Blind Date von May_Be ================================================================================ Kapitel 18: Eislaufen für Anfänger ---------------------------------- Der Herbst hatte sich endgültig verabschiedet und dem Winter den Einzug gewährt. Die Tage wurden kürzer, die Nächte länger – und das letzte, aufrichtige Gespräch rückte in weite Ferne. Seit ihrer letzten Unterhaltung waren die beiden nicht wirklich weitergekommen. Die eisige Kälte, die lange zwischen ihnen herrschte, hatte sich zwar gelegt, doch keiner von ihnen konnte auf einmal so tun, als wäre alles normal. Denn das war es nicht. Sie waren weiterhin Gefangene dieser unfreiwilligen Ehe und hatten Schwierigkeiten, sich darin zurecht zu finden. Kiras Geständnis, er habe Gefühle für sie, hatte Itoe dazu veranlasst, ihre Einstellung über ihre Beziehung zu überdenken. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie ihre Gefühle für Kira verleugnet, aber er hatte sie durchschaut und ihr diese Tatsache vor Augen geführt. Dennoch konnte sie sich nicht kopflos in seine Arme stürzen. Wäre das nicht in gewisser Weise ein Verrat an Miro? Für Reue war es ein wenig zu spät, das wusste sie, da sie Kira bereits geküsst hatte. Das war Monate her, aber eine unumstößliche Tatsache. Trotzdem... Wenn sie ihren Gefühlen für Kira so schnell nachginge, würde sie keinen Respekt vor sich selbst haben. Sie brauchte Zeit, und es war genau das, was Kira ihr gab.   Seit ihrem letzten Gespräch versuchte Kira sie dazu zu bringen, ihren Arbeitsplatz zu wechseln. Da Itoe seiner Forderung nicht nachgehen wollte, hatte er es sich zur Aufgabe gemacht, sie jeden Abend von der Arbeit abzuholen. Wenn Kira wegen seiner eigenen Arbeit verhindert war, übernahm Ren diese Aufgabe für ihn. Beide Männer waren der Ansicht, dass sie nicht alleine spätabends unterwegs sein sollte. Itoe war damit einverstanden. Ein Protest wäre verlorene Liebesmüh. Kira wollte sie auf diese Weise vor unerwünschten Zwischenfällen bewahren. Vielleicht hoffte er sogar, dass sich Itoes Peiniger irgendwann erneut zeigte. Doch Itoe bezweifelte stark, dass Makoto sich in dem Restaurant je wieder blicken lassen würde. Kira hatte es aufgegeben, sie nach ihrer Verletzung zu fragen und Itoe hatte sich mit dem Gedanken abgefunden, dass sie ihren Ring nie wiederbekommen würde. Letztendlich war das nur ein Gegenstand, ihre Erinnerung hingegen würde ihr niemand wegnehmen.   An einem kalten Dezemberabend trat dann das Unvorhersehbare ein: Keiner der beiden, nicht Ren und auch nicht Kira, konnte sie von der Arbeit abholen. Stattdessen hatte Kira einen anderen Freund gebeten einzuspringen: Katsuya. Bereits beim Lesen von Kiras SMS wurde Itoe ganz unbehaglich zumute. Alleine mit Katsuya? Das würden ihre Nerven nicht aushalten. Das letzte Mal war sie mit ihm alleine im Restaurant, als er sie vor den Toilettenräume verhört hatte. Ihr Magen zog sich schmerzvoll zusammen bei dem Gedanken daran. Dies war das erste Mal, dass Itoe ihren Feierabend nicht herbeisehnte. Als ihre Schicht um 22 Uhr endete, zog sie sich um und trat in die Kälte. Der eisige Wind kam ihr entgegen und sie zog sich ihre Mütze mehr über die Ohren. Man hatte das Gefühl, es wurde jeden Tag kälter. Itoe schaute sich nach ihrem unerwünschten Begleiter um, doch Katsuya war nirgends zu sehen. Trotz der Kälte war noch kein Schnee gefallen. Zu schade. Itoe mochte den Winter. Es war ihre Lieblingsjahreszeit. Die beißende Kälte machte ihr nichts aus. Ganz im Gegenteil. Sie liebte die frische Luft, den kühlen Wind, den Schnee. Als Kind hatte sie gerne im Schnee gespielt. Mit ihren Eltern war sie oft im Park, um Schlitten zu fahren. Die Winterzeit war die schönste Zeit und löste bei ihr glückliche Erinnerungen aus. Erinnerungen an eine besinnliche Zeit mit der Familie. Plötzlich hatte Itoe das Gefühl, Plätzchen zu riechen. Ihre Mutter hatte immer die besten Weihnachtsplätzchen gebacken. Die Sehnsucht nach ihrem Kindheitsort, nach ihrem Zuhause wurde schier unerträglich. Mama... Sie musste ihre Eltern auf jeden Fall am Neujahrstag besuchen. Itoe vergrub ihre Hände tief in den Taschen. Für einen Moment hoffte sie, Katsuya würde nicht auftauchen, doch kaum hatte sie den Gedanken zu Ende gedacht, sah sie ihn um die Ecke kommen. „Sorry, Kira hatte mir kurzfristig geschrieben“, entschuldigte er sich für seine Verspätung. Itoe winkte ab und versuchte unbekümmert zu lächeln. „Nicht so schlimm.“ Katsuya nahm das nickend zur Kenntnis und sie machten sich auf den Weg nach Hause. Es war nicht einfach, ihn zu mögen. Katsuya war sicherlich kein schlechter Mensch, aber er war noch abweisender und kühler als Kira. Besonders seine Abneigung gegen sie ließ er Itoe ständig spüren, sobald sie aufeinander trafen. Itoe schluckte ihr Unbehagen herunter und hing weiter ihren Gedanken nach. Die Freundschaft mit Ren war das einfachste in ihrem Leben. Sie war unbeschwert und leicht, wie eine warme Sommerbrise. Er hatte sie sofort in ihre kleine Gruppe integriert und mit der Zeit wurde er sogar zu einem guten Freund. Mit Jiro hatte Itoe auch nie Schwierigkeiten. Er war locker drauf und brachte Itoe stets zum Lachen. Selbst seine anzüglichen Scherze waren halb so schlimm im Vergleich zu Katsuyas eisiger Ausstrahlung. Itoe erinnerte sich an ein Gespräch mit Ren, bei dem es um Katsuya ging. Ren hatte ihr erklärt, dass sein Freund sich auf diese Weise um Kira sorgte, nur könnte er es nicht anders zeigen. Kiras Heirat war eine unerwartete Neuigkeit, die sie alle skeptisch gemacht hatte. Doch während Ren und Jiro sich mit der Zeit damit abfanden, konnte sich Katsuya nicht dafür erwärmen. Itoe stieß ein resigniertes Seufzen aus. „Katsuya“, fing sie vorsichtig an und sah von der Seite zu ihm auf, „warum hasst du mich?“ Woher auf einmal dieser Mut kam, ihn geradeheraus danach zu fragen, konnte sie sich nicht erklären. Aber diese Frage ging ihr schon seit seiner aufdringlichen Befragung, einschließlich seiner Vorwürfe, durch den Kopf. „Habe ich irgendwas getan, was dich verärgert hat?“ Itoe merkte in seinem sonst so ausdruckslosen Gesicht eine kleine Regung. War das ein Ausdruck von Erstaunen? Was auch immer es war, es verschwand genauso schnell wie es gekommen war. „Ich hasse dich nicht“, erwiderte er monoton, ohne sie anzusehen. Sein Atem bildete weiße Wölkchen, als er sprach, und seine tiefe Stimme ließ sie Luft um sie herum vibrieren. „Ich vertraue dir nur nicht.“ Itoe weitete erstaunt ihre Augen. Sie hatte nicht mit einer ehrlichen Antwort gerechnet. Sie hatte überhaupt mit gar keiner Antwort gerechnet. „Und wie kann ich mir dein Vertrauen verdienen?“ Nun war es an Katsuya sie überrascht anzusehen. Es war das erste Mal, dass sie eine so offensichtliche Gefühlsregung bei ihm wahrnahm. „Das kannst du nicht.“ Er richtete seinen Blick wieder geradeaus, während Itoe sein Profil betrachtete. Die ausgeprägten Wangenknochen verliehen ihm einen harten Gesichtsausdruck. Itoe wollte nicht aufgeben. Besonders nicht jetzt, da sie sich so weit vorgewagt hatte. Vertrauen konnte man sich verdienen, davon war sie überzeugt. Nun musste sie nur noch Katsuya dazu bringen, seine Meinung zu ändern. „Ich verstehe, dass du mir nicht traust. Da tauche ich plötzlich auf, wie aus dem nichts, und bin die Frau deines Freundes. Ich kann verstehen, dass du dir Sorgen um ihn machst. Aber... wenn du mir eine Chance geben würdest... wenn du mich nur besser kennenlernen würdest...“ Katsuyas blieb unvermittelt stehen. Itoe hielt ebenfalls an und sah zu ihm. „Bilde dir ja nicht ein, dass du mich kennst. Du weißt gar nichts, also tu nicht so, als würdest du meine Ansichten verstehen.“ „Aber ich...“ „Ich brauche dich nicht kennenzulernen. Du bist genauso wie alle anderen.“ Mit diesen Worten trat er an ihr vorbei. Itoe starrte benommen vor sich hin, unfähig sich zu bewegen. Wie alle anderen? „Was ist, kommst du?“ Katsuya war gezwungen anzuhalten, da sie ihm nicht folgte. Itoe löste sich langsam aus ihrer Starre und drehte sich zu ihm herum, doch sie machte keine Anstalten weiterzugehen. „Du bist hier derjenige, der sich einbildet, mich zu kennen. Du hast dich kein einziges Mal mit mir unterhalten, keinen Versuch unternommen, mich richtig kennenzulernen. Du bist hier derjenige, der so tut, als würde er meine Absichten kennen.“ Itoes Herz klopfte wild in ihrer Brust. Das Adrenalin schoss ihr durch den Körper und ließ sie mutiger werden. „Wenn du mir schon nicht vertraust, so vertraue Kira. Es hat schon alles seine Gründe, aber ich habe nicht das Recht, dir irgendetwas davon zu erklären. Das sollte Kira tun.“ Itoes Ausbruch kam überraschend, aber sie wollte sich das nicht länger gefallen lassen. Diese falschen Unterstellungen, diese Vorwürfe. Sie hatte genug. Da Katsuya nichts darauf sagte, was sie auch nicht erwartet hatte, trat Itoe an ihm vorbei. „Den restlichen Weg schaffe ich allein.“ Er folgte ihr nicht und das war auch gut so. Sie wollte einfach allein sein und sich nicht länger mit ihm streiten. Sie hatte ihre Gedanken mitgeteilt und war stolz auf sich, dass sie sich nicht von ihm einschüchtern ließ. Allerdings glaubte sie nicht daran, dass ihre Worte seine Meinung über sie ändern würden.   Am Wochenende verabredete sich das kleine Grüppchen, das aus Ren, Katsuya, Jiro, Kira und Itoe bestand, zum Eislaufen. Dieser kleine Ausflug war Rens Idee. Es war schon eine Weile her, dass sie sich alle zusammen getroffen und etwas unternommen haben. Auf dem Weg zu Eisbahn erzählte Itoe Kira wie aufgeregt sie war. Sie war noch nie in ihrem Leben Schlittschuhe gelaufen. Ihre Freude war ansteckend. Sie war wie ein kleines Mädchen, aufgeregt und erwartungsvoll. „Du lächelst ja!“, meinte Itoe plötzlich und Kira sah verwundert zu ihr. „Tu ich nicht“, entgegnete er und versuchte dabei einen ernsten Gesichtsausdruck zu machen. Er parkte das Auto auf dem vollgestellten Parkplatz. Ein Glück, dass sie noch einen Platz ergattern konnten. Itoe grinste ihn an und flüsterte nur tust du doch, doch darauf ging Kira nicht ein. Vor dem riesigen Gebäude wartete bereits Ren auf sie. Er begrüßte die beiden lächelnd und reichte ihnen die Schlittschuhe. „Ich hab euch schon welche besorgt.“ „Wo sind die anderen?“, fragte Kira und sah sich um. „Bereits drinnen.“ Sie gingen hinein und setzten sich auf die Bank, um ihre Schuhe gegen Schlittschuhe einzutauschen. Auf der Eisbahn entdeckten sie Katsuya und Jiro. „Wer ist das Mädchen an Jiros Seite?“, fragte Kira mit einer erhobenen Augenbraue, doch er konnte sich die Frage eigentlich selbst beantworten. „Das ist Fumi. Ein echt nettes Mädchen. Sie tut mir jetzt schon leid. Ein weiteres, unschuldiges Opfer von Jiro“, sagte Ren bedauernswert. Jiro wechselte seine Freundinnen wie am laufenden Band. Er behauptete von sich selbst, kein Beziehungsmensch zu sein. Davon abgesehen gab es so viele hübsche Frauen auf der Welt. Wie könnte man sich da für eine entscheiden? Kira nahm das nickend zur Kenntnis. Das sah Jiro mal wieder ähnlich. Sie verabredeten sich nur als ihre eingespielte Gruppe und er brachte eine Fremde mit. Kira half Itoe auf die Beine. „Einen Fuß vor den anderen setzen. Lass meine Hand nicht los“, instruierte er sie. Kira lotste sie zur Eisbahn, die er als erster betrat. Itoe tat es ihm nach und setzte vorsichtig den ersten Fuß auf das Eis. Sie fühlte sich wackelig auf den Beinen an, aber er hielt sie fest und zog sie langsam mit sich über das Eis. „Geht's?“ „Ja. Alles gut. Bring es mir bei“, bat sie ihn und ihre Augen leuchteten vor Aufregung. Kira erklärte sich ausnahmsweise damit einverstanden, den Lehrer zu spielen. Er erklärte ihr, worauf sie alles achten musste, um ihr Gleichgewicht zu halten, wie sie wie ihr Gewicht verlagern musste, um zu bremsen. „Am besten versuchen wir es erst einmal zusammen“, entschied er. Er stellte sich vor sie, nahm ihre Hände in seine und fing an, langsam rückwärts zu fahren, während er sie mit sich zog. „Versuch dich einfach gleiten zu lassen.“   Itoe stellte sich gar nicht so tollpatschig an, wie sie befürchtet hatte. Sie fuhren zwei Runden, als Jiro und seine Freundin sich zu ihnen gesellten. „Hey, Itoe. Das machst du gut!“, sagte Jiro zwinkernd. „Danke, ich versuch's.“ Jiro umkreiste die beiden und zog seine Freundin mit sich. „Das ist übrigens Fumi“, stellte er vor. Das Mädchen lächelte freundlich. „Freut mich!“ Itoe versuchte, sich auf das Laufen zu konzentrieren, aber das war gar nicht so einfach, wenn man sich gleichzeitig mit jemandem unterhalten wollte. Jiro und Fumi fuhren weiter. Stattdessen tauchte Katsuya in ihrem Blickfeld auf. Seit ihrem letzten Gespräch haben sie sich nicht mehr gesehen. Ob er sich überhaupt Gedanken über ihre Unterhaltung gemacht hatte? Sie wüsste gerne, was er darüber dachte. Itoe sah verstohlen zu ihm. Er sah wie üblich griesgrämig aus. Plötzlich wandte er seinen Kopf in ihre Richtung und ihre Blicke trafen sich. Itoe fühlte sich ertappt und wandte ihren Blick hastig ab, was sie aus dem Gleichgewicht brachte. Sie schwankte, stürzte zu Boden und riss Kira mit sich. Seine Landung sah schmerzvoll aus, nur sie hatte Glück, indem er ihren Aufprall milderte. „Es tut mir so leid!“, entschuldigte sie sich, „hast du dir sehr weh getan?“ Itoe tätschelte sein Gesicht. Sie hoffte, er war nicht mit dem Kopf aufgeschlagen. Kira verzog sich etwas das Gesicht. Wenn er starke Schmerzen hatte, dann konnte er es gut verbergen. „Nein, alles gut“, erwiderte er und setzte sich etwas auf. „Sicher?“, hakte Itoe nach und sah ihn mitfühlend an, „das war ein harter Aufprall.“ Kira betrachtete ihr besorgtes Gesicht und nickte bekräftigend. „Wirklich. Alles gut.“ Sein Blick löste in ihr ein angenehmes Kribbeln aus, das sie sich nicht erklären konnte, und ihr Herz klopfte wild in ihrer Brust. Itoe senkte verlegen den Blick. Kira kam auf die Beine und klopfte sich den Schnee von der Hose. Itoe versuchte es ihm gleich zu tun und aufzustehen, doch sie plumpste stattdessen auf ihren Hintern. Kiras plötzliches Lachen irritiere sie. „Komm, kleiner Tollpatsch“, sagte er amüsiert, reichte ihr seine Hand, die sie mit Vergnügen nahm, und half ihr hochzukommen. Sie standen sich gegenüber, ihre Hand lag immer noch in seiner, und obwohl sie beide Handschuhe trugen, spürte sie deutlich seine Wärme. Ihr Herzklopfen wurde stärker und sie schaffte es nicht länger den Blickkontakt zu halten. Was war nur los mit ihr? Als er ihre Hand losließ, vermisste sie augenblicklich seinen leichten Druck. Itoe sah verstohlen zu ihm auf, als er gerade dabei war, ihre Mütze zurechtzurücken. „Wir sollten lieber nebeneinander fahren, sonst machst du mich wirklich noch zum Krüppel!“ Es klang nicht nach einem Vorwurf, er schien sie viel mehr necken zu wollen. „Du bist gemein. Das war doch nicht mit Absicht.“ Itoe zog spielerisch eine Schnute und war erstaunt, dass er darüber lachte. Ihr wurde schlagartig bewusst, wie sehr ihr sein Lachen gefehlt hatte.   Nach einer Dreiviertelstunde machte die Gruppe eine kleine Pause und ging eine Kleinigkeit essen. Sie kauften sich Hotdogs und setzten sich an einen der runden Tische. Itoe unterhielt sich mit Fumi, die nach dem ersten Eindruck zu urteilen, ein nettes Mädchen zu sein schien. Sie studierte Naturwissenschaften und arbeitete nebenbei in einem Blumenladen in der Nähe von Shibuya . „Studierst du auch?“, fragte sie Itoe. „Nein. Ich arbeite in einem Restaurant“, erzählte Itoe und auf Fumis neugierigen Blick fügte sie noch schnell hinzu, „Schule war mir ehrlich gesagt anstrengend genug. Ich bin froh, dass ich damit durch bin.“ Itoe musste ein bisschen Flunkern, denn sie hatte nie Lernprobleme gehabt. Viel mehr lag es an ihren Mitschülern, dass ihre Schulzeit nicht gerade voll mit schönen Erinnerungen war. „Wie hast du eigentlich Jiro kennengelernt?“, fragte Itoe, bevor sie das Thema Schulzeit vertiefen konnten. Fumi sah verliebt zu Jiro. „Er war vor wenigen Tagen im Blumenladen, in dem ich arbeite, und wollte Blumen für seine Mutter kaufen. Er hat mich gefragt, welche ich ihm empfehlen würde.“ Fumi sprach von ihrer ersten Begegnung mit so viel Zuneigung, dass es Itoe beinahe das Herz brach. Jeder am Tisch außer Fumi wusste, dass Jiro sicherlich keine Blumen für seine Mutter kaufen wollte... „Süß“, meinte Itoe lächelnd. Doch unter dem Tisch trat sie Jiro gegen das Schienbein und warf ihm einen vielsagenden Blick zu. Jiro zuckte vor Schmerz zusammen, lächelte aber nur dümmlich vor sich hin. Mit seinem Blick schien er sagen zu wollen: Was hätte ich denn machen sollen bei so einer schönen Frau?   Nach dem Essen wollte die Gruppe noch einige Bahnen fahren. Itoe konnte sich mittlerweile viel besser auf den Schlittschuhen halten. „Schaffst du's allein?“, fragte Kira skeptisch, „ich bin gleich zurück.“ Itoe nickte und hoffte, dass sie nicht zu viele Unfälle bauen würde. Sie trat aufs Eis und sah Ren, der ihr von der anderen Seite winkte. Ich schaff das - spornte sie sich innerlich an und fuhr los. Itoe erinnerte sich an Kiras Lektionen und konzentrierte sich. Es klappte wunderbar und Itoe traute sich sogar, mehr Gas zu geben. Aber wie ging denn noch mal das Bremsen? Itoe versuchte ihre Geschwindigkeit zu drosseln, so wie Kira es ihr beigebracht hatte, doch es brachte sie nur aus dem Gleichgewicht. Panisch schloss sie die Augen, während sie unaufhaltsam auf Ren zuraste... Plötzlich wurde sie von jemandem herumgerissen und fest an sich gezogen. Itoes Herz raste wie verrückt. Heilige Scheiße... Sie hätte Ren über den Haufen gefahren, wenn man sie nicht aufgehalten hätte. Itoe hob langsam ihren Blick und sah zu ihrem Retter. „Katsuya“, murmelte sie erstaunt. Katsuya hielt sie fest im Griff, sein Blick gab keine Emotionen Preis. Als wäre er eine perfekte Statue aus Marmor gehauen, die mit ihrer Erhabenheit alles um sich herum in den Schatten stellte. Er lockerte seinen Griff, als er sich sicher war, dass sie fest auf ihren eigenen Füßen stand. „Das wäre beinahe schiefgegangen“, sagte er, „ sei etwas vorsichtiger.“ Itoe nickte rasch und bedankte sich für seine Hilfe. Sie sah ihm hinterher, wie er davonfuhr. Sie bildete es sich vielleicht nur ein, aber sie hätte schwören können, dass seine Stimme heute weicher klang als sonst. Bevor sie sich weiter mit dem Mysterium Katsuya auseinandersetzen konnte, war Ren bereits an ihrer Seite und hakte sich bei ihr ein. „Das war knapp, hm“, meinte er besorgt, „zum Glück hat dich Katsuya gerettet. - Wollen wir eine Runde drehen?“ Itoe nickte zustimmend und ließ sich von Ren mitziehen. In seiner Nähe konnte sie sich entspannen und alle Laster fielen wie von selbst von ihren Schultern. „Ich habe mir überlegt, dass wir mal alle gemeinsam verreisen sollten. In die Berge zum Skifahren. Wer weiß, wann es hier in Tokio schneit und ob wir überhaupt Schnee zu sehen bekommen. Was hältst du davon?“ Rens Vorschlag klang verlockend, aber Itoe wusste nicht, wann und ob sie an Feiertagen arbeiten musste. „Das kriegen wir hin“, sagte Ren zuversichtlich, nachdem sie es ihm gesagt hatte. Wenn Ren das sagte, würden sie es garantiert hinbekommen. „Wir mieten uns ein Häuschen und verbringen ein paar gemütliche Tage“, schwärmte er. Seine Begeisterung färbte ab, aber gleichzeitig stieg eine andere Aufregung in ihr auf. Ein paar Tage mit Katsuya, wo sie seinen misstrauischen Blick ausgeliefert war. Nach Gemütlichkeit klang das nicht gerade. „Kommt Fumi denn auch mit?“, fragte Itoe nach. Dann wäre sie wenigstens nicht die einzige Frau. Ren zuckte unwissend mit den Schultern. „Wenn Jiro bis dahin immer noch mit ihr zusammen ist, dann vielleicht.“ Das klang ja nicht sehr vielversprechend, aber Itoe blieb zuversichtlich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)