On Air von -Zerschmetterling- ================================================================================ Kapitel 27: ------------ -26-     Ein paar Mal blinzelte ich verschlafen und öffnete schließlich die Augen. Im ersten Moment wusste ich nicht genau, was mich geweckt hatte, doch dann drang mehr und mehr ein penetrantes Brummen in mein Bewusstsein. Zuerst konnte ich das Geräusch nicht richtig zuordnen und hatte ein bisschen Probleme mich zu orientieren, bis plötzlich Sasuke in meinem Blickfeld auftauchte. Er hob seine enge schwarze Hose vom Boden auf, griff in eine der Hosentaschen und zog dann ein teuer aussehendes Smartphone heraus. Scheinbar war es die Vibration gewesen, die mich  geweckt hatte. Achtlos ließ er seine Hose auf den Glastisch neben dem Sofa fallen und wischte einmal über das Display des Handys. Dann fiel sein Blick auf mich.     „Gut, du bist wach“, stellte er fest.     Irgendwie hatte ich mal wieder ein Déjà-Vu, allerdings mit dem kleinen aber feinen Unterschied, dass ich diesmal nackt auf seiner Couch lag. Schnell griff ich nach einer der Decken, die ordentlich zusammengefaltet am unteren Rand des Sofas langen und versuchte damit das Wichtigste zu bedecken. Natürlich gab es da nichts, was er nicht schon gesehen hatte und abgesehen davon wusste ich auch nicht, wie lange er schon wach war und mich möglicherweise beobachtet hatte, aber es war mir einfach unangenehm, so entblößt vor ihm zu liegen. Insbesondere, weil sich Sasuke mittlerweile eine bequeme Jogginghose angezogen hatte und nun oberkörperfrei vor mir stand.     „Ähm… guten Morgen?“, sagte ich grinsend und versuchte damit meine Nervosität und Verlegenheit zu überspielen.     Das, was er vorhin mit mir gemacht hatte, war mir nur zu gut im Gedächtnis geblieben, auch wenn ich direkt danach eingeschlafen war. Ihm jetzt in die Augen zu sehen, verlangte mir alles ab, was ich an Selbstdisziplin aufbringen konnte.     „Es ist erst kurz vor dreiundzwanzig Uhr“, klärte mich Sasuke freundlicherweise auf und hielt mir das Display seines Handys unter die Nase.     Die leuchtende Anzeige bestätigte seine Aussage. Sofort war ich hellwach und richtete mich mit einem Satz auf.     „Hey, hey Sasuke, es ist kurz vor elf“, rief ich aufgeregt. „Dann gibt es ja gleich den Zwischenstand!“     „Auch schon gecheckt“, meinte Sasuke höhnisch.     Wahrscheinlich war es kein Zufall, dass sein Handy gerade jetzt geklingelt hatte und er hatte sich einen Wecker gestellt. Sofort spürte ich, wie mein Herz schneller pochte und sich meine Atmung beschleunigte. Es handelte sich zwar lediglich um einen Zwischenstand, aber danach blieb nur noch eine Stunde zum Abstimmen. Wäre das Ergebnis jetzt schon eindeutig, konnten wir davon ausgehen, dass sich daran bis zwölf Uhr auch nichts mehr ändern würde.     Sasuke verließ wortlos das Wohnzimmer und kehrte kurz darauf mit einem Laptop in der Hand zurück. Er ließ sich neben mir auf dem Sofa nieder und stellte den Laptop auf seinen Schoß, während er sich in aller Seelenruhe durch das schwarze Haar fuhr. Es war nass, was bedeutete, dass er wahrscheinlich vor kurzem geduscht hatte. Wie lange hatte ich überhaupt geschlafen? Dieser Tag hatte mein Zeitgefühl völlig aus dem Konzept gebracht. Ganz entspannt fuhr Sasuke seinen Laptop hoch und lud dann die Konoha Kiku-Webseite. Ich konnte währenddessen kaum stillhalten und zappelte unruhig unter der Decke hin und her, bis er mich mit einem mehr als genervten Blick bedachte.     „Naruto, du nervst“, knurrte er.     Ich versuchte mich ein wenig zusammenzureißen, da ich Angst hatte, dass er mich sonst kurzerhand aus seiner Wohnung schmeißen, und ich so nie erfahren würde, wer von uns beiden nun vorne lag. Ganz ruhig rutschte ich noch ein Stück näher an ihn heran, um ihm besser über die Schulter gucken zu können. Der Duft seiner frisch gewaschenen Haare strömte mir in die Nase, doch ich war viel zu sehr auf das konzentriert, was auf dem Bildschirm zu sehen war. Sasuke aktualisierte die Seite, obwohl es noch mehrere Minuten zu früh war. Scheinbar war er genauso nervös, auch wenn er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen.     „Was denkst du?“, fragte ich ihn.     Sasuke schnaubte.     „Dass du mir viel zu sehr auf die Pelle rückst.“     Ich verzichtete darauf, ihn darauf hinzuweisen, dass er mir schon oft genug viel zu sehr auf die Pelle gerückt war, und beschloss seinen Kommentar stattdessen zu ignorieren. Im Moment war nicht die Zeit, sich zu streiten. Das konnten wir immer noch tun, nachdem wir das Ergebnis gesehen hatten. Ich überlegte, ob es so eine gute Idee war, sich den Zwischenstand mit Sasuke gemeinsam anzusehen, doch es würde viel zu lange dauern, jetzt noch schnell nach Hause zu fahren. So lange konnte ich nicht warten. Dafür stand einfach zu viel auf dem Spiel.     Gebannt beobachtete ich, wie Sasuke immer wieder die Seite aktualisierte, obwohl sich im Endeffekt doch nichts veränderte. Auf der rechten Hälfte der Seite bekam man einen Überblick über verschiedene Informationen, zum Beispiel welcher Song gerade lief und welcher Moderator gerade im Studio war. Die komplette linke Seite wurde von einem Foto von uns beiden eingenommen, bei dem wir Rücken an Rücken standen, über unseren Köpfen ein Symbol von einem Mikrofon, über dem ein Kopfhörer hing. Darunter gab es jeweils einen Button, mit dem man für uns abstimmen konnte. Bisher hatte ich noch nie darüber nachgedacht, dass ich auch einfach selbst hätte darauf klicken können. Allerdings hätte mir das meine Ehre sowieso verboten.     „Noch zwei Minuten“, murmelte ich nervös.     Langsam war auch Sasuke die Anspannung anzusehen. Die Muskeln in seinem Arm, mit dem er die Maus bediente, traten deutlich hervor, genauso wie die Sehnen an seinen Händen. Seine dunklen Augen waren konzentriert und huschten immer wieder suchend über den Bildschirm, wenn er die Seite erneut aktualisiert hatte. Um etwas zu tun zu haben und weil ich die Nervosität allmählich nicht mehr aushielt, angelte ich mir meine Boxershorts vom Boden und versuchte sie mir umständlich unter der Decke wieder anzuziehen. Sasuke warf mir einen belustigten Blick zu und ich errötete leicht.     „Was?“, fuhr ich ihn an. „Guck nicht so. Du konntest dir deine Boxershorts in aller Ruhe wieder anziehen, als ich geschlafen hab.“     Sasuke zog eine Augenbraue nach oben und hörte entgegen meiner Anordnung nicht auf, mich zu mustern.     „Wer sagt denn, dass ich welche anhabe?“     Sein Tonfall war nüchtern und sachlich. Der Satz verfehlte dennoch nicht seine Wirkung und gegen meinen Willen wanderte mein Blick sofort zu seinem Schritt und anschließend zu seinem Hintern. Die Vorstellung, dass er unter der lockeren Jogginghose nichts trug, ließ mir sofort noch mehr Hitze in die Wangen steigen und sogar die Abstimmung war für den Bruchteil einer Sekunde vergessen.     „Wirst du jetzt wieder hart?“, fragte Sasuke spöttisch.     „Halt die Klappe und aktualisier‘ die Seite“, pampte ich ihn energisch an.     Er musste ja nicht wissen, dass er mit seiner Aussage möglicherweise ein klitzekleines bisschen Recht hatte. Vorsichtshalber rutschte ich nun doch ein paar Zentimeter von ihm weg, allerdings nur soweit, dass ich trotzdem noch eine gute Sicht auf den Bildschirm hatte. Die kleine Digitalanzeige in der unteren rechten Ecke sprang auf dreiundzwanzig Uhr und wie schon viele Male davor klickte Sasuke auf das Pfeilsymbol zum Aktualisieren der Seite, mit dem Unterschied, dass sie sich dieses Mal veränderte.     Unter dem Foto von uns beiden waren zwei rote Querbalken aufgetaucht, die auf den ersten Blick etwa gleich lang wirkten. Auf dem rechten Balken stand jedoch die Zahl 52 Prozent, während auf dem linken Balken die Zahl 48 Prozent stand. Ich hielt den Atem an. Dass es so knapp werden würde, damit hatte ich nicht gerechnet.     „Nicht schlecht, Naruto“, meinte Sasuke anerkennend.     Er hatte gut reden, immerhin standen die 52 Prozent auf seiner Seite. Ich straffte mich und atmete einmal tief durch. Nur vier Prozent Unterschied – es hätte bedeutend schlimmer kommen können. Auch wenn ich es nur sehr ungern zugab, war Sasuke ein wirklich zäher Gegner, der sich die zwei Wochen über mindestens genauso gut geschlagen hatte wie ich. Dass es nicht einfach werden würde, war mir von Anfang an klar gewesen. Trotzdem war noch lange nichts entschieden, das Ergebnis war kein endgültiges und ich weigerte mich schlicht und ergreifend, jetzt schon aufzugeben. Grinsend wandte ich mich Sasuke zu.     „Pass mal lieber auf, dass du nicht schon bald meinen Staub fressen wirst. Meine Fans haben noch eine Stunde Zeit, um für mich abzustimmen und nach dem Zwischenstand sind sie bestimmt besonders motiviert.“     Zu meiner Überraschung widersprach Sasuke mir nicht und lächelte stattdessen nur. Es war kein herablassendes Lächeln, wie ich es sonst von ihm gewohnt war, sondern eher ein zufriedenes, so als würde er sich darüber freuen, dass ich mich doch noch zu einer Art ebenbürtigem Gegner entwickelt hatte. Stumm schnappte ich mir meine restlichen Klamotten vom Boden und begann, mich wieder anzuziehen. Es war nicht nötig, dass es einer von uns aussprach, denn ich wusste, dass es jetzt an der Zeit war, Sasukes Wohnung zu verlassen und nach Hause zu fahren.     Nachdem ich mir mein T-Shirt über den Kopf gestreift hatte, begleitete Sasuke mich zur Wohnungstür. Ich schlüpfte in meine Schuhe, während er sich lässig gegen die Wand neben der Tür lehnte und mich dabei beobachtete. Obwohl ich zum ersten Mal bei ihm gewesen war, fühlte es sich irgendwie vertraut an. Überhaupt war der Tag im Endeffekt doch sehr zu meiner Zufriedenheit verlaufen und ich fühlte mich auf eine seltsame Art und Weise beflügelt, wenn ich daran zurückdachte. Ich hätte nie gedacht, dass man mit Sasuke auch so unkompliziert Zeit verbringen konnte – naja, zumindest mehr oder weniger.     Er öffnete mir die Tür und ich trat an ihm vorbei ins Treppenhaus, wo ich zunächst den Lichtschalter betätigte. Ich musste ein paar Mal blinzeln, bis ich mich an das helle Licht gewöhnt hatte, da es in Sasukes Wohnung überall dunkel gewesen war. Auch er legte sich geblendet eine Hand vor die Augen. Aus dem großen Fenster konnte ich sehen, dass die Sonne bereits untergegangen war und seine Einfahrt nur noch von ein paar Straßenlaternen beleuchtet wurde. Es machte irgendwie einen idyllischen und friedvollen Eindruck.     Ich zog mein Handy aus der Tasche, um mir den Weg zur nächsten Bushaltestelle, sowie die nächste Verbindung anzeigen zu lassen und atmete erleichtert aus. In zehn Minuten würde nicht allzu weit von hier ein Bus in meine Richtung fahren. Ich würde nur noch ein kurzes Stück laufen müssen. Mit ein paar Handgriffen hatte ich mir auch direkt das passende Ticket auf mein Handy geladen. Die Konoha Bus-App konnte wirklich praktisch sein.     „Alles klar, hab mein Ticket“, ich grinste Sasuke zufrieden an und winkte kurz mit meinem Handy.     Als ich schon die ersten Stufen nach unten gegangen war, hörte ich plötzlich noch einmal seine Stimme. Ich drehte mich im Gehen zu ihm um und verrenkte mir halb den Kopf, um nochmal einen Blick auf ihn zu erhaschen, wie er da mit bloßem Oberkörper und immer noch leicht nassen Haaren im Rahmen seiner Tür stand.     „Naruto“, sagte er ernst. „Egal, wie das morgen ausgeht – wir sehen uns dann beim Konoha-Voice-Award.“     Ich spürte wie mein Herz einmal aussetzte und dann plötzlich schneller schlug. Wenn mich nicht alles täuschte, war das soeben ein verstecktes Sasuke-Kompliment gewesen – und was für eines. Er ging scheinbar davon aus, dass ich das Zeug zum Moderator hatte, selbst wenn ich die Stelle seinetwegen nicht bekommen konnte. Außerdem hatte er damit quasi indirekt zugegeben, dass er mich wiedersehen wollte. Mehr noch, er erinnerte sich daran, was ich zu ihm gesagt hatte, nachdem wir über seinen Bruder gesprochen hatten, und hielt es offenbar gar nicht mehr für so abwegig. Wir beide nominiert für den Konoha-Voice-Award. Ich konnte nicht verhindern, dass meine Augen einen verträumten Ausdruck annahmen.     „Auf jeden Fall“, erwiderte ich strahlend.     Dann drehte ich mich endgültig um und verließ das Mehrfamilienhaus. Unten in der Einfahrt angekommen, musste ich mich zwingen, mich nicht noch einmal umzudrehen, um nach oben zu seinem Fenster zu sehen. Vielleicht würde er dort stehen und mich beobachte, vielleicht aber auch nicht. Ein leichtes Kribbeln breitete sich in meinem Nacken aus, als ich schließlich mit den Händen in den Hosentaschen die Straße entlang ging. Es war angenehm frisch draußen und es wehte ein leichter Wind, der meine erhitzte Haut ein wenig abkühlte. In Sasukes Wohnung war es doch relativ stickig geworden, was wohl nicht zuletzt daran lag, dass wir fast den ganzen Tag im Wohnzimmer verbracht hatten.     Nicht nur das. Auch was wir getan hatten, hatte womöglich einen großen Beitrag dazu geleistet. Ich kam nicht umhin, ständig daran denken zu müssen, was es für ein Gefühl war, als er mit seinen Fingern immer wieder diesen einen Punkt in mir berührt hatte. Noch nie in meinem Leben war ich so erregt gewesen und das obwohl ich mich zunächst noch so dagegen gesträubt hatte. Sasuke hatte seinen Wunsch dafür verschwendet und im Endeffekt war ich der einzige gewesen, der davon profitiert hatte. War das seine Absicht gewesen? Was waren auf mich bezogen überhaupt seine Absichten?     Sasuke kam mir nicht wie jemand vor, der etwas aus purer Nächstenliebe tat. Gleichzeitig war es schwierig, seine wahre Motivation zu erahnen, da er ausgesprochen gut darin war, seine Emotionen zu verbergen. Alles, was er tat und sagte, schien genau durchdacht zu sein und auf irgendetwas abzuzielen. Zuerst hatte ich gedacht, dass er es darauf angelegt hatte, mich einfach nur aus dem Konzept zu bringen und somit seine Chancen auf den Sieg zu steigern. Seine Reaktion auf das knappe Zwischenergebnis sprach jedoch dagegen. Außerdem waren wir mittlerweile viel zu weit gegangen, um es noch darauf zu schieben.     Vielmehr hatte ich den Eindruck, dass er es genoss, mich dazu zu bringen, Dinge zu tun, die ich eigentlich nicht tun wollte. Angefangen hatte alles mit seinen Berührungen im Club, nachdem er erfahren hatte, dass ich noch Jungfrau war. Ständig hatte er auf diesem Thema herumgehackt und mich damit immer weiter in Bedrängnis gebracht. Er musste genau gespürt haben, wie unangenehm es mir war, wenn er mir so nahe kam, und hatte das daraufhin bei der Challenge mit dem Satz schamlos ausgenutzt. Damals war ich noch überzeugt davon gewesen, dass er das alles nur tat, um sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.     Anders war es dann in der Nacht gewesen, die wir gemeinsam auf dem Klo verbracht hatten. Erst der Streit wegen Itachi und dann hatte ich ihn auch noch spontan eingesperrt. Ich hatte das Gefühl, dass all das ein wenig an Sasukes Ego gekratzt haben musste, sodass er sich selbst bewiesen hatte, wer von uns beiden die Kontrolle hatte. Der Beweis war schließlich in Form meines Spermas an den weißen Fliesen der Männertoilette gelandet und hatte somit den Anfang vom Ende eingeläutet. Es war das erste Mal gewesen, dass er meinen Willen gebrochen hatte, dass er mich sogar dazu gebracht hatte, ihn anzubetteln. Er alleine hatte die Kontrolle über mich gehabt und es hatte mich tierisch angemacht.     Auch an dem Tag, an dem er im Lager quasi über mich hergefallen war, schien es zuvor so, als würde ihn irgendetwas stören. Möglicherweise hatte er etwas von der Verschwörung mitbekommen, die Sakura und ich gegen ihn angezettelt hatten. Wieder war es ihm gelungen, meinen Willen zu brechen und wieder war es ihm gelungen, mich dazu zu bringen, Grenzen zu überschreiten. Einmal durch die Anwesenheit unserer Kollegen, die uns jeden Moment hätten erwischen können, insbesondere weil Sasuke auch noch nach Shikamaru gerufen hatte. Und zum zweiten war es das erste Mal gewesen, dass ich einen Schwanz in den Mund genommen hatte. Seinen Schwanz.     Die Situation im Aufzug hatte mir schließlich vor Augen geführt, dass ich es ihm mittlerweile viel zu leicht machte. Dass ich mich ihm viel zu bereitwillig hingeben wollte, ja fast schon wollte, dass er mich dazu brachte weitere Grenzen zu überschreiten. Wo war mein Stolz hin? Es war beschämend gewesen, von ihm so abserviert zu werden und gleichzeitig hatte diese Kampfansage doch wieder darauf hingedeutet, dass es ihm letztlich nur um den Wettbewerb ging. Wieder hatte ich mir vorgenommen, ihm unter allen Umständen zu widerstehen.     Der heutige Tag hatte dann jedoch alle meine Annahmen und Vorsätze erneut über den Haufen geworfen. Sasukes Verhalten ergab einfach von vorne bis hinten keinen wirklichen Sinn. Wieso hatte er mich mit zu sich nach Hause genommen? Wieso hatte er sich auf die Sache mit dem Wunsch eingelassen? Und wieso hatte er seinen Wunsch dann auf diese Art und Weise eingesetzt? Mir lief ein Schauer über den Rücken, als ich daran zurückdachte. Hätte ich vorher gewusst, wie gut es sich anfühlen würde, hätte ich vermutlich einen Wunsch dafür geopfert.     Ich musste einen Zahn zulegen, als ich die Bushaltestelle ein paar Meter vor mir entdeckte und der Bus bereits um die Ecke bog. Ein wenig außer Atem zeigte ich dem Busfahrer mein Handy mit dem gelösten Ticket und ließ mich dann in der hinteren Hälfte des Busses auf eine Bank fallen. Etwas weiter vorne auf der rechten Seite saß eine junge Frau, die sehr ordentlich gekleidet war und eine randlose Brille trug, wodurch sie irgendwie streng wirkte. In der hintersten Reihe saß noch ein Pärchen, das gerade wild am rumknutschen war. Ansonsten war der Bus um diese Uhrzeit komplett leer.     Ohne, dass ich etwas dagegen tun konnte, wanderte mein Blick zu dem Pärchen in der hintersten Reihe. Er hatte sie zur Hälfte auf seinen Schoss gezogen und einen Arm um ihre Taille geschlungen, während sie ihre Hände in seinen Nacken gelegt hatte. Immer wieder küsste er sie leidenschaftlich und sie strich ihm dabei durchs Haar. Aus irgendeinem Grund musste ich plötzlich an Sasuke und mich denken und mir wurde bewusst, dass er mich noch kein einziges Mal geküsst hatte. Unwillkürlich fasste ich mir an die Lippen. Wie es sich wohl anfühlen würde, Sasuke zu küssen? Wollte ich das überhaupt?     Seufzend ließ ich meinen Kopf gegen die kühle Scheibe sinken. Warum machte ich mir überhaupt solche Gedanken? Morgen wäre sowieso der letzte Tag, den wir gemeinsam verbringen würden und danach würden sich unsere Wege ein für alle Mal trennen. Auch wenn Sasuke gesagt hatte, dass wir uns bei den Konoha-Voice-Awards wieder sehen würden, und auch wenn das meine eigene Aussage gewesen war, glaubte ich nicht wirklich daran.     Für den Fall, dass ich die Stelle nicht bekommen würde, musste ich mir erst mal etwas anderes suchen. Meine finanziellen Reserven waren mittlerweile ziemlich aufgebraucht, was bedeutete, dass ich wieder jobben musste. Ich konnte es mir nicht leisten, auf eine erneute Chance zu spekulieren und Moderatorenjobs warteten nun mal nicht an jeder Ecke auf einen. Ganz abgesehen davon, dass ich bisher gerade mal mit zwei Wochen Vorerfahrung auftrumpfen konnte.     Umgekehrt war ich mir fast sicher, dass Sasuke Konoha verlassen würde, würde man mir die Stelle anbieten. Die Art und Weise, wie spartanisch seine Wohnung eingerichtet gewesen war, die Aussage von ihm, dass er im Moment hier wohnen würde, das alles waren Indizien dafür, dass er nicht plante, länger hier zu bleiben. Vielleicht würde er nach Otogakure zurückkehren, vielleicht würde er irgendwo in einer Firma seines Onkels einen Job annehmen. Im Gegensatz zu mir hatte er zumindest keine Geldprobleme.     Mein Blick schweifte nach draußen und heftete sich immer wieder an die vorbeirauschenden Lichter der Straßenlaternen und Autos. Das monotone Brummen und Ruckeln des Busses hatte irgendwie eine beruhigende Wirkung auf mich und obwohl ich den ganzen Tag über schon viel geschlafen hatte, fühlte ich mich seltsam müde. Zusätzlich machte mich der Gedanke daran Sasuke schon bald nie wieder zu sehen irgendwie traurig. Auch wenn wir noch immer Konkurrenten waren und auch wenn ich ihm wegen seiner arroganten, herablassenden Art am liebsten regelmäßig eine in die Fresse hauen würde, hatte ich das Gefühl, dass wir mittlerweile fast schon so etwas wie Freunde geworden waren.     Obwohl ich ihn erst seit ein paar Tagen kannte, obwohl er grundsätzlich alles dafür tat, die Leute um ihn herum von sich wegzustoßen, damit bloß keiner zu nah an ihn herankam, und obwohl er speziell mich mit seiner Art immer wieder überforderte und zur Weißglut trieb, war er mir auf eine gewisse Art und Weise wichtig geworden. Es fiel mir schwer mir das einzugestehen, da es sich immer noch um Sasuke handelte, doch nach dem heutigen Tag war es mir klarer als je zuvor.     Ein bisschen wehmütig dachte ich daran, was morgen passieren würde. Einer von uns beiden würde gehen und dann würde dieser zerbrechliche Beginn einer Freundschaft in tausend Scherben zerspringen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Sasuke einer von denen war, die sich bemühten weiterhin Kontakt zu halten. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er mit mir in Kontakt bleiben wollen würde, wenn ich ihm die Stelle vor der Nase wegschnappte. Umgekehrt war ich mir nicht sicher, ob ich es ertragen könnte, ihm Tag für Tag dabei zuzusehen, wie er meinen Traumjob ausführte.     Der Bus hielt mit einem leisen Quietschen an, ich griff nach der Stange und stand dann mit einer schwungvollen Bewegung auf. Ein zischendes Geräusch und die hinteren Türen öffneten sich schwerfällig, sodass ich aussteigen konnte. Von hier aus waren es noch etwa dreihundert Meter bis zu meiner Wohnung. Ich hatte nicht gedacht, dass es so einfach sein würde um diese Uhrzeit noch von ihm aus nach Hause zu kommen. Die Verbindung war fast schon überdurchschnittlich gut und das war umso verwunderlicher, da ich zuvor noch nie in seiner Wohngegend gewesen war. Ab morgen würde ich dann auch keinen Grund mehr haben, dorthin zu fahren.     Seufzend vergrub ich wieder die Hände in den Hosentaschen und legte einen Zahn zu. Ich wollte endlich nach Hause in mein schönes warmes Bett kommen und eine Runde schlafen, damit ich die Gedanken an Sasuke vertreiben konnte. An der Situation ließ sich sowieso nichts mehr ändern. Momentan sah es ja noch danach aus, als würde er die Stelle eventuell bekommen. Dann würde es an mir liegen, ob ich damit umgehen konnte oder nicht. Ob es mir die Freundschaft wert war, meinen Stolz herunterzuschlucken oder nicht. Und dabei wusste ich ganz genau, dass ich meinen Stolz für Sasuke schon so einige Male heruntergeschluckt hatte – und nicht nur den.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)