Über Freunde und Helden von GrauW0lf ================================================================================ Kapitel 23: Springende Neuralwerte ---------------------------------- Sofort als Honey das Labor nach ihrer langen Abwesenheit betrat, umfing sie der altbekannte und von ihr zutiefst vermisste Geruch von Öl, Chemikalien und Gummi. Dicht hinter ihr betraten ihre Freunde die Räumlichkeit und sie konnte an ihren Gesichtern ablesen, dass es ihnen genauso ging. „Zeit, an die Arbeit zu gehen. Wir haben einiges aufzuholen bis zum Ende der Semesterferien!“ quietschte Honey ihnen fröhlich zu, während sie die schwere Kiste abstellte, die sie bei sich trug. Sobald die Ferien vorbei waren, würde man ihre Fortschritte begutachten wollen, um zu überprüfen, ob sie auch was getan hatten. Hiro und Baymax waren ohne ein weiteres Wort in Tadashis ehemaligen Laborbereich verschwunden und auch Wasabi lenkte seine Schritte schnurstracks zu seiner Erfindung in der Ecke. Fred war indes damit beschäftigt, sein Maskottchen-Kostüm auszugraben, sich das Fransokyo Uni Schild zu schnappen und seinen Weg zum unieigenen Sportplatz anzutreten. „Ich habe auch einiges nachzuholen. Meine Choreographie ist bestimmt schon eingerostet.“ sagte er noch zu den beiden Frauen, ehe er den Raum verließ und sich die Tür mit einem leisen Klacken schloss. Nun standen die beiden alleine im Raum und Gogo blies mit genervtem Blick ihren Kaugummi auf. „Na dann, lass uns loslegen!“ sagte Honey zu ihrer kleinen Freundin, doch schien diese ihr gar nicht zuzuhören. „Gogo?“ Mit fragendem Blick sah sie zu Honey hoch. „Alles in Ordnung bei dir?“ wollte Honey wissen und lächelte sie aufmunternd an. Die Angesprochene nickte knapp und Honey sah sich ebenfalls um. „Ja, alles gut.“ sagte sie mit monotoner Stimme und wandte sich Honey und ihrer Kiste zu. „Was hast du da eigentlich drin?“ wollte sie wissen und Honey lächelte sie wissend an. „Das wirst du noch erfahren. Aber vorher wüsste ich gerne, wo Naoko eigentlich steckt.“ Das Labor war beinahe leer, nur zwei ihrer Kommilitonen waren zu sehen und auch die schienen mehr aus Langeweile hier zu sein als zum Arbeiten. Sie hatten ein Brettspiel vor sich ausgebreitet und waren so vertieft darin, dass sie die Neuankömmlinge gar nicht bemerkten. Sie schaute wieder zu Gogo, doch diese erwiderte nichts dazu und ging ohne ein weiteres Wort zu ihrem Rad, das noch immer an der Aufhängung in der Decke hing. „Honey, du weißt, was Hiro gesagt hat.“ Doch Honey ignorierte wissentlich ihre Bedenken und machte sich auf den Weg zu seinem Arbeitsplatz am anderen Ende des Labors, nicht ohne vorher die Kiste noch neben ihrem Chemietisch abzustellen. Sowohl Hiro als auch Freds Vater hatten sich deutlich gegen eine Kontaktaufnahme zu Naoko ausgesprochen, bis die Falle in dieser Nacht zuschnappen würde. So lange sie noch nicht wussten, in welcher Weise Naoko zu seinem Verwandten stand, wäre es ein Risiko, sich mit ihm zu unterhalten, aus der Gefahr heraus, dass sie sich verplappern könnten. Fred hatte daraufhin sofort gespielt entrüstet erwidert, dass er sich nie verplappern würde, woraufhin er ein allgemeines Gelächter und Gekicher geerntet hatte. An seinem Arbeitsplatz angekommen musste sie erkennen, dass Naoko tatsächlich nicht da war. „Kann ich dir helfen?“ Erschrocken drehte Honey sich um und da stand der Prothesenträger im Türrahmen mit der Tasche über der Schulter und beobachtete ihre Schritte. Seine Augen waren gereizt und gerötet, seine Bewegungen langsam und etwas unkoordiniert. Er schien nicht geschlafen zu haben. „Hey, da steckst du also.“ erwiderte Honey fröhlich und lachte ihn an. Auf seinem Gesicht zeichnete sich sogar ein müdes Lächeln ab, als er an seinen Schreibtisch herantrat und die Tasche darauf ablegte. „Du hast mich gesucht?“ fragte er beim Vorbeigehen. „Du siehst müde aus.“ erwiderte Honey, seine Frage ignorierend. Naoko nickte als Antwort nur und packte eine große Thermoskanne aus seiner Tasche, aus der er auch sofort einen kräftigen Zug nahm. Honey erkannte am Geruch, dass es Kaffee war, und sofort fragte sie sich, ob er sich nicht gerade den Mund verbrannte. „Ihr wart lange weg. Wie geht es Hiro?“ hakte Naoko mit freundlicher Stimme nach. Honey öffnete den Mund, doch bevor sie antworten konnte, stand bereits Gogo im Türrahmen und sagte: „Ihm geht es gut. Wir haben zusammen mit ihm eine Auszeit genommen.“ „Verstehe.“ antwortete der Junge, jedoch ohne sich zu ihr umzudrehen. Eine seltsame Stille machte sich über die drei breit und Honey schüttelte es für den Bruchteil einer Sekunde. Ohne ein weiteres Wort setzte Naoko sich, fixierte seine Prothese am Tisch und begann, sie abzuschrauben. Die Prothese war arg ramponiert und an einigen Stellen guckten Drähte und einzelne Metallplatten heraus. Honey sah zu Gogo und erkannte, dass sie dasselbe dachte wie sie. „Was ist passiert?“ fragte Gogo vorsichtig. Ein kurzes Klacken und die Prothese löste sich von seiner Schulter. Hörbar atmete Naoko aus und sah zu Gogo hinüber. „Sagen wir, das Material ist nicht so stabil, wie ich gehofft habe.“ Er lächelte bei diesem Satz und wandte sich wieder dem Metallkonstrukt zu. Honey spürte, dass sie jetzt besser gehen sollte, doch war sie einfach zu neugierig. „Du bist wieder geklettert.“ stellte Gogo schließlich fest und Naoko nickte schwach. Mit einem metallenen Singen öffnete er das Innenleben seiner Konstruktion und begann nach einem kurzen, prüfenden Blick darauf, wieder in seiner Tasche herumzukramen. „Nicht mein Tag heute. Hab mal wieder mein Werkzeug vergessen.“ sagte er schließlich zu Gogo, die an ihn herangetreten war und nun direkt neben ihm stand. Honey beobachtete die Szenerie weiter und es schien ihr so, als hätten die beiden sie vergessen. In Gogos Gesicht spiegelte sich eine Mischung aus Wut und Mitleid und sie konnte deutlich ihre Anspannung erkennen. „Wat brauchste denn, Kleener?“ Die drei wandten ihren Blick zur Tür, deren Rahmen von Wasabi beinahe vollständig ausgefüllt wurde, der mit einem leichten, erwartenden Lächeln zu Naoko blickte. „Kleener?“ fragte Naoko lachend und schüttelte den Kopf. „Erst Keule von Fred, jetzt Kleener von dir. Was kommt als nächstes?“ wollte er wissen und sah dabei Gogo aus dem Augenwinkel heraus an, während er seinen Stuhl drehte und sich erhob. „Hast du einen Lötkolben dabei?“ wollte er schließlich von Wasabi wissen. „Klaro, welche Temperatur brauchste?“ „Mindestens 480, mehr geht immer.“ Der Riese nickte und wies Naoko an, ihm zu folgen. Als die beiden aus dem Raum getreten waren, wandte Honey sich an Gogo, die ihnen noch hinterher sah. „Alles in Ordnung?“ wollte sie wissen und sah ihr in die Augen. „Ja, alles gut, denke ich.“ erwiderte sie knapp und verließ ebenfalls den Raum, genauso wie Honey direkt danach. Die beiden Jungs standen an Wasabis Arbeitstisch und unterhielten sich, während Naoko seine Erfindung eingehend studierte. „Du hast mir nie erklärt, wie das Ding überhaupt funktioniert.“ sagte er schließlich, ohne die Augen davon abzuwenden. Damit hatte er Wasabi. Sofort begann der Riese, ihm ausführlich jedes noch so unwichtige Detail zu erläutern. Er erzählte ihm von Prismen und elektronischen Feldern und untermalte das Ganze mit Gesten und Beispielen. Honey indes war mehr damit beschäftigt, Gogo zu beobachten. Sie tat ihr leid, auch wenn Gogo sich offenbar alle Mühe gab, ihren Unmut zu verbergen. „Gogo?“ Die Angesprochene antwortete zunächst nicht. Erst nach ein paar Sekunden wandte sie sich von den beiden ab und Honey zu, jedoch ohne ihr in die Augen zu sehen. „Was macht er nur damit, dass er seine Prothese so schrottet? Immerhin hat sie uns beide gehalten.“ Honey spürte den unbedingten Drang nachzufragen, was sie genau damit meinte, doch kannte sie Gogo gut genug, um zu wissen, dass sie gerade andere Dinge im Kopf hatte. „Nun, vielleicht …“ „Au verdammt!“ Der kurze, erstickte Schrei von Naoko, der sich offenbar in einem Moment der Unachtsamkeit an den Plasmastrahlen verbrannt hatte, lenkte die beiden Frauen wieder von ihrem Gespräch ab. Sofort hörten sie die quietschenden Schritte von Baymax, der mit Hiro im Schlepptau das Büro von Tadashi verließ. „Wasabi, hast du dich wieder verbrannt?“ fragte Hiro in den Raum, ohne von seinem Buch auf zu blicken. Erst, als er das tat, erkannte er, dass es nicht Wasabi gewesen ist. Mit einem kurzen, aber missmutigen Blick und darauf bedacht, dass Naoko diesen nicht sah, sah er zu den Frauen, während Baymax bereits an ihn herangetreten war und mit seiner Behandlung begann. Während dieser nach seiner kurzen Routinefrage seinen Scan ankündigte, wandte Naoko sich an Hiro. „Scannt er eigentlich nur, wenn jemand „Au!“ ruft?“ Hiro schüttelte den Kopf und meinte: „Nein, er macht das eigentlich immer, damit er auf große Schwankungen reagieren ka ...“ „Scan abgeschlossen!“ unterbrach der Roboter ihn. „Du hast eine leichte Verbrennung am Unterarm. Dazu sind deine Hormon- und Neurotransmitterwerte völlig durcheinander und deuten auf eine mittelschwere bis …“ „Alles klar, Baymax. Ich hab‘s verstanden.“ unterbrach Naoko den Roboter seinerseits und wedelte mit den Händen. „Wenn du mir nur den Unterarm verarzten könntest, wäre ich dir sehr dankbar dafür.“ Der Roboter tat wie ihm geheißen und behandelte die Stelle mit einem kühlenden Spray. Währenddessen wandte sich Naoko wieder Hiro zu. „Wie geht es dir eigentlich? Ist wieder alles verheilt?“ Hiro nickte schwach und unterdrückte wohl seine Wut über das Plappermaul Fred, während er antwortete: „Ja, inzwischen ist wieder alles in Ordnung.“ Honey hob eine Augenbraue, als Naoko das Thema wechselte, sagte jedoch nichts dazu. Stattdessen fiel ihr Blick zufällig auf die Kiste neben ihrem Tisch und ihr fiel wieder ein, was sie eigentlich vorhatte. Mit einer für andere wahrscheinlich irrsinnigen Geschwindigkeit packte die Chemikerin ihr Handy aus, tippte eine kurze Nachricht an Fred und packte es sofort wieder ein. Als sie sich kurz umsah, bemerkte sie, wie die anderen beiden Studenten bereits das Labor verließen. Perfekt Sie grinste über beide Ohren und erntete dafür einen irritierten Blick von Gogo. Zum Glück hatten die anderen es nicht gesehen. Flink und ohne jedes Wort ging sie an einen der zahlreichen Schreibtische, packte einen der Monitore und verschleppte ihn kurzerhand an ihren Arbeitsplatz und schloss ihn an den Strom an. Noch schnell ihre Chemieutensilien vom Tisch entfernt und den Bildschirm darauf gestellt. Sie bemerkte gar nicht, wie die anderen sie inzwischen interessiert beobachteten. Als sie mit dem Bildschirm fertig war, griff sie in die Kiste und zog einen kleinen, schwarzen Kasten heraus, den sie schonungslos auf den Chemietisch donnerte, direkt daneben. Einige Kabel später war sie dann auch schon fertig. „Ähm … Honey? Was wird das?“ fragte Hiro schließlich mit skeptischem Gesichtsausdruck. „Nun …“ fing sie etwas atemlos an. „… Als wir heute Morgen heimgekehrt waren, habe ich das hier auf dem Dachboden meiner Eltern gefunden und mir gedacht, das wäre doch mal was für uns.“ Gogo hob eine Augenbraue hoch und fragte: „Und was genau?“ Mit einem lauten Krachen betrat Fred in seinem Kostüm das Labor und schrie lauthals aus: „Karaoke!“ Honey erwiderte diesen Ausruf mit erhobenen Daumen in Freds Richtung. „Perfektes Timing, Fred. Perfektes Timing.“ Lächelnd wandte sie sich wieder den anderen zu, während Fred sich dazu gesellte und Naoko die Faust entgegenhielt, welche dieser eher zögerlich erwiderte. Wasabi grinste wie ein kleines Kind und sogar Gogo sah aus, als würde ihr die Idee zusagen. Nur Hiro sah Honey irritiert an. „Komm schon, Hiro. Das haben wir früher öfter gemacht. Das macht Spaß!“ schwor sie ihm und sah Hiro mit ihrem honigsüßen Lächeln an. Mit leicht genervtem Gesichtsausdruck ließ dieser das Buch in seiner Rechten demonstrativ zusammenklatschen und seufzte. „Na gut, so schlimm kann es ja nicht werden.“ „Das wird spitze!“ freute Fred sich und griff sich bereits eins der Mikros, die noch in der Kiste lagen. „Ich fang an!“ jaulte er lauthals und drückte auf den Knopf. Mit einem leisen Surren fuhr die Kiste hoch und offenbarte ein Logo in Form eines Lautsprechers auf dem Monitor. „Moment!“ stoppte Honey ihn und sah in die Runde. "Ich finde, um die ganze Sache etwas interessanter zu machen, sollten wir auslosen, wer für wen den Song aussucht." „Wie jetz?“ fragte Wasabi nach und Gogo machte einen Gesichtsausdruck, als würde sie Honey irgendetwas unterstellen. Honey hingegen grinste nur in sich hinein. „Wir losen, wer wen bekommt, und dieser sucht dann einen Song für denjenigen aus.“ erklärte sie mit einer Stimme, die unmissverständlich klar machte, dass sie jetzt genau das tun würden. „Sucht ein Lied raus, das zu der Person passt.“ fügte sie noch hinzu und nahm sich eines der leeren, großen Bechergläser. Sofort schrieb sie die Namen ihrer Freunde auf ein Papier, zerriss es in Stücke und warf diese in das Glas. Dieses hielt sie dann Hiro unter die Nase. Sofort griff der Junge hinein und zog einen der Zettel heraus. Ohne seine Worte abzuwarten, schritt sie auch schon zum nächsten, Wasabi. Dieser tat dasselbe und bald hatten alle einen Namen aus dem Glas gezogen. Honey indes zog, verborgen vor den Augen der anderen einen Zettel aus ihrer Hosentasche. Bisher klappt ja alles, jetzt muss nur noch Fred mit machen Sie kam sich schon beinahe diabolisch vor bei dem Gedanken, wie raffiniert sie doch alles eingefädelt hatte. Und niemand schien Verdacht zu schöpfen. Zumindest hoffte sie das. „Also gut. Wer hat denn Fred?“ Wasabi hob die Hand und ging an die Maschine, tippte in der Playliste herum und startete das Lied. Er wagte einen kurzen Blick zu Fred, nicht ohne ein gehässiges Grinsen auf den Lippen. Als er sich wieder zu den anderen gesellte, die inzwischen ein paar Stühle organisiert hatten, sagte er noch zu Honey: „Du hast echt ne große Liste.“ Fred stand bereits mit tippelnden Füßen vor dem Monitor, als der Titel erschien: Aqua – Barbie Girl   Doch anstatt dass ihm, wie wahrscheinlich von Wasabi erwartet, sämtliche Gesichtszüge entglitten, sang er einfach lauthals los: „Hi Barbie! Hi Ken!“ und immer darauf bedacht, auch ja die Stimmlage der beiden Sänger zu treffen. Die Gruppe lachte über diese unglaubliche Performance und auch Fred untermalte das Ganze noch mit genauso dämlichen Tanzeinlagen. Als er schließlich nach drei anstrengenden Minuten mit den Worten: „Oh i love you, Ken!“ endete, erntete er den verdienten Applaus. „Zieht ihm ein Kleid an!“ grölte Hiro noch nach vorne, der offenbar inzwischen seinen Unmut über das hinzuziehen Naokos abgelegt hatte und mit in die gute Laune einstieg. Sofort war klar, dass Wasabi der nächste war, da er den Song bestimmt hatte. Ihn hatte Hiro gezogen und auch er konnte sich ein Lächeln bei der Auswahl des Liedes nicht verkneifen. Doch Wasabi lächelte kämpferisch, als der Titel Michael Jackson – Thriller erschien. „Is det alles?“ fragte er in Hiros Richtung, während die ersten Töne den Raum ausfüllten. „It´s close to midnight and something evil´s lurking in the dark.“ fing er an, nicht ohne versuchten Moonwalk und andere Tanzeinlagen. Durch seinen eigenwilligen Akzent und seine eher stümperhaften Bewegungen, was wohl an seiner Größe liegen mochte, wurde es ein ebenfalls großer Spaß für die Gruppe und sofort begannen alle, im Takt mitzuklatschen. Er endete schließlich völlig aus der Puste mit dem diabolischen Lachen. „Ahahahahahahahahaha …“ Irritiert, aber auch lächelnd sahen seine Freunde ihn an und Naoko meinte: „Offensichtlich weilt der King wieder unter den Lebenden.“ Wasabi schenkte ihm ein Zwinkern und fügte hinzu: „Un er is wider schwarz.“ Als Wasabi dann von der Maschine abließ, verschwand Hiro kurz in seinem Labor, mit Baymax im Schlepptau, nur um sofort wieder aufzutauchen. „Wo warste, kleener Mann?“ Hiro lächelte wissend und meinte nur achselzuckend: „Hab nur kurz was aus meinem Büro geholt.“ Hiro bekam seinen Song von Gogo gestellt und sie schien sich auch ziemlich sicher zu sein, welches Lied zu ihm passen würde. Sofort, als der Titel erschien, setzte das Lied auch schon mit harten Gitarrenschlägen ein. Bon Jovi – It´s my life   Irritiert sah Hiro auf den Bildschirm, fing sich jedoch schnell wieder. „This ain´t a song for the broken-hearted.” Mit jedem Gitarrenschlag wippte der Junge mit dem Kopf mit und auch Baymax, der inzwischen neben ihm stand, tat es ihm gleich. Wie ein richtiger Rocker tanzte er taktgenau mit und spielte mit schnellen und filigranen Fingern, die man dem Ballonriesen gar nicht zugetraut hatte, eine Luftgitarre. Zusätzlich übernahm er die Hintergrundstimmen mit seiner metallenen „Gesangsstimme“. Hiro indes tanzte dort vorne mehr schlecht als recht herum und seine manchmal viel zu höhenreiche Stimme tat ihr Übriges dazu. “It´s my life!” Den letzten Satz ausgesungen ließ der Junge das Mikro völlig außer Atem auf den Tisch fallen und erntete ein mit Lachen und Pfiffen untermaltes Klatschen von seinen Freunden. „Was hast du Baymax gegeben?“ hakte Honey schließlich nach und wieder zuckte er nur mit den Schultern. „Vielleicht ihm einen neuen Chip geschrieben mit Tanzeinlagen.“ zwinkerte er ihr zu und setzte sich mit Baymax wieder zu den anderen. „Jeder kleine Rocker braucht einen Sidekick auf der Bühne.“ kommentierte Fred noch. Damit war Gogo an der Reihe und ohne, dass jemand fragen konnte, stand Honey auch schon auf und suchte sich das Lied für ihre Freundin heraus. Das war der Moment, auf den sie hingearbeitet hatte, und sie war mehr als gespannt darauf, wie sie reagieren würden. Nicht ohne ein aufmunterndes Lächeln schritt sie an Gogo vorbei und setzte sich hin. Avril Lavigne – Smile Ruhig und leise setzte die Musik an und die ersten Lettern erschienen auf dem Bildschirm vor Gogo. Der Gedanke, dass Honey ausgerechnet dieses Lied ausgewählt hatte, drückte ihr wohl etwas auf den Magen. Doch Honey kannte ihre Freundin gut genug, um zu wissen, dass sie nicht kneifen würde. Das hatte sie noch nie getan und sie würde auch heute Abend nicht damit anfangen. “You know that I'm a crazy bitch I do what I want when I feel like it All I wanna do is lose control But you don't really give a shit You don't let it go let it go with it 'Cause you're fucking crazy rock'n'roll” Mit jeder Zeile entspannte sie sich mehr und mehr und fand die richtige Stimmlage nach einer kurzen Eingewöhnung. Offenbar dachte sie sich wie üblich: Scheiß drauf und los! Lächelnd beobachtete Honey ihre Freundin, bis diese mit einem Mal ihr einen mehr als tödlichen Blick von der „Bühne“ aus zuwarf. Sie bringt mich um grinste die Chemikerin in sich hinein. “You said hey What's your name It took one look And now I'm not the same”   Sie wagte einen vorsichtigen Blick zu Naoko. So unangenehm es ihr auch zu sein schien, so wollte sie offenbar doch irgendwie seine Reaktion wissen. “Yeah you said hey And since that day You stole my heart And you're the one to blame”   Und da war es wieder. Dieses unschuldige Lächeln von ihm. Honey sah, wie er sie beobachtete, und am liebsten hätte sie ein Foto davon gemacht. Doch Honey hing an ihrem Leben und so begnügte sie sich mit der Vorstellung, dass Gogo in diesem Moment wohl am liebsten im Boden versunken wäre. Honey schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln und einen erhobenen Daumen. „Yeah And that's why I smile It's been a while Since every day and everything has felt this right And now you're turning all around And suddenly you're all I need The reason why I smile” Gogo mied den Augenkontakt zu ihm, starrte stattdessen entweder Honey wütend an oder auf den Bildschirm vor sich. Als das Lied sich schließlich dem Ende neigte, entspannte sich ihre Freundin sichtlich wieder. “The reason why I smile The reason why I smile”   Leise klang das Lied aus und der Applaus füllte die Stille. Gogo atmete hörbar aus und wagte einen vorsichtigen Blick zu Naoko, nur um sich dann ganz schnell mit hochrotem Kopf wieder abzuwenden. Die Szenerie war für Honey einfach zu süß. So kannte sie die sonst so toughte Gogo überhaupt nicht. Doch als sie in sein Gesicht sah, wurde ihr klar, dass ihr Plan funktioniert hatte. Hätte Gogo sie in diesem Moment nicht auf die Schulter geboxt, hätte sie wohl gar nicht bemerkt, dass die Schwarzhaarige bereits neben ihr saß. Mit schmerzerfüllter Miene rieb sich Honey die Stelle, an der Gogo sie getroffen hatte. Die kleine Frau hatte einen Schlag drauf, der selbst Wasabi umhauen würde, da war Honey sich sicher. Mit Schwung erhob sie sich aus dem Stuhl und trat an die Karaokemaschine heran, mit Naoko direkt hinter ihr. „Leider hat mir Fred den „Barbie Song“ schon weggenommen, aber ich glaube, ich muss mich in Gogos Namen rächen.“ vertraute er ihr lächelnd an, doch schien er bereits etwas anderes gefunden zu haben. Als er an ihr vorbeiging, sagt er noch „Aber alle Stimmen.“ zu ihr und setzte sich zu den anderen, nicht ohne Gogo ein aufmunterndes Lächeln zuzuwerfen. Auf dem Monitor las Honey inzwischen den Titel Katy Perry – This is how we do   In diesem Moment wurde ihr klar, welche Stimme er meinte. Sie seufzte innerlich, doch musste sie sich eingestehen, dass es sein gutes Recht war, sich bei Gogo gutzustellen. So tief, wie sie mit ihrer Stimme kam, begann sie beinahe krächzend: „This is how we do This is how we do“   Es war ein großer Spaß für ihre Freunde, sie in dieser Stimmlage zu hören. Zum Glück für Honey bestand das Lied nicht nur aus solchen Tönen und sie konnte ihrer Stimme hin und wieder eine Pause gönnen. Als die quälenden drei Minuten zu Ende waren, atmete sie erleichtert aus, und erntete den für sie wohlverdienten Applaus und streckte gespielt böse die zunge in Naokos Richtung hinaus. Nun bist du dran, Fred dachte sie noch und sah zu dem Maskottchen rüber, das sich bereits zur Maschine aufmachte. Zeitgleich mit Naoko war er vorne und suchte eifrig nach einem bestimmten Lied. Natürlich hatte Honey für diesen Ablauf gesorgt und Fred vorher genaue Instruktionen gegeben, welches Lied für Naoko bestimmt war. „Das hast du auch? Wie genial!“ rief er mit einem Mal aus und Honey wurde stutzig. Doch tat sie es mit dem Gedanken ab, dass Fred sich mal wieder etwas zu sehr in seine Rolle hineinversetzt hatte und improvisierte. Mit großen Lettern erschien der Titel auf dem Monitor: Skillet – Monster Honey blieb die Luft weg. Was soll das?! Das ist das falsche!   dachte sie nur panisch und griff sich an den Kopf. Allerdings nur kurz, denn als Gogo sie fragend ansah, nahm sie die Hände wieder herunter und lächelte ihre Freundin unschuldig an. Unterdessen meinte Naoko mit gespielt verletzter Stimme zu Fred, während im Hintergrund die laute Gitarre zu spielen begann: „Das passt also zu mir? Das ist hart.“ Nein, Fred du Idiot! Ich hab dir doch geschrieben, was du ihm auswählen sollst!   Doch er schien sich nicht beirren zu lassen und sang einfach los: „The secret side of me I never let you see I keep it caged but i can´t control it So stay away from me The beast is ugly I feel the rage and I just can´t hold it“   Bei seinem Auftritt stand eines jedoch fest: Er konnte nicht singen und das wusste er auch. Er versuchte es auch gar nicht und sorgte somit für allgemeines Gelächter in der Runde, was den etwas unpassenden Text aufwertete. Nichtdestotrotz war Honey unglaublich wütend auf Fred und sie würde ihm noch einige Takte dazu sagen müssen. Wenigstens hatte sie Gogos Lied bestimmen können und das könnte unter Umständen gereicht haben. Ihre Freundin saß indes neben ihr und konnte ihre Augen nicht von ihm abwenden oder wollte es auch nicht. Sie schien Honeys Blick gar nicht zu bemerken und das sorgte für ein seltsames, triumphales Lächeln auf Honeys Lippen. Als Naoko schließlich endete, hielt er das Mikro noch demonstrativ in die Höhe, während er dramatisch mit dem letzten Gitarrenklang gen Boden blickte. Sofort erntete er den Applaus dafür und verbeugte sich theatralisch vor der Gruppe. „Danke, danke. Zu gütig. Ich bin bis Freitag hier. Autogramme gibt es zu jeder vollen Stunde.“ witzelte er noch, während er sich auf die andere Seite von Honey setzte, dessen Platz gerade von Fred, der wieder mit vollem Elan nach vorne stürmte, gefüllt wurde. Das passte der Chemikerin überhaupt nicht und, ehe man sich versah, war sie auch schon aufgesprungen, nahm ihren Stuhl etwas nach vorne und ließ den beiden eine Lücke übrig. So leicht kommt ihr mir nicht davon Als sich der Tag dem Ende neigte und die Kehlen ausgetrocknet waren, war es an der Zeit, dass man sich verabschiedete. Honey sah, wie Hiro immer wieder nervös auf die Uhr schaute, wenn Fred eine neue Runde anfangen wollte. Es wurde langsam Zeit für ihre nächtliche Aktion. Mit einem Vorwand, dass man ja morgen noch früh aufstehen müsse, da man noch einiges aufzuholen hätte und etwas Überzeugungsarbeit in Richtung Fred, dem man hoch und heilig versprechen musste, dass man einen solchen Tag wiederholen würde, gelang es Honey und Hiro schließlich, das Ganze dann doch langsam zu Ende zu führen und, ehe man sich versah, standen sie auch schon alle vor der Uni und verabschiedeten sich. Überschwänglich umarmte Honey noch ihre Freundin und hauchte ihr ein leises: „Jetzt bist du dran.“ ins Ohr, worauf diese sie nur mit einem Blick ansah, der ihr unmissverständlich zu verstehen gab, dass sie ihre Quittung noch bekommen würde. Als ein jeder von ihnen seiner Wege ging, versteckte Honey sich noch im Gebüsch und wartete darauf, dass die beiden einen guten Abstand von ihr hatten, da sie wusste, dass sie beide denselben Heimweg hatten. Ohne ein weiteres Wort traten sie diesen auch an und Honey folgte ihnen vorsichtig. Sie sprachen die ganze Zeit über kein Wort miteinander und Honey hatte schon Angst, dass Gogo es vermasseln würde. Bis sie schließlich nach einem kurzen Weg an ihrem Haus angekommen waren. Im Inneren brannte noch Licht und hinter der Tür konnte man deutlich im Milchglas den Schatten eines kleinen Hundes erkennen, der eifrig an der Türspalte schnupperte. Honey hatte sich unterdessen hinter einem der Büsche in ihrem Vorgarten versteckt und versuchte zu lauschen. „Nun …“ fing Gogo vorsichtig an, doch sagte sie nichts weiter. Stattdessen sagte Naoko: „Das war ein lustiger Nachmittag, das müssen wir mal wiederholen.“ „Ja.“ antwortete Gogo knapp. „Nun, ich sollte mich dann mal verabschieden.“ fuhr Naoko fort und hob bereits die Hand. „Wir sehen uns dann morgen?“ fragte er noch. Honey konnte sehen, dass er sichtlich mit sich kämpfte. Kommt schon. Dieses Rumgedruckse ist ja nicht zum Aushalten dachte Honey leicht genervt und versuchte, ihren Kopf noch etwas weiter aus dem Busch zu heben, um besser sehen zu können. „Ja, bis morgen.“ erwiderter Gogo knapp und nahm die Stufen zu ihrer Haustür hoch. Sie bemerkte nicht, wie Naoko sich wieder zu ihr umdrehte und an die Treppe trat. Ja, jetzt aber!   Verlegen griff er sich an den Nacken und flüsterte beinahe: „Hättest du noch Lust auf einen Kaffee? Ich kenne da einen ziemlich guten gleich um die Ecke.“ Gogo hatte gerade ihren Schlüssel herausgeholt, als sie sich zu ihm wandte und ihn ansah. Naoko nahm die erste Stufe und sah ihr in die Augen. „Ich mein nur, falls du Lust dazu hast.“ Auch wenn sie heute einen ganz anderen Termin hatten, so hoffte sie doch inständig, Gogo würde ja sagen. „Das klingt sehr gut, aber das geht heute nicht mehr.“ antwortete sie und Honey war sich nicht sicher, doch glaubte sie, Gogo tatsächlich stottern gehört zu haben. „Bist du sicher …?“ fragte er leise und Gogo senkte ihren Blick ein wenig. Nein, geh mit!   Sie antwortete nicht und sah ihn auch nicht an. Sie schien mit sich zu kämpfen. Honey konnte es fast nicht ertragen, sie so zu sehen. Doch was sollte sie tun? Naoko war ihrer Freundin beinahe unmerklich näher gekommen und Honey war sich sicher, dass sie seinen Atem auf ihrer Haut spüren konnte. Sie sah ihn fragend an, sagte jedoch nichts und Honey biss sich nervös auf die Lippen, während sie die Daumen drückte. „Ich verzeichne einen großen Sprung in ihren Neurotransmitterwerte.“ Die metallene Stimme von Baymax, wenngleich sanft wie immer gesprochen, peitschte durch die Stille der Nacht und erschrocken wich Gogo von ihm zurück. Offenbar dachte er dasselbe, denn auch er trat einen erschrockenen Schritt nach hinten. Und trat ins Leere. Mit einem letzten, fragenden Gesichtsausdruck segelte der junge Mann die Stufen hinunter und landete unsanft auf dem Kiesweg. Honey hatte beinahe einen Herzinfarkt bekommen, als sie die Stimme hörte, und erschrocken blickte sie hinter sich. Dort hatten sich, ohne dass sie es bemerkt hatte, Hiro, Fred, Wasabi und Baymax angeschlichen und sofort fragte sie sich, wie sie Baymax nicht hatte kommen hören. Doch sie hatte keine Zeit, sich diese Frage zu stellen, denn, als sie wieder zu Gogo sah, die gerade dabei war Naoko auf die Beine zu helfen, drang nur noch ein Impuls in ihrem Kopf. „Weg hier!“ flüsterte sie bestimmend zu den anderen und sofort rannten die Freunde los, ohne einen weiteren Blick zurück zu wagen. Sie bringt uns um heute jammerte sie innerlich, als sie die Planung dieser Nacht vor Augen hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)