Virus von fragile ================================================================================ Kapitel 19: ------------ Es dauerte nur einen kleinen Moment, bis mein Gehirn die Situation verarbeitet hatte und die mir unbekannte Person in eine Schublade sortierte. Und diese gehörhte zu einem Schrank in meinem Kopf, auf den in großen Buchstaben Mr. S prangte. Ich schluckte und strich eine Strähne hinters Ohr. Ich wollte „Hallo“ oder „Schön Sie kennenzulernen“ über meine Lippen bringen, allerdings kam nichts außer einem krächzenden Ton heraus. Sie lächelte und strich sich den Rock glatt. „Nur nicht so schüchtern, Sakura.“ Sie klang amüsiert. Ich räusperte mich und zog die Decke enger an meinen Körper. „Hi, Mrs.?“ Sie lachte und warf dabei die Hände in die Luft. „Ach, nenn mich Mikoto.“ Ein Schauer kroch über meine Arme und mein Herz begann ein rasantes Tempo anzunehmen. Meine Finger krallten sich in die weiche Bettdecke, während ihr Blick weicher wurde. „Herzchen, ist alles in Ordnung?“ Ich nickte und befeuchtete nervös meine Lippen. Dieser Moment glich einem Kinofilm mit verworrener Handlung. Fehlte nur noch, dass Sasuke tatsächlich aus dem Badezimmer hereinspazierte. „Okay. Weißt du was? Ich lass dich kurz alleine und koche uns einen Kaffee. Du kannst dich in aller Ruhe frisch machen und wir treffen uns dann in der Küche. Sasuke ist im Bad, oder?“ „Ehm, nein. Er ist in Fukuoka“, antworte ich. Sie runzelte ihre Stirn und schien kurz zu überlegen, ehe ein breites Lächeln auf ihrem Gesicht erschien. Dann stand sie auf und mit einem letzten Blick ließ sie mich alleine. Ich schnappte nach Luft und griff nach meinem Handy, um Inos Nummer zu wählen. „Sakura?“ „Hi“, antwortete ich knapp. Sie gähnte laut und schien sich im Bett aufzusetzen. „Alles in Ordnung?“ Ihre Stimme klang besorgt. „Seine Mutter ist hier.“ Ino nahm einen tiefen Atemzug, schwieg eine Sekunde und brachte dann ein Quietschen über die Lippen, dass sie sonst nur preisgab, wenn sie reduzierte Modestücke entdeckte. „Du hast schon deine Schwiegermutter kennen gelernt?“ Ich verschluckte mich an meiner eigenen Spucke und hustete. „Sie ist nicht meine Schwiegermutter“, brummte ich. „Du gehst ganz schön in die Vollen. Nicht mal ich kenne Sais Eltern und ich bin seit einem Jahr mit ihm zusammen.“ „Du drückst dich ja auch vor jedem Treffen.“ Ich rollte mit den Augen. „Und sie ist nicht meine Schwiegermutter“, fügte ich hinzu. Ino kicherte. „Die Familie des Partners ist immer eine Herausforderung. Da muss man sich erstmal darauf vorbereiten. Die kriegt man gratis dazu, selbst wenn man sie nicht will.“ Ein Schnauben entfloh mir. „Ino. Was mach ich jetzt?“ „Schau in seinen Schrank. Wenn du Glück hast, findest du einen Fallschirm. Dann such dir das nächste Fenster und spring.“ Sie grunzte amüsiert. Ich schnalzte abwertend mit der Zunge. „Okay, okay. Pass einfach auf, dass du in nicht in Fettnäpfen trittst“, begann sie nun ernsthafter. „Begrüße sie ordentlich, stell dich vor. Ich hoffe, du bist nicht halbnackt in dieser Wohnung unterwegs?“ Ein Rotschimmer legte sich auf meine Wangen. „Nein, nein. Ich hab Sachen von ihm an.“ Sie zog scharf die Luft ein. „Sicher, dass zwischen euch nichts läuft? Seine Sachen? Du solltest dir gleich eine Schublade frei räumen und deine wenigen Habseligkeiten reinlegen.“ Ich raufte meine zerzausten Haare. „Könnten wir bitte ernst bleiben?“ „Ich bin ernst. Du versuchst jetzt erstmal deine Zotteln im Haar zu beseitigen. Wahrscheinlich stehen sie wieder hexenartig vom Kopf ab und den Anblick kannst du ihr ruhig ersparen.“ „Hat sie doch längst gesehen“, seufzte ich. „Jedenfalls solltest du sie nicht so lange warten lassen. Mach ein bisschen Smalltalk.“ Ich schwieg und ließ mich zurück auf die Matratze fallen. „Sakura? Du weißt, dass die Schwiegermutter in spe ziemlich viel Einfluss haben könnte, was den Fortgang der Beziehung angeht?“ Ihre Stimme klang erneut amüsiert. „Du bist so… du bist unmöglich, Ino“, schnaufte ich. „Wenn du jetzt nicht Stunden entfernt wärst, würd ich doch glatt mit dem Wagen vor der Tür warten.“ „Ach, und wozu?“, brummte ich verstimmt. Ihr Lachen drang etwas knisternd durch den Hörer. „Wie in den Filmen, Süße. Mit laufendem Motor und offener Wagentür.“ „Das ist kein Bankraub, Ino.“ „Du musst das Herz deiner künftigen Schwiegermutter rauben. Sonst wird das doch nichts mit deinem mysteriösen Lover.“ Ich konnte förmlich ihr Augenbrauenwackeln hören. „Ich habe nicht mal Sasukes Herz. Wozu also das seiner Mutter wollen?“ „Schwingt da etwa Frustration mit?“ Ich schwieg und schob die Unterlippe hervor. Sasuke und ich waren mitten in der Kennenlernphase. Wenn man das überhaupt als Kennenlernen einstufen konnte. Immerhin wusste ich wirklich noch immer nicht wie er aussah und seine Wohnung gab Fototechnisch überhaupt keinen Anreiz darauf. Gut – vielleicht war ich ein wenig frustriert. Ich kannte seinen besten Freund, dessen bezaubernde Freundin und jetzt stand sogar seine Mutter in der Küche und kochte mir einen Kaffee. Das ganze konnte nur noch bizarrer werden. Wen würde ich wohl als nächstes treffen, bevor ich Mr. S tatsächlich gegenüberstand? Seinen Vater oder seinen Bruder? Vielleicht sogar beide gleichzeitig. Ich schnaubte. „Weißt du, Schätzchen, du solltest ihn anrufen. Heute irgendwann.“ „Ach, sollte ich das?“ „Das beruhigt dich vielleicht etwas. Sobald du nämlich mit deinem Loverboy telefonierst oder chattest, hast du rote Wangen und ein Dauergrinsen. Und du bist happy.“ Wieder schwieg ich und konnte ihr Kichern erneut vernehmen. „Ruf ihn nachher einfach an. Wir leben in einer modernen Welt. Du kannst selbst die Initiative ergreifen, wenn du ihn willst.“ „Das reicht jetzt, Ino.“ „Richtig. Du solltest endlich zu Mama S gehen. Sonst sammelst du doch noch Minuspunkte“, gackerte sie. „Ino Yamanaka. Du bist und bleibst unmöglich. Ich leg jetzt auf.“ „Berichte mir jedes noch so kleine Detail!“ Als sie auflegte, nahm ich einen tiefen Atemzug und schwang mich dann aus dem Bett. Sie hatte immerhin Recht. Es war unhöflich, jemanden warten zu lassen. Und vielleicht konnte ein wenig Koffein helfen, meine Gehirnzellen auf Trab zu bringen. Keine zehn Minuten später saß ich der anmutigsten Frau gegenüber, die ich je gesehen hatte. Mikoto war zierlich und hatte dunkle Augen, die allerdings einen helleren Ton annahmen, sobald Licht hineinfiel. Ich musste unweigerlich an Kies in einem Bach denken, das in verschiedenen Tönen schimmerte. Ihr Haar war glatt und schwarz. Mir schoss das Bild von Schneewittchen in den Kopf und ich war mir sicher, würde Mikoto Uchiha jemals für eine Rolle des Schneewittchen vorsprechen, so genügte nur der Blick auf ihre Gestalt. Mag sein das ich etwas übertrieb, aber sie war wirklich eine Schönheit. Und was machte die Durchschnittsfrau von heute, wenn sie so jemandem gegenüber saß und am Kaffee nippte? An die ganzen Unterschiede denken. Während sie etwas kleiner als ich selbst und wirklich zierlich war, hatte ich Rundungen. Ich war nicht dick – keineswegs. Und mit meiner Mitbewohnerin, die absoluter Fitnessfreak war, bestand erstmal auch keine Gefahr, dass sich dieser Umstand änderte. Ich muss sicher nicht mehr anmerken, wie oberflächlich Ino manchmal sein konnte. Mikoto strich eine ihrer langen Strähnen zurück und für eine Millisekunde war der Neid über das schöne Haar vorhanden. Mein eigenes schien sich je nach Wetter zu verändern. Bei Nässe kräuselten sich zum Beispiel die kleinen Strähnen. Wenn ich die Haare dann nicht sofort bürstete, blieb mir nichts anderes übrig, als sie in einem unordentlichen Knoten hochzustecken. Mikoto räusperte sich und riss mich somit aus meinen Gedanken. Nervös tippelte ich mit den Fuß. Das war absolut merkwürdig. Ihr Gesicht lächelte. Sie strahlte geradezu von einem Ohr zum anderen. Sie schien nur aus einem Gesicht voller wunderschöner weißer Zähne zu bestehen, die mich anlächelten und mich dazu brachten, zurückzulächeln. Ob ihr Sohn ihre Gene hatte? Ich kicherte über meinen Gedanken. „Schön, dich persönlich zu treffen, Sakura.“ Während sie sprach, strahlte sie etwas Sonniges und Freudiges aus, das mir ein warmes Prickeln im Magen bescherte. Ihre Augen musterten mein Gesicht und das Leuchten in ihren Augen verstärkte sich. „Es ist eine Freude, mal nicht solche Puppengesichter zu sehen, die sowieso nur hinter Sasukes Erfolg her sind.“ Sie schnalzte mit ihrer Zunge. „Eine von ihnen hat sich sogar als Assistentin eingeschleust. Gut, sie macht ihren Job gut, da kann man nicht meckern, aber ich sehe sehr wohl, welche Blicke sie meinem Sohn hinterher wirft. Karin muss unbedingt an ihrer Mimik arbeiten.“ Sie rollte mit den Augen und machte ein Gesicht, als ob der Name schlecht schmeckte. Ich räusperte mich ein wenig verlegen. „Ehm, also. Nur um das klarzustellen, zwischen ihrem Sohn und mir läuft nichts. Wir kennen uns eigentlich gar nicht.“ Das mich der Kommentar zu Karin erfreute, versuchte ich zu unterdrücken. Sie runzelte ihre Stirn. Für einen kurzen Augenblick war Enttäuschung in ihrem Gesicht zu erkennen, welche allerdings keine Sekunde später von einem hellen Lachen vertrieben wurde. „Wenn du das sagst, Sakura.“ Mikoto schob sich amüsiert wirkend eine Strähne hinters Ohr und in mir keimte der Wunsch, zu verschwinden. Fürs Erste unterbrach ich allerdings schlichtweg den Blickkontakt und ließ meine Augen durch den Raum schweifen. Ich blieb an der kleinen, schicken Vitrine hängen, neben der eine teure Musikanlage stand. Seine CD-Sammlung befand sich feinsäuberlich aufgereiht auf einem weißen Lackregal an der Wand. Das war mir gestern Abend überhaupt nicht aufgefallen. Nicht weit von der Musikanlage befand sich ein kleiner Bestelltisch, auf dem ich eine halbvolle Flasche Whiskey entdeckte. Ich nahm einen weiteren Schluck des schwarzen Kaffees und genoss das warme Prickeln in der Kehle. Eigentlich dachte ich, dass Sasuke eher der Biertrinker war. Mikoto folgte meinem Blick. „Oh, der Whiskey. Eine Leidenschaft seines Vaters. Sein Bruder ist auch nicht ganz abgeneigt.“ Sie kicherte verzückt. „Eigentlich mag Sasuke das gar nicht. Aber wenn ich ihn tatsächlich zu einer kleinen Familienfeier überredet habe oder wir ihn spontan mit einem liebevollen Besuch überfallen, dann genieße ich es, sie zu beobachten. Sasuke verzieht gleich nachdem der erste Tropfen seine Lippen berührt kaum merklich die Mundwinkel ein wenig nach unten. Aber er will es seinem Vater immer Recht machen.“ Ein Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. „Echte Männer scheuen keinen gereiften Whiskey“, zitierte sie. „Beim ersten Probieren gab’s sogar eine Zigarre.“ „Und wie… ist er sonst so?“, entfloh es mir neugierig. Nur zu gern hätte ich selbst mal Whiskey probiert und mir von Sasuke eine Zigarre reichen lassen. Das klang so typisch reiche-Leute-mäßig und wirkte dabei so herrlich normal, dass ich mich langsam entspannte. „Hach. Er ist so ehrgeizig, das er hin und wieder tatsächlich alles um sich herum vergisst. Das macht mir dann doch Sorgen. Vergräbt sich immer in Arbeit.“ „Ein Arbeitstier also?“ Mikoto lachte. „Eine Eigenschaft, die er von seinem Vater geerbt hat. Manchmal sehe ich es positiv und die meiste Zeit negativ. Er schottet sich so von der Außenwelt ab. Umso erfreuter war ich, als du in sein Leben getreten bist.“ Verlegen rührte ich mit dem Löffel in der Tasse. Ich würde nicht unbedingt sagen, dass ich ihn sein Leben getreten war. Es war eher eine Aneinanderkettung seltsamer und idiotischer Aktionen unserer Freunde. Mir entfloh ein leises Lachen. „Weißt du, er hasst es eigentlich zu telefonieren.“ Mikoto zwinkerte mir zu und ließ dann ihren Blick gen Decke wandern. „Eigentlich mag er fast nichts“, kicherte sie. „Außer Tomaten und erstaunlicherweise kann er Narutos mangelnde Tischmanieren ignorieren, aber sobald sein Bruder einmal während dem Kauen spricht, könnte man meinen, er bespringt ihn fast, um ihm anschließend die Leviten zu lesen.“ Während Mikoto erzählte, spielte sie mit ihrem goldglänzenden Ehering. „Kaum zu glauben, dass er der Jüngere ist.“ Ich lächelte. Sie erzählte mir, dass Sasuke eine Abneigung gegen das Tassenspülen hatte und es absolut widerstrebend fand, im Schlafzimmer das Fenster zu öffnen. Sasuke schien am meisten gelöst zu sein, wenn Naruto in der Nähe war und Geschenke empfand er als unnötig. Bis dato hätte sie nie eine Frau kennengelernt, mit der Sasuke ausging. Unter einem lauten Lachen gestand sie, dass sie bereits dachte, Sasuke wäre vom anderen Ufer. Ich genoss die Zeit mit Mikoto und war ein wenig traurig, als sie sich Mantel und Schuhe anzog und ich ihr zur Türe folgte. „Es war mir ein großes Vergnügen, Sakura.“ „Mich hat es auch sehr gefreut, Mikoto“, erwiderte ich und spürte im nächsten Moment ihre Arme, die mich in eine Umarmung zogen. „Wir müssen uns unbedingt bald wieder treffen. Die Einladung zum nächsten Familienfest steht auf alle Fälle. Wenn‘s mit dem einen nicht klappen sollte, hab ich noch einen Sohn“, sie zwinkerte mir verschwörerisch zu, während meine Wangen glühten. Und noch bevor ich etwas darauf entgegnen konnte, hatte sie die Tür hinter sich geschlossen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)