt? Den letzten Menschen seiner Familie?“

Naoko seufzte wehleidig.

„Ich konnte ihn nicht von diesem Vorhaben abbringen.“

Er rieb sich die Stirn und schien seine Worte abzuwägen.

„Ich habe dafür gesorgt, dass ihr kein Leid zugefügt wird. Ihr habt gesehen, wie brutal er sein kann. Das konnte ich nicht zulassen.“

Gogo lief ein Schauer über den Rücken, als sie daran dachte, wie sie wohl reagiert hätte, wenn man ihr keine Wahl gelassen hätte.

„Ich tue alles für sie.“

endete er mit einem Mal.

Außer töten

Und sie war froh darum, doch wollte sie nicht wissen, was er tun würde, wenn ihm keine andere Möglichkeit mehr blieb. Als Gogo ihren Blick über die Stadt schweifen ließ, fiel ihr ein, dass sie vielleicht nicht mehr viel hätten, ehe Hiro Baymax‘ Scanner anwerfen würde. Sie wusste, wie gut er unter Druck arbeiten konnte.

Blieb also nur noch eine Frage zu klären und der bloße Gedanke daran trieb ihr bereits die Hitze ins Gesicht.

„Warum hast du mich geküsst?“

Sofort schien Naokos Gesicht ebenfalls eine warme Farbe anzunehmen und sichtlich überrascht über diese  plötzlichen Themenwechsel öffnete er den Mund, sagte jedoch kein Wort und schloss ihn wieder. Verlegen griff er sich in den Nacken und sah zur Seite.

„Naja ... Das wollte ich eigentlich schon früher getan haben.“

flüsterte er beinahe. Offenbar wagte er es nicht, in ihre Augen zu sehen. Gogo hob die Augenbraue. In ihrem Bauch machte sich ein seltsames Kribbeln breit. Es war beinahe wie das Gefühl, wenn sie mit hoher Geschwindigkeit einen Berg hinunter raste, wenngleich ungleich schöner. Doch sie überspielte das, als sie ein seltsamer Gedanke übermannte.

„War ziemlich trocken und kurz.“

antwortete sie ihm mit genervtem Unterton.

„Verstehe ... Tut mir Leid. Ich weiß wirklich nicht ...“

versuchte er sich zu rechtfertigen, als Gogo ihn am Kragen packte, ihn zu sich hinunter zog und ihm tief in die Augen sah.

„So macht man das.“

Noch ehe Naoko reagieren konnte, lagen bereits ihre Lippen auf seinen. Doch diesmal hatten sie Zeit, diesmal würde sie es genießen. Als sie sich von ihm löste, flüsterte sie beinahe

„Ich glaube, das wird nicht funktionieren.“

„Nein.“

stimmte er ihr zu. Sie sah ihm in die Augen, eisblau und doch voller Wärme.

„Nicht, solange das alles zwischen uns steht.“

fügte sie hinzu. Wie sie es auch drehte und wendete, es fühlte sich gleichermaßen falsch wie richtig an und sie spürte den tobenden Kampf in sich.

"Nein ..."

gab Naoko ihr Recht. Noch immer stand sie ihm so nah, dass sie seinen Atem auf ihrer Haut spüren konnte und das verschaffte ihr eine Gänsehaut.

Warum? Warum kannst du nicht auf unserer Seite sein?

„Wir sind nicht mehr alleine.“

erklärte er mit einem Mal, trat von ihr zurück und blickte nach oben. Gogo folgte seinem Blick.

„Was meinst du damit?“

Ohne seine Antwort abzuwarten, landete Baymax mit einem lauten Krachen neben den Beiden auf dem blanken Stahl des Ballons. Gogo erschrak, während Naoko ruhig zu Hiro aufsah, der auf dem Rücken des riesigen Roboters saß.

„Irgendetwas sagt mir, dass ihr nicht zum Reden hier seid.“

sagte Naoko ruhig.

„Nicht wirklich.“

antwortete Hiro mit einer unterschwelligen Anspannung in der Stimme und stieg von Baymax herunter.

„Aber auch nicht zum Kämpfen.“

fuhr er fort. Gogo war überrascht und sah zu Naoko. Ob dieser es auch war, konnte sie nicht erkennen, da seine Miene ausdruckslos war.

„Und doch warten deine Freunde in voller Kampfmontur auf den Gebäuden unter uns."

erwiderte er.

„Ich sehe, du hast auch einen Sensor. Ich nehme an, dass es derselbe wie bei Baymax ist“

Naoko nickte nur stumm.

Hiro öffnete den Behälter auf seinen Rücken, ohne sein Gegenüber dabei aus den Augen zu lassen.

„Du kannst nirgendwo mehr hin.“

sagte Hiro leise.

„Also solltest du einfach aufgeben und mit uns mitkommen.“

„Hiro …"

schaltete sich Gogo ein, doch der Junge beachtete sie nicht. Naoko seufzte.

„Keine Angst. Ich habe nicht vor wegzulaufen.“

Die Überraschung war Hiro nur allzu deutlich ins Gesicht geschrieben. Allerdings wusste sie nicht, ob Hiro das glauben würde. Sie selbst zweifelte schließlich noch immer ein wenig daran.

„Einfach so?“

Hiros Stimme war misstrauisch und seine Nerven schienen zum Zerreißen gespannt. Naoko wagte einen Blick zu dem stummen Roboter, der aufmerksam jeden seiner Schritte verfolgte.

„Ich werde seinem Sensor nicht entkommen können.“

sagte er schließlich und verschränkte die Arme vor der Brust, während er seinen Blick wieder Hiro zuwandte.

„Es war leicht, die Rüstungen so zu konzipieren, dass sie für die Strahlung des Sensors unsichtbar sind, doch kann ich sie ja nicht ewig anbehalten und ohne Helm ist sie momentan eh nutzlos.“

Er blickte auf seinen rechten Arm.

„Ich habe nicht die Energie für eine ewige Hetzjagd und die Stadt kann ich ebenso wenig verlassen.“

Als er den Blick wieder erhob, kreuzte er sich mit ihren und ein angenehmer Schauer durchfuhr sie, begleitet vom Glühen ihrer Wangen.

„Also gebe ich auf, ebenso wie mein Onkel. Wir wissen bereits, dass wir zu angreifbar geworden sind.“

Die bereitwillige Preisgabe der Identität Gunners überraschte Hiro genauso wie zuvor noch Gogo, auch wenn er nichts dazu sagte und einfach nur still lauschte. Eine kurze Pause folgte, in der niemand auch nur einen Laut von sich gab, ehe Hiro schließlich zähneknirschend das Wort ergriff:

„Ich muss zugeben, dass ich von dir etwas mehr Widerstand erwartet hatte, vor allem nach dem, was ihr meiner Tante angetan habt.“

Naoko sah ihn nicht an, senkte den Blick.

„Ich bereue die Rolle, die ich dabei gespielt habe. Ich konnte ihn nicht von dem Gedanken abbringen. Ich konnte lediglich dafür sorgen, dass sie danach in meine Obhut kam und ihr kein Leid zugefügt wurde.“

Hiro hielt sich sichtlich zurück und für einen kurzen Moment bewunderte Gogo ihn dafür. Sie mochte sich nicht ausmalen, was in ihm vorging und was sie an seiner Stelle getan hätte. Hiro sah an Naoko vorbei, direkt zu dem Schwert, welches der Schwarzhaarige in den Stahl getrieben hatte.

„Dann wirst du jetzt mit uns kommen?“

fragte er skeptisch und Naoko nickte stumm.

„Nun gut ...“

Hiro machte eine  kurze Pause. Offenbar war er auf dieses Szenario nicht vorbereitet gewesen.

„Baymax, Düsen an.“

Der Roboter tat, wie ihm geheißen, und Hiro stieg auf dessen Rücken. Er reichte Gogo den Arm und zog sie hoch, ehe er sich an Naoko wandte.

„Baymax wird dich tragen, damit ..."

„Ich keine Dummheiten mache.“

beendete er den Satz und ging auf die Drei zu.

„Habe schon verstanden.“

Baymax senkte die Hand und Naoko stieg darauf, als Hiro sagte:

„Sobald wir deinen Onkel haben, werden wir deine Schwester wieder frei lassen.“

Sofort, noch ehe Hiro das letzte Wort ganz ausgesprochen hatte, stoppte er. Sein Blick war leer, doch konnte Gogo deutlich sehen, wie sich seine Muskeln unter der hautengen Rüstung anspannten.

„Was hast du gesagt?“

fragte er atemlos und erst jetzt erkannte Gogo, was gerade geschehen war. Hiro hingegen schien verwirrt und sah fragend zu Gogo.

„Hast du es ihm nicht gesagt?“

Gogo öffnete den Mund, doch fiel ihr keine Antwort darauf ein.

„Du ... wusstest davon?“

Naoko sah sie nicht an und in ihrer Brust machte sich Panik breit.

„Nein! Ich ...“

begann sie, doch Naoko unterbrach sie.

„Wo ... ist ... sie?“

Er presste diese Frage durch seine Zähne und es war Hiro, der antwortete:

„Außerhalb eurer Reichweite, zum Schutz unserer eigenen Familien.“

Hiro? Was soll das?!

schrie Gogo ihn innerlich an und packte ihn an der Schulter. Doch noch ehe sie den Mund aufmachen konnte, hörte sie das bedrohliche Klicken von Metall. Als sie ihren Blick dem Geräusch zuwandte, sah sie, wie Naoko wieder die Faust ballte, doch klang es so, als würde das Metall gleich bersten. Gogo öffnete den Mund, brachte jedoch keinen Ton heraus. Sofort erfüllte das Brüllen von Naokos Düsen die Szenerie. Der Druck war so gewaltig, dass es Baymax‘ Hände, auf denen Naoko noch stand, in den Stahl des Ballons trieb. Er warf sich im Bruchteil einer Sekunde zurück zu seinem Schwert. Als er das Heft ergriff, drang Gogo sofort der Gestank von glühendem Metall in die Nase und der Stahl um das Schwert begann zu schmelzen.

„Hiro!“

schrie sie ihn an und in der nächsten Sekunde klopfte er Baymax zweimal auf den Rücken, der sofort Abstand zu dem Jungen schuf. Im Sonnenlicht erkannte Gogo die Tränen, die an seinen Wangen herunterliefen, doch war es der Blick, den er ihnen zuwarf, der ihr die blanke Panik in die Knochen trieb.

„Wasabi, Fred, Honey! Macht euch bereit!“

bellte Hiro ins Mikro. Ein weiteres Brüllen und seine Düsen kamen auf Hochtouren, gleichsam wie die von Baymax. Nur knapp entkamen die Drei dem ersten Schwertstreich und vergrößerten den Abstand zum Ballon.

„Wir sind in der Luft. Kapp das Seil, Wasabi.“

Sofort schoss der Riese aus seinem Versteck auf dem Dach heraus an das Stahlseil heran, aktivierte seine Plasmaklingen an und durchschnitt den Stahl mit einem Schlag. Laut ächzend peitschte das Seil, gezogen von dem nun frei fliegenden Ballon, über den Beton des Daches. Als Gogo ihren Blick wieder Naoko zuwandte, war die metallene Hand seiner Prothese verschwunden. Stattdessen prangte ein langer Lauf aus seiner Schulter heraus, welchen er auf die Drei richtete. Hiro erkannte es zu spät und, ehe er reagieren konnte, durchbrach ein ohrenbetäubender Knall die Luft. Ein lautes Krachen folgte und der Enterhaken hatte sich um Baymax‘ Bein verfangen.

„Hiro ...“

fing dieser an, doch kam er nicht weit. Im vollen Schwung, den seine Prothese hergab, schoss Naoko den Dreien entgegen und streifte Hiro mit dem Knie am Kopf. Nur knapp hielt dieser sich an Baymax fest.

„Mehr Schub!“

brüllte der Junge und Baymax gab wieder Gas. Hiro riss den Behälter auf und unzählige Nanobots krochen aus diesem heraus, umklammerten den Enterhaken und hinderten Naoko daran, diesen zu lösen. Nun hing er fest und wurde mitgerissen.

„Wir kommen runter, haltet euch bereit!“

brüllte Hiro ins Mikro und Baymax setzte zum Sinkflug an. Gogo blickte nach hinten, sah, wie Naoko das Schwert erhob und das Seil mit einem Hieb durchtrennte.

„Er ist frei.“

rief sie ins Mikro und ein kurzes Gefühl der Erleichterung machte sich in ihr breit. Durch die Geschwindigkeit, die er durch den Zug des Roboters erhalten hatte, flog er geradewegs auf die Fassade des Wolkenkratzers zu. Flink versenkte er sein Schwert wieder in der Scheide, und ließ die Prothese klacken. Sofort verschwand das Rohr und seine metallene Hand kam wieder zum Vorschein. Wenige Meter vor der Betonwand veränderte er seine Haltung und rammte den in Panzer gehüllten rechten Fuß und seine Prothesenhand mit voller Wucht in das Gebäude. Der Beton und der Stahl schrien, während er an der Wand hinunter rutschte und dabei immer langsamer wurde. In der Zwischenzeit hatte Baymax die Richtung gewechselt und hielt wieder auf ihn zu. Weiter unten auf der Straße erblickte Gogo ihre Freundin, wie sie zwischen all den panisch wegrennenden Menschen ihre Tasche auf die Schulter nahm und die Kanone aktivierte. Zielsicher richtete sie das Fadenkreuz auf den inzwischen gestoppten Naoko, weit über ihr.

"Honey! Du hast freies Schussfeld!"

brüllte Hiro und Honey schoss. Mehrere kleine Kugeln, die in der Abendsonne schimmerten, verließen den Lauf und rasten auf Naoko zu.

„Honey!“

brüllte Gogo ins Mikro, doch war es längst zu spät. Mit einem ohrenbetäubenden Krachen barst die Betonwand und hüllte alles in eine meterdicke Staubwolke. Baymax stoppte.

„Kannst du ihn sehen?“

fragte Hiro ihn und der Roboter warf seinen Scanner an.

„Ja.“

antwortete dieser und erhob seinen Arm.

„Dort.“

Langsam lichtete sich der Rauch und Gogo sah ihn. Er hing an seinem rechten Arm an die Wand gefesselt, die von schwarzem Glibber überzogen war. Rund um ihn herum waren die Einschusskrater der anderen Kugeln verteilt. Vorsichtig flog Baymax an ihn heran.

„Gut getroffen, Honey.“

lobte Hiro sie, wenngleich mit einer gewissen Trauer in der Stimme.

„Danke.“

antwortete Honey leise.

„Haltet euch bereit, falls er fliehen will.“

Als sie näher kamen, erkannte Gogo das Ausmaß des Treffers und …

Seine Kapuze war weggesprengt worden und der Kopf an der linken Seite blutig. Seine Kleidung und Rüstung hatte an zahlreichen Stellen ähnlichen Schaden erlitten und offenbarte blutige Wunden und blaue Flecken. Wie leblos hing er an seiner zerfetzten Prothese fest, wiegte mit dem Wind.

„Baymax?“

Gogo wagte nicht zu fragen, doch der Roboter antwortete.

„Sämtliche seiner Körperfunktionen arbeiten normal.“

Beinahe zeitgleich mit Baymax‘ letztem Wort hustete Naoko einen kleinen Schwall Blut hervor, der seinen Hals herunterlief.

Unter ihm sah Gogo, wie Honey nachlud und ihr Visier wieder auf Naoko richtete, während Fred aus dem Gebäude kam und sich neben sie stellte. Sie war wie erstarrt und unfähig noch etwas zu sagen.

„Es ist vorbei ...“

sprach Hiro schließlich zu ihm, als er seine Augen öffnete. Er erwiderte nichts, sondern sah die Drei nur aus seinen eisblauen Augen heraus an und Gogo bemerkte zum ersten Mal, seit sie ihn kannte, dass sie Angst vor ihm hatte.

Nichts als pure Angst.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  jyorie
2015-12-02T05:26:59+00:00 02.12.2015 06:26
Hallo (ツ)

in dem Kapitel fand ich war die Situation für Gogo am schlimmsten, sie hat mir richtig leid getan, das sie sich einerseits zu Naoko hingezogen fühlt und ihm gern nah wäre und dann Minuten Später die Erkenntnis Angst vor diesem Menschen zu haben und ich glaub auch sie hat das Sicherheitsgefühl, das sie mal bei ihm verspürt hatte verloren. Mit dem "verliebtsein" ist ja schon wer klar zu kommen (manchmal), aber das ist ein riesiger Gefühlssprung(Gefühlsabsturz?), ich möchte nicht in ihrer Haut stecken, wie es ihr da gerade geht. Die Arme.

Wenn Naoko vorher alles für seine Schwester getan hat, damit sie so lange wie möglich noch ein lebenswertes Leben hat, kann man es verstehen, dass er seine Kapitulation wiederruft und total austickt. Bei dem Krankheitsbild ist es für ihn auf jeden Fall Fraglich, ob sie in „Gefangenschaft“ richtig behandelt wird. Ich hoffe das der Kampf nicht das Ende von Naoko ist.

Liebe Grüße, Jyorie


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