Love Story von Bambusbesen (Midorima X Akashi) ================================================================================ Kapitel 9: Entscheidungen ------------------------- Midorima blinzelte. Der Mann in der Polizeiuniform war ihr alter Teamkollege und Rivale, Aomine Daiki. Nie wäre er auf die Idee gekommen, dass Aomine ausgerechnet eine Ausbildung zum Polizisten erfolgreich abschließen würde. Der Blauhaarige hatte regelmäßig Trainings geschwänzt, auf dem Schuldach geschlafen, Mädchen unter den Rock geschaut und Regeln gebrochen. Dreist grinste Aomine. „Tach, Möhre. So sieht man sich wieder.“ Aomine schien gar nicht überrascht. Natürlich nicht, dachte Midorima. Bevor man ihn ins Krankenhaus zur Befragung geschickt hatte, musste er über den bisherigen Stand des Geschehenen informiert worden sein. Der Blauhaarige trat an das Krankenbett heran und betrachtete Akashi. „Morgen, Dornröschen. Aus dem Schönheitsschlaf erwacht?“ Midorimas Augenbrauen zogen sich zusammen. „Er wurde angeschossen. Lass die blöden Witze.“ Akashi war erst vor wenigen Stunden aufgewacht. „Daiki“, murmelte der Rotschopf. Midorima hörte am Unterton in Akashis Stimme, dass er nicht vollständig in der Gegenwart war. Gemütlich setzte Aomine sich ans untere Ende des Krankenbettes. Die dunkelblauen Augen taxierten seinen Liebsten. Lässig lehnte der junge Polizist sich zurück und zog Notizblock samt Stift. „Auf die Story bin ich gespannt. Wen hast du denn diesmal in die Schranken gewiesen, Captain? Da war wohl jemand ziemlich sauer, was?“ Genervt seufzte Midorima. „Ruf einen echten Polizisten“, forderte er. Gespielt gekränkt knurrte Aomine. „Ey! Ich bin ein echter Polizist.“ Er zog an seiner Dienstmarke, die über der Brust im Hemd steckte. „Siehst du?Ich hab eine Dienstmarke, Handschellen und eine Waffe. Ich hab schon viele böse Jungs hinter Gitter gebracht.“ „Dann benimm dich auch so“, forderte der junge Arzt. Er war gegen die Befragung gewesen, aber die Polizei bestand darauf. Akashi war nicht aussagefähig. Der Rotschopf stand unter Medikamenteneinfluss aufgrund der Schmerzmittel, die ihm verabreicht worden waren. „Wie ein böser Junge? Das wäre sehr unangebracht, Möhre. Akashi ist traumatisiert.“ Midorima starrte Aomine fassungslos an. „Das... das meine ich nicht!“ Der Blauhaarige verdrehte seine Worte. Wie hatte der Idiot nur die Polizeiprüfung bestanden? Das dämliche Grinsen verschwand von Aomines Lippen. „Ist ja gut. Entspann dich. Ich weiß, was ich tue.“ Sein Blick richtete sich auf Akashi. „Akashi, erzähl mir genau, was gestern vorgefallen ist.“ Kurz glomm das Orange in dessen Auge auf, dann verlosch es. Midorima war in den letzten Stunden aufgefallen, dass Akashis Persönlichkeiten willkürlich den Platz wechselten. Vermutlich war das eine Nebenwirkung der Schmerzmittel. „Er wollte meinen Liebsten erschießen.“ Akashi sprach leise und vermochte offensichtlich nicht einzuschätzen, was er besser für sich behielt. „Ich konnte das nicht zulassen.“ Interessiert hob sich Aomines Augenbraue. Er schaute schmunzelnd zu Midorima. Seine Wangen prickelten. Himmel! Akashi merkte doch gar nicht, was er alles erzählte. Der junge Arzt kannte die Wirkung von sämtlichen Schmerzmitteln. Die Patienten erinnerten sich bei hohen Dosen meist nicht einmal daran, was unter deren Einfluss geschehen war. Und sie neigten dazu, die Wahrheit munter auszuplaudern. „Dein Liebster?“ Ein weiches Lächeln umspielte Akashis Lippen. „Shintarô.“ Aomine grinste dreckig. Am liebsten würde Midorima im Boden versinken. Er kannte Aomine gut genug, um zu wissen, dass die perversen Sprüche nicht lange auf sich warten ließen. „Wer ist er?“, hakte Aomine nach. „Mein Vater... er will, dass ich eine Frau eheliche.“ Aomine notierte etwas. „Und du bist dir sicher, dass niemand anderes scharf drauf ist, Midorima umlegen zu lassen?“ Akashi verneinte schwerfällig. Eine weitere Notiz folgte auf dem Block. „Wie lang geht das schon?“ Die Frage war missverständlich geäußert. Midorima wettete darauf, dass Aomine das absichtlich so formulierte. „Zwei Jahre... nein, mehr als zwei Jahre. Zweieinhalb Jahre.“ Midorima rechnete nach. Sein Freund zählte die ersten Monate nach Hanami dazu, bevor sein Vater von ihren erfahren hatte. „Wie hat sich das entwickelt?“ Diese Frage hatte einen genauso unbestimmten Charakter wie die davor. „Aomine.“ In Midorimas Tonfall lag eine klare Warnung. Angesprochener hob abweisend die Hand. „Ich befrage jetzt Akashi.“ Der Rotschopf reagierte verzögert. Die roten Augen fixierten einen weit entfernten Punkt hinter dem Fenster. „Shintarô kann mir das... geben, was sonst kein... anderer kann. ...Wenn ich bei ihm bin, ...fühlt es sich richtig an. Er ist fürsorglich... und kann so unnachgiebig sein...“ Akashis Stimme senkte sich. Diesen Tonfall kannte er. Sein Liebster benutzte ihn bei intimen Situationen. „Seijûrô.“ Eine stumme Bitte lag in Midorimas Unterton. Akashi sah weiterhin aus dem Fenster, als höre er ihn überhaupt nicht. „Unnachgiebig?“ Aomine ließ den Stift sinken. Der Rotschopf deutete ein Nicken an. „Wenn er in mir ist... und sich bewegt, ganz tief... und dieser starke Körper... Shintarôs Stimme klingt beim Stöhnen so heiß. ...Und wenn er mich fesselt, kann ich... alles vergessen... dann ist mein Kopf komplett leer... da ist nur noch Lust.“ Mit jedem weiteren Wort, das seicht über Akashis Lippen perlte, brannten Midorimas Wangen stärker. Sein Liebster gab intimste Geheimnisse aus ihrem Schlafzimmer preis. An Aomine! In diesem Moment wünschte der junge Arzt sich ein schwarzes Loch, das ihn auf der Stelle verschlang. „Bondage oder richtig BDSM?“ Wissbegierig lag Aomines Blick auf dem jungen Arzt. „Nur Bondage!“ Bevor ihm bewusst wurde, dass er gar nicht darauf antworten musste, waren die Worte ausgesprochen. Aomine presste sich eine Hand auf den Mund. Sein Körper bebte. Abgehackt schnaufte er. Der Dummkopf lachte! Midorima fand das alles andere als amüsant. Seine Finger gruben sich in die Hose. „Aomine, das hat nichts mit deiner Arbeit zu tun“, knurrte Midorima. Der Blauhaarige atmete tief ein und senkte die Hand. „Ja ja.“ Das Grinsen setzte sich hartnäckig in Aomines Mundwinkeln fest. In Akashis linkem Auge glomm es Orange. Der kleine Bruder übernahm wieder. „Schon mal Doktorspiele ausprobiert?“, fragte Aomine und prustete. Zwar legte sich ihr ehemaliges Teammitglied erneut die Hand über den Mund, um das laute Lachen zu unterdrücken, doch verhindern konnte er es nicht. Der Blick seines Liebsten richtete sich auf den jungen Polizisten. „Daiki, ich habe immer noch eine Schere.“ Innerlich überkam Midorima Erleichterung. Der gebieterische Tonfall löste den erotischen Beiklang ab. Langsam, aber zielstrebig tastete Akashis Hand über die Decke. Ruckartig nahm Aomine Haltung an. Das Lachen wich einer besorgten Miene. „Hat er?“ Fragend sah er Midorima an. Genüsslich beobachtete der junge Arzt die wachsende Unruhe in Aomines Augen. Das geschah ihm Recht. „Nicht hier“, antwortete er bemüht besonnen. Seine Hand legte sich über Akashis, beendete die Suche nach der nicht vorhandenen Schere. Tief atmete der Blauhaarige durch. „Bedrohung eines Polizeibeamten.“ Aomine nahm den Stift wieder zur Hand. Die Spitze des Stiftes näherte sich seinem Notizblock. Empört sprang Midorima vom Stuhl und riss Aomine den Block weg. „Er steht unter Medikamenteneinfluss.“ Ein langer Blick traf ihn. „Das hätte er auch nüchtern getan.“ Der junge Polizist griff nach seinem Notizblock und zog daran. Widerwillig gab Midorima nach. „...ja“, stimmte er notgedrungen zu. Der Grünhaarige straffte sich. „Komm mit raus.“ Er trat aus dem Krankenzimmer. Schritte erklangen hinter ihm. Zur Abwechslung leistete Aomine seiner Forderung Folge. Kaum hatte der Blauhaarige die Tür zum Krankenzimmer verschlossen, klopfte er ihm hart auf den Rücken. „Dass du den Captain bumst... hätt ich nie gedacht.“ Aomine lachte. Frustriert schnaubte Midorima. Er konnte den Kerl nicht leiden. Die meiste Zeit hatte er in der Schule irgendwo herum gelegen. Verantwortungsgefühl war dem doch fremd. „Dir hab ich nicht zugetraut, dass du im Bett experimentierst.“ Aomine lehnte sich gegen die Flurwand und verschränkte die Arme. „Was macht ihr noch alles? Rimjob ist ja so Standard...“ Midorima blinzelte. „Was ist ein Rimjob?“ Aomines Kiefer klappte runter. Ein paar Herzschläge glotzte er den jungen Arzt an, ehe er zu einer Reaktion fähig war. „Wie kommst du zum Bondage, wenn du nicht mal weißt, was ein Rimjob ist?“ Unbehaglich rieb Midorima sich den Nacken. „Das war Akashi“, gab er leise zu. Sein ehemaliger Teamkollege schüttelte fassungslos den Kopf. „Oh, mein armer, kleiner, naiver Midorima.“ Aomine seufzte theatralisch. „Es reicht“, fuhr der junge Arzt Aomine an. Er wollte sich nicht länger über sein Sexleben mit Akashi unterhalten. Aomine gab ihm mit seinem Verhalten das Gefühl, er wäre eine unerfahrene Jungfrau. Und deswegen war der Polizist nicht hier. „Dachtest du echt, es bringt was, Akashi in diesem Zustand zu befragen?“ Ein schräges Grinsen spannte sich über Aomines Lippen. „Mir hat es was gebracht.“ Wie gern würde Midorima seine Faust in dieses Gesicht rammen. Aomine stieß sich von der Wand ab. „Aber für den Fall bringt es nichts.“ Endlich wurde der Blauhaarige ernst. Er deutete auf den Wartebereich am Ende des Flures. „Setzen wir uns und du erzählst mir deine Version. Akashi befrage ich dann nochmal, wenn er von seinem Schmerzmitteltrip runter ist.“ Gemeinsam mit seinem Liebsten und Aomine betrat Akashi den Bankett-Saal. Der Rotschopf hielt inne. Forschend schweifte sein Blick umher. Viele Gäste kannte er. Dazwischen erschienen ein paar neue Gesichter. Lockere Gruppen standen beisammen oder hatten es sich an den runden Tischen gemütlich gemacht. Ausnahmslos jeder in diesem Saal zeigte mit teurer Kleidung und ausgefallenem Schmuck seinen Status. Klassische Musik spielte. Sein Vater lenkte mit diesem Bankett von der Krise ab, in der seine Firma steckte. Masaomi gab sich größte Mühe, möglichst wenige Missstände an die Öffentlichkeit dringen zu lassen. Aber Akashi kannte den Umfang der Probleme dank seiner Spitzel in der Nähe Masaomis. Ohne interne Unterstützung wären er und seine Begleiter nicht heimlich auf die Gästeliste gelangt. Nach Akashis Ausscheiden aus dem Konzern war sein Vater noch strenger geworden. Die Angestellten fürchteten ihn. Furcht war keine Basis, um treue Mitarbeiter an sich zu binden. Mit Akashis Erscheinen auf dem Bankett erhofften sie sich eine Wende. Eine Veränderung trat definitiv ein. Für seinen Plan benötigte er sowohl Midorima als auch Aomine und einen bestechlichen Kellner. „Seijûrô, ich halte das nach wie vor für keine gute Idee“, flüsterte sein Liebster. „Mach dir keine Sorgen. Ich weiß, was ich tue.“ Entschlossen schritt er voran. Midorima war nicht in den Plan eingeweiht. Er hätte versucht, ihn aufzuhalten. Obwohl Akashi Aomines rebellische Art nicht leiden konnte, war sein ehemaliger Teamkamerad perfekt für diesen Plan. Der junge Polizist hatte ihm mit einigen Tipps und Informationen geholfen, den Plan auszuarbeiten. Unter Einfluss einer Droge würde ein Geständnis seines Vaters vor Gericht nicht anerkannt werden. Doch ein Bekenntnis auf diesem Bankett vor allen Anwesenden, das Anheuern eines Profikillers, reichte, um eine Ermittlung einzuleiten. Und sein Ruf war endgültig ruiniert. Masaomi hatte sich mit dem Falschen angelegt. Niemand stellte sich ihm in den Weg. Auf das Niveau seines Vaters wollte Akashi sich nicht herab begeben. Er würde dafür sorgen, dass Masaomi alles verlor und hinter Gitter landete, wo er für diese Tat hingehörte. Aomine schnaubte. „Was für eine Spießerparty. Hier haben alle viel zu viel an. Und diese Musik, zum Sterben langweilig.“ „Wir sind nicht hier, um uns zu amüsieren“, erinnerte Akashi den Blauhaarigen. Der Sekretär seines Vaters kam mit einem Lächeln auf ihn zu. „Junger Herr, es ist eine Freude, Sie wohlauf zu sehen. Wie geht es Ihrer Schulter?“ Der Rotschopf kannte den Mann, seit er denken konnte. Er arbeitete äußerst gewissenhaft und schien immer gut gelaunt. Er war Akashis Schlüssel zur Gästeliste des Banketts gewesen. „Es ist alles gut verheilt, Danke der Nachfrage“, antwortete Akashi routiniert. Wenn er seine Schulter zu sehr belastete, schmerzte die Narbe noch und die Beweglichkeit beim Basketball hatte unter der Schussverletzung gelitten. „Ich danke Ihnen auch für Ihre Unterstützung.“ Der Sekretär wusste, was gemeint war. Der ältere Mann deutete eine Verbeugung an. „Ich hoffe sehr, Sie bald wieder bei uns zu sehen.“ Er glaubte, Akashi wolle sich mit Masaomi versöhnen und in den Konzern zurückkehren. Das war nicht möglich. Der Rotschopf konnte für die Mitarbeiter, die nach seinem Ausscheiden treu zu ihm gehalten hatten, neue Arbeitsplätze bei seinem aktuellen Arbeitgeber beschaffen. Der Rotschopf lächelte. „Du! Wie kannst du es wagen, dein Gesicht hier zu zeigen?“ Masaomis kräftige Stimme schallte durch den Saal. Mit einem Ruck wandte Akashi sich um. Wutschnaubend stapfte sein Vater zwischen den Tischen hindurch auf Midorima zu. Gäste schauten ihm verwirrt nach. Sein Liebster hob abwehrend die Hände. „Das war nicht meine Idee.“ Zufrieden betrachtete Akashi das hochrote Gesicht seines Vaters. Nie zuvor hatte er signifikante Emotionen darin gesehen. Bisher lief der Plan perfekt. Der Kellner hatte eine Stunde vor ihrer Ankunft die Droge in Masaomis Getränk geschüttet. Diese entfaltete ihre Wirkung. Die Hände von Akashis Vater schnellten vor. Zielsicher legten sie sich um Midorimas Hals und drückten zu. Sein Liebster japste. Er taumelte nach hinten und fiel. Masaomi, aufgeputscht von der Droge, folgte der Bewegung. Den Griff um Midorimas Hals behielt er eisern bei. Der junge Arzt stemmte sich gegen den Angriff, brachte aber aus dieser ungünstigen Position nicht genug Kraft auf. Alle Blicke richteten sich auf sie. Abrupt verstummten die Gespräche. Unbeeindruckt spielte die sanfte Klaviermelodie im Hintergrund weiter. „Du bist Schuld, dass mein Sohn nicht die Frau geheiratet hat, die ich für ihn ausgesucht habe. Du hast ihn verdorben. Du hast ihn mir weggenommen. Du hast ihn als Schutzschild missbraucht. Du hättest sterben sollen!“ Wie Messer flogen die Anschuldigen Midorima entgegen. Akashi ballte seine Hände zu Fäusten. Er blickte zu Aomine und deutete ein Nicken an. Und schon kam Bewegung in den Blauhaarigen. Mit einem Grinsen auf den Lippen stieß er Masaomi von seinem Liebsten runter. Geschickt drehte Aomine einen Arm auf den Rücken und presste Akashis Vater auf den Boden. „Tätlicher Angriff auf einen Menschen“, sprach Aomine genüsslich. „Ich verhafte Sie.“ Der junge Polizist zog unter seinem dunkelblauen Jackett die Handschellen hervor. „Er hat es verdient! Er sollte tot sein!“, schrie Masaomi außer sich. Unnachgiebig hielt Aomine den Mann fest und legte ihm Handschellen an. Langsam beugte Aomine sich herunter. „Wir leiten Ermittlungen gegen Sie ein wegen versuchten Mordes an Midorima Shintarô.“ Die leisen Worte versanken in dem aufgebrachten Stimmengewirr fast. „Bitte, beruhigen Sie sich“, rief Akashi laut. „Mein Begleiter ist Polizist. Es ist alles unter Kontrolle.“ Der Sekretär seines Vaters schob sich zu ihm durch. In den Augen des Mannes stand blanker Schrecken. Aomine setzte sich lässig auf den am Boden liegenden Masaomi und zog sein Funkgerät aus der Tasche. Während ihr ehemaliger Teamkollege Verstärkung rief, kniete Akashi sich zu seinem Liebsten. Midorima setzte sich keuchend auf und rieb sich vorsichtig über den Hals. „Wie geht es dir?“, fragte Akashi leise. Er hätte gern vermieden, seinen Freund als Köder einzusetzen. Aber ohne ihn hätten sie niemals eine starke Reaktion von seinem Vater erhalten, mit der er sich selbst verriet. Der Grünhaarige war weiß wie eine Kalkwand. Akashi griff nach dessen Hand und zog ihn auf die Beine. Er führte ihn zu den Toiletten. Die Tür schloss sich hinter ihnen. Stille umfing sie. Der Rotschopf wandte sich zu Midorima. Sein Freund lehnte sich gegen Waschbeckenzeile. Sein Atem beruhigte sich nur langsam. Am Hals zeichneten sich rote Würgemale ab. „Das war geplant. Du hast mich als Köder eingesetzt.“ Die Stimme seines Freundes war kratzig, als habe er sich bei einem langen Karaokeabend die Seele aus dem Leib gesungen. Akashi trat dicht vor ihn und strich liebevoll über seine Wange. „Es tut mir leid, Shintarô. Ich hatte keine andere Wahl.“ Midorima griff nach seiner Hand und schob sie hinab. „Du hättest mich einweihen können.“ Leise seufzte der Rotschopf. „Hättest du zugestimmt?“ Midorima wäre niemals mit dem Plan einverstanden gewesen. „Nein.“ Ernst sahen die grünen Augen auf ihn hinab. „Du hast deinem Vater irgendwas untermischen lassen. Er war nicht er selbst. Und Aomine wusste, was passieren wird. Deswegen war er überhaupt dabei.“ Nach einer kurzen Atempause fragte er: „Warum?“ „Mein Vater sollte vor allen Gästen gestehen, dass er dich umbringen lassen wollte. Jetzt können endlich Ermittlungen gegen ihn eingeleitet werden.“ Akashi löste seine Hand aus Midorimas. Ganz nah trat er an den Größeren heran. Ihre Körper berührten sich. Akashi legte die Arme locker auf Midorimas Schultern. „Er muss dafür bestraft werden. Sonst wird er weiter versuchen, dich umzubringen. Das lasse ich nicht zu.“ Die Worte waren nur ein Flüstern, aber in seiner Stimme lag gnadenlose Entschlossenheit. Midorima schwieg und sah ihn an. Die Empörung in dessen Blick wich tropfend Nachdenklichkeit. Der junge Arzt seufzte. Langsam umschlangen seine Arme Akashis Taille. „Du hättest mich trotzdem einweihen sollen.“ Der Rotschopf stellte sich auf die Zehenspitzen und vereinte ihre Lippen zu einem sanften Kuss. „Entschuldige“, hauchte er. Akashi sog tief die kalte Luft ein. Hier auf dem Land drängten sich nicht die vielfältigen, bisweilen unangenehmen Gerüche der Stadt auf. Leichter Wind trug den Duft von Tannen und frischem Schnee mit sich. Gemütlich spazierte er neben seinem Liebsten den verschneiten Weg entlang. In der Nähe beugten sich Tannen unter der weißen Last. Sanfte Schatten ruhten an den langen Stämmen. Die Felder waren mit einer dicken Schneeschicht bedeckt. Der unberührte Schnee schimmerte hell im Licht des vollen Mondes. Der silbrige Schein brachte den Schnee zum Funkeln, als wären tausende kleine Diamanten vom Himmel gefallen. Akashi konnte in einiger Entfernung ihre gemietete Holzhütte mit dem spitzen Dach. Wie eine kleine Insel in einem weißen See erhob sie sich. Eiszapfen klammerten sich an das überhängende Dach. Bis auf ein paar Spuren im Schnee von Hasen und Rehen wies nichts auf andere lebende Wesen hin. Akashi genoss die Abgeschiedenheit. Er konnte die Hand seines Freundes halten, ohne befürchten zu müssen, gesehen zu werden. Sie erreichten ihre Hütte. Akashi zog den Schlüssel aus der Manteltasche und sperrte die Tür auf. Wohlige Wärme empfing sie. Die Winterschuhe fanden ihren Platz unter der Garderobe. Akashi hängte seinen Mantel zu Midorimas Jacke. Mützen und Schals gesellten sich dazu. Akashis Wangen kribbelten von dem starken Temperaturunterschied. Sie traten in den Wohnbereich. Die Hütte war in einem rustikalen Stil erbaut. Dicke Holzbohlen verkleideten die Wände, nur von kleinen Fenstern durchbrochen. Ein paar verirrte Schneeflocken hockten außen am Rahmen. In der schmalen Küchenecke stand ein Tisch für zwei Personen an die Wand. Daneben führte eine steile Treppe hinauf zum Schlafzimmer. Vor dem steinernen Kamin lag ein dickes Schaffell. Schräg gegenüber lud eine gemütliche Couch zum Ausruhen ein. In der Feuerstelle glühten die Überreste vom letzten Feuer. Midorima kniete sich vor den Kamin und legte Holzscheite nach, entzündete die Flammen wieder. Leises Knistern drang an Akashis Ohren. Der Rotschopf setzte derweil in der Küche Teewasser auf. Wenig später kam er mit zwei dampfenden Tassen zu seinem Liebsten. Er reichte ihm ein Gefäß und ließ sich neben ihm auf dem flauschigen Fell nieder. Akashi seufzte gelassen. Er hob die Tasse an die Lippen und pustete behutsam. Dann nahm er einen Schluck von dem Tee. Winterlicher Zimtgeschmack breitete sich auf seiner Zunge aus. Das heiße Getränk entspannte nach dem Spaziergang in der prickelnden Kälte ungemein. Sein Blick verharrte auf den züngelnden Flammen im Kamin. Sie vollführten einem regen Tanz, der erst endete, wenn die Holzscheite ihre gesamte Kraft an das Feuer abgegeben hatte. Akashi mochte diese lebendige Wärme. Sie drang bis in die Knochen und vertrieb jegliche Kälte. Dabei hinterließ sie völlige Entspannung, wie ein heißes Bad. „Das ist der schönste Jahreswechsel, seit ich denken kann.“ Akashi stellte die Teetasse auf den kleinen Beistelltisch und streckte sich auf dem Fell aus. Den Kopf legte er in den Schoß seines Liebsten. Midorimas Hand glitt in sein Haar und streichelte hindurch. Akashis Lider senkten sich. „Finde ich auch“, sagte Midorima. Die tiefe Stimme war weich und offenbarte ihm, dass sein Liebster sich ähnlich gelöst fühlte. „Wie weit ist es bis zum Tempel?“ Der Rotschopf hatte Midorima die gesamte Planung des Urlaubs überlassen, obwohl es ihn bisweilen in den Fingern gekribbelt hatte, seinen Freund nach Details zu fragen. „Fünf Kilometer.“ Akashi sah auf in das Gesicht des jungen Arztes. „Das wird ein langer Spaziergang.“ Midorima nickte. „Der Tempel ist auf dem Berg. Die Aussicht soll bei schönem Wetter herrlich sein.“ Traditionsgemäß war Akashi an den ersten Tempelbesuch im Jahr gewöhnt, um für Glück im neuen Jahr zu beten. Aber er glaubte nicht wie sein Freund an diese Rituale. Midorima zuliebe wollte er morgen vor Morgengrauen aufstehen, damit sie gemeinsam den ersten Sonnenaufgang im neuen Jahr vom Tempel aus erleben konnten. Sein Liebster war felsenfest davon überzeugt, dass es ihnen Glück brachte. Nach den vergangenen Geschehnissen brauchten sie das dringend. Akashi hingegen schätzte das strategische und praktische Handeln. Denn ihre Zukunft lag allein in ihren Händen. Wie sie diese formten, entschieden sie selbst. Der Rotschopf setzte sich auf. Seine Hand schob sich in die Hosentasche und umfasste die kleine Schachtel. „Midorima Shintarô.“ Ein hartnäckiges Kribbeln setzte sich im Nacken fest. Die Augen seines Liebsten richteten sich verwirrt auf ihn. Langsam zog Akashi die Schachtel aus der Tasche. Bedächtig öffnete er sie und gewährte Midorima einen Blick auf den kostbaren Inhalt. Im Inneren steckte ein schlichter, weißgoldener Ring. „Möchtest du mich heiraten?“ Akashis Herz schlug schneller vor Aufregung. Fest sah er in die grünen Augen, die sich überrascht weiteten. Auf Midorimas Wangen breitete sich ein roter Schimmer aus. Vor Monaten hatte Akashi entschieden, seinen Freund zu heiraten. Zuerst sollte jedoch sein Vater in die Schranken verwiesen werden. Und das geschah aktuell. Sein Ruf war zerstört. Der Skandal hatte in allen großen Nachrichtenblättern auf der Titelseite geprangt. Die Polizei war Beweisen auf der Spur, die eindeutig belegten, dass Masaomi den gefassten Auftragsmörder angeheuert hatte, um seinen Liebsten zu töten. Die Gefängnisstrafe war ihm sicher. Akashi musste nicht länger um Midorimas Leben fürchten. Wahrscheinlich sollte er seinem Vater sogar dankbar sein. Dessen Versuche, sie zu trennen, hatten sie nur stärker zusammen gebracht. Akashi konnte sich ein Leben ohne Midorima nicht vorstellen. Da war eine Hochzeit der nächste logische Schritt. Warum war er dann jetzt so aufgeregt? Es bestand kein Grund zur Angst. Midorima sagte gewiss nicht nein. Oder? Akashi hasste Unsicherheiten. „Aber... wir können doch gar nicht heiraten“, brachte Midorima konfus über die Lippen. Unwillkürlich lächelte Akashi. Das war die einzige Sorge seines Liebsten? Innerlich erfasste ihn Erleichterung. „Nicht in Japan. Aber in anderen Ländern.“ Fragend sah Midorima ihn an. „Was genau meinst du?“ „Wir können das Land verlassen und woanders neu anfangen, weit weg von meinem Vater.“ Akashi hatte gründlich über ihre Situation nachgedacht und hielt es für das Beste, fernab von Japan einen Neuanfang zu wagen. Einige andere Länder gewährten homosexuellen Paaren dieselben Rechte wie heterosexuellen. Sie mussten sich dort nicht verstecken und konnten sich endgültig von dem Einfluss seines Vaters befreien. Midorima öffnete den Mund, schloss ihn nach ein paar Herzschlägen wieder, ohne ein Wort gesagt zu haben. Sein Liebster brauchte Zeit, um sich der Tragweite der Entscheidung bewusst zu werden. „Ja, ich will“, hauchte Midorima. Seine Hand legte sich in Akashis Nacken und er zog ihn zu einem liebevollen Kuss heran. Der Rotschopf war überrascht. So wie er Midorima kannte, überdachte dieser alle großen Entscheidungen genau, bevor er sich entschied. Akashi war davon ausgegangen, dass Midorima sich Bedenkzeit erbat. Umso stärker flutete die Freude jetzt durch seinen Körper. Langsam löste Midorima den Kuss und sah ihn mit einem weichen Lächeln an. Akashi nahm den Ring aus der kleinen Schachtel. Zärtlich umfasste er die rechte Hand seines Liebsten und schob den Verlobungsring auf den Ringfinger. Sanft verschränkte Midorima ihre Hände ineinander. „Wo möchtest du denn hin?“, hauchte er gegen Akashis Lippen. „Lass uns das zusammen entscheiden.“ Beschwingt zog Akashi seinen Liebsten zu sich heran. Er ließ sich auf das Fell sinken. Midorima stützte sich über ihm ab, um ihn nicht unter sich zu begraben. Die Arme legte Akashi in den Nacken seines Verlobten und vereinte ihre Lippen zu einem leidenschaftlichen Kuss. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)