Blind Date von May_Be ================================================================================ Kapitel 19: Der Ausflug, Teil 1 ------------------------------- „Kira, kommst du? Die anderen warten schon auf uns“, rief Itoe ihm aus dem Flur zu. In der Regel brauchte Kira nie lange, um zu packen. Eigentlich war er schon längst fertig. Er hatte nur das Gefühl, etwas vergessen zu haben. Nur was? Kira sah sich nachdenklich im Schlafzimmer um. Sein Blick fiel auf die Kommode, die neben seinem Bett stand. Wie ein Geistesblitz schoss ihm ein Gedanke durch den Kopf, der ihn daran erinnerte, was er beinahe vergessen hätte. Er öffnete mit einem Ruck die Schublade und fand in der hintersten Ecke eine kleine rote Schachtel. Erleichtert verstaute er diese in seiner Tasche, die er sich gleich darauf über die Schulter warf, bevor er das Zimmer verließ.   Das gemietete Häuschen befand sich weit oben in den Bergen, wo es bereits in den vergangenen Tagen heftig geschneit hatte. Der Schnee war auf den Straßen bereits geschmolzen, doch über Nacht hatte es gefroren, sodass die spiegelglatten Straßen den Hinweg ein wenig erschwerten. „Hoffentlich kommen wir heil an“, hatte Jiro gesagt, als das Auto einen kurzen Moment ins Schleudern geriet, und hielt sich am Haltegriff der Autotür fest, „ich bin noch nicht bereit zu sterben.“ Dass Jiro so ängstlich sein konnte, überraschte nicht nur Kira. Ren, der am Steuer saß, warf einen kurzen Blick über den Rückspiegel nach hinten und versuchte seinen Freund zu beruhigen. „Wir werden schon nicht sterben. Wie könnte die Frauenwelt sonst diesen Verlust verkraften, wenn du weg wärst?“ Kira grinste und Itoe musste sich ein Lachen verkneifen, selbst über Katsuyas hartes Gesicht huschte der Hauch eines Lächelns. Nur Jiro brummte etwas vor sich hin, hielt sich weiterhin unnachgiebig fest und blickte starr aus dem Fenster. Die Fünfergruppe erreichte ihr Ziel am frühen Nachmittag. Das Häuschen, das zur Vermietung stand, gehörte einem alten Freund von Rens Vater. Ren hatte bereits am Vorabend den Schlüssel abgeholt, damit sie sich heute Morgen direkt auf den Weg machen konnten. Es war ein kleines, schlichtes Ferienhäuschen, aber sauber und gemütlich. Leider konnte keiner ein Einzelzimmer bekommen. Ren teilte sich ein Zimmer mit Jiro, Kira mit Itoe und Katsuya musste im Wohnzimmer schlafen. Doch an diesem Platzmangel schien sich niemand zu stören. Die jungen Leute beschlossen sich erst einmal einzurichten, bevor sie die Piste unsicher machten.   Kira brachte seine und Itoes Taschen in ihr gemeinsames Zimmer. Es war kleiner, als er sich vorgestellt hatte. Die Tatamimatten lagen bereits auf dem Boden nebeneinander ausgebreitet. Die einzige Einrichtung in dem Raum bestand aus einem kleinen Tisch mit einem Stuhl, einer Kommode und einem runden Spiegel, der darüber an der Wand hing. Viel Platz bot das Zimmer nicht. Itoe kam nach ihm herein und machte einen überraschten Eindruck. Auch sie schien nicht damit gerechnet zu haben, dass es so eng werden würde. Ihr Blick verharrte einen langen Moment auf den Tatamimatten. Es war nicht gerade ein Luxus, den zum Beispiel Kiras Wohnung bot. „Ich hoffe, du bist nicht allzu enttäuscht“, sagte er und riss sie aus ihren Gedanken. „Was?“ Itoe schien nicht zu begreifen, was er meinte. Kira machte eine ausschweifende Handbewegung, die den ganzen Raum einnahm. „Na das hier. Vielleicht hast du dir etwas Besseres vorgestellt.“ „Ach so“, entgegnete Itoe, „nein, ich bin nicht enttäuscht.“ „Aber?“ Itoe schien einen Augenblick zu überlegen, schüttelte dann aber den Kopf. „Kein aber.“ Ihr Lächeln sollte ihre Unbekümmertheit unterstreichen, doch bei Kira hinterließ es lediglich ein seltsames Gefühl der Unzufriedenheit. Es war offensichtlich, dass sie etwas auf dem Herzen hatte, es ihm aber nicht mitteilen wollte. Selbst wenn es etwas Unbedeutendes war, er wollte es wissen. Er hatte gehofft, die Zeit würde sie zueinander führen, ihre Differenzen beseitigen, die Wogen glätten, doch in Wahrheit fühlte er sich meilenweit von ihr entfernt. „Wie du meinst“, sagte er ein wenig verstimmt und stellte die Taschen auf dem Boden ab. Er wusste, warum ihn diese Kleinigkeit, dass sie sich ihm nicht mitteilen wollte, verärgerte, aber es war und blieb nur eine Kleinigkeit. Er wollte sich den Ausflug nicht davon verderben lassen und beschloss, seine grüblerischen, negativen Gedanken in die Tiefen seines Herzens zu verbannen und sie erst dann wieder auszugraben, wenn sie zu Hause wären.   Die Skipiste lag einige Gehminuten von dem Ferienhaus entfernt. Ren ging mit Itoe voraus, während die anderen drei die Nachhut bildeten. Sein Freund unterhielt sich angeregt mit Itoe über das Weihnachtsessen, das sie für Morgen geplant hatten. Itoe hatte sich bereit erklärt, den Koch zu spielen, und Ren wollte sie dabei unterstützen. Ihre lockere Unterhaltung und das herzliche Lachen versetzen Kira einen plötzlichen Stich, der ihn sichtlich irritierte. Er hatte nichts gegen diese Freundschaft einzuwenden, aber er wünschte sich, Itoe würde sich ebenso unbeschwert mit ihm unterhalten können. Kira vermisste diejenigen Tage, in denen sie sich kennengelernt hatten und sich näher gekommen waren, bevor sein Kuss mit Makoto und Itoes Ausrutscher mit Yagami alle Mühe zur Nichte machten. „...darum ist sie nicht hier.“ Kira sah fragend zu Jiro, der gerade mit seiner Erzählung fertig war. „Was?“ „Alter. Hast du nicht zugehört?“, sagte Jiro ein wenig beleidigt, „ich erzählte dir, warum meine Freundin... ich meine, Exfreundin nicht da ist und du hörst nicht mal zu.“ „Sorry, Mann“, entschuldigte sich Kira, während er überlegte, ob er Jiro überhaupt nach seiner Exfreundin gefragt hatte. Jiro seufzte. „Ach, egal. Dann erzähle ich es eben noch mal. - Du weißt doch, ich habe Fumi in diesem Blumenladen kennengelernt, in dem sie arbeitet. Na ja, ich war ja nicht einfach so dort. Wollte grade Blumen für Alina kaufen. Sie ist halb Russin, halb Japanerin. Sie besucht gerade ihre Mutter, die noch in Japan wohnt. Habe sie durch Bekannte kennengelernt. Eine klasse Frau. Solche trifft man in Japan selten...“ „Du schweifst ab“, unterbrach ihn Kira mit erhobener Augenbraue. Sein Freund neigte zu ausführlichen Erzählungen und dann konnte es sich nur um Stunden handeln. „Oh, sorry.“ Jiro räusperte sich. „Kurz gesagt, die Blumen waren für sie. Aber als ich Fumi gesehen habe... Wow, das war Liebe auf den ersten Blick. Kennst du das, wenn dein Herz anfängt zu rasen und du dir nur denken kannst, das ist sie? - Guck mich nicht so an, Kira. So war es.“ Sein Freund machte eine Pause, auf Kiras Reaktion wartend, die ausblieb. Ob er so etwas kannte? Wenn das Herz schneller schlug und man nur dachte, das ist sie? Kira Blick fixierte eine hellbraunen Schopf, der unter einer roten Wollmütze steckte. „Na ja, und dann“, fuhr die Stimme seines Freundes fort und riss ihn jäh aus seinen eigenen Gedanken, „dann konnte ich ihr ja schlecht sagen, dass die Blumen für eine andere wären, und deswegen habe ich gesagt, die sind für meine Mutter.“ Der Schnee knirschte unter ihren Füßen und einen Augenblick lang hatte Kira sich so sehr auf dieses Geräusch konzentriert, dass ihm gar nicht aufgefallen war, dass sein Freund nicht mehr weitersprach und somit die wichtigste Frage noch ungeklärt blieb. „Und warum ist Fumi nicht mit?“ Jiros Blick versetzte Kira einen leichten Schreck. Die Niedergeschlagenheit in seinen Augen erschien Kira vollkommen fremd, aber aufrichtig. „Ich sag's mal so: Sie hat herausgefunden, dass die Blumen nicht für meine Mutter waren.“ Kira hätte sich das denken können. Ein Weiberheld blieb ein Weiberheld. Selbst wenn er der Liebesgöttin höchstpersönlich begegnen würde, er würde beim Anblick einer anderen hübschen Frau, sofort wieder der Hals verrenken. „Ich beneide euch.“ Kira sah überrascht zu seinem Freund. „Wen?“ Jiro machte eine Kopfbewegung nach vorne. „Na dich und deine zweite Hälfte.“ Seine zweite Hälfte... Kiras Blick wanderte zu Itoe, die sich immer noch mit Ren zu amüsieren schien. „Ihr harmoniert so gut miteinander.“ Kira hätte beinahe geschnaubt. Sie harmoniert wohl besser mit Ren... Dieser idiotische Gedanke versetzte ihm einen Stich und er schob ihn beiseite. „Ach, findest du?“, murmelte Kira, auch wenn er die ehrliche Meinung seines Freundes gar nicht hören wollte. Denn dieser schien sich bereits ein Bild von den beiden gemacht zu haben, ein Bild, das mit der Wirklichkeit nichts gemein hatte. „Ja! Ihr zeigt es zwar nicht offen, aber man spürt es. Ihr werft euch heimliche Blicke zu, als wolltet ihr nicht, dass der andere etwas von euren Gefühlen merkt. Dabei seid ihr doch schon längst verheiratet.“ Jiro lachte leise und verstummte dann wieder. Als er weitersprach schwang in seiner Stimme ein Hauch von Neid und Traurigkeit, aber auch eine tiefe Sehnsucht, irgendwann dasselbe zu erfahren. „Aber genau das ist das tolle an eurer Beziehung. Ihr scheint dieses erste Gefühl, das man hat, wenn man sich gerade erst kennenlernt, beibehalten zu haben. Dieses Gefühl, das schnell verfliegt, sobald man etwas länger mit einem Menschen zusammen ist. Dieses Gefühl, dem ich die ganze Zeit nachjage.“ Die Worte seines Freundes brachten Kira zum Nachdenken, doch er wusste nichts darauf zu erwidern. Entsprachen Jiros Worte der Wahrheit? Warf Itoe ihm wirklich heimliche Blicke zu? Und wenn ja, verbarg sich dahinter wirklich Liebe? Oder sah sie immer noch seinen Bruder, wenn sie in sein Gesicht blickte? Während Kira seinen Gedanken nachhing, fing es an zu schneien. Einige der Schneeflocken landeten auf seiner Nasenspitze und er richtete seinen Blick gen Himmel. Die graue Wolkendecke lag schwer über ihnen und ließ keine Sonnenstrahlen hindurch. Das Wetter unterstrich ganz gut seinen eigenen Gemütszustand. Die Schwere in seinem Inneren ließ sich nicht einmal durch Jiros unerwartete Worte durchbrechen. Und so sah er den Schneeball nicht kommen, der ihn an der Schulter traf. Das Gelächter der beiden Übeltäter ließ ihn herumfahren. „Guter Wurf, Itoe“, sagte Ren lachend. Er warf einen wohlgeformten Schneeball in die Luft und fing ihn mit derselben Hand wieder auf. Itoe sah entschuldigend zu Kira, der sie mit einer Mischung aus Verärgerung und Überraschung ansah. Doch diese Gefühle verflogen genauso schnell wie sie gekommen waren, als er die kindliche Freude in ihren großen Augen sah. Schweigend ging er in die Hocke und formte sich gleich ein paar Schneebälle. „Ihr habt den Falschen zum Feind gewählt“, meinte Kira, bevor er zum Gegenangriff überging. Itoe kreischte kurz auf, als er die Bälle auf sie regnen ließ, und lief lachend vor ihm weg. Jiro und Katsuya gesellten sich ebenfalls dazu und es endete in einer wilden Schneeballschlacht, jeder gegen jeden. Kira hatte es nicht für möglich gehalten, dass eine einfache Schneeballschlacht in diesem Alter noch so viel Spaß machen würde. Sie löste in ihm verloren geglaubte Gefühle aus, die ihn wieder in den kleinen Jungen verwandelten, der er einmal war. Voller Unbeschwertheit und kindlicher Freude. Er hätte nicht gedacht, dass dieser Teil in ihm noch existierte. Voller Adrenalin landete er mit Itoe im Schnee. Sie hatte ihn vorhin im Nacken getroffen, sodass der kalte Schnee den Weg in seinen Schal fand und ihn erzittern ließ. Das verlangte nach Rache. Doch es war einfacher gesagt als getan. Itoe stellte sich als äußerst flink heraus und ihre Würfe waren ziemlich präzise. Doch in einem unachtsamen Moment bekam er sie zu fassen und sie fielen lachend auf den schneebedeckten Boden. Kira setzte sich rittlings auf sie, damit sie nicht fliehen konnte, und mit einer Hand hielt er ihre Arme über dem Kopf gefangen. Sie lachte immer noch, sogar dann, als er mit seiner freien Hand einen Haufen Schnee schippte und ihn gefährlich nah an ihrem Gesicht hielt. „Zeit für deine Strafe“, sagte er. „Das ist unfair“, erwiderte sie und zog spielerisch eine Schnute, „das ist gegen die Regeln.“ „Ach? Wir spielen nach Regeln?“ „So ist es.“ Kira konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Und ich habe die Regeln gebrochen?“ Itoe nickte bekräftigend. „Genau! Und jetzt musst du mich loslassen.“ Kira beugte sich ein wenig zu ihr herab. „Und was, wenn ich es nicht tue?“ Für einen kurzen Moment verlor er sich in den Tiefen ihrer Augen, die sich bei seiner Aussage weiteten und ihn erstaunt ansahen. „Dann...“, hauchte Itoe leise, „dann wirst du disqualifiziert...“ Als sie sprach, huschte sein Blick kurz zu ihren Lippen und dann wieder zurück zu ihren Augen. Kira beugte sich noch ein Stückchen zu ihr, sodass sich ihre Nasenspitzen fast berührten. „Das nehme ich in Kauf.“ Unschlüssig darüber, ob er seinem Drang einfach nachgehen und sie küssen sollte, traf ihn ein Schneeball direkt am Kopf und brachte ihn jäh auf den Boden der Tatsachen zurück. „Hey! Nehmt euch ein Zimmer!“ Jiro. Dieser verdammte... Kiras Mundwinkel zuckte. Der Wurf hatte gesessen, die getroffene Stelle schmerzte und hinterließ ein unangenehmes Pochen. „Entschuldige mich, aber ich muss ihm kurz eine Abreibung verpassen“, presste er hervor, bevor er sich erhob und sich seinen Freund vornahm.   Er ging und ließ sie mit klopfendem Herzen zurück. Itoe merkte erst beim Ausatmen, dass sie die Luft angehalten hatte. Gierig atmete sie tief ein und aus. So nah. Beinahe hätten sich ihre Lippen berührt. Diesen Wunsch hatte sie in seinen Augen sehen können. Ob er in ihren denselben gesehen hatte? Itoe schüttelte den Gedanken ab, doch das Herzrasen ließ sich nicht so einfach loswerden. Selbst dann nicht, als sie in dieser Nacht auf der Tatamimatte lag und kein Auge zumachen konnte. Die Stille bildete einen scharfen Kontrast zu ihrem Kopf, in dem es drunter und drüber ging. Nach der Schneeballschlacht waren alle ausgelaugt und die Lust auf Skifahren war vergangen. Sie vertagten es auf später und beschlossen erst einmal zum Ferienhaus zurückzugehen, um zu essen und sich etwas auszuruhen. Glücklicherweise mussten sie sich nicht um das Essen kümmern, denn für heute war vorgesorgt. Sie hatten verschiedene Leckereien eingekauft, die sie im Wohnzimmer hungrig verzerrten. Itoe hatte sich vor der Reise eine weibliche Begleitung gewünscht - und sie fand es immer noch schade, dass Fumi nicht dabei sein konnte, weil sie sich von Jiro getrennt hatte - aber sie fühlte sich in der Gruppe gut aufgehoben. Selbst Katsuya schien in ihrer Gegenwart aufzutauen. Vielleicht hatte das Gespräch mit ihm ja doch seine Wirkung gezeigt. Itoe drehte sich auf die Seite, sodass sie Kiras Rücken vor Augen hatte. Die Tatamimatten lagen nah beieinander, sodass sie nur ihre Hand auszustrecken brauchte, um den Mann neben ihr zu berühren. Es war viel enger als auf Kiras großem Bett, wo jeder seinen eigenen Privatbereich hatte. Hier dagegen... Das war der Grund für ihre seltsame Reaktion, als sie das erste Mal das Zimmer betreten hatte. Kira hatte sich anscheinend Sorgen gemacht, dass es nicht dem Luxus entsprach, den sie von zu Hause kannte, aber darauf legte Itoe wenig Wert. Sie hatte selbst in einer winzigen Wohnung gelebt, auf einer Tatamimatte geschlafen und nie ein Problem damit gehabt. Nein, es ging ihr um etwas ganz anderes. Und zwar um die unvermeidbare Nähe. Es gab keine Möglichkeit, Abstand zu wahren. Diese Tatsache war so gegenwärtig, dass ihr Herz nicht zur Ruhe kam. „Kira, schläfst du?“ Ihre Stimme war nur ein Flüstern, aber sie klang unnatürlich laut in ihren Ohren. Sie lauschte in die Stille hinein und bekam als Antwort nur einen ruhigen, gleichmäßigen Atem. Unsicher hob Itoe ihre Hand und berührte seinen nackten, kräftigen Rücken. Ihre Fingerspitzen wanderten darüber, spürten seine warme, weiche Haut. Was tat sie da nur? Sie konnte ihn doch nicht einfach berühren... Itoe biss sich auf die Unterlippe und nahm ihre Hand wieder weg. Der plötzliche Drang ihm nahe zu sein, ihn zu berühren, hatte sie überwältigt und ihren Verstand für einen Moment ausgeschaltet. „Hör nicht auf“, hörte sie ihn flüstern. Wie aus dem Nichts drang der Klang seiner Stimme zu ihrem Innersten vor, ließ sie langsam realisieren, dass ihre Annahme, er würde sich im Tiefschlaf befinden, weit verfehlt war. Ihr Herz geriet ins Stolpern, um gleich darauf nur noch schneller zu schlagen. Sein Körper bewegte sich keinen Millimeter, sodass sich Itoe unwillkürlich die Frage stellte, ob jene Worte nicht doch ein Produkt ihrer lebhaften Phantasie waren. „Du... bist ja wach“, stellte sie überrascht fest. Die Hitze stieg ihr in die Wangen und sie war ungemein froh, dass er nichts davon mitbekam. „Ja.“ Erneut breitete sich Stille zwischen ihnen aus. Jetzt würde sie garantiert kein Augen mehr zu tun können. Verlegenheit machte sich in ihr breit und löste den sehnsüchtigen Wunsch aus, vor Scham im Erdboden zu versinken. „Itoe?“ Überrascht blickte sie seinem Rücken entgegen. „Ja?“ „Mach bitte weiter.“ Itoe war zu sehr von ihren eigenen Gedanken abgelenkt, um sofort zu begreifen, was er meinte. Sie zögerte, streckte dann aber zielsicher ihren Arm nach ihm aus, um seiner Bitte nachzukommen. Wie wenige Minuten zuvor zeichneten ihre Finger die Muskeln seines Rückens nach. Diesmal auf seinen Wunsch hin. Gänsehaut breitete sich auf seiner Haut aus, wie sie überrascht feststellte. Ihre Finger wanderten über seine Seite hin und her, bis er unerwartet ihr Handgelenk ergriff und sie nah an sich heranzog. Itoe war zu perplex, um zu protestieren. Immer noch mit dem Rücken zu ihr, legte er ihre Hand auf seine Brust und strich nun seinerseits über ihren Arm. Itoe unterdrückte ein zufriedenes Seufzen, jenes seine Berührung in ihr auslöste. Sie lehnte ihre Stirn an seinen Rücken und schloss die Augen. Nur einen kleinen Moment wollte sie sich ihren Gefühlen ergeben. Verzeih mir, Miro – dachte sie reuevoll, bevor sie der Schlaf in seine Tiefen zog. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)