Freund gesucht! MxM von NicoRomeo ================================================================================ Kapitel 7: ----------- -- Samstag, ca. 08:30 -- Ding. Ding. Ding. „Scheiße, irgendwer klingelt da!“ Genervt erhob sich Nick aus seinem bequemen Bett. Geschlafen hatte er kaum, da er von diversen Gedanken - rund um einen bekannten Halb-Portugiesen - heimgesucht wurde. Außerdem war ihm aufgefallen, dass er wenig über Case wusste. Und er musste zugeben, dass er überlegt hatte, wie sein Schein-Freund wohl wirklich hieß. Nick wollte heute nicht zur Firma. Also konnte er doch theoretisch noch ein bisschen liegen blieben und Schlaf nachholen… Ding. Ding. Ding. „Fuck!“ Noch nicht ganz wach stolperte der 26-jährige beinahe über seine Schuhe, die auf dem Boden lagen. „Verdammt!“ Fluchend eilte er zur Tür, denn diese machte unnachgiebig auf sich aufmerksam. Ohne zu prüfen wer es war, betätigte er den „Öffnen“-Button und wartete missmutig auf den unangekündigten Besucher. Genervt fuhr er sich dabei durch sein ungekämmtes Haar. „Nicholas! Scheiße, wie siehst du aus?“, erklang es lachend. Sein älterer Bruder Asher kam die Treppe herauf gesprintet. Und in was für einem mördermäßigem Tempo. Überrascht über die Ankunft blickte Nick leicht perplex drein. Wahrscheinlich sah er ziemlich bescheuert aus: Nur in Boxershorts und einem verschlafenen Gesicht, das wohl einer Kreatur aus der Geisterbahn glich. „Habe dich wohl geweckt… Na, egal. Lass‘ dich erstmal umarmen! Wie lange haben wir uns nicht gesehen? Vier Monate?“ Der Mann, der in etwa dieselbe Statur und ungefähr so groß war wie Nick, vielleicht ein bis zwei Zentimeter kleiner, nahm den 26-jährigen herzlich in den Arm. Wie beinahe immer, wenn sie sich sahen, trug er auch heute einen schicken blauen Anzug. Und genau wie sein kleiner Bruder war er ein sehr gutaussehender Mann. Allerdings mit kurzen, dunkelblonden Haaren, stahlblauen Augen und weniger Gesichtsbehaarung. Er war der einzige, der vom Äußeren mehr nach ihrem biologischem Vater kam. „Morgen… Asher…“ Mit leichter Verzögerung erwiderte der Juniorchef die Umarmung. „Wie kommt es, dass du mich mit deiner Anwesenheit beehrst? Zu so… früher… Stunde?“ „Ich habe hier in der Nähe ein Treffen mit einem Mandanten von mir. Da dachte ich, ich statte dir einen kleinen Besuch ab. Wo ich euch doch eh bald auf Emma-Maries Hochzeit ertragen muss. Und eine Frage… Rasierer gibt es in deiner Welt nicht oder?“ Er zeigte auf Nicks Bart. „Sehr witzig. Wohl eher müssen wir dich ertragen.“ *„Und deine pervers gute Laune am frühen Morgen…“*, dachte sich der 26-jährige leicht gequält. Auf die Anspielung, dass er sich mal rasieren sollte, ging er gar nicht ein. Schließlich war es Samstag, sie waren hier in seinem Haus und Frauen fanden ein bisschen Bart ausgesprochen sexy. *„Casey sicher auch“*, flüsterte eine Teufelsstimme in seinem Kopf. Zum Glück fehlte Nick die Zeit, weiter über den Halb-Portugiesen in seinen seltsamen Gedanken zu philosophieren. „Ich habe mir überlegt, wo wir uns so lange nicht gesehen haben, dass du uns ein nettes kleines Frühstück machst.“ Asher trat weiter in Nicks geräumiges Apartment und blickte sich neugierig um. „Mensch, gar nicht so unordentlich wie beim letzten Mal. Hast du eine Putzfrau?“ „Ähm… Kann sein“, gab Nick von sich. Ihm war das etwas unangenehm. „Sie ist nur einmal in der Woche hier“, verteidigte er sich. „Ich kann dir nur von meiner Haushälterin vorschwärmen. Die ist absolut genial. Und nett anzusehen nebenbei. So eine feurige Spanierin.“ Asher lachte. Nicks wahrscheinlich schon queer denkendes Gehirn produzierte bei dem Wort „Spanierin“ in Verbindung mit „Haushälterin“ ein Bild von Casey im süßen Hausmädchenkostüm. Und das Gesicht, was der 20-jährige dabei aufgelegt hatte, war nicht so erfreut. Abgesehen davon, dass sein verdammter Schein-Freund nicht aus Spanien kam, schien er sich wieder in seinem Gehirn festzusetzen. „Nun, wie ich sehe… Hast du noch immer keine Frau, Nicholas?“ Der 31-jährige schien nicht allzu verwundert zu sein. „Ziehst wohl immer noch dieses ‚One Night Stand-Ding‘ durch.“ Der arme Tropf hatte wohl noch nicht die interessanten Neuigkeiten der Familie Harford zu hören bekommen. Dabei wirkten diese sich positiv auf Ashers… Stand aus. Als der Anwalt nämlich verkündet hatte, er würde den Namen seiner Frau Fiona Burton annehmen, war das erste Drama bei ihnen losgegangen. Ihre Mutter Janice war entsetzt gewesen. Eher mehr als entsetzt. Und irgendwann nach der Vermählung war es immer seltener geworden, dass Asher seiner Familie Besuche abstattete. Er hatte sich rar gemacht. Und genau an diesem schönen, freien Samstag hatte er beschlossen, Nick auf den Sack zu gehen… Klasse. Erste Sahne. Bevor sich dieser in irgendeiner Art und Weise bezüglich seines Liebesleben erklären konnte, schellte es erneut an der Tür. „Verflucht, wer ist das jetzt schon wieder?“, rief er genervt. „Du scheinst gereizt. Hast wohl lange keine mehr flachgelegt. Wenn du willst, ziehen wir zusammen los und ich greife dir brüderlich unter die Arme“, kam es äußerst hilfsbereit von Asher. Der 31-jährige setzte sich an den Küchentisch. Dreist war er ja schon immer gewesen. „Das ist übrigens John an der Tür. Ich habe ihn eben angerufen und gefragt, ob du heute arbeitest. Er meinte Nein und dass er heute eh zu dir fährt.“ Da machte es Klick. Sein Stiefvater hatte ihm angekündigt, dass er zu ihm wollte, um etwas zu besprechen. Ab Morgen war John nämlich eine Woche außer Landes. Mit knirschenden Zähnen öffnete Nick also noch einmal die Tür. „Morgen, Nicholas. Du hast sicher an unser Treffen gedacht.“ Johns Stimme tropfte nur so vor Spott. Genau wie Asher war er im Business-Outfit. Er hatte seinen Stiefsohn kritisch gemustert. Obwohl… es gab ja nicht viel zu mustern. Viele Klamotten trug er nicht gerade. „Natürlich, setz‘ dich doch. Ich mache uns gleich Kaffee, John“, probierte es Nick auf die versöhnliche Weise. Ohne noch ein Wort des Hohns nahm John Platz. Natürlich erst, nachdem er auch seinen zweiten Sohn begrüßt hatte. Diesmal mit etwas mehr Begeisterung. Tja, Asher war nun im Familienrang ein ganzes Stück hoch gestiegen. Und ahnte vermutlich noch nicht mal etwas davon… „Wie wäre es, wenn du dir etwas anziehst, Nicholas?“ „Moment, lass‘ mich erst den Kaffee aufsetzen.“ Nick drehte sich auch sogleich zur Kaffeemaschine. *„Irgendetwas habe ich doch noch vergessen…“* Während er überlegte, bereitete er alles vor, um seine Gäste bedienen zu können. Plötzlich ertönte ein Klingeln. Nick war schon drauf und dran, einen bösen Fluch auszustoßen, doch diesmal war es nicht die Haustür des Juniorchefs, sondern das Handy seines Bruders. „Das ist mein Mandant. Entschuldigt mich bitte kurz.“ Stets höflich, zumindest in Johns Anwesenheit, erhob sich Asher und machte sich auf den Weg nach draußen. Die Tür hielt er etwas auf, damit er sich nicht aussperrte. Man konnte ihn leise wichtig telefonieren hören. Als Anwalt hatte er wohl auch eher selten Feierabend. Nick nutzte die Chance und warf sich selbst schnell in eine Jeans und ein dunkelblaues Polo-Shirt. Allerdings hatten nicht alle mitbekommen, dass es mehrmals geläutet haben musste, und in der Küche nun mehr oder weniger reges Treiben herrschte. Es öffnete sich die Tür vom Gästezimmer und hinaus trat… Casey! *„Oh, da war ja was…“* Nick biss sich auf die Unterlippe. Jetzt würde es wieder Theater geben. Grandios. Der 20-jährige ahnte nicht, in was er sich da begab. Er trug seine Kleidung vom Vortag und wollte gerade ins Badezimmer tapsen, als er spürte, wie es Todesblicke in seine Richtung hagelte. „Was macht er hier?!“ John war sauer. Nick hatte nichts Anderes erwartet. Casey blieb abrupt stehen und sah erschrocken zu ihnen. „Oh, g-guten Morgen, Mr. Harford.“ John antwortete nicht. Seit dem Vorfall in Nicholas‘ Büro hatte er beschlossen, jegliche falsche Freundlichkeit in Gegenwart dieser Person sein zu lassen. „Weiß Asher schon von ihm?“ Wie auch beim Familienessen zeigte John abwertend auf Casey. Nick stellte seinem Stiefvater die Tasse Kaffee geräuschvoll vor die Nase. „Er ist mein Freund, da ist es doch wohl selbstverständlich, dass er bei mir ist! Und Nein, aber keine Sorge, ich werde Asher gleich in Kenntnis setzen, falls dich das beruhigt. Ich verschweige nichts!“ „Wenigstens haltet ihr es altmodisch. Oder wieso schläft ihr in getrennten Betten? Wahrscheinlich lässt der dich nicht mal ran, Nicholas. Bis zur Hochzeit oder wie?“ John lachte spöttisch. „Ich hoffe, dass du zumindest kein Kleid tragen wirst.“ Er hatte hervorragend sehen können, wie das kleine Luder aus dem Gästezimmer getreten war und nicht aus Nicholas‘ Schlafzimmer. Für John war sowieso klar, dass dieser seltsame Casey nichts Gutes im Schilde führte. Er hatte sich bereits bei der Universität erkundigt, bei der die Schwuchtel angeblich studierte. Und natürlich war kein Casey Summers verzeichnet. Diese männliche Schlampe wollte sicher nur das Geld des Juniorchefs und er würde diesem schon noch die Augen öffnen! Eigentlich wollte er es heute tun, aber… es war anscheinend nicht der richtige Zeitpunkt, Nicholas aufzuklären. Solange er dieses… Problem vor der Hochzeit aus der Familie hatte, war aber alles gut. Und das würde er schaffen! Im Notfall würde er früher von seinem Aufenthalt zurückkommen. Die Hauptsache war, dass die Hochzeit seiner Em nicht ruiniert wurde, von zwei… Männern. Mit Nick ging es schon wieder durch. Er konnte zwar die Gedanken seines Stiefvaters nicht lesen, doch er spürte, dass John etwas plante. Er drehte sich zu seinem Schein-Freund, der immer noch leicht verwirrt dastand. Casey hatte schlecht geschlafen, da er ständig von brennenden Häusern und Nick in Feuerwehrmann-Montur geträumt hatte. Und jetzt tauchte hier dieser homophobe John Harford auf und behandelte ihn wie Abschaum. Da fing der Tag bereits super an! Doch plötzlich erreichte Case in dieser dunkeln Stunde ein Lächeln. War es sonst nicht er gewesen, der Nick eines geschenkt hatte? Und plötzlich stand der Juniorchef vor ihm, legte ihm eine Hand an die wahrscheinlich schon leicht kratzige Wange und beugte sich für einen kurzen, wohl typischen „Guten-Morgen-Kuss“ zu ihm. „Hast du gut geschlafen, Schatz? Bitte hör nicht auf die Worte meines Stiefvaters.“ „Ja, natürlich.“ Case zwang sich nun ebenfalls zu einem Lächeln. „Ich… würde gerne duschen“, flüsterte er zu Nick. „Klar, kein Problem. Habe dir gestern schon alles hingelegt. Auch… ein paar Sachen. Danach gibt es Frühstück.“ Nick zwinkerte und streichelte Casey noch einmal, diesmal über den Arm. Dann machte sich der Juniorchef wieder daran, etwas Brauchbares zu essen und zu trinken zu zaubern. Case war heilfroh, als er endlich im Bad angelangt war. Und wie er feststellen konnte, hatte Nick tatsächlich schon einiges für ihn bereit gelegt. Unter anderem sogar eine Zahnbürste, die noch in der Verpackung war. Darüber musste der Halb-Portugiese lächeln. Trotz allem musste er bald hier weg. Er hatte noch eine Verabredung mit einem Klienten zu irgendeiner langweiligen Ausstellung. Und für diese musste er gut aussehen. Also schnell fertig machen und dann zur Agentur. Dort hatten sie auch Kleidung und Räume, damit sich die Angestellten herausputzen konnten. Danach ging es ab zu Miguel. Und vielleicht konnte er vorher noch abklären, ob er mehr Aufträge annehmen konnte. Darüber hatte er schon gegrübelt. Während Nick versuchte, mit dem, was sein Kühlschrank hergab, ein passables Frühstück zu machen, stolzierte Asher nach geschlagenen fünfzehn Minuten mit den Worten „Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat“ wieder zu ihnen in die Küche. „Asher, setz‘ dich, Nicholas will dir noch etwas Wichtiges mitteilen…“ „Was ist passiert, hast du eine Frau geschwängert?“, fragte der älteste Spross der Familie Harford leicht belustigt und sah erwartungsvoll zu seinem Bruder. „Schlimmer“, kam es nur von John. Nick seufzte und stellte trotz der Worte Toast und gebratene Eier mit Speck auf den Tisch. Teller folgten ebenfalls. „Eine minderjährige Frau? Wenn es so schlimm ist… lasst mich erstmal kurz austreten, bitte.“ Asher wollte auf die Toilette. „Nein, warte! Die ist gerade besetzt, nimm die andere!“, rief Nick. „Ist da etwa eine feurige Spanierin drin, die du vor mir verstecken willst? Dann gehe ich auf jeden Fall rein.“ Asher ließ sich wohl trotz der Worte nicht stören und ging grinsend weiter. Er hatte die Hand schon auf den Griff gelegt, da ging diese schwungvoll auf und verfehlte ihn nur knapp. Vor Asher stand keine feurige Spanierin, sondern viel mehr Casey. Er trug ein schwarzes T-Shirt von Nick, das ihm fast bis zu den Knien ging. Die Jeans war aber seine eigene, da die von seinem Schein-Freund einfach zu groß war und trotz Gürtel herunterrutschen würde. Seine Haare waren noch nass und in seiner rechten hielt er ein Handtuch. „Entschuldigung... Das Bad… ist… frei…“ Casey blieben die Worte beinahe im Halse stecken, als er den großen Mann vor sich erblickte. Auch Asher starrte mit weit aufgerissen Augen auf den Halb-Portugiesen. „Ähm Asher…“ Nick stand nun neben seinem Bruder. „Ich muss dir etwas sagen…“, fing der 26-jährige an. Schon wieder überkam ihm diese… Beklommenheit. Auch wenn er Case gestern zurückgeküsst hatte, aus noch ungeklärten Gründen, war er nicht schwul! Also nicht so schwer, mit der Sprache herauszurücken, da es ja nicht stimmte. Er hatte jedoch nicht damit gerechnet, sich so schnell vor seinem Bruder outen zu müssen. „Es ist so… ähm…“ Nick sah wie beim ersten Mal hilfesuchend zu Casey, doch der schien gerade wie paralysiert. John hatte sich nun neben Nick positioniert und die Arme verschränkt. „Komm’, sag’s ihm schon, Nicholas!“, forderte John. „Verdammt. Ich bin schwul, Asher, und Casey hier ist mein Freund. Casey, das ist mein älterer Bruder Asher Burton.“ „Das… ist ein Scherz oder? Du… mit… ihm… schwul?“ Asher fing an zu lachen. Genauso wie John und Jeremy zuvor. Es war kein herzliches Lachen. „Asher, ich weiß, es ist wirklich lächerlich, aber es stimmt wohl.“ Wie immer war ihr Stiefvater keine große Hilfe. „Du bist also tatsächlich schwul?“ Asher war verwirrt. Wer war es nicht? Sie alle kannten Nicks Frauengeschichten. „Ja, Asher. Wirklich. Du bist nun nicht mehr das schwarze Schaf der Familie Harford, sondern ich.“ Nick war nun langsam etwas genervt. Zum Spaß würde er das doch nicht behaupten! Nur… um sich Weiber vom Leib zu halten. Und vielleicht… um mit Casey… ein wenig… STOPP! „Freut mich… Sie… kennen zu lernen, Mr. Burton.“ Casey schien sich gefangen zu haben, versuchte somit den ersten Schritt zu machen und reichte Asher leicht zögerlich die Hand. Dieser ergriff sie kurze Zeit später. „Ebenfalls. Mr. Casey. Haben Sie auch einen Nachnamen?“ „Summers.“ „Ah, Mr. Summers also.“ „Seid doch nicht so förmlich. Case ist auch bei der Hochzeit dabei.“ Nick versuchte, die angespannte Stimmung aufzulockern. „Und jetzt lasst uns essen. Casey, komm ja nicht auf die Idee, ihn 'Mr. Burton' zu nennen. Und du andersrum genauso, Asher.“ Nick ging voran und auch John hatte sich seinem Stiefsohn angeschlossen. „Wie du willst, Brüderchen. Ich bin dann mal im Bad“, rief er noch hinterher. „Nick, ich muss arbeiten. Ähm, ich rufe dich später an, ja?“ Casey wollte sich schnell in das Gästezimmer machen, um seine Sachen zu holen. „Ach, jetzt willst du dich verpissen?! Was spielst du für ein Spiel hier?“, zischte Asher leiser und achtete darauf, dass sein Bruder und John nichts mitbekamen. Er zerrte Casey unsanft mit auf die Toilette und schloss ab. „Was machst du hier, Feliciano?! Dein krimineller Bruder und du, ihr habt schon genug zerstört! Und wehe, du sagst auch nur ein Wort zu Nicholas! Und wieso nennst du dich jetzt ‚Casey Summers‘? Etwas Dümmeres ist dir wohl nicht eingefallen?!“ Casey reichte es langsam. Es reichte ihm wirklich. Immer war er hier der Buhmann. Und er hatte ganz andere Probleme, als diesen eingebildeten Kerl vor sich, der ihm mittlerweile schon einen blauen Fleck auf seinem Arm beschert hatte. „Lass‘ mich auf der Stelle los, Asher. Keine Sorge. Ich sage nichts, wenn du auch deine verdammte Klappe hältst!“ Asher warf ihm einen hasserfüllten Blick zu. Doch er ließ von Casey ab. „Du trennst dich sofort von meinem Bruder, hast du verstanden?“ „Wir sind nicht mal zusammen, du Arschloch!“, hätte Case am liebsten laut geschrien. Er war hier doch nur eine Marionette, die man beliebig aufziehen konnte, wie man wollte. *„Zumindest bringt es Geld.“* „Dein Bruder und ich sind glücklich. Und wag‘ es nicht, nochmal Miguel zu beleidigen, er sitzt seine Strafe ab! Und woher sollte ich wissen, dass du Nicks Bruder bist, wo ihr doch verschiedene Nachnamen habt!“ „Pass auf, Kleiner. Bis jetzt war ich noch sehr nett zu dir.“ Grob packte er Case erneut. Diesmal am Kragen. „Wenn du nicht willst, dass dein verschissener Bruder noch länger sitzt, dann machst du Schluss. Ich will euch hier nicht mehr sehen!“ Bei Casey riss der Geduldsfaden. Mit aller Kraft verpasste er Asher eine, sodass dieser ihn endlich losließ und machte sich schnell aus dem Bad. Das nun seine Hand schmerzte, ignorierte er gepflegt. Er rannte ins Gästezimmer, sammelte alles ein und wollte einfach nur noch weg. Es war doch alles scheiße! Seine Familie hatte kein Geld. Miguel saß im Knast. Nick war hetero. Und das allerschlimmste: Asher war Nicks Bruder! Und so einen hatte er mal toll gefunden. Er merkte, wie ihm langsam die Tränen kamen. Eilig wischte er sich diese weg und lief in die Küche zu Nick. John blendete er komplett aus. „Wir sehen uns später. Mach’s gut, Nick. Danke und so. Du weißt schon.“ Er drückte dem verdutzten 26-jährigen einen Kuss auf die Wange und verschwand. „Willst du denn nichts essen, Schatz?“, doch diesen Satz hatte Casey nicht mehr gehört. Und selbst wenn, dann hätte er nicht geantwortet. Nachdem Asher sich gefangen und sein Geschäft verrichtet hatte, blickte er sich lange im Spiegel an. „Scheiße, das gibt es doch nicht! Bei allen Kerlen dieser Welt“, fluchte er. Am liebsten hätte er filmreif in den Spiegel geschlagen. „Ist alles in Ordnung bei dir, Asher? Und was ist mit deinem Gesicht?“ „Habe mich eben an der Tür gestoßen, als dein Freund rauskam.“ Mittlerweile saßen die drei Männer am Tisch. Asher hatte kein Wort mehr gesprochen. „Nick, was soll schon in Ordnung sein? Dein Bruder hat gerade erfahren, dass du mit Männern…“ John fand wohl nicht die weiteren Worte, oder er wollte sie nicht aussprechen. „Wie lange willst du mir das noch vorhalten, John? Außerdem dachte ich, dass wir heute etwas Wichtiges besprechen wollten, bevor du Morgen fliegst!“ Was hatten die denn alle plötzlich? Er hoffte sehr, dass zumindest Casey sich später bei ihm melden würde. Irgendetwas war doch nicht in Ordnung. Vielleicht bekam sein Schein-Freund jetzt ein schlechtes Gewissen wegen Miguel. Sie hatten sich schließlich geküsst… und das aus privater Natur. Und wer weiß was noch gelaufen wäre, hätte dieses vermaledeite Telefon nicht geklingelt… Nachdem Asher mehr in seinem Essen herumgestochert hatte, als es zu sich zu nehmen, erhob er sich vom Tisch. Seine anfängliche blendende Laune war lange verflogen. „Ich habe gleich den Termin mit meinen Mandaten. Entschuldigt mich bitte. Nicholas, danke fürs Essen.“ Er klopfte seinem Bruder auf die Schulter, umarmte kurz seinen Stiefvater und verließ dann ebenfalls das Apartment. „Gut, wo nun alle weg sind… Eigentlich wollte ich etwas wegen dir und deinem… Freund besprechen. Aber ich denke, das sollten wir verschieben. „Ich hatte gestern noch mit unserem Unternehmensberater gesprochen… Hol‘ mal deinen Laptop, bitte…“ John nahm einen Schluck von seinem Kaffee und sah abwartend zu Nick. Dieser hätte beinahe sein Netbook in die Küche gebracht, doch rechtzeitig war ihm noch eingefallen, dass er auf diesem ja hochinteressante Recherchen betrieben hatte… Während Nick mit seinem Stiefvater langsam wieder sachlich und vernünftig sprach, fuhr Case mit der Bahn zur Agentur. Vorher hatte er sich noch einige Sachen besorgt, um nicht ganz so fertig und müde auszusehen. Die Angestellte, die am Empfang saß, gab ihm grünes Licht für eines der Räume. Schnell schnappte er sich vorher einen Smoking in seiner Größe und alles, was er dazu benötigte. Fertig angezogen trat er hinaus. „Könnte ich einen Blick auf alle Aufträge werfen, die heute eingegangen sind?“ Diese wurden ihm auch schnellstmöglich ausgehändigt. Kritisch überflog er alle. Viele wollten ein wenig… fummeln. „Gut, das kriege ich hin. Bin ja keine Jungfrau mehr“, dachte er sich. Die Angaben der potentiellen Klienten klangen nicht so verlockend wie die von Nick damals, doch er wollte nicht allzu zimperlich sein. Einige hatte er der Empfangsdame aber entschieden zurückgegeben. Er deponierte seine Sachen in einem Schrank, den er für sich beansprucht hatte und machte sich auf den Weg zum Platz, von wo aus ihn sein Klient für die Ausstellung abholen wollte. Das würde lang werden. Glücklicherweise konnte er danach endlich zu Miguel. Nach diesem überraschenden, nicht gewollten Wiedersehen mit Asher Burton, freute er sich mehr denn je darauf. Zudem musste er Miguel natürlich auch warnen. Und diese Sache mit dem Brand… musste er ihm auch irgendwie beibringen… Nach drei langen und vor allem schrecklich öden Stunden hatte Casey die Verabredung hinter sich. Sein Job konnte sehr aufregend sein… aber bei solch älteren Klienten auch das komplette Gegenteil. Er stattete der Agentur schon wieder einen Besuch ab, um sich umzuziehen und seine Sachen zu holen und machte sich dann auf den Weg zum Gefängnis. Auf der Fahrt schaute er auf sein Mobiltelefon. Seine Mutter hatte geschrieben. Seiner Cousine ging es wohl ein wenig besser. Und Tante Rose musste ihren homophoben Sohn gezwungen haben, Case ebenfalls zu schreiben. „Du kannst wirklich gerne bei uns schlafen…“, lautete die Nachricht von Hunter. „Lieber verbringe ich eine Nacht auf der Straße.“ Case war fertig. Aber bald konnte er seinen Bruder in den Arm nehmen. Das tröstete ihn. Er vermisste ihn unendlich und mittlerweile saß Miguel schon über ein Jahr in dem verdammten Knast. „Hey Case… tut mir Leid für das Chaos heute Morgen. Soll ich dich von irgendwo abholen?“ Und nachdem seine Augen diese Nachricht gelesen hatten, musste er noch mehr lächeln. Er hatte sich in Nick verliebt! Aber sie konnten unmöglich zusammen sein, selbst wenn Nick nicht hetero wäre. Wieso war alles so kompliziert? Wieso konnte es nicht einfach sein? Als Casey kurze Zeit später endlich zu seinem Bruder durfte, war er außer sich vor Freude. Er sprang diesen geradezu an, obwohl Körperkontakt eigentlich nicht erlaubt war. Was der Wärter dachte, war ihm völlig egal. „Miguel, ich habe dich so vermisst!“ Dieser war vielleicht einen halben Kopf größer als Case und trug mittlerweile einen Bart. Seine dunklen Haare waren so lang, dass er sie zu einem Pferdeschwanz zusammen gebunden hatte. Casey weinte vor Freude und auch dem 24-jährigen erging es nicht anders. „Kleiner Bruder… Endlich sehe ich hier drin etwas Schönes!“ „Ich habe euch schon beim letzten Mal gesagt, kein Körperkontakt!“ Der Wärter zerrte die zwei unsanft auseinander und drückte sie auf die vorgesehen Plätze. Miguel war in seiner Freiheit sowieso durch Handschellen eingeschränkt. „Feli, erzähl. Wie geht es dir? Und wie geht es unserer Mom?“ Miguels Englisch war ein wenig schlechter als das von Case und sein Akzent stärker. Wenn es nicht untersagt wäre, hätte er vermutlich Portugiesisch mit dem 20-jährigen gesprochen. „Uns beiden geht es gut. Wie geht es dir?“ Allerdings wollte Miguel viel lieber etwas von seinem Bruder hören. „Okay, ich… muss dir etwas sagen. Bleib' bitte ganz ruhig…“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)