Prelude of Shadows von yazumi-chan (Die Team Shadow Chroniken) ================================================================================ Chris & Jayden – Akt 3, Szene 5 ------------------------------- 8 Jahre vor Team Shadows Gründung   Jayden erkannte sich nicht wieder. Sein Spiegelbild sah so fremd aus. Weiß gemalte Haut, kleine rote Lippen, dunkler Lidstrich. An den langen Kimono hatte er sich über die letzten zwei Wochen gewöhnt, aber es war erst das zweite Mal, dass er in voller Gesichtsbemalung tanzen würde. Gestern bei der Generalprobe hatte er sich bemüht, nicht in die Spiegel zu gucken, weil ihm seine Reflektion so unangenehm war, aber heute zwang er sich, nicht wegzusehen. Hände legten sich auf seine Schultern. „Du siehst fabelhaft aus“, sagte Frau Fiona hinter ihm. Jayden wusste nicht, ob er dem zustimmte, aber er nickte. Er sah jedenfalls wie die anderen Tänzerinnen aus, und das war das wichtigste. Und je länger er sich mit dem Make-Up ansah, umso mehr gewöhnte er sich daran. Diese Person im Spiegel war auch er, sein Ich wenn er sich wirklich dem Tanz hingab. Fiona drückte noch einmal seine Schultern. „Ich habe es vielleicht nicht in so vielen Worten gesagt, aber ich bin dir dankbar, dass du so hart gearbeitet hast, Jayden.“ „Danke, Frau Fiona. Ich werde Sie nicht enttäuschen.“ Sie ließ ihn los und ging zu der nächsten Tänzerin. Jayden stand von seinem Stuhl auf und spähte durch einen klitzekleinen Schlitz im Vorhang nach draußen. Inzwischen hatte sich der Tanzsaal gefüllt. Gäste suchten nach ihren Plätzen oder richteten sich bereits auf ihren Stühlen ein. Zwei junge Mädchen nahmen am Eingang Tickets entgegen und verteilten Armbändchen und Broschüren. Jayden spürte, wie seine Kehle sich zuzog. Bald war es soweit. Nur noch ein paar Minuten. Er hielt nach seinen Freundinnen Ausschau. Irene saß in ihrem Rollstuhl in vorderster Reihe, das gegipste Bein mit Namen und Kritzeleien übersät. Sie schien ihn nicht zu bemerken, denn sie unterhielt sich gestikulierend mit einer älteren Dame, die hinter ihr in der Reihe saß. Von Chris war nichts zu sehen, aber ihr Stuhl war frei. Bestimmt war sie nur kurz auf Klo. Bei dem Gedanken an Chris musste er an das Gespräch zwischen Irene und ihr während seiner Probe denken. Er hatte nur Schnipsel ihrer Unterhaltung mitbekommen, aber genug, dass ihm heiß und kalt wurde. Warum redeten die beiden darüber, ob sie ihn küssen wollten?! Das war so … er wusste auch nicht. Und es war ja nicht so, dass er den Gedanken nicht mochte. Aber seine Gefühle verwirrten ihn. Er konnte sich inzwischen eingestehen, dass er sich am Anfang ihrer Reise ein klein bisschen in Chris verguckt hatte. Aber diese Gefühle waren zu guter Freundschaft gewachsen, und stattdessen zog ihn nun irgendetwas Richtung Irene. Und trotzdem … Würde er sich letztlich für eine der beiden entscheiden müssen? Der Gedanke gefiel ihm überhaupt nicht. Er fühlte sich in zu viele Richtungen gleichzeitig gezogen, und das zehrte an ihm. Mit einem energischen Kopfschütteln ließ er den Vorhang zufallen. Genug Trübsal geblasen, er hatte eine Mission! Fiona klatschte in die Hände. „Macht euch bereit. Noch fünf Minuten!“     Chris saß vor dem Tanztheater auf der Treppe. Es war bereits dunkel. Während sie von Alabastia nach Teak City gereist waren, hatte der Spätsommer sich in Herbst verwandelt. Bald würden die Tage noch kürzer werden. Durch den Eingang strahlte warmes Licht nach draußen, während die letzten Besucher ihre Tickets vorzeigten und ihre Plätze fanden. Lachen und gedämpfte Gespräche drangen an ihre Ohren. Chris seufzte. Sie wusste, dass die Aufführung bald anfing, aber sie wollte nicht zurück nach drinnen. Es war zu eng, zu viele Menschen. Aber Jayden würde traurig sein, wenn sie nicht da war, um ihn anzufeuern. Sie tastete nach ihrem frisch geschnittenen Pony und den Gegenständen in ihrer Reisetasche. In letzter Zeit war sie selten so nervös gewesen, dass sie ihre Beruhigungstaktik brauchte, aber heute fühlte sie sich total aufgewühlt. Schließlich war es soweit. Das Geplauder legte sich, dafür erklang Fionas Stimme, die alle Gäste daran erinnerte, während der Aufführung ruhig zu sein und sich für das zahlreiche Erscheinen bedankte. Chris blieb draußen sitzen, auch als eins der Mädchen die Tür langsam zuzog, bis sie nichts mehr von drinnen hörte. Sie lehnte sich auf den Steinstufen zurück und starrte in den Himmel. Wie lange war sie schon in Teak City? Einen Monat? Wie lange würden sie und Jayden noch bleiben müssen? Es juckte sie bereits unter den Fingern, in die nächste Stadt zu reisen, nach Oliviana City, wo die Trainer stärker waren. Pikachu hatte sein Potential in dieser Gegend ausgeschöpft. Sie hatte nicht das Gefühl, dass ihr Starter noch viel stärker wurde. Er langweilte sich bereits mächtig während ihrem Training und trieb noch mehr Schabernack als gewöhnlich. Sie rief ihr Pokémon, das es sich sofort auf ihrem Schoß gemütlich machte. „Was sagst du?“, fragte sie. „Reisen wir weiter, oder warten wir?“ Pikachu blinzelte sie an, dann schloss es die Augen und kuschelte sich an ihren Bauch. „Keine Meinung?“ Frustriert stützte Chris das Kinn auf eine Hand und begann mit der anderen, den weichen Pelz der Elektromaus zu kraulen. „Ist es das?“ „Ja, guck doch, die Beschriftung. Das muss es sein.“ „Da sitzt jemand.“ Überrascht sah Chris sich nach den Stimmen um. Sie entdeckte drei Jugendliche, alle etwas älter als sie, die von der Hauptstraße abbogen und geradewegs auf sie zukamen. Der Junge in der Mitte, mit kurzrasiertem, dunklem Haar und grüner Weste, führte die Gruppe an. An seiner Seite trottete ein hechelndes Fukano, das bei dem Anblick von Pikachu die Ohren anlegte. Ein über drei Meter langes Arbok schlängelte sich hinter dem Mädchen der Gruppe über das Pflaster und hisste leise. Der letzte der Runde, ein rundlicher Junge mit gewaltigem Rucksack auf dem Rücken, wurde von einem Pokémon begleitet, das Chris nicht kannte. Es lief auf vier kräftigen, gelbgrünen Beinen, war etwa schulterhoch und hatte einen langen Hals, von dessen Stirn ein gewaltiges Blatt herabhing. Eindeutig Pflanzentyp. Chris wünschte, sie hätte ihr Notizbuch zur Hand. Der Anführer blieb vor Chris stehen. „Bist du eins der Kimono-Girls? Wir sind hier, um sie herauszufordern.“ „Herauszufordern?“, fragte Chris ungläubig. Warum hatte man ihr nicht gesagt, dass die Tänzerinnen auch kämpfen konnten? „Ja doch, das hat Gold damals gemacht“, erklärte das Mädchen. „Und er hat ein wertvolles Geschenk bekommen. Jetzt sind wir dran. Wir kommen den ganzen Weg aus Dukatia.“ „Du bist also keine von denen?“, fragte der Junge mit dem Rucksack neugierig. Chris schüttelte den Kopf. Sie machten Anstalten, zur Tür zu gehen, aber Chris sprang auf und baute sich vor dem Trio auf, wodurch Pikachu unsanft aus ihrem Schoß purzelte und unwirsch quietschte. „Ihr könnt da jetzt nicht rein“, sagte sie, und dachte an Jayden, der bestimmt seine volle Konzentration brauchte, um den Tanz durchzustehen. „Sie haben gerade eine Aufführung.“ „Na und?“, fragte das Mädchen. „Das hat Gold auch nicht aufgehalten.“ „Ihr seid aber nicht Gold“, stellte Chris fest. „Du bist ja ein witziger Vogel“, sagte der Anführer. Er verschränkte die Arme und sein Fukano machte einen Schritt vor. Es bleckte die scharfen Zähne. „Wir können uns auch erst mit dir aufwärmen.“ „Tu nichts, was du später bereust“, informierte Chris ihn kühl. Pikachu, das endlich die Lage verstand, sprang auf ihre Schulter und ließ die Backen knistern, bis Chris Haare in alle Richtungen abstanden. „Hahaha“, lachte der Anführer. „Du hast Mumm, das muss ich dir lassen. Du willst allein gegen uns antreten?“ Er deutete auf ihren Gürtel. „Du hast nur ein Pokémon.“ „Mehr brauche ich nicht.“ „Arrogant ist sie, nicht mutig“, korrigierte das Mädchen ihren Freund. „Aber das werde ich ihr austreiben.“ Chris spürte, wie das Adrenalin sie durchfuhr. In ihrem Kopf herrschte jedoch absolute Ruhe. Die Nervosität von vorhin war verschwunden. Es gab nur noch sie, Pikachu, und die Herausforderung direkt vor ihr. „Pikachu, Donnerblitz!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)