Prelude of Shadows von yazumi-chan (Die Team Shadow Chroniken) ================================================================================ Jayden – Akt 1, Szene 2 ----------------------- 8 Jahre vor Team Shadows Gründung   Der Kuchen war köstlich. Auf dem Gepäckträger des Fahrrads seines Vaters sitzend, sah Jayden dabei zu, wie sein Elternhaus in der Ferne immer kleiner wurde. Der tragbare Lehrkanal und der Gürtel mit fünf leeren Pokébällen, die er kurz zuvor euphorisch von Geschenkpapier befreit hatte, beschwerten seinen Rucksack auf wundervolle Weise. Trotz der frühen Stunde brannte die Sonne unbarmherzig auf sie nieder. Sie brauchten eine knappe halbe Stunde zum Stadtzentrum und von dort noch einige Minuten, bis der große Laborkomplex in Sicht kam, in dem Professor Eich seit Jahren seine Pokémonforschung vorantrieb. Am Empfang erhielt Jayden einen Besucherausweis, den er sich stolz um den Hals hängte und wurde anschließend von einer jungen Laborantin, die sich als Nicole vorstellte und deren runde Brillengläser ihr das Aussehen eines Bluzuk verliehen, durch eine gesicherte Tür geschleust. Sie reichte ihm einen Laborkittel, der Jayden einige Zentimeter über die Fingerspitzen hing, und eine Laborbrille, die er sich ungelenk auf die Nase setzte. „Hier entlang“, sagte sie lächelnd und führte ihn durch einen langen, weiß gefliesten Gang. In den Räumen links und rechts erspähte Jayden Wissenschaftler, die Pokémon auf Metalltischen untersuchten, mit Reagenzgläsern und großen braunen Glasflaschen hantierten oder dutzende Pokébälle auf Tabletts von einer Maschine zur nächsten trugen. So aufregend hatte er sich den Ausflug ins Labor nicht vorgestellt. Seit zwei Jahren gab Professor Eichs Labor nicht mehr an jeden Trainer Pokémon ab, da die Nachfrage auf Reds Verschwinden hin stark angestiegen war. Jayden war so in Gedanken, dass er geradewegs in die Laborantin hineinlief, als diese vor einer Tür stehenblieb. „Professor Eich ist gerade beschäftigt, aber sein Assistent wird dir weiterhelfen können“, sagte sie mit einem verschmitzten Grinsen, als Jaydens Ohren wegen seines Missgeschicks rot anliefen. Sie stieß die Tür auf und steckte den Kopf hinein. „Thomas, Johns Sohn ist wegen seinem Starter hier. Ich schick ihn dir einfach rein und … Blue? Was machst du denn noch hier?“ Nun konnte Jayden sich wirklich nicht mehr zurückhalten. Er spähte in das Labor. Zwei große Messgeräte mit Computer und einem Schreibtisch, sowie einer Arbeitsfläche aus Metall, auf der einige Pokébälle in runden Tabletts standen, füllten den Raum zum Bersten. Vor den Pokébällen stand ein Mann mit Halbglatze und unrasiertem Kinn, der Jayden und Nicole einen genervten Blick zuwarf. An dem Schreibtisch weiter hinten saß, mit offenem Kittel und hellbraunem Haar, das zu einem kleinen Zopf nach hinten gebunden war, Blue. Reds bester Freund, ewiger Rivale und Enkel von Professor Eich. Bei Nicoles Stimme drehte er sich mitsamt Stuhl zu ihnen um. Er hatte dunkle Ringe unter den Augen, lächelte aber, als er Nicole entdeckte. Die Laborantin fing sich wieder. „Ich dachte, du wärst schon wieder in der Arena“, sagte sie. „Sollte ich sein“, stimmte Blue zu und fuhr sich mit einer fahrigen Hand durchs Haar. „Ich wollte nur meinen Bericht zu Ende schreiben, aber dann sind mir noch einige Parameter eingefallen, dich ich testen wollte und jetzt bin ich eh´ zu spät, also was soll´s.“ „Hast du die ganze Nacht durchgemacht?“, fragte Nicole schockiert. Er zuckte mit den Achseln, aber die Schatten unter seinen Augen sprachen Bände. „Du weißt, wie ungesund das ist, Blue.“ Sie sah nun ehrlich besorgt aus. „Ich weiß nicht, was mit dir los ist. Seit einigen Wochen vergräbst du dich unter Bergen von Arbeit. Lange macht dein Körper das nicht mehr mit.“ Für einen kurzen Moment sah Blue so aus, als wolle er sie anfahren, stattdessen seufzte er nur und rieb sich die Augen. „Du hast ja Recht. Ich mache den Rest später.“ Er warf ihr einen hoffnungsvollen Blick zu. „Begleitest du mich noch nach draußen?“ Nicole sah hin- und hergerissen zwischen Jayden und Blue hin und her. „Ich soll eigentlich mit Jayden seinen Starter aussuchen …“, begann sie, doch Jayden schüttelte den Kopf. „Geh ruhig mit ihm“, sagte er und fühlte sich dabei unglaublich nobel. Er sah doch, dass sie mit ihm gehen wollte! „Ich finde mich schon zurecht.“ „Wenn du meinst …“, sagte Nicole, sichtlich erleichtert. Blue erhob sich, zwinkerte Jayden dankbar zu und verschwand mit Nicole auf dem Gang. Jayden sah den beiden verträumt hinterher. Er hatte das Gefühl, eine gute Tat vollbracht zu haben. Eine, auf die Castor stolz gewesen wäre. Aus der Richtung des Assistenten ertönte ein herablassendes Schnauben. „Grässlich mit anzusehen, wie die beiden um einander herumscharwenzeln“, sagte er und winkte Jayden zu sich. „Du bist also Johns Sohn.“ Er besah sich Jayden mit kritisch zusammengekniffenen Augen. „Solange du hier bist, fasst du nichts an, du tust, was ich dir sage und du widersprichst nicht, verstanden?“ „Aber —“ „Ah!“ Er gab Jayden einen Klaps auf den Hinterkopf. „Was hab ich gesagt? Keine Widerworte!“ „Au.“ Jayden rieb sich den Kopf. „Wie die Tradition es will, verschenken wir weiterhin Pokémon der Spezies Bisasam, Schiggy und Glumanda, wenn sich die Situation ergibt.“ Er deutete auf drei getrennte Tabletts, von denen zwei gut gefüllt waren, während in dem dritten nur ein einziger Pokéball lag. „Also, welches hättest du gerne?“ Endlich, die Frage, auf die Jayden seit Jahren wartete. „Ein Glumanda!“ „So wie Red, hm?“ Thomas seufzte. „Welch Überraschung.“ Er deutete auf das fast leere Tablett. „Wie du siehst, sind Glumanda sehr begehrt. Leider sind sie gerade alle weg. Du wirst auf die nächste Zucht warten müssen. Die Eier werden noch ausgebrütet, das dauert etwa drei Monate. Wenn du sofort ein Pokémon haben willst, wirst du eins der anderen nehmen müssen.“ Jayden starrte ihn an. „Aber, da ist doch noch ein Pokéball!“ Thomas schielte zu dem Ball. „Ja, nun“, sagte er. „Dieser ist besonders. Der genetische Code dieses Glumandas ist anders als die der anderen. Ich habe große Hoffnung in dieses Exemplar. Meine Forschung könnte vor dem Durchbruch stehen. Wenn ich die Auswirkung der genetischen Anomalie auf den Phänotyp untersuche, werde ich vielleicht endlich berühmt.“ Jayden hatte kein Wort verstanden, außer dass man ihm ein Glumanda vorenthalten wollte, obwohl es sein Traum war und direkt vor ihm lag. Wütend stampfte er mit dem Fuß auf. „Aber ich will —“ „Ah!“ Thomas schlug ihm wieder gegen den Hinterkopf. „Mein Labor, meine Regeln. Und jetzt tu mir einen Gefallen, nimm dir ein Schiggy oder Bisasam oder komm in ein paar Monaten wieder und lass mich in Ruhe weiterarbeiten.“ Jayden schnaubte. Er konnte Thomas jetzt schon nicht leiden. Niemand hatte ihm gesagt, dass er vielleicht kein Glumanda bekommen würde! Kurz dachte er darüber nach, wie es mit einem der anderen Starter sein würde, aber er konnte sich einfach mit keinem Pokémon außer Glumanda vorstellen. Es musste die Feuerechse sein. Um Zeit zu schinden, folgte Jayden Thomas zu einem der freien Computer, an dem der Wissenschaftler nun ein Programm öffnete, das den Bildschirm in ein undurchschaubares Meer aus Buchstaben verwandelte. „Darf ich zugucken?“, fragte Jayden, obwohl er sich nichts Langweiligeres vorstellen konnte. Thomas drehte sich skeptisch zu ihm um. „Warum?“ „Weil … mein Papa auch hier arbeitet und ich gerne mehr darüber wissen möchte?“ „Dann frag deinen Vater, nicht mich. Wir arbeiten an unterschiedlichen Projekten, das lässt sich wirklich nicht vergleichen, außerdem bist du gerade einmal zwölf Jahre alt, da würdest du nichts von dem verstehen, was ich dir erkläre.“ „Stimmt gar nicht!“, fauchte Jayden gekränkt. „Ich bin gut in der Schule.“ Thomas seufzte. „Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.“ „Ich will es trotzdem wissen.“ „Ich hasse Kinder …“, murmelte Thomas, wandte sich jedoch wieder seinem Computer zu. „Also schön. Das sind DNA-Sequenzen des Glumandas, das ich untersuche. Wir nennen es hier Nummer G301. Ich vergleiche die Basensequenzen mit denen der Parentalgeneration und anderen Glumandas, deren Genome sequenziert wurden und markiere die Anomalien und Abweichungen, die ich später in einer Datenbank abfrage, um herauszufinden …“ Jayden hörte längst nicht mehr hin. Wann immer am Esstisch die Aufmerksamkeit auf etwas gelenkt wurde, dass er nicht oder schlecht gemacht hatte, reichte es, seinen Vater nach der Arbeit zu fragen. Sobald John Williams begann, über seine Experimente zu reden, sah seine Mutter ihn mit verträumten Augen an und Jayden konnte schnell zu Ende essen und nach oben abhauen. Kaum dass er Thomas also dazu gebracht hatte, über sein Lieblingsthema zu sprechen, schlich er sich rückwärts von dem Schreibtisch weg, schnappte den Pokéball des letzten Glumandas und legte einen der anderen Pokébälle an seine Stelle. Er wollte sich schon aus dem Staub machen, da viel ihm der Code auf, der auf der roten Seite des Pokéballs klebte. Hastig knibbelte er den Sticker ab und klebte ihn über den Code des anderen Pokéballs. Er verstaute das Glumanda tief in den Taschen seines geliehenen Laborkittels und stellte sich wieder dicht hinter Thomas, der noch immer in seiner Erklärung steckte. „… es den Phänotyp tatsächlich beeinflusst, wie ich derzeit vermute, dann könnte das bahnbrechende Folgen haben. Designer-Pokémon für die Reichen, verbesserte Zuchtchancen von seltenen Arten, ich wäre ein gemachter Mann!“ Thomas drehte sich mit strahlendem Gesicht um, das sich bei Jaydens Anblick gleich wieder in eine Grimasse verwandelte. „Du hast kein Wort verstanden, oder?“, fragte er. Jayden grinste verlegen und kratzte sich an der Nase. „Ne, nicht wirklich.“ Thomas seufzte. „Habe ich ja gesagt.“ Er machte eine scheuchende Handbewegung. „Und jetzt raus mit dir, ich habe noch zu tun.“ Erleichtert drehte Jayden sich um und öffnete die Tür. „Moment.“ Er erstarrte und drehte sich in Zeitlupe zu Thomas um. „Was denn?“ „Hast du jetzt ein Pokémon mitgenommen?“, fragte der Wissenschaftler und zückte ein Klemmbrett. „Ich muss die Nummer notieren.“ „Ehh …“ Jayden begann zu schwitzen. Wie war der Code des Pokémons gewesen, den er überklebt hatte? Verdammt, verdammt, verdammt! „Nummer …“ Was war es gewesen? „Wenn du dich nicht erinnerst, kannst du mir einfach den Ball zeigen, ich schreib sie ab“, sagte Thomas ungeduldig. „Nein, nein, es war Nummer … Nummer B256.“ Thomas nickte. „Bisasam also. Gute Wahl, ich weiß ohnehin nicht, was die Kinder alle mit den Glumandas wollen. Die ersten zwei Arenen machen euch danach nur Ärger. Mit Bisasam ist der Start viel leichter. Guter Starter, Bisasam. Wäre auch meine Wahl.“ Er schrieb die Nummer auf und setzte sich ohne ein weiteres Wort zurück an seinen Computer. Jayden rannte förmlich aus dem Raum. Er hatte kaum Kittel und Schutzbrille zurückgegeben, da kam Nicole um die Ecke. Ihre Wangen waren gerötet und ihr Zopf an den Seiten leicht aufgelöst. Draußen musste es wirklich furchtbar heiß sein. „Du gehst schon?“, fragte sie munter. Jayden nickte. „Manchmal wünschte ich, dass ich auch in deinem Alter losgezogen wäre, einfach um etwas Erfahrung in der Welt zu sammeln, aber letztlich war ich doch eher ein Bücherwurmpel.“ Sie kicherte. „Viel Erfolg auf deiner Reise. Wenn du etwas Ungewöhnliches findest, melde dich.“ „Mache ich“, sagte Jayden, den gestohlenen Pokéball wie eine heiße Kohle in seiner Hosentasche. Er atmete erst ruhig auf, als er auf seinem Weg nach Route 1 mehrere Kilometer zwischen sich und das Labor gebracht hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)