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Über Freunde und Helden

von

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Laborarbeiten und erste Hilfe

Die Sonne war längst hinter dem Horizont verschwunden und nur noch vereinzelte Lampen erhellten die Räume des Labors. Die meisten Studenten waren längst nach Hause gegangen und es war still um sie herum geworden. Gogo saß alleine in ihrer Ecke auf dem Boden und begutachtete still grübelnd ihr Fahrrad, das an dem Haken an der Decke hing.

Nicht schnell genug

schoss es ihr immer wieder durch den Kopf und ließ sie keinen klaren Gedanken fassen. Sie fühlte sich ausgelaugt und ihre Augen brannten unangenehm. Hiro hatte ihr noch gesagt, sie solle einen anderen Blickwinkel suchen, bevor auch er nach Hause gegangen war.

Neuer Blickwinkel

genervt blies sie ihre Kaugummiblase auf und ließ sie platzen.

Der hat gut reden

Ihr Blick wanderte zu der großen Uhr an der Wand, beinahe elf. Resigniert beschloss sie, es morgen wieder zu versuchen, vielleicht brauchte sie einfach mal eine Pause. Leider hatte Hiro Baymax wieder mitgenommen, sonst hätte er ihr vielleicht wieder eine von seinen medizinischen Massagen verpassen können. Möglicherweise hätte ihr das geholfen. Langsam erhob sie sich, legte den Schraubenzieher auf die Werkbank und griff nach ihrer Jacke, die sie über den Stuhl gehängt hatte. Sie versuchte sich von den Gedanken über das Fahrrad freizumachen und atmete tief ein. Als sie die Luft wieder aus ihren Lungen drückte, bemerkte sie, dass es nicht ganz so still war, wie sie zuerst vermutet hatte. Sie hörte das leise Klicken von Metall, ab und zu unterbrochen von Quietschen, wie von zu wenig geölten Gelenken. Mit der Jacke über der Schulter ging sie der Quelle des Geräusches nach und fand Naoko an einem Schreibtisch sitzen, konzentriert über den mechanischen Arm gebeugt, den er von seiner Schulter abmontiert hatte. Er bemerkte Gogo gar nicht, sondern versuchte krampfhaft, eine festsitzende Mutter am Gelenk zu lösen. Ohne einen Ton von sich zu geben, ging Gogo an Wasabis Werkbank und griff nach dem passenden Schraubenschlüssel. Als sie wieder bei ihm war, stellte sie sich hinter ihn und klopfte ihm damit leicht auf den Hinterkopf.

"Vielleicht probierst du es mal damit?"

Überrascht sah er zu ihr auf und lächelte.

"Danke dir. Ich muss meinen bei mir vergessen haben."

Sofort ging er wieder ans Werk.

"Das ist Wasabis Werkzeug. Du solltest es danach besser zurücklegen."

Naoko lachte leise.

"Ja, das wäre wahrscheinlich besser."

"Was machst du da eigentlich?"

fragte sie und setzte sich auf den Tisch neben ihm.

"Ich versuche, diese bescheuerte Klappe zu öffnen."

Gogo griff nach einem kleinen, schwarzen Zylinder, der neben dem Arm lag.

"Und was ist das?"

"Das ist ein Superkondensator. Hiro hatte sie mir vorgeschlagen, da sie wohl schneller geladen werden könnten als herkömmliche Lithiumbatterien."

"Dein Arm läuft mit Batterie?"

"Normalerweise nutzen Muskeln die Energie aus einer chemischen Reaktion von Sauerstoff und anderen Nährstoffen um zu funktionieren. Dieses Prinzip lässt sich leider noch nicht für Metallgelenke umsetzen."

"Verstehe."

Gogo hatte nicht viel Ahnung über Prothesen und ihren Möglichkeiten und Voraussetzungen. Umso mehr schien es sie aber zu faszinieren, was Naoko da eigentlich tat. Doch vor allem war es manchmal lustig mit anzusehen, wenn er versuchte, den Arm wieder auseinanderzunehmen, da er wohl die Eigenart besaß, sämtliche Schrauben und Muttern immer besonders festzuziehen.

"Du bist Rechtshänder, nicht wahr?"

fragte sie nach einer kurzen Pause. In der Woche, in der er jetzt schon mit ihnen im Labor arbeitete, war ihr schon ein paar Mal aufgefallen, dass er sich recht ungeschickt anstellte, wenn er die linke statt der mechanischen rechten Hand benutzte.

"Jop."

antwortete er knapp und kämpfte weiter. Es dauerte noch eine halbe Stunde, ehe er den Kondensator in die Schaltkreise integrieren konnte. Die ganze Zeit sagten die beiden kein Wort mehr und Gogo beobachtete ihn neugierig. Laut schlug er die metallene Klappe zu und rief freudig

"Fertig!"

Gespannt sah Gogo zu, wie er aufstand und den rechten Arm in Richtung der Wand hielt. Erst jetzt fiel ihr auf, wie zerkratzt diese war, und vereinzelt waren sogar Löcher zu sehen, an denen der Putz quasi weggesprengt war.

"Sag mal, was willst du eigentlich bau..."

Weiter kam sie nicht, denn ein ohrenbetäubender Knall warf sie beinahe vom Tisch. Den Arm hatte es in Stücke gerissen und Naoko lag rücklings am anderen Ende des Raumes an der Wand. Seine Haare waren völlig zerzaust und sein Gesicht zierte die eine oder andere Rußspur. Seine Prothese hing in Fetzen von seiner Schulter herunter und einzelne Kabel und Metallteile lagen quer im Raum verteilt. Erschrocken sprang Gogo vom Tisch und lief zu ihm rüber.

"Alles klar bei dir?"

Sie griff ihm unter den linken Arm und zog ihn auf die Beine.

"Wow."

sagte er nur und besah sich den kümmerlichen Rest, den der Knall zurückgelassen hatte.

"Mit so viel Energie habe ich nicht gerechnet."

witzelte er. Ein blutiges Rinnsal lief ihm von der Stirn herab.

"Idiot."

grummelte Gogo und half ihm zum Tisch hinüber.

"Setz dich. Ich sehe mir das mal an."

befahl sie ihm und schob seine Haare auseinander. Sie wusste nicht, wieso, doch als sie sah, dass es sich nur um einen Kratzer handelte, machte sich eine solche Erleichterung in ihrer Brust breit, dass es schien, als ginge es gerade um Honey oder Hiro.

"Und, wie sieht es da oben aus?"

hörte sie Naoko von unten fragen. Sie ließ wieder von ihm ab, schritt durch das Labor zum Erste-Hilfe-Kasten, nahm eins der Tücher und den Verband heraus und kam zurück.

"Hier."

Sie warf ihm das Tuch zu.

"Halt das drauf, bis es aufhört zu bluten."

Erstaunt griff er sich an den Kopf und betrachtete das Blut an seinen Fingern.

"Ich blute?"

Irgendwie kam es Gogo so vor, als hätte er mehr als nur einen Kratzer am Kopf abbekommen. Sie rollte mit den Augen und legte ihm den Verband hin.

"Ich denke, das wird nicht nötig sein."

sagte er zu ihr und lächelte sie an.

"Es ist ja nur ein wenig."

Er wurde kreidebleich im Gesicht, als er die rote Flüssigkeit betrachtete.

"Alles in Ordnung?"

fragte Gogo ihn besorgt. Er winkte ab, während er würgte.

"Alles okay. Hab mich nur an etwas Widerliches erinnert."

Er kann kein Blut sehen

ging es ihr durch den Kopf.

"Stell dich nicht so an, Blut haben wir alle."

mahnte sie ihn und er lachte daraufhin laut auf. Gogo war irritiert und sah ihn fragend an.

"Jetzt erklärst du mir bitte mal, was da gerade passiert ist und was du vorhattest."

fuhr sie ihn harsch an.

"Du bist süß, wenn du dich aufregst."

antwortete er nur. Damit hatte Gogo nicht gerechnet und sie spürte, wie ihr die Hitze ins Gesicht stieg. Ganz offensichtlich hatte er sich mehr am Kopf gestoßen, als der Kratzer vermuten ließ. Gerade, als sie ihm eine passende Antwort geben wollte, sah er nachdenklich zu seiner Schulter und sagte

"Wahrscheinlich war es zu viel Energie. Ich wollte den Prototypen eines Enterhakens ausprobieren, aber so, wie es aussieht, hat es das Exoskelett beim Abschuss zerrissen. Ich werde wohl anderes Material nehmen müssen.“

Von diesem plötzlichen Wandel überrumpelt wusste Gogo nicht, was sie darauf erwidern sollte. Stattdessen griff sie nach dem Stuhl, den es in die Ecke gepfeffert hatte, und setzte sich damit wieder an den Schreibtisch.

"Welche Materialien hast du denn verwendet?"

fragte sie ihn schließlich.

"Normales Eisen und Stahl, wenn ich welchen in die Finger bekam."

"Was meinst du damit?"

Er lächelte sie gezwungen an.

"Ich habe mir aus Müll und Resten von Computern, Autos und anderem diese Prothese zusammengebaut."

"Wieso?"

"Ich hatte keinen Zugriff auf bessere Ressourcen."

sagte er leise und wandte sich ab.

"Einer der Gründe, warum ich an diese Uni wollte."

"Ach so."

antwortete Gogo nur und blies ihren Kaugummi auf.

"Naja, dann muss ich wohl erstmal ohne Arm arbeiten."

lachte er. Gogo amüsierte die Vorstellung ein wenig, doch als ihr Blick an seinem Hals hinunter glitt, änderte sich das Schlagartig. Kleine Streifen und Flecken aus Blut zierten seinen dunkelgrauen Pullover.

"Zieh dein Oberteil aus."

befahl sie ihm. Irritiert sah er sie an, tat jedoch, wie ihm geheißen.

"Dein Shirt auch."

Als er auch dieses ausgezogen hatte, sah sie die Ursache. Kleine Metallsplitter hatten sich in seine Haut gebohrt, wenngleich nicht sonderlich tief. Als Naoko an sich herab sah, würgte er kurz und erhob sofort den Blick wieder. Gogo hatte bereits den Erste-Hilfe-Kasten heran geschafft und begann sofort damit, die kleinen Splitter aus der Haut zu ziehen.

"Du hast Glück, sie sind alle nicht tief eingedrungen."

Naokos Oberkörper bebte und sie merkte, wie er leise lachte.

"Der Explosionsradius war auch mehr nach vorne gerichtet."

sagte er und wies auf die Wand. Diese war völlig durchlöchert und größere Splitter waren darin eingedrungen. Den Putz hatte es fast vollständig von der Wand gerissen. Gogo sackte das Herz in die Hose. Als Naoko ihren Blick sah, sagte er

"Das ist nicht das erste Mal, dass mir das passiert. Ich habe die Konstruktion so angepasst, dass sich das Metall verbiegt und eine Art Barriere für Splitter in meine Richtung bildet."

Er schien sie beruhigen zu wollen.

"Aha."

antwortete Gogo nur und begann, die Wunden abzutupfen.

"Du scheinst eine Menge Ahnung von medizinischer Erstversorgung zu haben."

sagte er und beobachtete sie dabei, wie sie geschickt mit einer Pinzette die einzelnen Splitter herauszog.

"Ja, das habe ich."

Da sie ihren Rausch nach Geschwindigkeit immer wieder mal mit Schürfwunden und auch gebrochenen Fingern bezahlen musste, hatte sie schon früh damit begonnen, sich diese Maßnahmen einzuprägen und anzuwenden, wenn es notwendig war.

Als sie die Wunden schließlich mit den Tüchern abdeckte, griff sie nach der Mulde und sagte zu ihm

"Steh auf und nimm die Arme hoch."

Schnelle legte sie den Verband um ihn, als er ihre Befehle ausführte und machte ihn fest.

"Das sollte reichen."

meinte sie nur und packte, die Sachen wieder in den Kasten. Verlegen sah Naoko sie an

"Danke."

flüsterte er beinahe und erhob sich vom Schreibtisch. Erst jetzt wurde Gogo das ganze Ausmaß seiner Prothese bewusst, als sie ihn etwas genauer betrachtete. Beinahe die ganze rechte Schulter bestand aus Metall und Drähten und sie fragte sich, warum ihr das bei der Messe nicht schon aufgefallen war. Ihr lag bereits die Frage auf der Zunge, was der genaue Auslöser dafür gewesen war, doch verwarf sie diese schnell wieder. Verlegen griff sie nach seinem Shirt und warf es ihm zu.

"Zieh dich wieder an."

Wortlos tat er wie ihm geheißen und zog er das blutbesudelte Kleidungsstück wieder an.

"Was nun?"

fragte Gogo ihn. Er besah sich das Chaos und seufzte.

"Ich werde eine neue bauen müssen. Nur diesmal besser aus widerstandsfähigerem Material."

Gogo blies ihren Kaugummi auf und ließ ihn wieder zwischen ihren Zähnen platzen.

"Nun, ich denke, ich räume hier noch die Überreste weg und dann sollte ich mich wohl auf den Weg machen."

Gogo nickte zustimmend

"Ich helfe dir."

Als die letzten Reste weggeräumt und sauber auf dem Schreibtisch aufgereiht worden waren, Wasabis Werkzeug wieder an Ort und Stelle war und Gogo ihr Fahrrad herunter genommen hatte, zogen sich die beiden ihre Jacken an und löschten das Licht, ehe sie das Labor verließen. Die kühle Nachtluft umfing die beiden und jagte ihr einen kurzen Schauer über den Rücken. Gerade, als sie die Stufen der Treppe hinuntergehen wollte, hielt Naoko sie an der Schulter fest.

„Ich wollte mich nochmal für deine Hilfe bedanken.“

grinste er sie verlegen an.

„Ich schulde dir was.“

fuhr er fort und sah sie reumütig an.

„Keine Ursache.“

antwortete sie und sie setzten ihren Weg fort. Der Weg nach Hause war für die beiden bis zum großen Park am Rande der Stadt derselbe und so gingen sie schweigend nebeneinander. Als sie am Park angekommen waren und es Zeit wurde sich zu trennen, wandte sich Naoko noch einmal an Gogo.

„Wenn ich meinen Arm repariert habe, würde ich gerne noch einmal gegen dich spielen.“

Gogo überlegte kurz und nickte dann.

„Warum nicht?“

antwortete sie.

„Und was deine Schuld angeht…“

fuhr sie vorsichtig fort.

„Wie wäre es, wenn du mir morgen früh bei meinem Geländetest hilfst?“

Erst, als der letzte Satz ihre Lippen verlassen hatte, wurde ihr klar, was sie da eigentlich gerade gefragt hatte. Wieder schoss ihr die Hitze ins Gesicht und sie war froh, dass es so dunkel war und hoffte, dass Naoko davon nichts mitbekommen würde.

„Klar.“

antwortete dieser und lächelte.

„Wo und wann?“

Skeptisch sah sie ihn an.

„Langschläfer?“

„Nein.“

erwiderte er knapp. Gogo lächelte verschlagen.

„Gut, dann morgen um sechs hier im Park.“

Naoko sah sie schief an, dann nickte er.

„Ich denke, das lässt sich einrichten.“

„Gut, dann morgen.“

sagte Gogo.

„Morgen dann.“

wiederholte er und hob die Hand.

„Ich bin dann jetzt weg. Du kommst klar?“

Ihr Blick schien ihn geradewegs erstechen zu wollen und verlegen winkte er

„Alles klar, bis morgen dann.“

Mit flinken Schritten verschwand er in der Dunkelheit und ließ Gogo alleine zurück. Sie atmete laut aus und seufzte.

Er kann nicht der Samurai sein.

dachte sie und zückte ihr Handy.

„Naoko ist nicht der, den wir suchen. Erkläre ich euch morgen.“

tippte sie in das Chatfenster und ließ das Handy wieder in der Tasche verschwinden.

Nein

dachte sie sich

Die Indizien passen nicht zusammen

Seine Prothese schien nicht zum Kampfmuster des Samurais zu passen. Sie war schlichtweg zu instabil für eine solche Art von Kampf, den ihr Gegner ihnen in der Nacht am Kai geliefert hatte.

Also alles wieder auf Anfang.

Nachdenklich, aber doch irgendwie froh über diese Erkenntnis, setzte sie ihren Weg nach Hause fort.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  jyorie
2015-07-09T05:24:45+00:00 09.07.2015 07:24
Hallo ヽ(^。^)丿

und seit diesem Kapitel, wo man erfahren hat, das Naoko praktisch seine Protese aus „Müll“ zusammengebaut hat und er eine Hämatophobie hat und noch dazu der Arm so wenig aushält ... glaub ich auch nicht mehr wirklich, das er da persönlich mit drin steckt. (Wobei ... wegen der Angst, das er kein Blut sehen kann, wäre zumindest ein kleiner Grund, warum er den BigHero6 nichts getan hat, aber ich glaub der Grund ist zu schwach, da wiegen die anderen Dinge die Gogo bei der Explosion gesehen hat doch mehr, als so ein kleines Detail)

Irgendwie süß, wie da zwischen den beiden immer mehr Sympathie entsteht.

Liebe Grüße, Jyorie


XD ... freu mich, das du mit den Spekulationen etwas anfangen kannst. Danke – aber ich schreib gern ein Kommi, schließlich hab ich ja beim lesen und grübeln auch meinen Spaß.


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