Alice im Wunderland - Die bescheuertste Interpretation ever von Drachenprinz ================================================================================ Kapitel 1: Kapitel 1 - Who the fuck is Alice? --------------------------------------------- Das Erste, was er erkannte, als er die Augen aufschlug, war, dass er sich in einem Raum befand. In einem recht großen, beinahe leeren Raum. Das Zweite, was ihm bewusst wurde, war, dass ebendieser Raum nicht zum Tourbus gehörte. „Das gibt es nicht... Sag mir nicht, diese Klappe hat mich wirklich in eine andere Welt geführt?“, sagte er leise zu sich selbst und stand vom Boden auf, auf dem er seltsamerweise ziemlich weich gelandet war, obwohl dort keine Polster oder Ähnliches lagen. Allerdings war er, wenn er so darüber nachdachte, auch nicht wirklich gefallen - eher geschwebt. „Obwohl es hier eigentlich nicht sonderlich wundersam aussieht...“ Alice sah sich kurz um, bevor er entschied, nach einem Hinweis zu suchen, wo er hier gelandet war. Irgendetwas, das vielleicht verriet, was für ein Ort das hier war und wie er gegebenenfalls wieder dort hinausfinden könnte. Es dauerte nicht lang, bis er auf etwas stieß, das ihn bereits vor das nächste Rätsel stellte; und dafür hatte er nur um die Ecke gehen müssen: Eine gigantische Spiegelwand. Sie war wie eine Abgrenzung zum nächsten Raum. Zumindest nahm er das an, denn in ihrer Mitte befand sich eine Tür, ebenfalls aus Glas. Das wirklich Seltsame an der Sache war allerdings sein eigenes Spiegelbild, das ihn dazu veranlasste, an sich herunterzuschauen, um zu überprüfen, ob es die Wahrheit zeigte. „Interessant... Ich glaube, ich habe ein Dejavú.“ Eigenartigerweise sah er wieder ganz genauso aus wie vor elf Jahren, in dem Musikvideo zu 'Poison'. Was auch immer, dachte er. Viel wichtiger war es, mehr darüber herauszufinden, was genau eigentlich geschehen war und was er hier überhaupt verloren hatte. Dazu war es mit Sicherheit hilfreich, Mick Jagger - nein, das weiße Kaninchen - wiederzufinden. Weit konnte es nicht sein. Entschlossen ging er ein paar Schritte auf die beeindruckende Spiegelwand zu, bis er direkt davor stand, und drückte die Klinke der Tür herunter. Schnell musste er feststellen, dass sie verschlossen war. Gut, auch kein Problem. Das bedeutete höchstwahrscheinlich, dass irgendwo in diesem Raum ein Schlüssel oder etwas Ähnliches versteckt war, das die Tür öffnete. Es konnte sich nur um ein weiteres Rätsel handeln, das bestimmt nicht allzu schwer zu lösen war. Da es in dem Raum keine Möbel gab, blieben nicht viele Möglichkeiten für ein Versteck. Und tatsächlich fiel ihm wenige Sekunden später etwas in der Wand auf, das er bisher übersehen hatte. Dort waren zwei Schalter eingebaut, unter denen jeweils in kleinen Buchstaben etwas geschrieben stand. „Betätige mich!“, stand unter dem einen Schalter, und „Betätige mich nicht!“ stand unter dem anderen. „Das muss ein Scherz sein“, murmelte er und überlegte einen Moment. „Den Schalter zu drücken, unter dem steht, dass ich ihn betätigen soll, wäre viel zu simpel. Wahrscheinlich ist es der andere.“ Kurzerhand legte er den Schalter um, unter dem die Worte „Betätige mich nicht!“ zu lesen waren, schließlich hatte er nichts zu verlieren. Offensichtlich hatte er sich geirrt. Sofort fingen der Boden und die Wände an, fürchterlich zu beben. Ein Blick nach oben verriet, was der Grund dafür war: Die Decke. Sie kam näher. Und, wie es nicht anders zu erwarten war, hatte sie selbstverständlich auch noch Stacheln ausgefahren. Das volle Programm also. Als er merkte, dass der Versuch, den Schalter wieder in die andere Richtung zu bewegen oder den daneben befindlichen Schalter zu betätigen, keine Wirkung zeigte, da sie sich auf einmal nicht mehr verschieben ließen, leuchtete ihm ein, dass er in ziemlichen Schwierigkeiten steckte. Im ersten Augenblick zu sehr damit beschäftigt, den Menschen (oder Hasen oder was auch immer) zu verfluchen, der sich diesen sinnlosen Mechanismus ausgedacht hatte, beeilte er sich im nächsten Augenblick, so schnell wie möglich etwas zu finden, das die verdammte Falle rückgängig machen konnte. Gerade noch rechtzeitig bemerkte er in der gegenüberliegenden Wand einen dritten Schalter - so klein und unauffällig, dass er kaum zu sehen war - , und darunter die Inschrift: „Im Notfall bitte betätigen!“, was er ohne zu zögern befolgte. Tatsächlich hatte die Decke angehalten und fuhr langsam wieder in ihre ursprüngliche Position zurück. „Das... war knapp“, seufzte er. Beinahe wäre er geendet wie ein ahnungsloser Teenie in einem Splatter-Streifen. Nein, das wäre ja noch schöner gewesen. So leicht ließ sich Alice nicht aus dem Weg räumen. Da brauchte es schon etwas mehr als eine solch klischee-behaftete Action-Szene. Nachdem er nun den Schalter mit der Aufforderung „Betätige mich!“ ebenfalls heruntergedrückt hatte - mittlerweile schien es wieder zu funktionieren - , ließ sich sogar die zuvor verriegelte Tür öffnen. Nicht sicher, ob er darüber erleichtert oder verärgert sein sollte, weil er das auch ebenso gut von Anfang an hätte tun können, stieß er die Tür auf und trat erwartungsvoll nach draußen, wo sich ihm ein gleichermaßen skurriler wie prachtvoller Anblick bot. Unendlich weite Wiesen voller buntgemusterter Gewächse und eigenwilliger Tiere, die dort umhertollten. Weit entfernt am Horizont schien eine rötlich-orange-farbene Sonne, die eigentlich viel zu hoch stand, um bereits diese Färbung angenommen haben zu können. Der Himmel sah auch ein wenig befremdlich aus. Von den teilweise sehr fantasievoll geformten Wolken einmal abgesehen beschränkte er sich nicht auf eine einzige Farbe, so wie der Himmel es normalerweise tun sollte. Viel eher schien er alle Farben, die man sich nur vorstellen konnte, in sich zu vereinen, und erinnerte stark an den leuchtenden Strudel, der ihn in das Portal gezogen hatte. Wenn der Himmel auch glücklicherweise etwas blasser war. Ein solch grelles Neon-Gewirr wäre auf Dauer nur schwer zu ertragen gewesen. Wo man auch hinsah - alles wirkte entspannt und friedlich. Er wusste nicht, was, aber irgendetwas störte ihn daran. Vielleicht war die gesamte Landschaft auf eine seltsame Art ein wenig zu friedlich. In der Ferne nahm er Stimmen wahr, die ein Lied sangen. Und bei genauerem Hinhören erkannte er sogar, was sie sangen: „If you're goooiiing to wonderlaaaand... Be sure to weeeaaar some flowers in your haaaiiir!“ Dann stimmte es also. Er war wirklich im Wunderland. Wie auch immer er es hierher geschafft hatte, aber er war hier. Das bedeutete, der Hase hatte die Wahrheit gesagt und es gab Dinge, die er bisher nicht für möglich gehalten hatte. Toll. Alice drehte sich um, um nach der Quelle der Stimmen zu suchen, die er gehört hatte. Vielleicht gab es hier jemanden, der ihm sagen konnte, wo sich das weiße Kaninchen gerade aufhielt. Stattdessen wurde ihm etwas anderes bewusst. Etwas ziemlich Erschreckendes. Die Tür, durch die er gekommen war... Sie war weg. Nichts. Leere. Keine Tür mehr. Sollte das heißen, er war hier gefangen? „If you're goooiiing to wonderlaaaand... You're gonna meeeeeet some gentle freakos theeereee“, sangen die Stimmen noch immer. Leise, aber es war nicht zu überhören. Immer wieder trällerten sie dieselben beiden Zeilen, und jedes Mal klang es noch beschwingter und euphorischer als zuvor. Sie wurden es anscheinend nicht müde. Bloß wo der Gesang herkam wusste er nicht. Er konnte nirgendwo eine Person geschweigedenn mehrere erkennen. Und es war definitiv eine größere Gruppe, die er da hörte. „Hallo? Ist hier jemand?“, rief er und rechnete nicht wirklich damit, sofort eine Antwort zu bekommen. „Hast du was mit den Augen, mein Freund? Wir sind direkt vor dir!“, wisperte eine heisere Stimme, deren Richtung er noch immer nicht ausmachen konnte. „Was...? Vor mir?“ „Hier unten, schau doch hin!“ Tatsächlich kamen die Stimmen überhaupt nicht aus der Ferne, wie er erst angenommen hatte - sondern von unten, auf dem Boden, unmittelbar vor ihm. Die Blumen. „Ich fasse es nicht“, murmelte er, während er sich auf die Wiese kniete, um seine Gesprächspartner besser sehen zu können. „Singende Blumen... Und ich dachte, die Siebziger wären vorbei...“ „Was ist verkehrt mit singenden Blumen?“, fragte eine von ihnen. „Nichts ist verkehrt mit uns. Er ist sicher nur von einer langen Reise erschöpft und etwas durcheinander“, antwortete eine andere. „Hey, Kumpel! Wie wäre es mit einer von uns als wundervolle Verzierung deiner Haarpracht? Wir sind auch kostenlos!“ „Wundervolle Verzierung meiner... was?!“ Einen Moment lang sprachlos betrachtete er die zahlreichen Blumen, die seinen Blick erwartungsvoll erwiderten. Jede von ihnen hatte ein winziges Gesicht. Manche hatten sogar einen Bart. „Kann mir mal jemand erklären, was hier los ist? Wieso könnt ihr sprechen? Warum ist die Tür, die mich hierhergeführt hat, plötzlich verschwunden? Und was zum Henker soll ich eigentlich hier?“ Die Blumen wechselten ein paar ratlose Blicke miteinander. „Willst du damit sagen, du bist gar nicht von hier?“, fragte ein bärtiges Exemplar mit rauer Stimme. „Das ist unmöglich... Wie bist du dann hierhergekommen?“ „Das wüsste ich selbst gern“, antwortete er und dachte daran zurück, was im Tourbus passiert war. Es kam ihm vor, als wäre es bereits ewig her, dass er mit den anderen dort gesessen und sich unterhalten hatte. „Mick Jagger, ich meine... Das weiße Kaninchen kam zu mir und erzählte was von wegen ich sei der Auserwählte. Ich bin ihm durch ein komisches, buntes Portal gefolgt, habe ein paar absolut dämliche Schalter betätigt... und schon war ich hier.“ Ein Schweigen ging durch die Runde. „Der Auserwählte?“, krächzte eine der Blumen irgendwann. „Wie ist dein Name, mein Freund?“ „Alice“, antwortete er wahrheitsgemäß. „Alice? Nie gehört.“ „Stranger Name für 'nen Typen.“ „Der Alice“, sagte er betont langsam. „Der Alice? Ich komm nicht mehr mit...“ „Ich auch nicht, Bruder...“ Eine letzte Hoffnung hatte er noch. „'School's out for summer, School's out forever'... Sagt euch das nichts?“ Skeptisch schauten die Blumen ihn an, bevor sie sich tuschelnd einander zuwandten. „Ich glaube, der Typ hat ein Rad ab“, hörte er eine von ihnen flüstern. „Das gibt es ja nicht. Ihr singt eine abgewandelte Version von 'San Francisco', aber 'School's out' kennt ihr nicht. Banausen.“ „Safran Zisko? Wer soll das sein?“ „Nie gehört, Bruder.“ „Ich geb's auf...“ Resigniert stand er auf und wandte sich zum Gehen. Mit diesen planlosen Pflanzen zu reden war die reinste Zeitverschwendung. „Wo willst du hin?“, fragte eine Blume ohne Bart. Er versuchte, sich vorzustellen, wie sie mit einem Miniatur-Rasierer zugange war und sich versehentlich die Blütenblätter zermetzelte. „Ich muss das weiße Kaninchen finden“, erklärte er. „Es gibt da ein paar Dinge, die ich es gern fragen würde.“ „Dann ist das aber die falsche Richtung, in die du da gehst, mein Freund. Das weiße Kaninchen wohnt da hinten. Du musst nur immer geradeaus laufen, es ist nicht zu verfehlen.“ „So? Danke für die Information.“ Mit neu aufkommender Motivation schlug er die Richtung ein, in der das Kaninchen angeblich wohnte - hoffentlich in einem Haus, und nicht in einem Bau. Er hatte keine Lust auf weitere Komplikationen solcher Art. Kaum, dass er aufgebrochen war, hörte er auch schon wieder den fröhlichen Gesang hinter sich. Dieselben beiden Zeilen, wieder und wieder, bis er glücklicherweise weit genug weg war, dass das Gedudel ihn nicht mehr erreichte. „Hippie-Blumen, ich fass es nicht“, murmelte er. Da bekam der Begriff 'Flower Power' gleich eine andere Bedeutung. Ein paar Minuten lang musste er gelaufen sein - es war schwer einzuschätzen, weil an jeder Ecke irgendein psychedelisches Gewächs oder ein eigenartiges Tier seine Aufmerksamkeit auf sich zog - , da sichtete er eine kleine Hütte mit spitzem Dach und einem unverhältnismäßig großen Schornstein. Und etwas abseits der Haustüre, in dem ebenfalls sehr überschaubaren Gärtchen, entdeckte er zwei Menschen. Wobei das Wort 'Mensch' sich in dem Fall nur auf einen der beiden beschränkte. Die andere Person schien das weiße Kaninchen zu sein. Seltsam, dachte er. Sah es nicht vorher anders aus? Von Nahem waren die beiden, die dort anscheinend einen Plausch führten, deutlich besser zu erkennen. Der Eine war ohne Zweifel wirklich derselbe Hase, der ihm vor Kurzem schon erschienen war und ihn hierhergebracht hatte. Mit dem Unterschied, dass es nun kein Kostüm mehr war, das er trug. Vielmehr schienen die langen Ohren und das Puschelschwänzchen ihm zu wachsen. Der Andere war ein blonder Schönling in einer weißen Ritterrüstung. Und bei näherem Betrachten war es... „Jon Bon Jovi...!“ Sofort unterbrachen die beiden ihr Gespräch und drehten sich mit einem irritierten Ausdruck in ihren Augen zu ihm um. „Wer ist da?“, fragte der Ritter, der ganz eindeutig Jon Bon Jovi war. Er sah aus wie zu seinen besten Zeiten. „Wir sind gerade mitten in einer wichtigen Unterhaltung!“, fügte Mick Jagger hinzu, der bei genauerem Hinsehen irgendwie auch deutlich jünger wirkte als zuvor, bei ihrer letzten Begegnung. Alice zögerte nicht lange, auch die letzten Meter zu ihnen zu laufen und den Ritter in seiner glänzenden Rüstung eingehend zu betrachten mit den Worten „Steht dir nicht, du solltest dir ein paar neue Fetzen zulegen“, bevor er sich dem weißen Kaninchen zuwandte, das ihn seltsam nachdenklich anstarrte, als würde es überlegen, wo es ihn das letzte Mal gesehen hatte. „Ähm... hi“, sagte er unsicher. „Ich habe dich gesucht. Du sagtest, ich solle dir folgen und das Wunderland vor irgendwelchen üblen Schurken retten, weil ich der Auserwählte bin... oder so. Und dann bist du einfach verschwunden. Sag mal, sind das echte Ohren...?“ „Angie, bist du es?“ „... Was?“ „Angie!! Endlich habe ich dich gefunden!“ Völlig überfordert musterte er den Hasen, als er freudig auf ihn zustürzte und ihn in seine Arme schloss. Hatte der Kerl jetzt komplett den Verstand verloren? „Hallo...? Was wird das?“ Mick Jagger schien seine Frage in der Euphorie überhaupt nicht wahrzunehmen. „Komisch...“, sagte er, ohne ihn loszulassen. „Bilde ich mir das nur ein, oder bist du flacher geworden, Angie?“ „Ich bin nicht Angie! Wärst du wohl so nett, dich von mir zu entfernen?“ Verwundert ließ sein Gegenüber von ihm ab und trat zwei Schritte zurück. „Du bist nicht Angie?“ „Tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen, aber... Nein.“ „... Jetzt, wo du es sagst... Ich hatte ihre Stimme auch etwas lieblicher in Erinnerung“, murmelte der Hase abwesend. „Aber wenn du nicht Angie bist... Wer bist du dann?“ „Das würde mich auch mal interessieren!“, mischte Bon Jovi sich ein. „Leidet ihr alle an Amnesie? Ich bin es, Alice! Du...“, sagte er und zeigte auf Mick Jagger, „... hast mir doch selbst gesagt, ich soll hierher kommen! Ich habe das Gefühl, ich bin in einer Irrenanstalt gelandet...“ Verwirrt blinzelten die beiden Freaks sich an. Dann startete Hasi einen Versuch, etwas zu seiner Verteidigung hervorzubringen. „Ich kann mich nicht daran erinnern, dich zuvor schon einmal gesehen zu haben. Außerdem ist es kein Wunder, dass ich dich mit Angie verwechsle. Ihr fangt ja beide mit 'I' an.“ „Hauptsache, sie fangen nicht mit 'O' an“, fügte Bon Jovi hinzu. „Oder gar mit 'M'...! Zu viele 'M's bedeuten nur Unheil... Nicht auszudenken, wenn dein Name mit 'M' anfangen würde, unwürdiger Tropf!“ „... Wie hast du mich gerade genannt? Alles okay, tief durchatmen... Ich zähle bis drei, und dann ist alles wieder normal. Eins, zwei, drei...!“, sagte Alice leise zu sich selbst und schaute erwartungsvoll in die Gesichter der beiden anderen. „Und jetzt sagt mir endlich, dass das hier alles nur Show ist und dass ihr mich nachher wieder von hier wegbringen werdet... Ansonsten kann ich für nichts garantieren!“ Bon Jovi zog gelangweilt ein Tuch hervor und fing aus nicht erfindlichen Gründen damit an, an seiner makellosen Rüstung herumzuwischen. „Du bist hoffnungslos verloren, mein Lieber“, sagte er trocken. Alice seufzte entnervt. „Ach ja? Wenn du meinst, von mir aus“, knurrte er. „Alles, was ich will, ist eine Erklärung! Erstens: Was ist das für ein krasses Zeug? Zweitens: Wer hat es mir eingeflößt? Drittens: Warum das alles? Gibt es hier keinen Sinn, oder muss ich den erst noch finden? Ich warne euch... Verscherzt es euch nicht mit mir! Wenn das hier ein Witz sein soll, habt ihr ganz schlechte Karten-“ „Karten?! Bist du verrückt? Sag das nicht so laut! Oder willst du die Herzkönigin verärgern?“, rief Bon Jovi aufgebracht. „Die Herzkönigin? Ach so, selbstverständlich...! KARTEN!! Hat die Herzkönigin vielleicht irgendein Problem mit KARTEN? Kann sie die nicht ausstehen, weil die Herz-Dame in sämtlichen Kartenspielen viel hübscher und graziler ist als sie selbst?“, fragte er übertrieben laut. „Wenn ich mich recht erinnere, ist die Herzkönigin eine ziemlich fette, alte Schabracke!“ Hasi hatte sich inzwischen auf dem Boden niedergelassen und pflückte verträumt einige Grashalme, während Bon Jovi aufgeregt mit den Armen fuchtelte und dabei ziemlich lustig aussah. „Du hast ja keine Ahnung, was du da sagst! So von der ehrenwerten Königin zu sprechen... Dass du es überhaupt wagst, dieses Wort so oft in den Mund zu nehmen!!“, rief er entrüstet. „Welches Wort? 'Herzkönigin' oder 'Karten'?“ „Argh!! Du treibst mich in den Wahnsinn! Du, sag doch auch mal was dazu...!“, sagte er verzweifelt und warf einen Blick zu Hasi, der gerade genüsslich von seinen eben gepflückten Grashalmen abbiss. „Ich?“ Hasi schaute träge erst zu Ritterchen auf, dann zu ihm. „... Ja, das stimmt. Du solltest dir definitiv besser überlegen, mit welchen Pilzen du dich abgibst.“ „Was??“, kam es von ihnen beiden nahezu gleichzeitig. „Ich sollte doch was dazu sagen...“ „Hast du überhaupt zugehört, worüber wir geredet haben? Argh...! Ich bin von Rüpeln und Gestörten umgeben!!“ Nun doch ein wenig amüsiert grinste Alice den aufgebrachten Ritter an. Vielleicht war das hier eine verrückte Welt ohne Sinn - aber wenigstens war es hier nicht langweilig. „Sag mal... Bist du überhaupt Jon Bon Jovi? Oder siehst du nur so aus?“, fragte er, obwohl es ihm etwas absurd vorkam, in einem Land voller verjüngter Klone berühmter Sänger gelandet sein zu sollen. „Jon-Bon-Was...? Diesen Namen hast du vorhin schon einmal erwähnt, und ich weiß wirklich nicht, was du damit meinst“, antwortete Ritterchen grimmig. „Ich kenne niemanden, der so heißt, und mit mir hat das auch nichts zu tun. Ich bin der Weiße Ritter! Merke dir das!“ „Dann nehme ich an, das da hinten ist auch nicht wirklich Mick Jagger?“ „Mick Ja- Habe ich dir nicht gesagt, du sollst diesen Buchstaben vermeiden?“ „Welchen Buchstaben? Ach so, das 'M'? Ja, wenn es dir solche Angst macht... von mir aus“, gab Alice irritiert zurück. „Na gut... Wart ihr beiden nicht eigentlich vorhin in eine wichtige Unterhaltung vertieft?“ „Allerdings“, sagte der Bon Jovi-Verschnitt. „Wir haben darüber gesprochen, ob Schwarz oder Weiß die bessere Farbe ist. Natürlich sind wir uns einig, dass Weiß eindeutig gewinnt. Was ist schon Schwarz? Lächerlich.“ „Genau genommen sind beides keine Farben...“ „Keine Farben? Oho, mein lieber Schwan, wo hast du denn diesen Unsinn her?“ „Das ist kein Unsinn“, erklärte Alice geduldig. „Schwarz und Weiß stellen die Abwesenheit aller Farben dar. Es sind Nicht-Farben. Das solltet Ihr wissen, großer Weißer Ritter.“ Mit einem Mal schien Ritterchens Welt zusammenzubrechen, als er realisierte, was das bedeutete. „Nicht-Farben...?! Das heißt... Meine Existenz ist völlig unberechtigt! Ich bin ein Nichts!!“ „Wer ist jetzt der unwürdige Tropf?“, grinste Alice schadenfroh. „Das kann nicht sein... Ein Nichts... Ein Niemand...!“ Mit benebeltem Blick musterte Hasi seinen am Boden zerstörten Freund. „Was ist los?“, fragte er, nachdem er einen weiteren Bissen seines kleinen Snacks heruntergeschluckt hatte. „Mein Leben hat keinen Sinn mehr...! Unmöglich... Schwarz und Weiß sind keine Farben!!“ „Farben...? Schwarz? Da fällt mir ein...“, murmelte Hasi, ließ wie von der Tarantel gestochen seine Grashalme fallen und sprang überstürzt auf. „Ich habe gar keine Zeit, hier herumzusitzen...! Das Schlosstor! Ich muss es streichen! Die Herzkönigin wird mich umbringen, wenn ich mich nicht beeile!!“ Interessant..., dachte Alice, ... was man in ein paar Sekunden anrichten kann, wenn man einen einfachen Fakt in den Raum wirft. Mit den Worten „Ich muss nach der Wahrheit suchen... jetzt sofort!“ verließ Ritterchen das Grundstück, während Hasi hektisch in sein Haus stürmte und offenbar nicht einmal genug Zeit hatte, seine Türe zu schließen. Gemächlich schritt Alice auf die niedliche Hütte zu und folgte ihm hinein, nur um ihn völlig besessen auf dem Boden in einer Kiste wühlend vorzufinden. „Pinsel... Wo ist mein Pinsel...?!“ „Ähm... Entschuldige?“, versuchte Alice, auf sich aufmerksam zu machen, und betrachtete fasziniert all die Gegenstände, die bei Hasis Aktion auf dem Boden landeten. Von einem verwelkten Blumenstrauß über eine Mini-Version des Big Bens bis zu einem riesigen, noch verpackten Lebkuchenherzen mit der Aufschrift „Für mein Lieblingsbunny“ war alles dabei. „Du kannst mir nicht zufällig sagen, was ich jetzt machen soll... oder?“ „Nicht jetzt, Abby... Ich bin beschäftigt...“, sagte er hastig und wurde plötzlich sentimental, als er einen dünnen Stapel unbeschriebener, weißer Blätter in den Händen hielt, den er eben aus der Kiste gezogen hatte. „Oh nein, das gibt es ja nicht... Da waren sie also! Die wunderschönen Briefe, die Angie mir damals geschickt hat...!“ „... Sie hatte dir nicht sonderlich viel zu erzählen, wie es aussieht“, sagte Alice und erntete dafür einen wahnsinnig bösen Blick. „Was weißt du schon?! Und überhaupt... Was machst du eigentlich in meinem Haus? Du bist nicht nur ein taktloser Typ sondern auch noch ein einfältiger Einbrecher!“ „Mich nennst du einfältig? Vielleicht solltest du mal daran denken, deine Haustüre zu schließen, wenn du ungebetene Gäste vermeiden willst.“ „Meine Haustüre... Meine Haustüre... Da fällt mir ein... Ich habe keine Zeit, mich mit jemandem wie dir zu streiten! Ich muss das Tor streichen! Wenn ich doch nur wüsste, wo ich meinen Pinsel gelassen habe...!“, fluchte Hasi, wieder dabei, die Kiste zu durchsuchen. „Und du... Du verschwindest besser schnell, wenn du nicht willst, dass ich die Hütte in Brand stecke!“ „Wenn es dir Spaß macht, dein Haus anzuzünden, will ich dich nicht aufhalten. Ich wollte sowieso gerade gehen“, antwortete er betont unbeeindruckt, drehte sich um und lief Richtung Garten. „Du kannst mir ja anscheinend wohl auch nicht mehr helfen...“ Ohne einen weiteren Gedanken an das weiße Kaninchen oder einen der anderen psychopathischen Bewohner dieses Örtchens zu verschwenden, machte er sich auf den Weg, nach etwas zu suchen, das in irgendeiner Weise wirklich hilfreich sein könnte. Etwas... oder vielleicht auch jemand, der ihn wieder zurückführen würde aus diesem verrückten Land. Aber gab es hier überhaupt jemanden, der nicht selbst verrückt war? Wie auch immer. Wenn es einen Weg gab, hierherzukommen, dann gab es auch einen Weg hinaus. Irgendwo... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)