Down Hill 3: Crisis von Sky- ================================================================================ Kapitel 5: Petboy und Monster ----------------------------- Mello wachte erst am späten Morgen auf und fühlte sich wirklich gut erholt. Gleich nach dem Aufstehen ging er duschen und genoss dieses herrliche Gefühl, ganz alleine zu sein und dieses Privileg haben zu dürfen, eine Einzeldusche zu haben. Ohnehin wunderte er sich, wie er dazu kam, dass er hier so abgelegen untergebracht wurde, obwohl er aufgrund seines neuen Ranges wahrscheinlich auf der alleruntersten Stufe angelangt war. Aber wahrscheinlich lag es daran, weil es eine Sicherheitsmaßnahme war, da er ja ein Infizierter war und es mit Sicherheit schon alle wussten. Naja, auf eine ziemlich bizarre Art und Weise brachte es wohl doch Vorteile mit sich, ein Infizierter zu sein. Er kam schließlich auf den Gang raus, wusste aber erst nicht, wohin er gehen sollte und war ein wenig ratlos. Wo ging es noch mal zum Speisesaal hin? Er war gestern so neben der Spur gewesen, dass er das einfach nicht mehr auf dem Schirm hatte. Naja, da musste er wohl eben suchen. Also ging er weiter den Gang entlang und traf dabei auf einen muskelbepackten Glatzkopf, der einen Rollwagen vor sich her schob, auf dem zwei Kisten mit Metallteilen lagen. „Hey!“ rief Mello zu ihm herüber. „Wo geht es hier zum…“ „Verpiss dich bloß, du Freak“, gab der Glatzkopf zurück und warf ihm einen herablassenden und verächtlichen Blick zu. Normalerweise hätte Mello sofort die Konfrontation mit dem Kerl gesucht, aber bei den Muskeln war sein Verstand dann doch schneller. Gegen den hatte er nicht die geringste Chance. Der würde ihn noch umbringen, wenn er jetzt einen Streit anzettelte. Also bekämpfte er seinen Ärger und ignorierte den Glatzkopf. Wahrscheinlich war der Blödmann nur mit dem falschen Fuß aufgestanden. Schließlich erreichte er den so genannten „Trakt 01“ und sah, dass die Zellen hier offenbar als Lager umfunktioniert worden waren. Ein paar Leute standen mit Klemmbrettern da und notierten sich die Bestände, es herrschte ziemlich viel Betrieb, aber ansonsten schien hier nicht wirklich etwas darauf hinzudeuten, dass es hier in Richtung Speisesaal ging. Offenbar war der erste Stützpunkt etwas unübersichtlicher als der zweite, wo alles seine strikte Ordnung zu haben schien. Er ging zu einem der Lagerprüfer hin und bemerkte, dass einige mit der Arbeit aufhörten und zu ihm herüberstarrten. Und diese Blicke hatten etwas sehr Feindseliges an sich. Aber davon ließ er sich auch nicht sonderlich verunsichern, sondern ging weiter und krallte sich den nächstbesten Kerl mit Klemmbrett. „Ich bin neu hier. Kannst du mir sagen, wo es zum Speisesaal geht?“ „Tut mir leid, ich kann da nicht weiterhelfen.“ Und damit wandte sich der Lagerprüfer ab und ging. So langsam verstand Mello, was das zu bedeuten hatte. „Ach bitte“, rief er ihm wütend hinterher. „Wie armselig ist das denn bitte? Habt ihr alle Schiss, ich könnte euch anstecken oder was? Ich bin kein Umbra und ich werde auch nicht wie dieses Ding werden. Und wer trotzdem ein Problem mit mir hat, der soll es mir verdammt noch mal ins Gesicht sagen!“ Hieraufhin ließen einige ihre Arbeit stehen und kamen direkt auf ihn zu. Es waren knapp acht Leute und sie sahen stark danach aus, als wären sie auf eine Schlägerei aus. Mello ballte die Fäuste und machte sich bereit, doch bevor die Situation eskalieren konnte, unterbrach sie eine laute Stimme. „Was’n hier los? Wird dat hier n Kaffeekränzchen, oder was?“ Es war Leaks, der Hiram in Begleitung hatte. Beim Anblick des Hünen schwand der Unmut der anderen und sofort gingen sie wieder an ihre Arbeit. Leaks ging direkt zu Mello hin und grüßte ihn, indem er kurz die Hand hob. „Ey Neuer, wat haste hier zu such’n? Haste dich verlauf’n?“ „So in der Art schon. Ich wollte eigentlich zum Speisesaal hin.“ „Ach so. Dann kannste ja mitkomm’. Hiram und ich sind eh auf’m Weg hin.“ Damit folgte Mello den beiden aus Trakt 01 heraus und kaum, dass sie außer Hörweite waren, legte der Hüne ihm eine Hand auf die Schulter. „An deiner Stelle wäre ich etwas vorsichtiger. Zwar geht es hier deutlich entspannter zu als oben, aber du darfst nicht vergessen, wie viele der Jungs hier Opfer durch Umbra erleiden mussten. Es gibt auch so schon genügend Mitläufer hier und wir sind nicht immer da, um auf dich aufzupassen.“ „Ich brauch keinen Aufpasser.“ „Und ob de einen brauchst!“ rief Leaks. „Wenn wa dich allein gelass’n hätt’n, dann wärste mit Sicherheit auseinandergenomm’ word’n wie sonst wat. Pass also besser auf, mit wem de dich anlegen tust. Ansonsten kriegste noch ordentlich eine aufs Maul.“ „Die Sache ist einfach die, dass viele mit der Situation momentan überfordert sind und nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen“, erklärte Hiram schließlich. „Sie haben es jetzt mit etwas zu tun, was sie nicht kennen und was gefährlich ist. Für sie ist es vergleichsweise wie mit einem AIDS-Kranken. Sie fürchten sich vor einer Ansteckung und gehen dir deshalb aus dem Weg oder reagieren aggressiv.“ „Bin ich denn so ansteckend?“ „Nein, zumindest wenn ich es richtig verstanden habe. Du selbst kannst niemanden anstecken, solange dein Blut normal ist. Allerhöchstens dann, wenn dein Umbra-Gen reagiert und sich dein Blut schwarz färbt. Dann wird es ansteckend. Aber das macht für die anderen auch nicht sonderlich viel Unterschied und für sie zählt nur: sie können sich anstecken und die Furcht davor, zu einem Wesen wie Umbra zu werden, ist dann eben groß. Da bleibt es leider nicht aus, dass sie feindselig auf dich reagieren. Deshalb haben wir dich auch in Trakt 00 untergebracht: um dich vor den anderen zu isolieren.“ Na toll… ich bin also jetzt das Monster für die anderen. Als wäre es nicht schon schlimm genug, dass ich dieses erniedrigende Halsband tragen muss. Schließlich erreichten sie einen großen Raum, der ähnlich wie der Speisesaal in Efrafa II aussah, nur war er nicht so voll. Nur vereinzelt waren die Plätze besetzt, die anderen schienen sich ihr Essen nur abzuholen und dann wieder zu gehen. Hiram erklärte den Grund. „Wir bekommen hier immer viel Arbeit rein, während in Efrafa II ausschließlich die Kämpfer untergebracht sind. Und da es immer viel zu tun gibt, ist es für die meisten praktischer, wenn sie sich bei der Arbeit eine Pause gönnen und ihr Essen dort zu sich nehmen. In Down Hill kann sehr schnell Langeweile aufkommen und besonders die Rookies können sich kaum an das dauerhafte Leben unter Tage nicht gewöhnen und drehen durch. Deshalb kommen sie meist erst hierher, bis sie sich eingelebt haben. Hier hat man genug zu tun und viele gehen dann hinterher freiwillig zum zweiten Stützpunkt, wenn sie nach einer größeren Herausforderung suchen.“ Sie gingen weiter, doch dann stellte einer der anderen Mello ein Bein, sodass dieser stolperte und im Anschluss hinfiel. Einige der Jungs begannen zu lachen. „Hey du Köter, wie liegt es sich denn so auf dem Fußboden?“ Und dann trat noch einer der anderen hinterher. „Kleine Schlampen wie du bleiben besser im Puff, wo sie hingehören.“ Hiram drehte sich zu ihnen um und sagte nichts. Er sah sie einfach nur an und strahlte dabei immer noch diese unfassbare Ruhe aus, die ihm etwas sehr Charismatisches verlieh. Wie ein ehrwürdiger weiser Mann und doch ging etwas sehr Autoritäres von ihm aus. Und das allein schien schon zu bewirken, dass die Jungs zu lachen aufhörten. Wahrscheinlich lag es aber auch an seinen hohen Rang innerhalb Efrafas und dass er verdammt stark war. „Gibt es ein Problem?“ Da keine Antwort kam, sah er dies als erledigt an und so stellten sich Leaks und Mello an, während Hiram, der offenbar über Privilegien verfügte, direkt nach vorne ging. Schließlich wandte sich der klein geratene 28-jährige an Mello und sah ihn musternd an. „Scheinst nicht gerade einer von der zurückhalt’nden Sorte zu sein, wa? In deiner Lage is dat auch eher besser, im Knast brauchste nämlich Rückrat, sonst pulverisieren die dich noch. Lass dich also bloß net von denen unterkrieg’n, aber lasset lieber, wenn se in der Überzahl sin.“ Schließlich bekamen sie ihr Mittagessen. Für Mello ein wahrer Segen, weil er nach seiner 25-Stundenschicht so erschöpft und müde gewesen war, dass er sogar das Frühstück verschlafen hatte. „Du hängst wohl oft mit Hiram ab, oder?“ bemerkte er und sofort errötete Leaks, was ihn noch jünger erscheinen ließ. Er wirkte ziemlich verlegen und antwortete dann nach kurzem Zögern „Dat läuft zwischen uns schon ne ganze Weile. Zugegeben, ich hab erst n paar Vorbehalte gehabt, aber dat mit Hiram is… naja…“ Unsicher zuckte Leaks mit den Schultern. „Dat ist so ne Seelenverwandtschaft zwischen uns. Ich brauch ihn so wie er mich. Ich bin ja wohl net grad der Größte und hab keine Chance gegen die andren. Und mit dem Körper kann ich auch kaum Gewicht tragen. Hiram ist mir da ne große Hilfe, er passt auf mich auf und für ihn bin ich der Grund, weiterzuleb’n.“ „Hat er Probleme?“ „Er is n Kriegsveteran. Hat seine ganze Einheit im Irak sterben seh’n und ist selbst von ner Granate getroffen word’n. Von der stammt die Narbe anner Schläfe. Er und Christine kennen sich noch von früher und auch sie hat ähnliches erlebt. Hiram steckt dat besser weg als sie, weil er hier n intaktes Leben hat. Er braucht jemand’n, der ihm Halt gibt. So wat macht doch auch ne Beziehung aus. Man is für’n andern da.“ Leaks’ Worte stimmten Mello nachdenklich. Seine Gedanken wanderten zu Matt und daran, was dieser ihm gesagt hatte. Die ganzen unerwiderten Gefühle, der Streit… Irgendwie war das zwischen ihnen beiden auch immer so gewesen. Matt hatte ihm Nähe, Aufmerksamkeit und Hilfe gegeben und als beruhigender Pol auf ihn gewirkt. Und er? Im Grunde hatte er Matt doch gar nichts zurückgegeben… Schließlich gingen sie zum Tisch hin und gesellten sich zu Hiram, der auf sie gewartet hatte. Sofort setzte sich Leaks neben ihn, Mello nahm gegenüber von ihnen Platz und ihm entging nicht, dass er von vielen beobachtet wurde. Aber das interessierte ihn überhaupt nicht und selbst und so ignorierte er die ganzen Blicke. Das Mittagessen bestand aus einem Eintopf mit Brot dazu. Naja, nicht gerade sein Lieblingsessen, aber es sah trotzdem lecker aus. Und was zu essen konnte er jetzt besonders gut gebrauchen. „Und? Wie war deine erste Nacht hier?“ erkundigte sich Hiram direkt, wobei er freundlich lächelte. Er war so anders als Christine, viel menschlicher und es schien wohl zu seinem Charakter zu zählen, dass er den anderen auch aufmerksam zuhörte und ihn mit einer ruhigen Freundlichkeit begegnete. Mit der Art konnte er sicher wunderbar mit Kindern umgehen. „Ganz gut“, antwortete Mello. „Ich hätte nicht gedacht, dass ein Knastbett so bequem ist. Das in meinem alten Zimmer kam mir da deutlich unbequemer vor. Kaum, dass ich im Bett gelegen hatte, bin ich fest eingeschlafen. Ich muss mich aber noch hieran gewöhnen.“ Damit zupfte er an seinem Lederhalsband, welches Hiram und Leaks bis jetzt nicht beachtet hatten. Entweder aus Rücksicht auf seine Situation, oder weil es für sie kein besonders ungewöhnlicher Anblick war. „Ja, dat is schon demütigend“, pflichtete Leaks bei, während er sein Essen zu sich nahm. „Aber es dient auch zu deinem Schutz. Die Halsbänder sin quasi dat Zeichen dafür, dat de dat Eigentum von jemandem bist. Dat machen zum Beispiel die Shutcalls ganz gerne: sie erklären ihren Liebling zum Pet und dat gibt denen Schutz. Denn wer sich an nem Pet vom Shutcall vergreift, der kriegt die Höchststrafe.“ „Er wird getötet?“ „Nee, dem brechen se die Arme und Beine und werfen ihn runter ins Hell’s Gate, damit er dort verreckt.“ Wieder musste Mello wieder an diese stinkende Hölle denken, der er dank Umbras Hilfe entronnen war. Die Leichenberge und die Schreie der Sterbenden… Und in dem Moment musste er sich vorstellen, wie es wohl sein würde, mit gebrochenen Armen und Beinen dort unten zu liegen. Nein, das war zu schrecklich für ihn. „Es gibt da noch genügend andere Arten, die viel brutaler sind. Aber dat erzähl ich lieber beim Ess’n.“ „Ja, das wäre keine schlechte Idee“, stimmte Hiram zu und nickte. „Jedenfalls hast du das Glück, weil du als Petboy zwar den untersten Rang innerhalb von Down Hill einnimmst, aber dafür unter dem Schutz des Shutcalls stehst. Solange du ihm also gehorchst und ihm keinen Grund lieferst, dass er dich fallen lässt, hast du eigentlich nichts zu befürchten.“ Trotzdem behagte ihn der Gedanke nicht, dass er jetzt offiziell ein Sexsklave war. Das war so fürchterlich demütigend für ihn und vertrug sich auch überhaupt nicht mit seinem Minderwertigkeitskomplex, aber da musste er wohl durch. Andernfalls würden ihn die anderen Insassen zerfleischen. Den Willen dazu hatten sie jedenfalls. „Und die ganzen Sachen, die hier lagern… sind die alle für beide Efrafa-Lager?“ „Nicht direkt“, antwortete Hiram. „Wir arbeiten mit der Festung Helena zusammen. Wir nehmen ihre Bestellungen auf und bringen ihnen sämtliche Vorräte. Leaks ist übrigens auch der einzige Mann, der Zutritt zur Festung hat, weil er für die technischen Arbeiten zuständig ist. Im Gegenzug stellt uns Christine ihre Dienste zur Verfügung und arbeitet mit uns zusammen. Wenn wir in Schwierigkeiten stecken, dann bekommen wir noch zusätzlich Verstärkung. Um nichts durcheinanderzubringen und damit alles dorthin kommt, wo es hin soll, wurde vor dreieinhalb Jahren beschlossen, den Stützpunkt hier zum Logistikzentrum umzufunktionieren. Du kannst dir später aussuchen, wo du hin willst und ob du im Lager oder in der Küche arbeiten willst. Du kannst aber auch in der Werkstatt arbeiten. Arbeit gibt es hier mehr als genug.“ Hiram unterbrach die Konversation kurz und hob den Blick und auch Leaks folgte unaufgefordert seinem Blick. Mello, der nicht wirklich verstand, was es da zu gucken gab, drehte sich um und erkannte sofort den Grund dafür, wieso sich alles zum Eingang des Saals umdrehte. Es war Matt. Er kam direkt auf Mello zu und sein Blick zeugte von Ernst und Strenge. Ein Blick, der so gar nicht zu ihm passte. Zumindest war Mello dieser Meinung und er sah seinem Freund die Strapazen an, die er offenbar gehabt hatte. Ohne auch nur irgendjemanden zu grüßen ging er an den anderen vorbei und blieb direkt vor Mello stehen. Und ehe sich der 24-jährige versah, hatte Matt auch schon eine Kette an seinem Halsband befestigt. „Aufstehen und mitkommen“, forderte dieser in einem schroffen Ton auf und begann an der Kette zu ziehen, sodass Mello nichts anderes übrig blieb, als seiner Aufforderung nachzukommen, wenn er nicht ersticken wollte. Dennoch wollte er sich nicht so behandeln lassen. Nicht mal von Matt. „Geht’s auch etwas freundlicher?“ Sofort kassierte er einen Schlag ins Gesicht und fiel nach hinten. Er knallte mit dem Hinterkopf gegen den Tisch, doch den Schmerz nahm er nicht mehr ganz so sehr war, als er wieder dieses eiskalte Gefühl spürte, welches quasi in sein Gesicht strömte und diesen brennenden Schmerz deutlich linderte. Sein Umbra-Blut reagierte verdammt schnell auf Schmerzeinwirkungen. Irgendwie hatte er das Gefühl, es reagierte sogar noch schneller als vorher. Wütend sah Matt auf ihn herab und zerrte ihn an der Kette wieder hoch. „Du hast deinem Besitzer gefälligst Respekt und Ehrerbietung zu erweisen. Und jetzt komm mit. Ich habe keine Lust, wegen dir noch mehr Ärger zu haben als sowieso schon.“ Mello begriff nicht ganz das rücksichtslose und brutale Verhalten von Matt, doch er ahnte, dass dies wohl seinen Grund hatte. Also folgte er ihm und so verließen sie gemeinsam den Speisesaal. Immer noch zog Matt grob an der Kette und zwang Mello, ihm zu folgen. Sie steuerten Trakt 00 an und erreichten ein Zimmer, das sich nicht weit von Mellos entfernt befand und sofort wurde der Angeleinte etwas grob hineingeschubst. Das Zimmer besaß ein großes Bett und einen Schrank, aber mehr auch nicht. Als die Tür hinter ihnen zufiel, atmete Matt geräuschvoll aus und ließ sich aufs Bett niedersinken. „Das nächste Mal stellst du dich nicht mehr so an, klar? Es sei denn, du willst wieder Schläge haben.“ „War das denn unbedingt nötig?“ „Natürlich, was glaubst du denn? Dass das hier ein Spiel ist?“ rief Matt gereizt. „So springt man hier eben mit den Pets um. Wenn sie nicht spuren, dann werden sie geschlagen oder anderweitig bestraft oder erniedrigt und das vor versammelter Menge. Und hier geht es nicht um dich, klar? Ich muss als Shutcall das Gesicht wahren und mir Respekt verschaffen. Wenn ich mir vor versammelter Mannschaft von meinem Pet auf der Nase herumtanzen lasse, verlieren sie die Achtung vor mir und das kann ich mir in der jetzigen Situation auch nicht erlauben. Momentan ist da oben die Hölle los.“ „Was genau ist denn los?“ „Na was wohl? Die regen sich auf, weil ich dich weiterhin hier in Efrafa behalte, obwohl du von Umbra infiziert wurdest. Sie fürchten sich vor eventuellen Gefahren und weil ich dein Leben verschont habe, beginnen sie an meiner Autorität zu zweifeln. Einige sind völlig durchgedreht und gewalttätig geworden. Zum Glück konnten wir eine Revolte verhindern, aber wir haben nicht verhindern können, dass knapp 20 Leute gegangen sind. Und wenn ich meine eigenen Leute nicht unter Kontrolle halten kann, dann werden es immer weniger und das bedeutet, dass Konngara uns wieder angreift und wir dann nicht mehr die besten Chancen haben. Nicht auszudenken, wenn sie sich mit Songan verbünden und uns gemeinsam angreifen. Das könnte unser Ende werden.“ Mellos anfänglicher Ärger war sofort verschwunden, als er erkannte, wie viel davon abhing, dass Matt weiterhin ein starker Anführer blieb. Allein für ihn hatte er all diesen Ärger auf sich genommen und so viel riskiert, selbst seinen Posten als Shutcall. „Tut mir leid, Matt“, sagte Mello schließlich und setzte sich ebenfalls. „Ich hab nicht gewusst, was du alles für mich tust. Meinst du, du schaffst das alles überhaupt?“ „Muss ich wohl. Eine andere Wahl bleibt mir kaum. Das war die Entscheidung, die ich getroffen habe und ich muss mit den Konsequenzen leben. Aber sag mal: wie geht es eigentlich deiner Verletzung? Lass mal sehen.“ Mello legte seinen Arm frei und zeigte ihm die Stelle, wo das Messer ihn verletzt hatte. Die Wunde war nicht behandelt worden, hatte sich aber auch nicht entzündet und das Gewebe schien sich bereits geschlossen zu haben. Es sah lediglich nur noch nach einem Kratzer aus und mehr nicht. Matt begutachtete die Wunde, allerdings mehr aus Interesse daran, wie das Umbra-Blut bei Menschen funktionierte. Besorgt um ihn schien er eher nicht zu sein oder zumindest machte es nicht den Anschein danach. „Wie Helmstedter sagte, die Wunde verheilt ziemlich schnell.“ Schließlich ließ Matt seinen Arm wieder los, nahm die Fliegerbrille ab und rieb sich die Augen. Mello fiel auf, dass Matt sich in vielen Dingen ziemlich verändert zu haben schien. Und das gab ihm irgendwie das seltsame Gefühl, als hätte er hier einen Fremden neben sich, der seinem besten Freund bis aufs Haar ähnelte. Ob es wirklich allein von der Tatsache her kam, dass Matt zu lange in diesem Gefängnis gewesen war? Doch auch sonst wirkte er nicht gerade fit. Er hatte dunkle Augenringe und war blass geworden. Offenbar litt er unter Schlafmangel und Kopfschmerzen schien er auch zu haben. Das sah man ihm deutlich an. „Matt… wie soll das von nun an zwischen uns weitergehen?“ „Ich sag dir, wie es weitergehen wird: ich werde mir das von dir holen, was ich will.“ Irgendwie klang es fast wie ein verheißungsvolles Versprechen, das Mello auf mehr hoffen ließ. Zwar wurde er innerlich noch von einer gewissen Unsicherheit beherrscht, was gleich wohl folgen würde, aber er konnte durchaus nicht leugnen, dass es auch Neugier war, die er empfand. Matt würde sich von ihm holen, was er wollte… Es ließ ihn darauf hoffen, dass diese kalte Distanz zwischen ihnen dahinschmelzen und sie wieder so wie früher diese intimen Momente teilten. Naja… so ganz wie früher würde es wohl nicht sein. Denn nun waren die Karten neu gemischt und das Blatt hatte sich gewendet. Denn nun war es nicht mehr Matt, der mit einer unerwiderten Liebe zu kämpfen hatte und sich mit der körperlichen zufrieden geben musste, sondern er selbst. Tief in seinem Herzen wusste er, dass die Dinge nicht mehr so wie früher waren und es auch nie wieder so sein würde. Matt empfand nicht mehr so wie früher, das wusste er jetzt. Und seine Erkenntnis, dass er Gefühle für seinen besten Freund hegte, kam wahrscheinlich zu spät. Aber in dem Moment musste er sich an das Gespräch mit Horace erinnern, welches er geführt hatte. Dieser hatte ihm erklärt, dass es nun an ihm wäre, dass er dafür sorgte, dass Matt wieder diese Gefühle für sich entdeckte und sich wieder in ihn verliebte. „Zieh dich aus“, kam schließlich die Aufforderung, der Mello ohne zu zögern nachkam. Um ihm die Prozedur etwas einfacher zu gestalten, ließ Matt die Kette los, was den 24-jährigen das Ausziehen seines Shirts erleichterte. Dabei fiel Matts Blick auf seinen Bauch, wo er mit der Machete verletzt worden war. Die Wunde war, obwohl nur ein paar Tage vergangen waren, vollständig verheilt und nicht mal eine Narbe war zurückgeblieben. „Du hast einiges an Muskeln zugelegt seit den letzten vier Jahren.“ „Blieb bei meiner Suche nach dir auch nicht aus. Ich hab mich auch schon mit der Mafia angelegt, weil ich dachte, sie hätten dich gekidnappt und verkauft, oder sogar getötet.“ Hier sah Matt ihn plötzlich mit einem Blick an, der nicht mehr von dieser Kälte und Distanz zeugte, sondern in dem auch Gefühle zu sehen waren. Verwunderung, Schmerz… „Die ganze Zeit hast du nach mir gesucht?“ „Ja. Bis sie mich niedergeschlagen und hergebracht haben. Und der einzige Grund, warum ich den Westblock und das Hell’s Gate überlebt habe, war der, weil ich dich unbedingt wiedersehen wollte.“ Hierauf wagte Mello den Versuch. Halbnackt beugte er sich zu Matt herüber und küsste ihn. Es fühlte sich so vertraut und doch so seltsam fremd an. Viel zu lange war es her, seit sie den letzten Kuss miteinander geteilt, geschweige denn dass sie diese Nähe zueinander geteilt hatten. Damals hatte der Kuss für ihn zum Sex dazugehört, damit er in Stimmung kam. Aber so langsam wurde ihm klar, dass er sich eigentlich nur etwas vorgemacht hatte. Er hatte damals nicht wahrhaben wollen, dass er Matt liebte, weil er den Gedanken nicht ertragen konnte, schwul zu sein. Aber jetzt… Jetzt spürte er einfach nur dieses Verlangen, Matt wieder so nah zu sein und wieder diese alten Zeiten mit ihm zu erleben. Wo sie zusammengewohnt, Matt als Hacker und er als Bote für die Mafia gearbeitet hatten und sie beide ein eingespieltes Team waren. „Ich glaube, ich habe gesagt, du sollst dich ganz ausziehen.“ Matts strenger Ton holte ihn wieder in die Realität zurück und wortlos kam er seiner Aufforderung nach. So streifte er schließlich auch seine Hose ab, dann seine Unterhose, nachdem er seine Schuhe ausgezogen hatte. Vollkommen nackt stand er nun da, während er Matts Blicke spürte. Es fühlte sich schon ein wenig seltsam an. Nicht, weil es an Matt lag. Nein es lag eher an der Umgebung. Sie waren nicht mehr in ihrem Apartment, wo es dank Matts Kabelwirrwarr unordentlich aussah und die Luft nach Nikotin roch. Nein, sie waren in einem unterirdischen Gefängnis in einer Zelle. Es war zum Glück nicht so schlimm wie im Asylum, hier war es wenigstens sauber und das Bett war auch sehr gemütlich. Trotzdem war er irgendwie nervös. Vielleicht weil es das erste Mal seit vier Jahren war, dass er wieder Sex mit Matt haben würde? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)