Dann ändert sich alles von jane-pride (Chelsea&Vaughn) ================================================================================ Auf holprigen Wegen ------------------- Kapitel 13: Auf holprigen Wegen     Die Tage nach der Party, oder viel eher nicht Party, vergingen recht langsam. Mühsam zogen die Stunden an einem vorbei und hinterließen einem das Gefühl, dass man etwas unerledigt liegen ließ. Als hätte man etwas vergessen oder würde am liebsten nur noch vergessen wollen. Aber es ging nicht. Seit jenem Abend war Mark übellaunig und auch oft ungehalten seiner Schwester gegenüber. Dabei versuchte sie alles, um ihn wieder aufzumuntern, sei es durch Kuchen, Plätzchen oder einem deftigen herzhaften Mittagessen. An Mark ging alles vorbei. Er registrierte kaum noch etwas um sich herum und ging wie jeden Tag seiner Arbeit nach, die er sich zu dieser kalten Jahreszeit akribisch suchen musste.   Taro war alles andere als begeistert, nachdem er erfahren hatte, wie der Abend in Regis Anwesen verlaufen war. Allerdings, zur Überraschung aller, enthielt er sich jeglichen Kommentars. Die jungen Leute waren auf sich alleine gestellt. Da niemand gewillt war, den Abend wieder zur Sprache zu bringen, wurde es eine Art stilles Abkommen, darüber möglichst auch kein Wort mehr zu verlieren. Zumindest nicht in Nathalies oder Marks Reichweite. Denn Julia war von dem Schweigen nicht begeistert und beschloss dagegen etwas zu unternehmen.                                                                                    ~<>~   In Regis Anwesen herrschte seitdem ebenfalls eine reservierte Stimmung. Will und Lily hatten einen gewaltigen Streit miteinander gehabt und zum ersten Mal in seinem Leben war Will nicht bereit nachzugeben. Und Lily, die Regis Rede und Antwort stehen musste, war sowieso nicht im Mindesten daran interessiert, einen weiteren Fehler zuzugeben. Außerdem gab sie Sabrina die Hauptschuld daran, dass Regis ihr die Leviten gelesen hatte. Immerhin hatte sie persönlich mitbekommen, wie sie als erste zu ihm gerannt war und gepetzt hatte. Über diese Tatsache war sich Sabrina bewusst. Ebenso dem Umstand, dass sie den Konflikt nicht eher mit Lily bereinigen konnte, solange sie nichts mit ihr zu tun haben wollte und ihr stur aus dem Weg ging.   Inzwischen hatte die junge Dame des Hauses ihr aktuelles Leinwandprojekt vollendet. Stolz und höchst zufrieden auf sich selbst, betrachtete sie es eine ganze Weile und erinnerte sich plötzlich daran, wie Will damals zu ihr ins Atelier gekommen war und sie eine Zeit lang beim Malen beobachtet hatte. Seit diesem Tag überkam Sabrina das Gefühl, dass er das bereits länger getan hatte. Sie heimlich beobachten. Denn wie sonst ließe es sich erklären, dass er auffallend oft immer dann zufällig aufgetaucht war, wenn sie sich traurig gefühlt hatte oder ein völlig anderes Problem sie beschäftigte? Vorher hielt sie diese Treffen tatsächlich für Zufälle. Ihr war nie in den Sinn gekommen, dass Will das mit Absicht tat, um ihr nahe zu sein, geschweige denn, dass er tiefer gehendes Interesse an ihr haben könnte. Doch warum verlor er nie ein Wort darüber? Zudem gingen ihr Lilys Worte nicht mehr aus dem Kopf, die sie in ihrer Wut ihrem Cousin entgegen geschleudert hatte. Du Feigling hast es nicht einmal geschafft, dem Mauerblümchen zu sagen, was du für sie empfindest.   Mauerblümchen. Lily hatte sie sehr oft so genannt, wenn sich Sabrina in ihren Augen zu konservativ gekleidet hatte. Jahrelang hatte Sabrina es über sich ergehen lassen ohne dagegen etwas zu unternehmen. Außerdem mochte sie ihre Garderobe, egal was andere sagten. Sicher, es gefiel ihr bestimmt nicht immer zu hören, dass sie hässlich war oder sich nicht altersgerecht kleidete, aber in Kleidern, die Lily stets trug, könnte sie selber niemals anziehen ohne sich wie eine Heuchlerin darin vorzukommen. Dann blieb sie doch lieber zugeknöpft. Wie auf den Bildern ihrer Mutter.   Wichtiger war jetzt aber herauszufinden, warum Lily diesen Satz auf der Party geäußert hatte. Konnte es wirklich wahr sein und Will hegt heimliche Gefühle für sie oder wollte sie ihren Cousin nur weiter anstacheln und ihn provozieren? Insgeheim hatte die dunkelhaarige oft davon geträumt, wie es wäre, wenn Will sie mehr als nur mögen würde. Denn sie tat es seit sie denken konnte, aber hatte bisher gedacht, dass sie nie eine Chance haben könnte ihm auf diese Weise näher zu kommen. Denn sie war ein Mauerblümchen und Will war immer von gutaussehenden Mädchen umgeben gewesen. Sabrina war alles andere als gutaussehend, selbst wenn sie sich mal für einen kurzen Moment hübsch fühlte und Will ihr kurz vor der Party so etwas Ähnliches gesagt hatte…   Eilig schüttelte Sabrina ihren Kopf und hoffte, dass dieser nichtssagende Gedanke sobald wie möglich wieder verschwinden würde. Schließlich hätte Will auf sie zugehen können, wenn es tatsächlich wahr sein sollte. Oder sie auf ihn? Niemals. „Das Bild ist also fertig geworden.“ Eine melodische Stimme, die ihr so vertraut war wie ihre eigene holte sie aus ihren wirren Gedanken ins Hier und Jetzt zurück. „Ich bin vorbeigekommen, weil ich schauen wollte wie es dir geht und ob dein Bild inzwischen fertig ist.“ „Hi, Will. Schön dich zu sehen.“ Was für eine dumme Aussage. Erst beim Frühstück hatten sie sich doch zuletzt gesehen. Was er jetzt wohl von ihr denken mag? „Ich freue mich auch immer dich zu sehen.“, gab Will ehrlich zu und lächelte seine heimliche Liebe aufrichtig an. „Wie wirst du das Bild nennen?“ „Oh! Ich, äh, darüber habe ich mir noch nicht so richtig Gedanken gemacht.“ „Aber du hast eine Idee, oder?“, hakte Will nach und stellte sich direkt neben sie und sah sich das Bild aus nächster Nähe an. Wie so oft war er überwältigt, wenn er eines von Sabrinas Kunstwerken betrachtete. Die junge Frau neben ihm hatte ein echtes Gespür für Farben und wie man sie am Sinnvollsten aneinanderreihte, vereinte, mischte und so weiter. Sie konnte Kontraste herstellen, Schattierungen darstellen und den Farben irgendwie Leben einhauchen. Noch nie zuvor hatte der junge Mann etwas Vergleichbares gesehen und war mal wieder überwältigt von ihrem künstlerischen Talent.   Auf der Leinwand hatte Sabrina einen atemberaubenden See entstehen lassen. Auf dessen Oberfläche das Sonnenlicht reflektierte. Ein Fisch sprang aus dem Wasser und es schien, als ob er die wunderschöne Frau mit den langen blauen Haaren, die in ein weißes Gewand gehüllt war, anlächelte. Die Frau auf dem Bild lächelte ebenfalls und hatte ihre Arme offen nach vorne gestreckt, als würde sie sagen: Willkommen. Über sie strahlte der azurblaue Himmel und um den See herum war herrliches frisches Grün und eine Vielzahl an Gänseblümchen zu bewundern.   „Wie eine Göttin.“,  flüsterte Will und wand sich abermals Sabrina zu. „Hast du diese Frau schon einmal gesehen?“ „Einmal.“ „Ach ja?“ Verblüfft hob Will seine Augenbrauen. „Wann? Und vor allen Dingen Wo?“ „In meinem Traum. Einen Abend bevor wir auf diese Insel hier gezogen sind.“ Sabrina wusste, dass er sie nicht auslachen würde. Noch nie hatte er das getan, wenn sie anfing von Dingen zu reden, die mit rationalem Denken nicht zu erklären waren. „Es mag komisch klingen, aber sie hat zu mir gesprochen und mir gesagt, dass wir es auf dieser Insel wunderschön haben werden. Gleich nachdem ich damals aufgewacht war, habe ich sofort eine Skizze von ihr angefertigt, damit ich nicht so schnell vergesse, wie sie ausgesehen hat. Aber, soll ich dir was verraten? Die Skizze habe ich gar nicht gebraucht, weil mir ihr Bild fest im Gedächtnis verankert blieb.“   „Du bist einmalig.“ „Wie?“ „Ach, nichts. Es ist nur, dass…“ Verlegen wandte sich Will von ihr ab und hätte fast das Atelier schon verlassen, wenn Sabrina ihn nicht zurückgehalten hätte. „Will! Bitte, warte.“ „Ja?“ Langsam drehte er sich wieder um und zwang sich sie erneut anzusehen. Zu seiner Überraschung schien Sabrina den Tränen nahe. „Sabrina? Was ist denn los? Habe ich dich verärgert?“ „Nein. Es ist bloß, mir geht Lilys Bemerkung seit jenem Abend nicht mehr aus dem Kopf.“ „Welche…? Ach so, die.“ Konnte es wirklich sein, dass seine Angebetete wusste, wen seine Kusine damit gemeint hatte? Aber woher? „Ich hatte nichts mit Nathalie, wenn du das wissen willst. Mark hat sich da etwas zusammen gereimt, was nicht stimmt.“ „Wovon redest du?“ „Äh, ich. Mark war doch auf mich losgegangen, nachdem Lily das gesagt hatte und…“ „Jetzt verstehe ich gar nichts mehr.“   Resigniert ließ Sabrina ihre Schulter sinken und wischte sich unbeholfen die Tränen aus ihrem Gesicht. Dabei hatte sie vergessen, dass noch etwas blaue Farbe an ihrem Ärmel haftete, die sich nun über ihrem Gesicht verteilte. „Warum? Ich verstehe das nicht. Ist denn etwas zwischen dir und Nathalie gelaufen?“ „Nein, Sabrina. Bitte glaub mir. Zwischen und war nichts.“ Schuldbewusst gab Will ihr ein Taschentuch. „Du hast blaue Farbe im Gesicht.“, erklärte er eilig, nachdem sie ihn verständnislos angesehen hatte. „Nathalie und ich haben uns zwar ein paar Mal getroffen, aber dabei habe ich mir von ihr nur die Insel zeigen lassen. Außerdem ist Taro ihr Vater und der Bürgermeister des kleinen Dorfes auf der Sonnenschein-Insel. Er konnte mir allerhand interessante und spannende Geschichten über diesen Ort hier erzählen.“ „Und warum dachte Mark, dass du dich an Nathalie herangemacht hast?“ „Ich weiß es nicht. Wirklich nicht. An dem Abend lief sowieso einiges schief.“ „Ja. Ja, das stimmt.“, sinnierte Sabrina und wartete bis Will den letzten Rest blaue Farbe von ihrem Gesicht entfernt hatte. Seine Berührungen waren so angenehm und sanft. Eine tiefe Sehnsucht breitete sich in ihr aus und tat ihr mit einem Mal entsetzlich weh.   „Will, ich…Es gibt da etwas, was ich dir schon längst sagen wollte.“ Sie stockte. Wie sagte man jemanden, dass man diesen jemand liebt ohne einen Korb zu kassieren? „Hm?“ „Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll. Nur…Lily hat mich immer als Mauerblümchen bezeichnet, darum dachte ich…Ach, nichts. Vergiss es wieder.“ „Aber du bist kein Mauerblümchen!“, protestierte Will und begriff erst wenige Sekunden später, was er da gesagt und was Sabrina überhaupt erwähnt hatte. Wie auf Kommando wurden beide rot und trauten sich nicht wieder anzusehen. „Sabrina, ich…Ich hätte dir schon längst erzählt, dass…Das ich dich sehr gern hab, aber…ich habe gehört, wie dein Vater am Telefon gegenüber jemanden erwähnt hatte, dass du bereits vergeben bist.“ Verdattert sah die junge Frau ihren Gegenüber an und versuchte den Sinn hinter diesen Worten zu begreifen. Wovon redete er bloß? Und seit wann war sie vergeben? „Wovon sprichst du?“, hakte Sabrina nach. Nun war Will derjenige, der verständnislos aus der Wäsche schaute.   „Es ist schon länger her, aber ich habe ihn sagen hören, dass du mit jemanden verlobt wärst?“ „Das wäre mir neu.“, antwortete Sabrina prompt. „Aber wie…?“ „Will, ich kann dir versichern, dass ich weder vergeben, noch verlobt mit irgendjemanden bin. Was auch immer du da gehört haben magst, du musst dich vertan oder verhört haben.“ „Aber, er hat deinen Namen gesagt, dass du für keine Verabredungen zur Verfügung stehst, weil bereits jemand ein Auge auf dich geworfen hat.“, beharrte Will schon fast trotzig. „Nun, vielleicht erklärt das, was mir mein Vater irgendwann mal gesagt hatte, dass ich mir sehr sicher sein soll mit der Wahl, die ich mal treffen sollte. Denn diese Entscheidung sollte dann für ewig währen. Was er dann noch gesagt hatte, weiß ich nicht mehr. Kann mich nicht mehr daran erinnern, aber er hatte ein Foto in den Händen gehalten.“ „Gut. Offenbar habe ich mich verhört, aber…Was für ein Foto?“ „Keinen Schimmer.“   Stille legte sich über die beiden. Bis sich Will wieder das Bild ansah und von Sabrina wissen wollte, wie sie es nennen würde. Dankbar über dem Themenwechsel, nahm sie den Faden auf. „Ich weiß nicht. Ursprünglich hatte ich eine ganz andere Idee, aber vorhin sagtest du was von Göttin, also vielleicht Die Göttin oder so? Die Göttin der Insel?“ „Jetzt, wo du es sagt, Taro hat tatsächlich von einer Erntegöttin gesprochen. Es war die erste Geschichte, die er mir über diese Insel erzählt hatte.“ „Hm, Erntegöttin…Warum nicht? Was hältst du von die Erntegöttin?“ „Klingt gut. Es gefällt mir sehr.“                                                                                         ~<>~   Viel später am Ende des Tages suchte Sabrina ihren Vater auf und wollte ihn fragen, ob an der Behauptung, die Will gehört haben wollte etwas Wahres dran wäre. „Wie bitte? Du und verlobt? Seit wann? Und warum erfahre ich das erst jetzt?“, scherzte Regis und Sabrina erkannte sofort, dass an diesem Gerücht kein Körnchen Wahrheit war. „Und Will glaubte das?“ „Ja, offenbar schon. Er war ziemlich überzeugt davon, wie du mit jemanden am Telefon darüber gesprochen hast.“ Regis lachte dermaßen schallend auf, dass seine Tochter sich die Ohren zuhalten musste. „Dann hat der gute Junge etwas völlig missverstanden. Ja, es stimmt ich habe etwas Ähnliches mal gesagt. Du kennst unsere Kreise, Sabrina. Man will wohlhabend bleiben und zudem das eigene Vermögen und deren Besitztümer vergrößern. Manchmal auch durch Heirat. Ein Geschäftspartner, damals hatte ich ihn noch als Freund angesehen, hatte mir ein solches Angebot einst unterbreitet, aber ich hatte entschieden abgelehnt und ihm gesagt, dass ich mit meiner Tochter keine Geschäfte dieser Art machen werde.“ „Oh.“ Sabrina wurde rot. Davon hatte sie bisher nichts gewusst. „Du bist meine einzige Tochter, Sabrina. Das Wertvollste, was ich habe. Darüber hinaus habe ich deiner Mutter versprochen, dass ich zusehe, dass du immer glücklich sein wirst und ich dafür sorgen werde, dass du an einen Mann gerätst, der dich verdient.“   „Hattest du an Mama gedacht, als du mir geraten hast, dass ich sehr gut überlegen soll, für wen ich mich entscheide?“ „Ja. Ihr Foto hatte ich dabei in der Hand. Du wirst ihr von Tag zu Tag ähnlicher. Aber, kann es sein, dass du dich nicht schon längst für einen jungen Mann entschieden hast?“ „Wie? Ach, Vater, nein. Wie kommst du denn darauf?“, meinte Sabrina verlegen. Ein solches Gespräch wollte sie jetzt garantiert nicht mit ihrem Vater führen und wandte sich zum Gehen. „Liebe geht manchmal eigenartige Wege, meine Tochter. Du und ein gewisser blonder junger Mann, ihr müsst euren gemeinsamen Weg noch finden.“   Perplex hielt Sabrina im Gehen inne und schaute  über ihre Schulter zu ihrem Vater, der an seinem Schreibtisch saß und das Bild von seiner geliebten Frau lächelnd betrachtete. „Deine Mutter und ich hatten eine schöne gemeinsame Zeit zusammen gehabt. Leider viel zu kurz. Manchmal sollte man nicht zu lange warten, wenn einem das Glück vor der Nase liegt.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)