Prelude of Shadows von yazumi-chan (Die Team Shadow Chroniken) ================================================================================ Ryan – Akt 1, Szene 2 --------------------- 9 Jahre vor Team Shadows Gründung Ryan saß auf der kleinen Holzveranda seines neuen Zuhauses, ließ die Füße baumeln und warf mit Eicheln nach den Taubsi, die im Waldstück unter ihm nisteten. Zwei Wochen. Zwei Wochen redete er nun schon auf seine Eltern ein und es hatte sich nichts getan! Seine Petition war wegen mangelndem Interesse abgebrochen worden, ihm fehlten weiterhin Internet und ein Computer und er litt unter enormen Schlafentzug. Sogar mehr als gewöhnlich. Das Zwitschern der Taubsi weckte ihn, bevor er richtig eingeschlafen war und der Rat seiner Mutter, einfach früher ins Bett zu gehen, war so lachhaft, dass Ryan ihre Worte nicht einmal mit einer Antwort würdigte. Kurzum, sein Leben glich einer ausgewachsenen Apokalypse. Ryan stöhnte und ließ sich platt nach hinten auf den Rücken fallen. Er musste hier weg, egal wie. Wenn er auch nur einen Tag länger Beerensuppe essen musste, lief er Amok. Während er in den ekelhaft kaugummiblauen Himmel starrte, ließ Ryan seine Gedanken schweifen. In Baumhausen City gab es genau einen Computer, und der besaß keinen Internetanschluss. Das Pokémonlagerungssystem verfügte schließlich über sein eigenes Netzwerk und Internet war daher moderner Schnickschnack, wie Schwester Joy nie müde wurde, ihm zu erklären. Als Minderjähriger gestand sie ihm nicht mal Zugang auf die einfachsten Textverarbeitungsprogramme zu und die beiden Male, die Ryan das Passwort ihres Hauptaccounts geknackt hatte, stand fünf Minuten später sein Vater im Pokécenter und schleppte ihn unter farbenfrohen Drohungen zurück nach Hause. Nein, wenn er dieser technikhassenden Hölle entrinnen wollte, musste er von hier verschwinden. Ryan vermutete, dass das Klima-Institut Internet und jede Menge Computer hatte, aber sein Vorschlag, Helen zu ihrem Arbeitsplatz zu begleiten, war prompt abgeschmettert worden. Blieben noch Malvenfroh und Seegrasulb City. Beide Städte waren einige Tagesmärsche entfernt, wenn man wie Ryan kein Fahrrad besaß. Den Weg nach Malvenfroh City über Route 119 kannte Ryan, aber wenn er sich noch einmal durch die Steilhänge mit ihren mörderischen Stiegen oder das brusthohe, dauernasse Gras voller tollwütiger Insekten und Dachse schlagen musste, strangulierte er sich lieber gleich mit einer Liane. Er durfte nicht vergessen, dass er allein sein würde. Ohne Eltern, ohne einen Wildranger oder Guide, der ihn vor wilden Pokémon beschützen konnte. Ihm blieb also nur übrig, die ihm unbekannten Routen 120 und 121 abzuklappern und zu hoffen, dass er heil in Seegrasulb City ankam. Ohne Pokémon würde die Reise äußerst beschwerlich sein, aber wenn Ryan auf etwas keine Lust hatte, dann war es, sich zusätzlich zu seinem Dilemma noch ein Pokémon aufzuhalsen. Wenn er nur daran dachte, wie viel Arbeit diese Viecher machten! Ruckartig setzte Ryan sich auf und warf einen prüfenden Blick ins Haus. Seine Mutter war auf der Arbeit und würde nicht vor Freitagabend zurück sein. Das gab ihm vier Tage, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen. Und was seinen Vater betraf… nun, der konnte gerne weiter seine Waldspaziergänge genießen und bemerkte Ryans Verschwinden hoffentlich nicht, bevor der über alle Berge war. Und überhaupt, wer schwärmte ihm denn seit ihrer Ankunft vor, dass er an die frische Luft gehen und sich mehr wie ein normales Kind verhalten sollte? Ryan schnaubte und verschwand in sein Zimmer, um zu packen. Er konnte nicht glauben, dass er eine mehrtägige Reise unternehmen musste, nur um einem seiner Grundbedürfnisse nachzukommen. Der Rucksack war schnell gepackt. Skeptisch sah Ryan auf die wenigen Wertgegenstände herab, die er mitnehmen würde. Sein Sparfloinkel lag zertrümmert auf den Dielen, den Inhalt steckte er in seine Geldbörse. Darüber stopfte er eine Regenjacke, sowie die paar Tüten abgelaufener Snacks, die er vor der Ausmistaktion seiner Mutter gerettet hatte. Er weigerte sich, die Lebensmittel aus der Küche anzufassen—lieber verhungerte er. Seinen wichtigsten Besitz verstaute er in dem kleinen Geheimfach in der Rückseite. Der USB-Stick enthielt Installationsassistenten, Textdokumente, selbstgeschriebene Programme und Viren und gescannte Lehrbücher über Mathematik, Informatik, Biologie, Chemie und Physik, die ihm die Schwester Joy aus Laubwechselfeld besorgt hatte, sowie PDF-Dateien aller möglichen Baupläne für technische Projekte. Ryan wollte sich schon immer mal seinen eigenen Computer zusammenbasteln, interessierte sich inzwischen jedoch auch für andere technische Gerätschaften. Das angesparte Geld in seiner Börse reichte kaum für den schlechtesten Laptop aller Zeiten, mal abgesehen davon, dass er zu jung war, um die Bauteile legal zu erstehen, aber es war besser als nichts. Entschlossen schulterte Ryan den Rucksack, lief in die Küche und schnappte sich eine der Post-It-Notes, die seine Mutter gerne an den Kühlschrank klebte, um ihm seine Aufgaben für die Woche aufzutragen. Kurz dachte er darüber nach, wie er sein Verschwinden am einfachsten erklären konnte, dann kritzelte er schon seine Nachricht.   Hallo Mama, hallo Papa. Ich werde losziehen, um mein eigenes Pokémonabenteuer zu erleben. Macht euch keine Sorgen, ich melde mich bald. —Ryan     Da. Das war vage und genau das, was seine Mutter sich wünschte. Wenn sie seine Pokémonfreunde sehen wollte, konnte er später immer noch lügen und vortäuschen, sie seien auf der Reise gestorben oder so … ihm fiel schon etwas ein. Hochzufrieden mit sich stopfte Ryan seinen Wohnungsschlüssel in die Hosentasche, klebte den Zettel an den Kühlschrank, wobei er sich zu seinem großen Missfallen immer noch ziemlich weit emporrecken musste, und verließ das Haus. Pokémonabenteuer. Dass er nicht lachte. Mit verbissener Miene balancierte Ryan über die Hängebrücken, die Baumhausen City wie ein gewaltiges Webaraknetz verbanden und kletterte wenige Minuten später die Leiter an der Ostseite hinab. Das dichte Moos federte unter seinen Schuhen. In Baumhausen City hielt niemand es für notwendig, den Bewuchs in der Stadt aufzuhalten und sich um ordentliche Straßen oder Wege zu bemühen und so wucherte das nervige Grünzeug überall. Ein Blick in den Himmel verdüsterte Ryans Laune weiter. Dunkle Wolken zogen von Westen her auf; musste seine Mutter ausgerechnet heute ein Experiment mit ihrem komischen Wetterpokémon machen? Er hatte kaum die bewohnten Baumriesen hinter sich gelassen, da platschten schon die ersten Tropfen auf seine Nase und formten Schlieren auf seiner Brille. Nur wenige Sekunden später setzte der Regen ein und durchnässte Ryan bis auf die Unterhose, bevor er auch nur die Gelegenheit hatte, seine Regenjacke anzuziehen. Es erforderte Ryans gesamte Selbstbeherrschung, nicht auf der Stelle umzudrehen und sein Vorhaben aufzugeben. Während er mit über dem Kopf zusammengeschlagenen Armen durch das spritzende Moos rannte, das sich wie ein Schwamm mit dem kalten Wasser vollsog und mühelos seinen Hosensaum tränkte, dachte er an die Wegstrecke, die ihn bis nach Seegrasulb City erwartete. Er würde mindestens fünf Tage unterwegs sein, höchstwahrscheinlich mehr. Und all das nur, weil seine Mutter ihm keinen Computer zugestehen wollte. Ryan verfluchte die Welt und sein Schicksal und rannte weiter. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)