Prelude of Shadows von yazumi-chan (Die Team Shadow Chroniken) ================================================================================ Ryan – Akt 3, Szene 5 --------------------- 9 Jahre vor Team Shadows Gründung   Ryan verplemperte keine Zeit damit, sich staunend umzusehen. Während er das unsichtbare Shuppet als Späher vorausschickte, rief er Vulpix aus seinem Pokéball und stapfte los. Aus den Augenwinkeln hielt er Ausschau nach Kameras, die er übersehen hatte und kramte in seinem Rucksack nach den Puderbeuteln und einem Seil, das er vorsichtshalber am Gürtel befestigte. Um aus der Basis zu fliehen, war es nicht geeignet, aber vielleicht wurde es trotzdem noch nützlich. Foxy (Ryan schauderte bei dem Spitznamen) lief eng an seinen durchtränkten Hosenbeinen entlang und schnupperte die Luft. Der kleine Feuerfuchs reichte ihm bis zum Oberschenkel, machte sich in der unbekannten Umgebung jedoch klein. Sie war nicht die einzige, die Angst hatte. Ryans Mund war trocken vor Nervosität und er zuckte beim kleinsten Geräusch zusammen, und sei es nur das Scharren und Klackern von Foxys Krallen auf den Steinfliesen. Ungesehen erreichten sie das andere Ende des Tunnels, wo er durch die große Türöffnung spähte. Der Tunnel mündete in drei Gänge, von denen der breiteste geradeaus weiterging und die beiden anderen jeweils nach links und rechts abzweigten. Wenn er nur Baupläne von dem Versteck hätte! Egal. Er musste logisch denken. Der Gang geradeaus war der größte, dort erwartete Team Aqua, oder damals Team Magma, also den meisten Betrieb. Die Schaltzentrale sollte eher abseits davon liegen. Aber das ließ noch immer zwei Optionen offen. Rechts oder Links? Rechts oder Links? "Shuppet", flüsterte Ryan, nicht sicher, wo sein Pokémon sich gerade aufhielt, aber überzeugt, dass es ihn zumindest hören konnte, "sieh dich etwas um. Wenn du jemanden überhörst, der die Schaltzentrale erwähnt, finde mich und bring mich dorthin." Eine Gänsehaut bildete sich in seinem Nacken, dann war das unangenehme Gefühl verschwunden und Shuppet unterwegs. "Und du …", sagte Ryan mit Blick auf Vulpix, "… sei einfach weiterhin nutzlos, bis mir eine Aufgabe für dich einfällt." Vulpix sah ihn pikiert an. "Sei nicht eingeschnappt", murmelte Ryan und wandte sich nach rechts, da Shuppet im linken Gang verschwunden war. "Die meisten Menschen und Pokémon sind nutzlos, du befindest dich in guter Gesellschaft." Sie schlichen einige Minuten durch die schwach beleuchteten Gänge. Die dunkelgrauen Fliesen hallten leise unter ihren Schritten. Hin und wieder entdeckte Ryan Kameras, doch die Verteilung war bei weitem nicht so durchdacht wie draußen im Meerestunnel und er schaffte es jedes Mal, mit etwas Verrenken durch die toten Winkel der Kameras zu huschen. Türen gab es nur wenige und die meisten waren nicht beschriftet, aber die Tatsache, dass er bislang niemandem begegnet war, bestätigte seine Vermutung, dass sie sich im organisatorischen Bereich des Aqua-Verstecks befanden. Sie hatten gerade eine weitere Abzweigung erreicht, da vernahm Ryan plötzlich Stimmen. Hastig presste er sich gegen die Betonwand und schielte um die Ecke. Zwei Aquas kamen den Gang entlang, den er gerade hatte nehmen wollen, der andere führte, wenn ihn sein innerer Kompass nicht täuschte, zurück Richtung Zentrum des Verstecks. Sie waren nur noch etwa zehn Meter entfernt und die letzte Tür hatte Ryan vor zwei Minuten passiert. Er hatte keine Möglichkeit, sich irgendwo zu verstecken. "Verdammt!", fluchte er leise und schluckte das Herzklopfen hinunter. Was sollte er tun? Shuppet war nicht hier, und Vulpix als Feuerpokémon gegen zwei Wassertrainer klar im Nachteil, ganz zu schweigen davon, dass ein Kampf ihm bald das gesamte Quartier auf den Hals hetzen würde. Seine Finger streiften die Puderbeutel an seinem Gürtel. Nein, er musste klug vorgehen. Heimlich. Unerkannt. "Du hast Glück", flüsterte er und wandte sich an Foxy, "du hast schon jetzt Gelegenheit, dich als nützlich zu erweisen. Verwirr die beiden Aquas mit deinem Konfusstrahl." Die kleine Füchsin nickte entschlossen, preschte um die Ecke, rutschte aus— —und schlitterte quietschend in den nächsten Gang. Die aufgeregten Stimmen der Aquas wurden lauter. "Hast du das gesehen?" "War das … war das ein Vulpix?" "Was macht ein Vulpix hier?" "Ist das Team Magma? Hey, zeig dich!" Ryan rieb sich dich Stirn und seufzte. Corinnas Pokémon war genauso unfähig wie seine Besitzerin. Er war wirklich nur von Idioten umzingelt. "Wenn ich ein Magma wäre", sagte er und nahm Blickkontakt zu Foxy auf, die betreten wieder auf die Füße gekommen war, "würden meine Mitglieder nicht wie Einsiedler in irgendwelchen gottverlassenen Wäldern hausen und zur Abwechslung etwas auf die Reihe kriegen. Vulpix, jetzt!" Foxy fauchte und preschte los. Ihre schrillen Schreie erfüllten die Luft und Ryan trat gerade rechtzeitig in den Gang um zu sehen, wie die beiden Aqua-Mitglieder von dem Konfusstrahl getroffen wurden. Ryan kniff, wenn nicht mitfühlend, zumindest sympathisierend, ein Auge zusammen, als der eine sich gegen die Wand stützte und geräuschvoll übergab, während sein Partner, eine junge Frau mit rotgefärbtem Haar, auf die Knie sank, die Augen zusammenpresste und sich stöhnen den Kopf hielt. Ryan lief auf die beiden zu und warf, bevor sie sich aufrappeln konnten, den geöffneten Schlafbeutel nach ihnen. Hastig hielt er eine Hand vor Mund und Nase und sprang zurück. Er wartete angespannt, während der grüne Puder seine Wirkung tat. Die Frau schnupperte einige Male die Luft, säuselte etwas Unzusammenhängendes und kippte bewusstlos zur Seite. Der andere, der sich übergeben hatte, gab nicht so leicht auf. Ryan fluchte innerlich. Warum musste er gerade jetzt wieder kotzen, als er den Puder hatte einatmen sollen? Konnte er nicht wenigstens kooperieren, wenn er schon zu so einem ungünstigen Zeitpunkt auftauchte? Der Aqua wischte sich den Mund ab und erhob sich langsam. Sein Blick war glasig und unfokussiert. Wenigstens hatte er etwas von dem Schlafpuder abbekommen. "'er bis'n du?", fragte er, sichtlich neben der Spur. "Diese, wie ich sicher bin, sehr geistreiche Unterhaltung wird noch etwas warten müssen, fürchte ich", sagte Ryan und zückte—lächelnd—sein Seil.   Wenige Minuten später waren beide Aquas geknebelt und verschnürt wie unförmige Pakete und Ryans Rucksack um die Hälfte seiner seiligen Last erleichtert. Die Frau schlief noch immer, der Mann hatte etwas seines Verstandes zurückerlangt und erdolchte Ryan förmlich mit seinen Blicken, aber er war an seine bewusstlose Kollegin gefesselt und die Pokébälle der beiden hatte Ryan vorsichtshalber ein gutes Stück entfernt in einem Erste-Hilfe-Kasten versteckt. Kurz hatte er mit dem Gedanken gespielt, die Pokémon darin für seine Zwecke zu nutzen, es dann aber gelassen. Wer wusste schon, wozu das sogenannte unzerstörbare Band der Freundschaft zwischen Pokémon und ihren Trainern fähig war? Er ging lieber kein Risiko ein. Stattdessen hatte er sich der Ausweise der beiden Aquas ermächtigt, die unter anderem als Magnetkarte zu fungieren schienen und ihm sicher Zutritt zu einigen sehr interessanten Räumen bescheren würden. Bei der Frau handelte es sich um eine technische Assistentin, er war also nah dran. Nur Shuppet hatte er in all der Aufregung verloren, aber das würde warten müssen. Notfalls konnte er den Geist immer noch zurücklassen. Er ignorierte das leichte Ziehen in seiner Brust, das bei dem Gedanken auftrat, winkte Vulpix zu sich und lief weiter. Der Zwischenfall hatte ihn daran erinnert, dass er sich in feindlichem Territorium befand. Er musste besser aufpassen, wenn er sein Ziel erreichen wollte. Und dann, als hätte er nicht seit einer halben Stunde verzweifelt danach gesucht, tauchte sie plötzlich vor ihm auf. Die Tür mit der Beschriftung SCHALTZENTRALE. Ryan war so erleichtert, dass er geradewegs in das Sichtfeld einer Kamera gelaufen wäre, wenn Vulpix ihm nicht in dem Moment ins Hosenbein gebissen und ihn zurückgezogen hätte. Ryans Erleichterung wich Panik und schließlich Schmach und Schande. Von einem Idioten gerettet. So etwas konnte auch nur ihm passieren. Vorsichtiger geworden, sah er sich um. Wie zu erwarten war der Bereich vor der Schaltzentrale sehr gut bewacht. Mit der ID-Karte der rothaarigen Frau würde er vermutlich reinkommen, aber er konnte schlecht an den Überwachungskameras vorbeilaufen, wenn diese direkt hinter der Tür überwacht wurden. Wo war Shuppet, wenn man es brauchte? "Du kannst nicht zufällig Rauchwolke, oder?", fragte er Foxy. Der Fuchs fiepte kläglich. "Wäre auch zu schön gewesen", murmelte Ryan genervt. "Das Schicksal könnte ja einmal beweisen, dass es mich nicht benachteiligt. Dann halt anders." Ryan schloss die Augen und durchforstete sein Gedächtnis. Er beschwor gedanklich den Trainer-Guide hervor, blätterte durch die Seiten, suchte nach dem Eintrag, fuhr mit einem imaginären Finger durch das Attackenverzeichnis … "Feuerwirbel?" Vulpix nickte eifrig. "Nicht ideal, aber etwas besseres haben wir nicht", sagte Ryan und ließ seine Fingerknöchel knacken. "Also gut, dann beeindrucke mich. Lenk deinen Feuerwirbel so, dass die Kameras für ein paar Sekunden geblendet sind. Ich hoffe nur, dass wir keinen Feueralarm auslösen." Die Füchsin öffnete ihr Maul und sammelte einige Flammen darin, bevor sie einen Strom aus kleinen Flammen losließ, der wie von einer Windhose ergriffen aufgewirbelt und Richtung Kamera und Eingangstür geschleudert wurde. Ryan hatte keine Zeit, sein Verfahren anzuzweifeln, er rannte los, zückte die ID, zog sie durch das Lesegerät und preschte in die Schaltzentrale, Vulpix nur eine Schwanzspitze hinter ihm. Hektisch sah er sich um, den Stachelsporbeutel bereits in der Hand. Niemand war da. Er war allein. Und dort, neben einem der vielen sirrenden Rechner und Bildschirme voller Kamera-Feeds, lag sein geliebter USB-Stick. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)