Crossroads von lunalinn (decisions are never easy) ================================================================================ Kapitel 3: Konfrontation ------------------------ Als er gegen Abend endlich einmal zur Ruhe kam, wusste er nicht, welches brodelnde Gefühl in ihm die Oberhand gewonnen hatte. Er war froh, als er sich im Gemeinschaftsraum in einen der hohen Lehnstühle fallen lassen konnte, eines der geliehenen Bücher aus der Bibliothek im Schoß liegend. Noch war es recht früh und daher hielten sich die meisten vermutlich noch mit dem Abendessen auf. Umso besser für ihn, denn Gesellschaft war das Letzte, das er sich gerade wünschte, und so genoss er das Alleinsein. Das dämmrige grüne Licht erhellte den düsteren Raum nur spärlich, ebenso wie die Flammen des offenen Kamins, doch er empfand gerade das als angenehm. Unweigerlich musste Severus an Lilys skeptischen Gesichtsausdruck denken, als er ihr damals in ihrem ersten Jahr vom Gemeinschaftsraum Slytherins erzählt hatte. Sie hatte ihn als wenig behaglich kommentiert und ihm von Gryffindor vorgeschwärmt, was er wiederum nicht hatte nachvollziehen können. Er fühlte sich hier unten wohler und konnte dem hochgelobten Raum im siebten Stock aus ihren Erzählungen nichts abgewinnen. Es war nicht das erste und letzte Mal gewesen, dass ihre Meinungen auseinander gingen. Genau genommen war es schon immer so gewesen, schon seit er sie kannte, waren sie immer wieder aneinander geraten. Anfangs wegen Kleinigkeiten, über die sie hinterher lachen konnten, doch mit der Zeit hatten sich Probleme daraus entwickelt. Alles war schwieriger geworden und dennoch hatte er heute abermals versucht, sich bei ihr zu entschuldigen, damit sie wieder Freunde sein konnten. Er hatte es nicht einmal geplant, doch als er sie gesehen hatte, war es einfach über ihn gekommen. Das Verlangen, mit ihr zu sprechen, ihr zu sagen, dass es ihm leid tat…dass er sie nicht hatte beschimpfen wollen und dass er sie gern hatte. Am liebsten hätte er ihr noch mehr gesagt, doch das würde er niemals über sich bringen können. So oft hatte er ihr sagen wollen, wie sehr er sie mochte, doch nie hatte er es über die Lippen bringen können. Nun war es sowieso zu spät, schließlich hatte sie ihn nicht mal richtig zu Wort kommen lassen. Ihre grünen Augen hatten ihn zornig angeblitzt, während sie ihm einmal mehr eine schmerzhafte Abfuhr verpasst hatte. Bei der Erinnerung daran wurde ihm die Kehle eng und er musste hart schlucken. Wenn sie wenigstens nicht auch noch dabei beobachtet worden wären…dann hätte er es mit gespielter Gleichgültigkeit ertragen können. Natürlich hatte er dieses Glück nicht gehabt und nun verdrängte Wut das niederschmetternde Gefühl in seiner Brust. Was fiel Lupin eigentlich ein, ihm nachzuspionieren? Vor allem in so einer Situation…als hätte er sich nicht schon genug geschämt. Er konnte sich regelrecht vorstellen, wie Lupin zu Potter und Black rannte, um ihnen seine Beobachtung mitzuteilen. Sicher zerrissen sie sich gerade das Maul über ihn. Potter amüsierte sich bestimmt köstlich darüber, dass Lily ihn hatte abblitzen lassen…wie sehr er ihn hasste und das nicht nur, weil er ihm das Leben zur Hölle machte. Noch schlimmer war es für ihn, wie er seiner ehemals besten Freundin nachstellte…sie belagerte und angaffte. Der Gedanke daran reichte, um eine Welle des Hasses durch seine Adern zu schicken Wenigstens hatte er sich ein bisschen rächen können und kurz verdrängte süße Genugtuung den Zorn in seinem Inneren. Wie Lupin ihn mit seinen großen, braunen Augen angestarrt hatte…wie ein Kaninchen in der Falle. Es hatte ihm regelrecht Spaß gemacht, ihn mit dem Fluch zu Boden zu schicken. Die Versuchung war groß gewesen, ihm seinen Sectumsempra direkt in sein ohnehin schon vernarbtes Gesicht zu jagen. Er hätte sich gut damit herausreden können, dass der Werwolf die Wunden schon zuvor gehabt habe…wobei, Dumbledore hätte das sicher durchschaut. Es war eigentlich gut gewesen, dass er nicht die Beherrschung verloren, sondern es bei der Demütigung belassen hatte. Zwar hätte er Potter und Black noch lieber zu seinen Füßen kriechen gesehen, doch man musste nehmen, was man kriegen konnte, und Lupin war nun einmal der schwächere Part. Dessen Gefasel von wegen, es gäbe keinen Grund, sich zu bekriegen, war ausgemachter Schwachsinn. Als ob er nicht genau gesehen hätte, wie Lupin nach seinem Stab hatte greifen wollen. Tja, dieses Mal war er schneller gewesen und einen Moment lang bedauerte er doch, dass er die Situation nicht vollends ausgekostet hatte. Vielleicht hätte er Lupin ja auch mal kopfüber hängen lassen sollen? Wobei…es war ja niemand außer Madam Pince in der Nähe gewesen, von daher hätte es den gewünschten Zweck sowieso nicht erfüllt. Wenn er noch mal die Gelegenheit bekommen sollte, würde er diesem Feigling einen Fluch auf den Hals hetzen, der ihn lehren würde, nie wieder den Stab gegen ihn zu erheben. Severus stutzte, als er sich vorstellte, wie Lupin sich in dieser Sekunde bei dem Rest seiner Truppe ausheulte. Was ihn daran beunruhigte, war, dass weder Potter noch Black es auf sich sitzen lassen würden, dass er ihren Freund bloßgestellt hatte. Was das anging, waren sie ekelerregend loyal. Demnach musste er sich in Zukunft wappnen, durfte keine Sekunde unachtsam sein, denn mit Sicherheit würden sie sich etwas besonders Hinterhältiges ausdenken. Ihm graute es dabei, abermals vor allen Anwesenden entblößt zu werden. Noch so eine peinliche Episode und er konnte selbst von seinem eigenen Haus nichts mehr erwarten. Schon jetzt hatte ihm das seine Chancen verspielt… Severus hielt in seinen Gedanken inne, als er bemerkte, dass er nicht länger allein war. Anscheinend war das Abendessen beendet. Sein Blick glitt wieder zu dem Buch in seinem Schoß und er schlug es auf, um wenigstens den Eindruck zu vermitteln, etwas Sinnvolles zu tun. In die Flammen des Kamins zu starren und über Lily und die Rumtreiber nachzudenken, gehörte wohl kaum dazu. Langsam glitten seine schwarzen Augen über das Inhaltsverzeichnis…das Buch handelte von den dunklen Künsten und es wunderte ihn, dass es nicht in die verbotene Abteilung einsortiert worden war. Vielleicht ein Versehen, doch er bedauerte es nicht, das Buch jetzt in den Händen halten zu können. Jedoch wurde sein Interesse getrübt, als er die Stimme von Rabastan Lestrange vernahm. Ohne aufzusehen, warf er ihm und seinem Anhang einen unauffälligen Seitenblick zu. „…mein Bruder hat mir geschrieben…ich erzähle es euch später…“ „Und…er ist wirklich…?“ „Ich habe doch später gesagt!“, betonte Lestrange und die Schärfe in seiner Stimme war unüberhörbar. Severus bemerkte, wie einige Slytherin aus den unteren Klassen in Richtung Schlafsaal gingen – vielleicht ein bisschen zu eilig. Es wunderte ihn nicht, denn die meisten schüchterte Lestranges Ruf ein und dieser genoss es in vollen Zügen. Severus sah erst auf, als Lestrange direkt vor ihm stand und instinktiv spannte er sich an, auch wenn er äußerlich keine Miene verzog. Es war nicht so, dass er Angst hatte, er konnte sich nur einfach nicht vorstellen, dass die plötzliche Aufmerksamkeit etwas Positives bedeuten könnte. Die stahlblauen Augen seines Gegenübers fixierten erst das Buch in seinem Schoß und dann ihn. Ein herablassendes Lächeln begleitete den musternden Blick, während Rosier hinter ihm grinste. „Snape.“ „Lestrange“, erwiderte er in derselben Tonlage und sah genauso kühl zurück. „Interessantes Buch…“, kommentierte Lestrange scheinbar beiläufig und Severus wusste nicht, was er davon halten sollte. Generell gefiel ihm die Situation nicht, da er schon wieder einer Gruppe gegenüberstand. Er war allein, so wie immer. Das Misstrauen war schon natürlich geworden, auch wenn es sich hierbei um seine eigenen Hausgenossen handelte. „Scheinst dich ja ziemlich für die dunklen Künste zu interessieren“, bemerkte Lestrange und Rosier grinste noch bösartiger. „Wenn er sie nur beherrschen würde, anstatt kleinen Schlammblüterinnen hinterher zu laufen…“ „…oder kopfüber herumzuhängen“, fügte Avery hinzu und die anderen lachten. Sie machten sich über ihn lustig. Wut stieg in ihm auf, doch er nahm sich zusammen, durfte hier keine Schwächen offenbaren, indem er die Fassung verlor. Also setzte er ein falsches Lächeln auf und blickte an Lestrange vorbei zu Rosier und Avery. „Erstens habe ich es nicht nötig, irgendwem hinterherzulaufen und zweitens…muss ich mir sowas von dir nicht anhören, Avery“, schoss er scharf zurück. „Nicht, nach letzter Woche, als dir Black’s Furnunculus-Fluch drei Tage im Krankenflügel beschert hat!“ Angriff war definitiv die beste Verteidigung, das bewies sich auch in dieser Situation, denn Avery wurde sofort knallrot und mied nun seinen Blick. Lestrange schien einen Moment lang verdutzt von seiner Schlagfertigkeit zu sein, jedenfalls lachte nun niemand mehr, doch dann fasste er sich. „Zumindest mit Worten kannst du umgehen“, meinte er mit der gewohnten Arroganz und Severus verengte die Augen. „Wie auch immer, wir haben etwas Wichtiges zu besprechen…also…“ Severus konnte sich denken, was genau so wichtig war, und dass ihm soeben gezeigt wurde, wo sein Platz war, war offensichtlich. Es musste nicht ausgesprochen werden, er wusste auch so, dass er verschwinden sollte, weil er eben nicht dazu gehörte. Für wenige Sekunden zog er es in Erwägung, darum zu bitten, bleiben zu dürfen…sein Interesse an diesem Thema zu erläutern, doch dann wurde ihm klar, dass er sich damit lediglich noch lächerlicher machen würde. Wenn er wirklich dazu gehören wollte, durfte er nicht darum betteln, sondern musste beeindrucken. Gerade bot sich ihm dafür keine Gelegenheit und so war es das Klügste, aufzustehen und tatsächlich zu verschwinden. Er ließ sich Zeit dafür, erwiderte Lestranges Blick mit derselben Härte, als er sich schließlich langsam erhob und an ihnen vorbei schob. Zähneknirschend nahm er es hin, dass Rosier ihm beim Vorbeigehen den Ellenbogen in die Seite stieß. Ein Grunzen, das sehr nach Halbblut klang, drang an seine Ohren, doch er ignorierte es und schlurfte Richtung Schlafsaal. Sich so herumschubsen zu lassen, passte ihm nicht, doch Rosier hatte einen guten Draht zu Lestrange und aus diesem Grund musste er vorerst die Füße stillhalten. Irgendwie musste er es schaffen, die anderen diese peinlichen Episoden vergessen zu lassen. Wieder kam ihm in den Sinn, dass er Lupin lieber vor Publikum hätte demütigen sollen…aber gut, die Chance war vertan. Es würden sich andere bieten, er musste nur seinen Verstand gebrauchen und die richtige Gelegenheit abwarten. Wobei es vermutlich das Klügste wäre, wenn er fürs Erste noch mehr Wachsamkeit als sonst an den Tag legen würde. Wahrscheinlich saßen die Rumtreiber im Moment beisammen und überlegten, wie sie am besten Rache üben konnten. Unweigerlich musste er daran denken, dass ihm seine Mutter damals versichert hatte, dass in Hogwarts alles besser werden würde. Er sollte es eigentlich gewohnt sein, dass sie einfach immer Unrecht hatte. Als er ein paar Minuten später in seinem Bett lag, das Gesicht zur Wand gedreht, sah er Lily vor sich, wie sie ihn mit ihren grünen Augen wütend und enttäuscht ansah. Er hatte sie eben schon wieder verleugnet…hatte zugelassen, dass man sie Schlammblut nannte. Er versuchte ihr ständig zu sagen, dass es ihm leidtat, aber in solchen Situationen hielt er stets den Mund…ergriff nie Partei für sie. Erst jetzt fühlte er sich deswegen schuldig, doch was hätte es geändert, wenn er sie verteidigt hätte? Er wäre noch tiefer in Lestranges Gunst gesunken, falls das überhaupt möglich war, und sie hätte sowieso nie davon erfahren. Sie wollte ja kein Wort mehr mit ihm wechseln. Er atmete durch, schloss die Augen, während er das flaue Gefühl in seinem Magen zu verdrängen und zu schlafen versuchte. Etwas anderes blieb ihm ja auch nicht übrig. Jedoch schien er sich zumindest wegen der Rumtreiber umsonst gesorgt zu haben. In den nächsten Tagen bekam er zwar ab und an die üblichen Sprüche zu hören, doch stets so, dass es nicht alle mitbekamen. Besonders wenn Lily in der Nähe war, schien Potter mehr denn je bemüht, sich besonders erwachsen zu verhalten – und diese Farce widerte Severus noch mehr an, als wenn er sie mit eindeutigen Absichten belagern würde. Dadurch dass er sie nicht ständig nach einem Date fragte oder andere Schüler, ihn eingeschlossen, vor ihren Augen verhexte, bekam sie weniger Gelegenheiten, ihm ihre Abneigung zu zeigen. Severus durchschaute den Plan natürlich sofort und er hoffte, dass Lily dies auch tat. Aber sie hasste ihn ja abgrundtief, das wusste jeder, und er konnte sich damit auch einigermaßen beruhigen. Lily war nicht so dumm, auf diese neue Masche reinzufallen, also musste er sich auch nicht sorgen. Viel eher sollte er sich um sich selbst Gedanken machen, denn er konnte diesem seltsamen Frieden nicht trauen. Hatte Lupin etwa doch nicht gepetzt? Oder wollten ihn die vier nur in Sicherheit wiegen, um es ihm richtig heimzuzahlen? Beides empfand Severus als beunruhigend und es sorgte dafür, dass er noch paranoider als sonst wurde. Wann immer ihm einer der vier, vor allem Potter und Black, begegneten, zog er direkt seinen Stab – doch die beiden lachten ihn jedes Mal aus und ließen ihn mit einem abfälligen Kommentar stehen. Pettigrew war kaum der Rede wert, der traute sich nicht, ihn allein auch nur schief anzusehen und Lupin…verhielt sich überraschend freundlich. Severus hatte geglaubt, dass der andere ihn entweder weiter ignorieren oder ihm doch zumindest seinen Unmut über ihr letztes Aufeinandertreffen zeigen würde – nichts von beidem war der Fall. Wenn er dem Werwolf durch Zufall allein begegnete, nickte dieser ihm jedes Mal bemüht freundlich zu. In Gegenwart von Potter und Black beließ er es bei einem entschuldigenden Lächeln…und Severus stellte fest, dass er ihn dafür noch mehr als zuvor hasste. Was sollte denn diese Nummer? War Lupin etwa noch feiger, als er bisher angenommen hatte, und versuchte nun die Wogen zu glätten? Oder hatte er diesem Schwächling tatsächlich Angst gemacht? Nein…das konnte es nicht sein. Doch was war es dann? Fakt war jedenfalls, dass ihn dieses Verhalten wahnsinnig machte. Jedoch trieb Lupin es am Ende der Woche auf die Spitze. Severus hatte seine Aufsätze vor seinem Streit mit Lily oft mit dieser in der Bibliothek geschrieben, doch jetzt saß er meistens allein dort. An sich störte ihn das Alleinsein nicht, es war mehr die Tatsache, dass er seine beste Freundin generell vermisste. Immerhin hatte er hier seine Ruhe und konnte, wenn nötig, direkt auf die richtigen Bücher zurückgreifen. Also setzte er sich an einen der Tische – möglichst weit von Madam Pince entfernt – und breitete seine Sachen darauf aus, ehe er sich an die Arbeit machte. McGonagall hatte ihnen in Verwandlung einen Aufsatz über Inanimatus-Aufrufezauber aufgegeben und da er jedes Mal mindestens eine Rolle Pergament mehr als gewünscht schrieb, fing er am besten frühzeitig damit an. Er hatte gerade das Lehrbuch aufgeschlagen und noch mal schnell das Thema überflogen, als ihn ein Räuspern zusammenfahren ließ. Sein Kopf ruckte hoch und er blickte direkt in ein Paar brauner Augen, die ihn mit der gewohnten Gutmütigkeit anblickten. „Hallo“, begrüße ihn Lupin mit einem höflichen Lächeln, während Severus ihn nur anstarren konnte. „Darf ich mich setzen? Danke.“ Zwar hatte er bisher nicht ein Wort gesagt, doch Lupin schien die Antwort auch gar nicht abwarten zu wollen, denn er ließ sich einfach ihm gegenüber nieder, ehe er sein Buch und das Pergament rausholte. „…was wird das?“, fragte Severus mit so viel Abneigung in der Stimme, dass selbst ein Schwachkopf gemerkt hätte, dass seine Anwesenheit nicht erwünscht war. Lupin hatte wohl beschlossen, so zu tun, als würde er es nicht bemerken, denn er stellte gerade sein Tintenfass auf den Tisch. „Ich schreibe meinen Aufsatz.“ „Ich war zuerst hier!“, zischte er ihn an und Lupin hob eine Braue. „Ja“, sagte er langsam und lächelte dann wieder. „Aber da hier genug Platz ist, können wir bestimmt beide hier sitzen und arbeiten.“ Severus hatte das Gefühl, gleich zu explodieren, doch er presste nur die Lippen fest aufeinander und versuchte Lupin durch seinen hasserfüllten Blick zu vertreiben – erfolglos. „Hat dir das letzte Mal nicht gereicht? Willst du mich provozieren?“, fauchte er ihn an und bemühte sich dabei, leise zu sein. Madam Pince schaute schon so misstrauisch zu ihnen herüber. „Bitte?“, entgegnete Lupin und blinzelte dabei irritiert. „Ich will hier nur sitzen und meinen Aufsatz schreiben, Snape. Wenn du dich durch meine Anwesenheit provoziert fühlst, ist das nicht meine Schuld.“ Gleich würde er ihm an den Hals springen und ihn erwürgen…es fehlte nicht mehr viel. Wobei, nein, er würde ihm einen Fluch aufhalsen, der ihm mindestens eine Woche Krankenflügel bescheren würde. Was fiel diesem Abschaum eigentlich ein?! „Schön!“, fauchte er ihn an und blickte nun verbissen auf sein eigenes Pergament runter, ehe er die Feder ergriff und sie mit zu viel Schwung ins Tintenfass tauchte. Die Kleckse auf dem Tisch ignorierend, setzte er die Spitze aufs Papier. „Dann bleib halt!“ Lupin lächelte immer noch, trotz des garstigen Tonfalls. „Das ist sehr freundlich.“ „Tse!“ Lange konnte er sich über den anderen nicht aufregen, denn dieser verhielt sich tatsächlich still. Abgesehen vom Kratzen der Feder auf dem Papier und dem Umschlagen der Seiten gab er keinen Laut von sich. Sollte das hier also doch keine Schikane werden? Severus konnte sein Misstrauen dennoch nicht einfach ablegen, vor allem da er keinen Grund sah, weswegen sich Lupin sonst mit ihm zusammensetzen wollte. Wohl kaum, weil sie einander so sehr mochten. Fragen konnte er auch nicht, denn damit würde er zugeben, dass er sich Gedanken machte. Da stand er diese Situation lieber aus und ignorierte den Werwolf. Wobei ihn eines schon interessierte…und schließlich überwand er sich, wobei er jedoch nicht von seinem Pergament aufschaute. „Du hast nichts gesagt.“ Lupins Feder stand nun ebenfalls still. „Wie bitte?“, hörte er ihn fragen und seufzte innerlich genervt. „Das letztens“, erwiderte er knapp. „Anscheinend hast du den Vorfall für dich behalten. Warum?“ Ein paar Sekunden kam keine Antwort und als Severus doch aufsah, Lupin abschätzend musternd, sah dieser ihn nachdenklich an. „Du meinst, warum ich nicht zu James und Sirius gerannt bin, damit sie dich meinetwegen verhexen?“ „Das wäre, was ich von jemandem wie dir erwartet hätte.“ Lupin schnaubte leise und legte die Feder nieder, um die Arme zu verschränken und ihn ernst anzublicken. „Jemandem wie mir?“, wiederholte er leise. „Und was genau willst du damit sagen, Snape?“ Severus verbiss sich, was ihm wirklich auf der Zunge lag – und das auch nur, weil Dumbledore ihm verboten hatte, darüber zu sprechen. „Das, was ich dir schon das letzte Mal gesagt habe: Du bist ein Feigling. Potter und Black stehen an der Front, während du und Pettigrew ihnen aus dem Hintergrund den Rücken freihaltet und sie anfeuert. Sehr rühmlich…“ Er hätte damit gerechnet, dass Lupin direkt alles abstreiten würde, doch stattdessen saß er da und schien nachzudenken. Was auch immer es dabei zu überdenken gab… „Ich feuere niemanden an“, antwortete Lupin schließlich ruhig. „…und ich bin nicht mit allem einverstanden, was sie tun. Das habe ich ihnen auch schon gesagt…aber du hast Recht damit, dass ich nicht immer eingreife, obwohl ich es als Vertrauensschüler wohl tun sollte.“ Er seufzte leise und zuckte dann mit den Schultern. „Gerade du müsstest doch wissen, wie unangenehm es ist, allein zu sein, Snape“, sprach er weiter und Severus spannte sich an. „Sie sind meine Freunde…natürlich bin ich nachsichtig mit ihnen. Das ist vielleicht nicht immer korrekt, aber es ist menschlich.“ Es war mit Sicherheit nicht das, was Severus hatte hören wollen. Er wollte nicht von jemandem wie Lupin hören, dass er einsam war. Er war nicht einsam – er brauchte niemanden! Den Gedanken an Lily versuchte er dabei auszublenden, auch wenn es ihm wie immer nicht gelang. Es machte ihn einfach wütend, dass Lupin von ihm Verständnis zu erwarten schien. Sein Kiefer malmte lautlos, während er ihn anfunkelte, doch der andere ergriff erneut das Wort. „Und zu deiner Frage…ich habe ihnen nichts erzählt, weil ich nicht wollte, dass sich die beiden für mich an dir rächen. Das wäre nicht richtig.“ Severus schnaubte verächtlich. „Bei so viel Selbstgerechtigkeit möchte ich mich übergeben…“, kommentierte er trocken, doch Lupin schien es locker zu nehmen. „Nun, du hast uns auch schon ein paar Mal übel mitgespielt, Snape…so einseitig, wie du es darstellst, ist es also nicht.“ Severus Augen wurden schmal, als er das hörte; das konnte nicht sein Ernst sein. Er funkelte Lupin über den Tisch hinweg finster an, doch der andere hielt dem Blick stand. „So…“, sagte Severus langsam und legte die Feder beiseite. „Auf diese Weise redest du es dir also schön, ja?“ „Ich-“ „Oh nein!“, zischte er ihm dazwischen und nun wirkte Lupin alarmiert. „Ich brauche dein selbstgerechtes Getue nicht, Lupin! Deine so genannten Freunde haben versucht, mich umzubringen! Und wer weiß…vielleicht wusstest du ja sogar davon? Vielleicht hätte es dir gefallen, mich in Stücke zu reißen? Oder mir dieselbe Last aufzubürden?“ Er spürte das Gefühl grimmiger Genugtuung, als Lupin leichenblass wurde und ihn mit schreckgeweiteten Augen ansah. Wie ein gehetztes Tier sah er sich rasch um, jedoch schien es ihn nicht wirklich zu beruhigen, dass sie allein und Madam Pince zu beschäftigt war, um auf sie zu achten. „Das ist nicht wahr“, flüsterte er zurück und er klang dabei so aufgelöst, dass Severus noch eins draufsetzen musste. „Du weißt, dass das nicht wahr ist.“ „Ach nein? Du willst mir also sagen, dass dir nicht das Wasser im Mund zusammenläuft, wenn du an delikates Menschenfleisch denkst?“ „Hör auf…“ Lupins bernsteinfarbene Iriden flackerten und Severus bemerkte, dass seine Finger zitterten. Das war anscheinend ein empfindlicher Punkt, doch es wunderte ihn nicht. Wer wollte sich schon einmal im Monat in eine Bestie verwandeln, die nicht mehr zwischen Freund und Feind unterscheiden konnte? „Wenn dem nicht so ist, Lupin, wie kannst du sie dann noch Freunde nennen?“ Ob es wohl bei Lupin eine Grenze gab? Severus stellte fest, dass es ihm regelrechtes Vergnügen bereitete, diese auszutesten. Ja, er durfte niemandem davon erzählen, aber Lupin damit zu konfrontieren, das konnte ihm keiner verbieten. „Sie haben einen Fehler gemacht…James hat-“ „Mich gerettet? Er wollte nicht, dass ihr alle von der Schule fliegt – das hat nichts mit Heldenmut zu tun.“ „Es war…ein dummer Streich, Sirius hat nicht-“ „Nein, das war kein Streich…das war der Versuch, mich umzubringen“, fuhr er ihm gnadenlos über den Mund und Lupin schluckte hart. „Und ich frage mich, wie du ihnen verzeihen kannst, wo sie dich doch beinahe zum Mörder gemacht haben. Aber vielleicht spielt das für dich ja keine Rolle mehr? Vielleicht hast du dich damit abgefunden, dass du ein-“ „Halt endlich deinen Mund!!“ Severus war so verblüfft, dass er tatsächlich verstummte und Lupin anstarrte, der so ruckartig aufgesprungen war, dass er seinen Stuhl dabei umgestoßen hatte. Die Situation kam ihm so skurril vor, dass er sich nicht einmal bedroht fühlen konnte. Er musterte Lupin, der schwer atmete und aussah, als könnte er sich nicht entscheiden, ob er sich auf ihn stürzen oder doch lieber verschwinden sollte. Doch dann packte er hastig seine Sachen zusammen und floh geradezu aus der Bibliothek, ohne sich noch einmal umzudrehen oder Madam Pince zu beachten, die ihm hinterher schimpfte. Severus blieb sitzen, ließ das Geschehene noch einmal Revue passieren…ehe er sich mit einem triumphalen Gefühl in der Brust wieder seinem Aufsatz widmete. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)