Am Ufer des lockenden Gartens von In-Genius ================================================================================ Kapitel 1: "Ich glaubte nie wirklich an Liebe und Wunder." ---------------------------------------------------------- "Aufwachen, Jungs! Aufwachen!" Nur dumpf drang Namis Stimme in den schummrigen Raum herunter, das Holz der Planken und das Schnarchen der selig Schlafenden verzerrten ihren Ruf. Noch war es früh am Morgen und nur wenig Sonnenlicht drang in die Räume unter Deck vor, das galt besonders für den Raum, welchen sich die männlichen Mitglieder der Strohhut-Piratenbande teilten. Der Kapitän Monkey D. Luffy lag in seiner Hängematte, streckte Arme und Beine weit von sich und träumte von einem saftigen Stück Fleisch, wie sein Schmatzen verriet. Usopp, seines Zeichens Schütze und Held wildester Fantasien, schlief in der Hängematte darunter und vielleicht träumte er von einem mutigen Abenteuer des tapferen Käpt'n Usopp. Auf der Couch, die ebenso zum Schlafen einlud wie die Hängematten, lagen drei Schwerter zur Ruhe. Die weiße Scheide des Wado-Ichimonji glimmte im Zwielicht des anbrechenden Morgens. Vor dieser Couch, bequem auf dem hellen Vorleger verteilt, lagen Zoro und Sanji, Schwertkämpfer und Koch der Strohhutpiraten - und die Protagonisten der folgenden Geschichte. Trotz aller Freundschaft waren diese beiden nicht für einen sanften Umgang miteinander bekannt. Sei es an einem entspannten Nachmittag auf hoher See oder während eines heftigen Kampfes gegen den schwer zu besiegenden Feind, sie hatten immer eine lockere Beleidigung für den anderen auf der Zunge. In diesem Moment schliefen sie jedoch friedvoll nebeneinander. Allerdings drang Namis Stimme zu jeder Tages- und Nachtzeit durch Sanjis graue Zellen. Aufwachend murmelte er: "Guten Morgen, Nami-swan! Erlaube mir, einen leidenschaftlichen Guten-Morgen-Kuss…", und er spitzte hoffnungsvoll die Lippen. Das Gesicht ihm zugewandt lag Zoro neben Sanji, auch in seinen Traum drang Namis Stimme dumpf ein und er blinzelte schläfrig. "Argh…", erkannte er die zum Küssen gespitzten Lippen, die langsam auf ihn zukamen. Einen Moment lang war sein Kopf einfach nur leer und seine Glieder zu schwer für jede Reaktion. Sanji kam immer näher, die Wangen von seinem Traum gerötet, bis Zoro schließlich die Lippen auf seinen eigenen spürte. Sie waren überraschend weich und schmiegten sich warm an ihn. Diese Wärme floss langsam in Zoro hinein, in kleinen Wellen nahm sie seine Lippen ein, breitete sich auf seine Wangen aus und von dort aus schloss dieses Kribbeln seine Augen. Dafür öffnete Sanji die seinen und riss sich hoch: "Arschloch! Halt mir nicht deine hässliche Visage ins Gesicht!" "Das sollte ich sagen!", brach auch der Bann von Zoro und er setzte sich auf. Seine Kiefer knackten vor Anspannung. "Du Arsch!" Seine Wangen waren immer noch gerötet; wie könnten sie in solch einer peinlichen Lage auch nicht. Er packte heftig Sanjis Kragen, denn es gab nur diese eine Möglichkeit, sein Gesicht zu wahren. Natürlich erwiderte Sanji die Geste, packte Zoro ebenfalls am Kragen und rang mit ihm. Währenddessen rief Namis Stimme wieder herunter: "Eine Insel! Wir segeln auf eine Insel zu!" Plötzlich öffnete Luffy die Augen: "Huh? Insel?", und er sprang aus seiner Hängematte. Davon ungewollt mitgerissen fiel Usopp Nase voran auf den Holzboden. Luffy stürmte zwischen den Streithähnen hindurch, lachte begeistert und kletterte an Deck. "Wo ist die Insel?", fragte er Nami. "Schau doch, dort." Tatsächlich, am Horizont schälten sich langsam die Umrisse einer bergigen Insel aus dem seichten Nebel. Die Berge und Felsen der Insel gaben ihr die Form einer Ananas. Für die Grand Line war solch eine Insel alles andere als besonders, de facto ziemlich gewöhnlich. Es gab Inseln mit Bergen in der Form von Kakteen, Inseln über den Wolken oder auch Inseln, auf welchen alles extrem lang war. Das Außergewöhnlichste an Pineapple Island war höchstens, dass sie ruhig und im Grunde unbewohnt war. Hier lebten nur ein paar Affen, die miteinander spielten und die namensgebenden Früchte miteinander teilten. Ein kleiner Wasserfall plätscherte aus einem Stein und aus dem dichten Busch klang nur das Brüllen und Brabbeln der Affen, aber kein verstecktes Ungeheuer. Es ließ sich wohl kein besseres Wort für diese Insel finden als: Idylle. Unter Deck sank die Information über eine neue Insel auch in die übrigen Gemüter. Nur widerwillig legten Zoro und Sanji ihr Handgemenge bei, aber aufgeschoben war ja nicht aufgehoben. Sie knurrten sich noch einmal abfällig an, dann half jeder von ihnen beim Anlegen an die Insel: steuerten den Strand an, holten Segel ein, warfen den Anker aus. Letzteres war Zoros Aufgabe. Er stand an der Reling und hievte das schwere Metall über die Brüstung, aber seine Gedanken waren noch unter Deck. Noch immer konnte er die geröteten Wangen vor sich sehen und die weichen Lippen auf seinen spüren. Ein warmes Kribbeln zog sich wieder durch seinen Körper. Als könnte er so die beschämende Farbe auf seinen Wangen verhindern, biss er sich auf die Unterlippe, den Hort dieses widerlich reizenden Gefühls – erfolglos. Leise knurrte er in sich hinein, beleidigte Sanji mit den grässlichsten Namen, die ihm spontan einfielen: "Flachgeistige Seegurke von einer Kringelbraue! Was bildet der sich überhaupt ein, mich einfach zu küssen? Mich! Bescheuerter Schmutt, soll er doch über Bord fallen, am besten mitten auf 'nen Felsen, damit's auch ordentlich wehtut. Das hätt' die verdammte Heringsgräte verdient. Küssen. Mich. Dieser dämliche Depp. Schon so verzweifelt, weil Nami ihn nicht ranlässt? Olle Flachpfeife. Da beißt der bei mir aber auf Granit, Mister Niete von und zu Prinz Trotteltopf." Kurz sah er dem Anker nach, noch waren kleine Wellen zu sehen, wo er das Wasser durchbrochen hatte, und Zoro schnaubte mürrisch. Trotz all der vernichtenden Worte über seinen blonden Kameraden verging die warme, betörende Regung nicht, im Gegenteil schien sie stärker aufzuwallen mit jedem weiteren Gedanken an Sanji. "Verdammtes Scheusal!" "Was? Wo?", Chopper, welcher gerade vorbei trappelte, sah sich irritiert um, "Sieht doch nach einer ruhigen Insel aus, oder nicht?" Jetzt war sich der junge Elch nicht mehr sicher und schnupperte angespannt, aber er konnte nichts Gefährliches entdecken. "Ja, alles ruhig. Ich hab' was andres gemeint", erklärte Zoro knapp. Wieder fiel ihm auf, wie schreckhaft Chopper noch war; darum würde er sich ein anderes Mal kümmern. Chopper nickte zaghaft und nur größtenteils beruhigt. "Nami will, dass wir uns am Strand sammeln."   Weißer Sandstrand begrüßte die Strohhutpiraten. Sie waren alle an Land gekommen: Nami, die Navigatorin mit den roten Haaren, Luffy, der Kapitän mit dem Strohhut, Usopp, der Schütze mit der langen Nase und dem Hang zum Lügen, Chopper, ihr Arzt mit dem flauschigen Fell, Sanji, der blonde Schiffskoch, und Zoro, der grünhaarige Schwertkämpfer mit seinen drei Schwertern an der Seite. Nur Nico Robin, ihr neuestes Mitglied, war an Bord geblieben. "Ob es hier wohl Monster gibt?", grinste Luffy und krempelte bereits einen Ärmel, noch immer trug er das hellblaue Gewand aus Alabasta, hoch. Er war zu jeder Schandtat und zu jeder Schlägerei bereit. "Ich will so richtig große sehen. Und stark müssen sie sein!" Usopp richtete noch immer seine Nase, denn sie vertrug sich schlecht mit den Dielen des Schiffsbodens. "Bitte, trampel nicht auf mir rum. Bitte, tritt nicht mein armes, kleines Leben aus." Ob er Ruffy oder das von diesem herbeigerufene Monster meinte, war schwer herauszuhören. "Hier ist keine Spur von seltsamen Dingen", erklärte Nami überzeugt, die Hände in die Hüften gestemmt. "Es ist einfach nur eine kleine Insel." Das sanfte Rauschen der Wellen bestätigte ihre Worte. Nicht einmal das Kreischen einer Möwe war zu hören. Derweil war Sanji bereits auf eine der Palmen geklettert und untersuchte die Früchte, die hier wuchsen und der Insel ihren Namen gaben. Eine der Früchte hielt er noch in der Hand, als er zu seinen Kameraden und vor allem zu Nami hinunterwinkte: "Schau mal, Nami-swan! Diese Früchte wären perfekt fürs Einlagern. Und es sieht so aus, als wäre die ganze Insel voll von ihnen." Die Ernährung ausgewogen und gesund zu gestalten, war eine große Herausforderung für einen Schiffskoch; besonders wenn der Fahrplan so unsicher war wie derjenige der Strohhutpiraten. Eine Ananas warf Sanji der Navigatorin zu, die sie auch auffing. "Ach? Ja, dann sollten wir welche sammeln und unseren Vorrat damit aufstocken." "Ich wette", erklärte Sanji und rutschte die Palme wieder hinab, "dass hier noch ein Haufen anderer Pflanzen wachsen, die ich nutzen könnte. Diese Insel ist ein Paradies für jeden Koch." "Alles klar", nickte Nami. Die anderen sahen von der Entdeckung eher unbeeindruckt drein, besonders Zoro zog eine sehr mürrische Miene, aber das wiederum hatte ganz andere Gründe. "Gut, dann kümmerst du dich, Sanji, am besten um die Essensbeschaffung. Und ihr vier", sie wandte sich an die übrigen jungen Männer und hielt vier Stöckchen in der Hand, "ihr macht das hier." Ein allgemeines "Hä? Was?" war die Antwort. Mehr oder minder ratlos sahen Luffy, Chopper und Usopp die Stöckchen an, während Zoro einfach abwartete. "Die drei von euch, die ein kurzes Stöckchen ziehen, verbringen den Tag mit dem Sammeln der Früchte. Derjenige, der das lange Stöckchen zieht, bleibt hier und bewacht das Schiff", erklärte Nami fröhlich. Sie freute sich schon auf einen ruhigen, ereignislosen Tag. "Und warum überhaupt", knurrte Zoro, "gibst du hier die Befehle?" Seine mürrische Art beeindruckte Nami nicht ein Stück. "Gute Frage. Normalerweise gibt der Kapitän die Befehle, nur …" "Oh? Die sind ja alle kurz", stellte Ruffy gerade fest und hatte drei von Namis Stöckchen in der Hand. Usopp starrte ihn überrascht an: "Warum zur Hölle hast du drei Stöckchen gezogen?!" "Der, der mehr nimmt, ist schlauer, stimmt's?" Auf Namis Stirn pochte gefährlich eine Ader. "Denkst du wirklich, dass auf diesem Schiff ein Kapitän lebt, der Befehle geben kann?", fragte sie düster. "Nein, überhaupt nicht", antworteten Zoro, Chopper und Usopp unisono und dachten gar nicht mehr daran, mit Nami zu diskutieren. Sie hatte mehr als offensichtlich Recht. Luffy lachte fröhlich: "Bin ich wirklich so schlau?" "Nein, bist du nicht!", und er bekam für seine Idee gleich drei Kopfnüsse. Nun hielt Chopper ein Stöckchen zwischen den Hufen: "Ich hab das lange Stöckchen gezogen." Dieses war als einziges übrig geblieben. "Also bleibe ich auf dem Schiff?" Nami grinste wieder fröhlich: "Genau. Also Chopper, du bleibst hier." "Beeilt euch! Beeilt euch!", forderte Luffy seine Kameraden auf. Sein breites Grinsen war wie üblich unauslöschlich, egal wie viele Beulen er von seinen Freunden kassierte. Auf seinem Rücken hing bereits ein großer aus Weide geflochtener Korb zum Obstsammeln. "Beeilt euch! Lasst uns gehen! Kommt schon, wir sammeln Früchte." Auch aus so etwas Langweiligem würde er ein Abenteuer machen. "Du kommst doch auch, oder Nami?" Sie schüttelte den Kopf: "Nein. Ich nehme mir heute Zeit und erkunde die Insel. Ich will eine Karte davon zeichnen. Ich kann's kaum erwarten." Zoro konnte sich definitiv etwas Besseres vorstellen, als blöde Früchte zu sammeln, und sein Gesicht sagte das ganz deutlich. Nachdem auch er und Usopp sich die großen Weidenkörbe auf den Rücken geschnallt hatten, gingen sie los. Chopper winkte ihnen von der Reling aus nach: "Bis später. Seid vorsichtig. Kommt sicher zurück!" "Pass gut auf das Schiff auf", winkte Nami ihm zurück. "Der mit den meisten Früchten, gewinnt!", rief Ruffy aus und lief bereits voraus. Usopp seufzte: "Nee… da mach' ich nicht mit." Auch Zoro schlug sich in den Palmenwald: "Warum muss ich eigentlich Befehle von diesem Weib annehmen?" Er war in der falschen Bande, eindeutig. Den Jungs auf den Fersen ging auch Nami endlich los und freute sich: "Okay, los geht's. Erkundung. Erkundung." Ihr dicht auf den Fersen flitterte Sanji hinterher: "Oh, Nami-swan! Sie ist so voller Energie mit ihrem Erkundungsequipment auf dem Rücken. Nami-swan ist so großartig!" "Halt's Maul!", rief Zoro zurück. "Hör auf wie ein Verrückter zu reden und beweg' deinen Arsch an die Arbeit!"   Im Wald zirpten leise ein paar Grillen und Zoro motzte aufgebracht weiter vor sich her: "Warum muss ich Befehle von diesem Weibsbild annehmen? Verdammt, ich halt' das nicht aus." Die Friedlichkeit des Waldes war ebenso wenig für ihn auszuhalten. Nichts gegen Ruhe per se, aber er war für Gefahr gebaut – und ein Nickerchen durfte er sich ja nicht gönnen, das gäbe nur Ärger von der Wetterhexe. Jemand sollte mal Früchte züchten, die sich selbst sammelten, dachte er. Seine langen Schritte führten ihn tief in den dichten Wald. Schließlich stellte er den Korb auf den Boden. Hier war ein guter Platz, um Obst zu pflücken. Mit geübten Handgriffen zog er seine drei Schwerter: "Santouryuu Tatsumaki!" Heftiger und scharfer Wind drehte sich durch die Kronen der Palmen, ließ die Stämme erbeben und die Blätter erzittern. Zufrieden schob er die Schwerter wieder in ihre Scheiden zurück. Eine nach der anderen fielen die Früchte herab und bequem konnte er sie mit dem großen Korb auffangen. Ein Kinderspiel. Bis ihm eine Ananas auf den Kopf fiel. "Ohje …" Plötzlich wurde er von einem viel zu großen Haufen dieser Früchte begraben. Leise fluchend kämpfte er sich unter dem Obstberg hervor. Immerhin war der Korb nun gefüllt, vielleicht würden Nami und Sanji jetzt ihre Meckerei einstellen. Wenn ihn das trösten sollte, war das eigentlich ziemlich kläglich, stellte er fest und seufzte. "Der Blödmann kann eh bleiben, wo der Pfeffer wächst", knurrte Zoro, schulterte den Korb und schlug den Rückweg ein. "Küsst der mich einfach." Unwillkürlich glitten seine Finger über seine Lippen. Ein rauchiger Geschmack lag noch auf ihnen. Sein erster Kuss.   – never had much faith in love or miracles –   Zoro legte keinen großen Wert auf diesen Teil des Lebens. Ihm war es kein namentliches Bedürfnis, mit jemand anderem intim zu werden. Die Freundschaft mit seinen Mitstreitern war die intensivste Art von Beziehung, die er ertragen konnte. Eine Liebhaberin stünde nur in seinem Weg zum besten Schwertkämpfer der Welt, würde vielleicht sogar versuchen ihn aufzuhalten. Sie hätte Angst um ihn, er müsste Rücksicht nehmen. Sie würde ihn bemuttern, er würde rebellieren. Er konnte kein Leben mit jemandem teilen, der ihn einschränkte, der ihn festhielt, der seine oberste Priorität sein wollte. Dieser Platz war längst besetzt. Außerdem waren die meisten Frauen zu schwach, um seinen Schritt halten zu können. Er verachtete Schwächlinge. Deswegen war es für ihn bereits schwer, Sympathie und Wohlwollen gegenüber einer Frau – und den meisten Männern – zu entwickeln, geschweige denn Leidenschaft und Hingabe. Liebe schien ein so nutzloses Gefühl zu sein, viel Kummer zu bringen und, wenn er die Kringelbraue so ansah, eine verheerende Portion Dummheit in einem auszulösen. Warum sollte man das also wollen? Oder gar aktiv suchen? Natürlich hatte Zoro seine Familie geliebt und brachte auch seinen Freunden mal mehr mal weniger Zuneigung entgegen, das stand ganz außer Frage. Romantische Liebe jedoch sah wie ein absurdes Konzept aus. Man hortete viele störende Gefühle für jemanden in sich, führte sich die meiste Zeit wie ein Idiot auf und wenn man den Mut fand, sich dem anderen zu offenbaren, ging dann gleich die Welt unter. Rein statistisch betrachtet waren die Chancen, auf Gegenliebe zu stoßen, gering und wollte man dann auch noch den Einen finden, konnte man sich gleich von einem Seekönig fressen lassen. Das hörte sich barmherziger an. Überhaupt war es ihm ein Rätsel, was an Frauen so großartig sein sollte. Ein gewisser Kochlöffel konnte mit dem Schwärmen zwar nicht aufhören, aber klare Argumente brachte er dabei nicht zustande. Langes Haar? Lästig. Große Augen? Riskant. Große Brüste? Unbrauchbar. Schmale Taille? Schaurig. Apfelpo? Angenehm, zugegeben. Lange Beine? Schon ansehnlich. Wenn er sich dann noch den Charakter ansah, zumindest von den Frauen, die er persönlich kannte: Nami war über alle Maßen unausstehlich, Vivi war zu naiv, Kaya war so zerbrechlich, Robin traute er nicht über den Weg und Tashigi war einfach nur nervig. Mit Kuina hingegen hatte er sich gut verstanden. Die Bilanz fiel also, nicht überraschend, schlecht aus. Zoro konnte zwar nicht ausschließen, dass die ein oder andere Frau auf dieser Welt wandelte, die er äußerlich attraktiv und innerlich reizvoll finden würde; aber was bedeutete das schon? Er war Krieger, kein Liebhaber.   – never wanna put my heart on the line –   Seine Passion lag sowieso gänzlich woanders: im Schwert. Erst mit seinen Schwertern in der Hand war sein Körper leicht und seine Sinne scharf. Wenn er sich seinem Instinkt anvertrauen konnte, war sein Verstand frei und seine Muskeln fähig. Sah er das Blut an seinen Klingen und roch er das Blut an seinen Händen, dann floss Leidenschaft heiß durch seine Glieder. Jenseits seiner Klinge war die Welt nicht existent. Aus Stahl, geschliffen in Stunden mühsamer Arbeit, bestand sein Körper, das Schwert war geschmiedet aus seinem Fleisch, gehärtet an unzähligen Tagen. Jeden Moment könnte das Blut ein letztes Mal durch seine Adern rauschen, aber nicht nur im Kampf gehörte sein Leben der Klinge, nein, jeden Tag, jede Stunde übergab er dem Schwert. Er musste stärker werden, mit jedem Atemzug. Es gab nur eine Wahrheit für ihn und sie war tödlich. Für Menschen war in seinem Herzen einfach kein Platz und Zoro bedauerte diese Tatsache nicht. Er lebte in der Gefahr, der Sense nur wenige Zoll voraus, und all jene Menschen, die er kannte, führten ihr Leben auf die gleiche Weise. Es wäre müßig, für sie ähnliche Hingabe zu entwickeln, denn bald würden sie nicht mehr auf dieser Erde wandeln. Zurückzubleiben war eines der schrecklichsten Gefühle, die Zoro je erlebt hatte. Trauer, Schmerz, Hilflosigkeit, Einsamkeit, Wut – alles kulminierte in einem heiß-kalten Knoten, drohte niemals die Seele zu verlassen und fraß einen von Innen her auf. An den Grabsteinen geliebter Menschen zu stehen, war eine Erfahrung, die er in seinem Leben bereits genug gesammelt hatte und nicht gedachte, an andere weiterzugeben. Es war ihm nur recht, keine weitere Zeit und keine weitere Muße für eine Gemeinschaft aufbringen zu können. Sein Ziel konnte er nur erreichen, wenn er all seine Ressourcen bündelte, wenn er all seine Kräfte konzentrierte, wenn er seine ganze Existenz einsetzte. Für Freundschaft war kaum genug Raum vorhanden, geschweige denn für eine Liebschaft, die ihn nicht gehen lassen könnte und seinen Lebenstraum nicht einmal verstünde. Luffy verstand diesen Traum, hatte selbst ein unmöglich klingendes Ziel vor Augen und solange sie in die gleiche Richtung gingen, würden sie ihren Weg zusammen gehen. Doch sie alle wussten, sollten sie eines Tages nicht mehr dieselbe Richtung teilen, würden sie sich voneinander verabschieden. Ihre Kameradschaft war intensiv und loyal, aber nicht von Dauer. Ihre Ziele bestimmten jede Sekunde ihres Lebens. Sie kämpften für ihren Traum, bewegten Himmel, Erde und Hölle für seine Verwirklichung und ganz nebenbei, die Zeit einer langen Reise nutzend, schlich sich Freundschaft zwischen sie. Liebe verlief doch anders.   – but swimming in your water is something spiritual –   Sein erster Kuss. Ausgerechnet mit der blonden Schreckschraube musste er die Lippen zusammenlegen. Dabei ertrug er kaum den Gestank dieser ständigen Raucherei und jetzt haftete auch noch hartnäckig der Geschmack auf seiner Zunge. Und dieser Geschmack erinnerte ihn ununterbrochen an die Kringelbraue und ihre unsägliche Frechheit. Wie konnte man ihn, Roronoa Zoro, nur mit Nami verwechseln? Sah er aus wie eine geldgierige Furie? Aber dieser Kuss … war gar nicht so unangenehm gewesen, sähe man natürlich von einem gewissen blonden Detail ab. Warm. Süß. Sinnlich. Selbst die Zigaretten störten dabei nicht mehr. Noch immer kribbelte es auf seinen Lippen. Ob wohl alle Küsse so waren? Oder nur die mit dem Kochlöffel? Oder nur jene für die Wetterhexe? Sicherlich war es ein Unterschied, wer wen küsste – im Kampf war das jedenfalls eine wichtige Variable. Bisher hatte er natürlich keine Gedanken daran verschwendet, ob ein Unterschied zwischen einer Liebhaberin und einem Liebhaber bestünde. Bis zu diesem Punkt galten seine Gedanken nur dem weiblichen Pendant, einfach weil alle anderen Menschen auch davon ausgingen. Hörte er in zwielichtigen Spelunken alte Seebären über exotische Dirnen und leichte Mädchen reden, kam nie ein Wort über leidenschaftliche Abenteuer zwischen zwei Männern. Liefen seine Überlegungen in eine andere Richtung, wenn er nicht mit irgendeiner Frau sondern mit einem Mann oder gleich direkt mit Sanji kalkulierte? Immerhin kannte dieser das Drängen eines überwichtigen Traumes, den stetigen Druck sich zu verbessern, stärker zu werden und er kannte das gefährliche Leben eines Piraten. Da würden sie sich nicht gegenseitig aufhalten oder einschränken, sie müssten sich nicht füreinander ängstigen oder gegeneinander rebellieren und sie könnten sogar miteinander ihre Ziele verfolgen. Wie sie es sowieso bereits taten. Ob das Kribbeln wohl anders wäre, wenn Sanji ihn absichtlich küssen würde? Wäre der Kuss weniger sanft, weniger vorsichtig, weniger unsicher? Aber wäre er dafür impulsiver, mutiger, herber? Sanji hatte solch einen starken und ausgeglichenen Körper, solch einen unbezwingbar sturen Charakter, dass sich Zoro nicht vorstellen konnte, dies in einem Kuss nicht ebenso spüren zu können. In ihren Prügeleien und Kämpfen sah und fühlte er diese Eigenschaften immer und noch einige andere, die er an dem Blonden mochte. Trotz all des Raufens und Beleidigens standen sie doch freundschaftlich zueinander. Vielleicht auch mehr als das? Wie stellte man so etwas fest? Gab es einen Test dafür? In so viele Gefahren waren sie gemeinsam hineingeraten, so oft hatte er Sanji schon sein Leben anvertraut und genauso oft hatte er Sanjis Leben beschützt. Bedeutete das etwas? Oder würde auch er mit idiotischen Herzchen in den Augen durch die Gegend laufen, wenn er verliebt wäre? Herzklopfen? Schmetterlinge im Bauch? Reichte es nicht, dass er sich wohl in des anderen Nähe fühlte? Dass er entspannte, wenn sie einander Beleidigungen an den Kopf warfen? Dass er Freude empfand, wenn sie rangelten? Sie konnten miteinander scherzen und miteinander schweigen, sie konnten streiten und ernste Gespräche führen. Sie teilten so manche Leidenschaft miteinander und respektierten jene, die sie nicht teilten. Sie verbrachten viel Zeit miteinander und doch ließen sie einander die Ruhe zukommen, die jeder für sich selbst brauchte. Sie waren einander ähnlich und doch verschieden.   – I'm born again every time you spend the night –   Es war nicht Sanjis Absicht gewesen, ihn zu küssen. Und es würde niemals in Sanjis Absicht liegen, ihn zu küssen. Warum sollte er auch? Warum sollte Zoro das eigentlich wollen? Wollte er überhaupt? So viele Fragen stellte er sich für gewöhnlich nicht. Natürlich hielt Zoro sich nicht für allwissend, allerdings ließen sich die meisten Sachverhalte durch Hartnäckigkeit und Deduktion in Erfahrung bringen; manchmal half auch rohe Gewalt. Außerdem gab es viele Themen ohne konkrete Antwort und ohne konkreten Nutzen, über die nachzudenken nur müßig war, zum Beispiel Religion - oder eben Liebe: Was war Liebe? Wie fühlte sie sich an? Wie gelangte jemand zu ihr und wie wurde er sie wieder los? Wie erkannte man sie in sich selbst oder in anderen? War sie lebensnotwendig oder nur ein Luxusgut? Wollte er einfach nur einen weiteren Kuss, nicht einmal zwingend von Sanji, oder bildete er diese Gefühle durch den Kuss erst aus? Waren diese Gefühle womöglich schon vorher dagewesen und bloß unbemerkt geblieben? Redete er sich all diese Fragen nur ein? Realistische Antwort: Ja, du Trottel, das sind alles nur Hirngespinste. Aber diese realistische Antwort hatte einen bitteren Beigeschmack. Der Gedanke, alles wäre nur Unfug, war enttäuschend und drückte Zoros Brust zusammen. Der Blonde hatte Bedeutung für sein Leben und nicht nur eine kleine. Die Freundschaft zwischen ihnen war ihm wichtig und teuer, mochte das auch nicht für jeden einsehbar sein. Ohne Sanji auf dem Schiff würde ihm vieles fehlen. Die Prügeleien, die Beleidigungen, das gute Essen und all die ruhigen Nächte, die sie zusammen in der Kombüse oder im Krähennest gesessen hatten, der selbstvergessene Anblick Sanjis beim Kochen und ja, selbst das tölpelhafte Gesülze den Frauen gegenüber würde ihm fehlen. Er brauchte Sanji. Er brauchte ihn, um sein leicht entzündliches Temperament zu zügeln, um sich mit ihm zu streiten und um sich dank ihm wieder zu beruhigen, um sich an ihm zu messen und um sich mit ihm zu verbessern, um sich auf ihn zu verlassen und um in seinem Leben die Richtung zu halten. Sanji war sein Kompass. Es sollte niemanden wundern, dass Zoro den Weg unter seinen Füßen verlor, während er all diese Überlegungen tat und sich diese Gedanken machte. Selbst wenn er auf den Weg achtete, verirrte sich Zoro leichter als andere und fand schwerer zu seinem eigentlichen Ziel zurück. Nur in Gefahrensituationen, wenn er die meisten Entscheidungen seinem Instinkt überließ, blieb er auf dem Weg. Gewiss nur, weil dies der Pfad zu Kampf und Blut war. Jedenfalls erkannte Zoro, als er nun einmal stehen blieb und sich umsah, dass er sich verlaufen haben musste. Wie üblich gab er den immer gleich aussehenden Bäumen die Schuld. Aber davon ließ er sich nicht aus der Ruhe bringen. Irgendwohin würden ihn seine Füße schon tragen und so klein wie die Insel war, musste er irgendwann auch die Flying Lamb wieder erreichen.   Am Abend saßen sie alle am Strand, waren um ein Feuer versammelt und ließen sich das Abendessen schmecken. Bis auf Robin, sie saß in einem Liegestuhl und las immer noch ihr Buch. Leise zirpten ein paar Grillen. Aus unerklärlichen Gründen saßen Zoro und Sanji nebeneinander auf einem Baumstamm, was den Schwertkämpfer zu einem mürrischen Brummen hinriss. Weniger unerklärlich war die Tatsache, dass nur in Zoros Korb Früchte lagen. "Und?", tadelte Nami, "Warum habt ihr zwei nichts hergebracht?", und sah Luffy und Usopp eindringlich an. Der Feuerschein hüllte sie in unheilvolles Licht. Praktisch ohne Schuldbewusstsein kaute Luffy auf seinem Stück Fleisch. "Ehrlich gesagt, das weiß ich gar nicht so genau." "Damals dachte ich zu mir selbst", fing Usopp theatralisch an, sein großes Abenteuer zu erzählen, "gerade als mich der riesige Königskondor angriff – uah!", er riss dramatisch die Arme hoch und fiel rücklings vom Stamm, auf dem er neben Luffy gesessen hatte. "'Sorry, Leute. Ich habe mein Leben riskiert, um die Früchte zu kriegen, aber ich habe es nicht geschafft!'" Ein Beutelchen Tomatensoße zerplatzte in seiner Hand und lief rot über sein Hemd. "Ich bin tot." Nami überging sein Theater: "Auf der anderen Seite hat Zoro einen wirklich guten Job gemacht." "Hmhm", murrte er zustimmend und kaute einfach weiter. Dass Sanji nur Augen für Nami hatte, pisste ihm dermaßen ans Bein, es war für ihn kaum auszuhalten. "Einen so guten Job, da musst du nun die Nacht durcharbeiten und noch mehr sammeln", flötete sie weiter. Da blieb ihm doch glatt der Bissen im Halse stecken. Sanji hingegen war ganz hin und weg von ihrem Plan: "Ach, Nami-swan ist so traumhaft, wenn sie bissige Befehle gibt." "Halt's Maul, verdammt nochmal! Du Lustmolch von einem Koch!" "Willst du Streit, Marimohirn?" Nami schüttelte über die beiden Streithähne den Kopf und schob sie auseinander: "Das war doch nur ein Witz." Über welchen zumindest Usopp, Luffy und Chopper gut lachen konnten. "Wie dem auch sei. Wir hatten schon lange keinen so ruhigen Tag mehr wie heute." Mit vollen Wangen wandte sich Luffy an Chopper: "Was ist mit dir?", und spritzte Krümel von seinem Essen in das gepflegte Fell des Elches. "Was hast du den ganzen Tag auf dem Schiff gemacht?" "Ich?", fragte Chopper. "Nichts Besonderes." Kurz blickte er zu Nico Robin, mit welcher er den Tag verlebt hatte. Dann grinste er doch: "Aber es war ein toller Tag!"   Am Nachthimmel standen die Sterne wie kleine weiße Punkte und selbst mit dem Mond zusammen schien ihr Licht nur spärlich bis auf den Waldboden, die Palmen und Sträucher standen dicht. Auf der Lichtung lagen die Mitglieder der Strohhutpiraten verteilt und schliefen. Luffy plapperte im Schlaf von der verzwickten Jagd auf Schweinskeulen und zwischen Usopps Schnarchgeräuschen konnte man seinem neuesten Abenteuer, wie Riesen vor ihm angstvoll zitterten, zuhören. Man war in diesem Falle Zoro, welcher nicht schlafen konnte. Eine Tatsache gänzlich gegen jede Regel und Gewohnheit, denn unter normalen Umständen war er der erste einzuschlafen und der letzte aufzuwachen. Aber im Moment hielten ihn endlose Gedanken vom Schlafen ab und egal wie oft oder wie beharrlich er versuchte, sie verstummen zu lassen, diese Gedanken waren hartnäckiger. Gedanken über Sanji. Ihr Koch lag unweit von Zoro entfernt in eine Decke eingerollt und wandte ihm nahezu demonstrativ den Rücken zu. Seit dem Vorfall am Morgen hatten sie kein Wort miteinander gewechselt, sogar nur wenige Beleidigungen hatten sie einander zugeworfen, aber das konnte schlecht als Konversation bezeichnet werden. Selbst zu sagen, sie hätten sich den Tag über wahrgenommen, klang übertrieben. Ob Sanji ihn wohl mit Absicht ignorierte? Langsam verblasste das Gefühl des Kusses auf Zoros Lippen und auch das Kribbeln kam immer schwächer in sein Bewusstsein zurück. Wenn er am nächsten Morgen aufwachte, wäre vermutlich alles nur noch blasse Erinnerung und in wenigen Tagen hätte er all die wirren Gedanken von heute vergessen. Sicherlich wäre es gut, wenn er die Erinnerungen an den Kuss und die warmen Gefühle für Sanji nicht weiter beachtete - aber sein Verlangen ließ das nicht zu. Ohne es gemerkt zu haben, war Zoros Blick gewandert. Die Sterne waren nur mäßig interessant, Sanjis Rücken dagegen umso mehr. Ob er ihn berühren könnte, wenn er seine Hand ausstreckte? Zoro schnaubte über sich selbst. Solche Fragen und ihre implizierte Unsicherheit standen ihm nicht gut zu Gesicht. Er kannte keine Scheu.   – your sex takes me to paradise –   Sanjis Körper bewegte sich, drehte sich auf den Rücken und sein markantes Profil hob sich gegen den sanften Feuerschein ab. Zoros Blick legte sich wie von selbst auf die halbgeöffneten Lippen, ein letztes Mal wallte die Erinnerung an den Kuss heiß und prickelnd in ihm auf. Verlangen vibrierte in seinen Gliedern und er folgte diesem Impuls, noch bevor sein Verstand ihn davon abhalten konnte. Er lehnte sich zu Sanji herüber, welcher zum Glück nah genug neben ihm lag, und streckte seine Hand aus. Sanjis Gesicht zu sich drehend, küsste er ihn. Das warme Kribbeln, welches von ihren Lippen ausgehend durch seinen Körper zog, war von ganz anderer Qualität als nur die blasse Erinnerung daran. Es war nicht nur von heimeliger Wärme und anregender Süße, sondern ebenso sehr atemverschlagend und bewusstseinerweiternd. Die Intensität war schwer zu beschreiben, aber Zoro verglich sie mit dem Höhepunkt eines Kampfes: Wenn er schwerverwundet weiterhin die Stirn gegen seinen Gegner bot und die lebensbedrohliche Situation seine Instinkte und seinen Verstand schärfte, dann durchflutete ihn ein ähnlich aufregendes Zittern und die Gewissheit des Sieges. Doch noch bevor Zoro darüber nachdenken konnte, was Siegen für einen Kuss bedeutete, erwachte Sanji aus seinem Döszustand. Mit einem kräftigen Ruck schubste er Zoro von sich und rückte selbst noch zusätzlich ab. "Was soll denn der Scheiß?", fragte er erschrocken und wütend. Eigentlich entsprach es nicht seinem sonst meist eleganten Verhalten, aber er wischte sich mit dem Ärmel seines Hemdes über den Mund. Zoros Geschmack blieb. "Ehm…", eine gescheitere Antwort wollte dem Schwertkämpfer partout nicht einfallen, obwohl er eigentlich um kein noch so schlecht platziertes oder auch gut durchdachtes Wort verlegen war. Zwar hatte er an diesem Tag viel nachgedacht, aber eben keine gescheite Antwort gefunden; beziehungsweise, er konnte dem Blonden diese Antwort nicht mitteilen. "Also … Na, du hast das doch heute Morgen auch gemacht. Jetzt war eben ich dran." Dass diese Aussage lahm und lächerlich war, wusste Zoro im Moment des Sprechens. Auch Sanji wusste darum und starrte ihn immer noch sauer an. "Das heute Morgen war ein Versehen, Trottel. Da ist niemand dran." Sein durchdringender Blick lag auf Zoro, musternd und unsicher. "Was bist du überhaupt noch wach? Schlaf endlich." Mit diesen Worten nahm er seine Decke, legte sich hin und zog sie demonstrativ bis übers Kinn. Zoro konnte nur noch des Blonden Rücken anschauen und grummelte: "Blöder Kochlöffel." Dann legte er sich selbst wieder hin. Für den Kuss hatte es sich gelohnt.   – you make me feel like I've been locked out of heaven –   Die Sterne leuchteten unbeteiligt über ihren Köpfen. Sie hatten leicht reden, dachte Zoro, denn sie mussten sich nicht mit Gefühlen plagen. Eines war ihm jetzt klar: Er wollte mehr von Sanji. Ein Kuss reichte nicht, reichte bei weitem nicht. Und noch etwas war ihm klar geworden: Sanji fühlte anders. Wieso sollte der Kochlöffel auch seine Gefühle erwidern? Zoro war nun einmal keine Frau. Er seufzte tief bei diesem Gedanken. Ob er Sanji begreiflich machen könnte, dass es auch mit einem Mann – mit ihm – schön sein konnte? Er ging davon aus, dass auch anderes als Küsse schon sein würde, sonst bedauerte er alle Frauen, die ihre Männer aushalten mussten. Auch in der Liebe mussten Charaktere und Fähigkeiten wichtiger sein als das Geschlecht, so wie im Kampf. Ihm fehlte Sanji nah an seiner Seite, sehnte sich danach, mit ihm eine Decke zu teilen; egal, dass sie nie zuvor so eng beieinander gelegen hatten. Zoro war sich einfach sicher, das zu wollen und es zu genießen. Unzufrieden schnaubte er und legte sich auf die Seite, die Sterne halfen ihm sowieso nicht. Wieder schnaubte er, er hatte sich auf die falsche Seite gedreht und starrte nun auf Sanjis Rücken. In der dichten Dunkelheit konnten er zwar nicht viel sehen, aber dieser Tatsache war er sicher. Mittlerweile war der Schein des Feuers so schwach dass er kaum Sanjis Umrisse ausmachen konnte, trotzdem wusste er, dass Sanji da war. Wo sollte er sonst sein? Seine Fingerspitzen berührten schwach Sanjis Schulter und er spürte, wie Sanjis Körper zusammenzuckte. "Sch…", machte er unwillkürlich, als ob dieses Geräusch irgendjemanden schon einmal wirklich getröstet hätte. Seine Hand streichelte weiter Sanjis Schulter. "Fass mich nicht an, Schimmelhirn", knurrte Sanji und rollte seine Schulter, um die Hand von dort loszuwerden. Doch Zoros Hand blieb, wo sie war, und genoss viel mehr Sanji berühren zu können. Die Wärme fühlte sich gut auf seiner Haut an, selbst wenn noch genug Stoff zwischen ihnen trennte. Er rückte näher an Sanji heran, so nah bis er Sanjis Rücken an seiner Brust spürte, bis er seinen Arm um Sanji legen konnte, bis er seine Nase in dem blonden Haar vergraben konnte. Genießend schloss Zoro die Augen.   – for too long, for too long –   "Ich liebe dich", flüsterte Zoro und küsste Sanjis Nacken. Im nächsten Moment spürte er Sanjis Fuß in seinem Magen und Zoro flog über die Lichtung bis in den nächsten Baum. Eine Ananas fiel ihm auf den Kopf. "Autsch" murmelte er und rieb sich den Kopf. Das hatte er wohl verdient. Nein, eigentlich hatte er das nicht. Im Grunde seines Herzens war Zoro ein guter Kerl, meistens, und Sanji sollte sich glücklich schätzen das er solche Gefühle von Zoro bekam. Von Nami und Robin bekam er solche Gefühle jedenfalls nicht, so viel stand fest. "Pissnelke", brummte Zoro und lehnte sich gegen den Baum. Durch die Palmenblätter sah er den Himmel, die Sterne und den Mond, der ihre kleine Lichtung beschien. Unzufrieden schnaubte er. Gedanklich kotzte er. Zoro schloss die Augen, sobald er endlich schlief, hörte der Tag endlich auf. Zoro konnte es kaum abwarten. Solch ein niederschmetternder Tag: erst erkannte er, dass er sich verliebt hatte – ausgerechnet in den Backfisch von einem Smutje – und dann ließ ihr Weiberheld ihn natürlich abblitzen. Wie viel Pech konnte ein Tag einem zwischen die Beine werfen? Fest kniff er die Augen zu. Er wollte schlafen, doch er konnte nicht. Ständig sah er Sanji vor seinem inneren Auge und das war noch nicht verstörend genug, er sah ihn lächeln oder sich aufreizend für ihn bewegen, sogar einen Strip sah er ihn tanzen. Zoro riss wieder die Augen auf. "Verdammt!", murrte er leise. Langsam zweifelte er an seinem geistigen Zustand. Liebe machte offenbar nicht nur blind sondern tatsächlich auch unheimlich blöd. Es musste endlich morgen werden, denn heute war bis in den letzten Winkel defekt. Keine falsche Bescheidenheit, Zoro dachte: im Arsch.   Das Schnarchen der anderen Strohhüte half beim Einschlafen nur wenig, doch schlussendlich schlief er doch ein. Roronoa Zoro konnte immer und überall schlafen. Seine Freunde waren längst tief in ihre Träume gewandert, Träume von fliegendem Grillfleisch und heldenhaften Abenteuern, von leuchtenden Kirschblüten und geborgenen Goldschätzen. Das Feuer flackerte noch sanft in der Nacht, spendete Geborgenheit in dieser friedlichen Wildnis. Über ihnen lächelten die Sterne wissend.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)