Prelude of Shadows von yazumi-chan (Die Team Shadow Chroniken) ================================================================================ Amy – Akt 3, Szene 4 -------------------- 7 Jahre vor Team Shadows Gründung       Am Ende ihres Kaufrausches war Amys neuer Rucksack randvoll mit allen möglichen und unmöglichen Gegenständen und Items, die ihr zwischen die Finger gekommen waren. Brandon lief hinter ihr, die Rechnung laut vorlesend. „Fluchtseile, Supertränke, Schutz … soweit so gut, Amy, aber was willst du bitte mit dem anderen Zeug? Die Taschenlampe verstehe ich ja noch, aber Kreide? Speiseöl? Mehl?“ „Lass mich nur machen, okay?“ Amy sah in den Himmel. Inzwischen war es dunkel, aber dank der hell erleuchteten Stadt konnte sie nur eine Handvoll Sterne erkennen. „Komm, wir müssen uns beeilen.“ Brandon kratzte sich am Kopf, nickte aber und holte zu ihr auf. „Da du weißt, was für eine hirnrissige Idee dein sogenannter Plan ist, werde ich mich nicht wiederholen, aber bei dem kleinsten Anzeichen von Schwierigkeiten zischen wir ab, okay?“ „Ja, natürlich.“ Amy beschleunigte ihre Schritte. Trotz des Gewichts war der Rucksack lange nicht so schwer wie die Gemälde von ihrem Papa. Ich werde sie wiederfinden, dachte sie energisch. Ich muss einfach! Nach etwas Fußweg erreichten sie Trend Street. Trotz der späten Stunde waren noch viele Passanten unterwegs. Schön gekleidete Paare suchten Restaurants auf, um den Abend ausklingen zu lassen und aus einer Karaokebar plärrten dumpfe Pop-Songs. Der Eiscremeladen war bereits geschlossen, aber Amy nutzte das Aushängeschild als Wegweiser. Sie bog rechts in die Gasse ab und trat in die Schatten. Es dauerte nicht lange, bis sie den Ort des Überfalls erreichten. Hier hatten die zwei Trainer gestanden und sie verhöhnt, dort auf dem dreckigen Pflaster hatte Brandon gehockt, und hier … Amy drehte sich um 180° und folgte der Quergasse nach Süden, wo der dritte Trainer mit ihren Bildern entlang geflohen war. „Hier lang“, flüsterte sie und ging los. Hinter ihr hörte sie die vorsichtigen Schritte von Brandon. „Habe ich schon erwähnt, dass ich das hier für eine Schnapsidee halte?“ „Nur zehnmal. Jetzt reiß dich zusammen! Willst du mir nun helfen oder nicht?“ „Natürlich helfe ich dir“, grummelte er. „Ich weiß einfach nicht, warum wir hier ausgerechnet nachts hinkommen müssen. Es ist gruselig.“ „Gerade weil es Nacht ist“, sagte Amy. Auf Brandons verdutzten Blick hin fiel ihr auf, dass sie ihren Gedankengang nie richtig erklärt hatte. Sie räusperte sich. „Die Opfer, die du befragt hast. Sie konnten sich alle an das Aussehen der Trainer erinnern, oder?“ Brandon nickte. Amy drehte sich zu ihm um und ging schnell einige Schritte rückwärts. „Stell dir vor, du würdest mich nicht kennen und ich würde dich überfallen. Du bist panisch. Es ist stockduster, so wie jetzt. Denkst du wirklich, du könntest dich daran erinnern, ob ich Sommersprossen habe, oder Make-Up trage, oder ob mein Haar rot ist oder eine andere Farbe? Die Details sprechen dafür, dass die Sonne noch schien. Dann ist es hier zwar dunkel, aber nicht so finster wie jetzt. Daraus ergibt sich, dass alle Diebstähle tagsüber stattgefunden haben.“ „Wow, Amy …“ Brandon grinste sie schamlos an. „Du bist ja richtig schlau!“ „Ach, halt doch den Mund!“ „Nein, wirklich! Hey, warte doch!“ Brandon lief ihr hinterher, als sie ihre Schritte beschleunigte. „Sorry, das kam falsch rüber. Ich meine es ernst. Das ist wirklich schlau. So weit hatte ich gar nicht gedacht. Du denkst also, wir werden ihnen heute nicht mehr über den Weg laufen?“ Versöhnt wandte Amy sich Brandon zu. „So lange wir nicht geradewegs in ihr Versteck stolpern, sollten wir keine Probleme haben. Und zur Not haben wir ja das hier dabei.“ Sie tätschelte den fetten Rucksack. „Ja, unser … eh, Mehl wird es diesen Schurken richtig zeigen.“ „Du bist unverschämt und unerträglich, Brandon.“ Er lachte. „Sag doch sowas nicht, ich werde ganz rot.“ Amy schüttelte verzweifelt den Kopf. Wenn doch nur Ronya hier wäre! Mit ihrer besten Freundin hätte sie auch einen weit weniger flauen Magen. Sie mochte Brandon gut zugeredet haben, aber ihre Vermutung mit der Tageszeit konnte genauso gut ein Zufall sein. Vielleicht waren die anderen Gassen besser beleuchtet, vielleicht hatte der Feuerschein eines Pokémons die Angreifer erleuchtet. Aber sie musste sich einfach an einer Theorie versuchen, sonst würde sie noch tagelang rumsitzen und mit sich selbst debattieren. Auch wenn es ein Risiko war, sie musste herausfinden, wohin der Dieb geflohen war. Nach einigen Minuten fanden Brandon und sie sich in einer Sackgasse wieder. Frustriert sah Amy die Hausfassaden empor. Es gab weit und breit keine Hintertüren, und die Gasse hatte sich zwar zwischen den Gebäuden entlanggeschlängelt, war aber nie abgezweigt. Der Dieb musste hier lang gekommen sein. „Das war wohl ein Schuss ins Lee— AU!“ Amy fuhr bei Brandons Aufschrei herum. „Was ist passiert?!“ „Nichts, nichts, alles gut.“ Brandon hüpfte auf einem Fuß, bis er sich an einer Steinwand mit diversen Regenrinnen abstützen konnte. „Bin nur gestolpert.“ Amy kniete sich hin, um zu sehen, worüber Brandon fast gefallen war. Im Dunkeln war es schwer zu erkennen, aber da war ein Gullideckel in den Betonboden eingelassen. Und die Kante ragte leicht nach oben. Jemand hatte ihn nicht richtig geschlossen. „Bingo! Brandon, du hast ihr Versteck gefunden!“ „Hab‘ ich das?“ Amy nickte ihm triumphierend zu. „Deshalb hat niemand sie jemals kommen oder gehen sehen. Sie verstecken sich in der Kanalisation.“ Gemeinsam hoben sie den Gullideckel an. Amy zückte ihre frisch erworbene Taschenlampe und leuchtete in das dunkle Loch. Eine Metallleiter führte nach unten, wo schwarzes Wasser durch einen Kanal floss. Ein schmaler Betonpfad auf beiden Seiten ließ gerade genug Raum, um dort alleine entlang zu gehen. Ein unangenehmer, modriger Geruch stieg ihr entgegen. Sie rümpfte die Nase, klemmte die Taschenlampe unter ihren Gürtel, mit dem Lichtstrahl nach unten, und begann hinabzuklettern. „Pass bloß auf, Amy“, warnte Brandon, der ihrem Abstieg von oben sehr misstrauisch zuguckte. „Rutsch bitte nicht aus. Ich will nicht runterklettern und dich retten müssen.“ „Ich bin froh, dass du deine Prioritäten hast“, sagte Amy, aber da traf ihr Fuß schon auf festen Grund. Sie leuchtete um sich. Eine gewölbte Decke folgte über ihrem Kopf dem Pfad des Wassers, das geradlinig nach links und rechts führte. Sie ließ ihren Lichtstrahl über den Fußpfad gleiten. Es dauerte nur wenige Minuten, bevor sie etwas Interessantes fand. Ein welkes Brennnesselblatt lag einige Meter entfernt auf der rechten Seite, und nur wenige Meter davon entfernt entdeckte sie in einer leichten Einsenkung des Bodes etwas Matsch, den ein Schuh weitergetragen hatte. „Doppel-Bingo“, flüsterte sie. Sie folgte der Richtung der Schuhabdrücke, bis sie an eine Kreuzung mit einem anderen Zweig der Kanalisation kam. An einer Seite entdeckte sie eine Leiter, die nach oben führte, aber die Fußspuren deuteten nach rechts. Sie machte eine winzig kleine Markierung mit der Kreide, die sie gekauft hatte, und ging weiter. Plötzlich hörte sie Schritte hinter sich. Panisch fuhr sie herum und leuchtete mit der Taschenlampe direkt auf … „Brandon!“, fuhr sie ihn an. Ihr Herz klopfte wie wild. „Willst du, dass ich einen Herzinfarkt kriege?“ „Du hast nicht mehr auf meine Rufe geantwortet“, verteidigte er sich sofort. „Ich wollte sichergehen, dass du nicht zu weit gehst. Hast du etwas gefunden?“ Amy seufzte und atmete tief durch. Sie zeigte auf die Fußspuren. „Unser schwarzer Trainer ist auf jeden Fall hier entlanggekommen.“ Brandon zog ihre bemalte Karte hervor und Amy leuchtete darauf, damit sie etwas sehen konnten. Er zeichnete mit dem Stift eine gestrichelte Linie. „Hier sind wir ungefähr“, stellte er fest. Amy begutachtete die Linie. Sie führte nach Nordosten, weiter ins Jagdgebiet der schwarzen Trainer. „Ich wette, ihre Basis ist irgendwo hier unten. Wenn wir sie finden, während sie unterwegs sind, können wir das Diebesgut vielleicht zurückstehlen, bevor sie etwas merken.“ „Und wie willst du das anstellen? Wenn sie die Kanalisation benutzen, um ungesehen durch die Stadt zu kommen, könnten wir ihnen jederzeit über den Weg laufen.“ „Alleine schaffen wir das nicht“, stimmte Amy zu. „Deshalb brauchen wir Verstärkung.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)