Crossroads von lunalinn (decisions are never easy) ================================================================================ Kapitel 1: Der Sud der lebenden Toten ------------------------------------- Schon als Severus am nächsten Morgen in die große Halle kam, hatte er das miserable Gefühl, dass das kein guter Tag werden würde. Es mochte an dem Auflauf liegen, der sich um den Gryffindor-Tisch versammelt hatte und er erkannte sogar einige Hufflepuffs und Ravenclaws darunter. Sogar am Lehrertisch reckten einige Professoren mit regem Interesse die Hälse – darunter auch sein Hauslehrer Professor Slughorn. Als Severus einen flüchtigen Blick zum Slytherin-Tisch warf, sah er jedoch nur in mürrisch dreinblickende Gesichter. „…ist das…?“ „Ganz genau!“, erwiderte die ihm verhasste Stimme von James Potter in der gewohnt arroganten Tonlage. Zweifellos war Potter das Zentrum des Pulks – so war es immerhin meistens. „Kann ich ihn mal anfassen?“ „Ich möchte ihn auch anfassen!“ „Immer der Reihe nach, Leute...jeder darf mal gucken. Anfassen kostet 5 Sickel, klar?“ Allerdings schien das niemand ernst zu nehmen und natürlich bestand Potter auch nicht wirklich darauf. Als sich die Menge ein wenig lichtete, sah Severus auch endlich den Grund für dieses ganze Theater. „Wow, das ist das neuste Modell!“ „Der Nimbus 1001 soll noch viel schneller sein, als der 1000!“ „…er soll 180 km/h erreichen können!“ „Ich hab gehört, dass sie die Lenkung enorm verbessert haben!“ „Wo hast du den her, Potter?“ „Frühzeitiges Geburtstagsgeschenk von meinen Eltern. Sie meinen, dass er mir beim kommenden Spiel mehr nützt, als nächstes Jahr.“ „Der muss doch unheimlich teuer gewesen sein?“, fragte jemand ehrfürchtig. „Ja, ich weiß…aber meine Eltern sind  da ziemlich spendabel.“ Er zuckte lässig mit den Schultern, wobei er sich mit der freien Hand durch das schwarze Haar fuhr, um es noch mehr durcheinander zu bringen. Angewidert beobachtete Severus, wie zwei Mädchen sich die Hälse verrenkten, um ihn besser sehen zu können. Wenigstens gehörte Lily nach wie vor nicht zu Potters Fanclub, denn sie saß, völlig unberührt von dem Getue um den neuen Besen, auf der Bank ihres Tisches und las scheinbar konzentriert in einem Buch. Selbst wenn sie sich nicht zerstritten hätten, hätte er sich nicht zu ihr setzen können. Da waren zu viele Schüler aus seinem Hause, die ihn dabei sehen könnten, und so wandte er sich mit verächtlicher Miene von Potter und dem Rest ab, um sich neben Mulciber zu setzen, der ihm nur einen kurzen Blick zuwarf, ehe er sich wieder dem Gespräch mit Avery widmete – deutlich leiser als zuvor. Severus ignorierte es, ebenso wie den durchdringenden Blick von Rabastan Lestrange, der ein Jahr über ihnen war.   Seit dem Vorfall im letzten Jahr hatte Severus anscheinend jedes bisschen seiner hart erkämpften Akzeptanz verloren. Dabei war es gerade in dieser Zeit ungemein wichtig, dass er in seinem Hause Kontakte knüpfte. Das Munkeln auf den Fluren über einen Lord, der die dunklen Künste beherrschte, wie kein anderer, wurde immer präsenter. Angeblich sollte dieser Zauberer Dinge vollbringen, die die Fähigkeiten ihres Schulleiters Albus Dumbledore in den Schatten stellen konnten. Es war ein offenes Geheimnis, dass sich immer mehr ehemalige Schüler aus dem Hause Slytherin diesem dunklen Lord anschlossen. Großes sollte man bei ihm erreichen können…und auch wenn viele von der Grausamkeit dieses Mannes abgeschreckt waren, so hatte der Gedanke daran, von dieser Macht zu profitieren, etwas Verlockendes an sich. Jedoch bevorzugte dieser Zauberer den Gerüchten zufolge Reinblüter – und somit sanken seine Chancen, auch nur in die Nähe der sogenannten Todesser zu kommen. Rabastans Bruder Rodolphus sollte den Gerüchten zufolge bereits einer von ihnen sein und jeder wusste insgeheim, dass sein jüngerer Bruder denselben Weg einschlagen würde, sobald er die Schule verlassen hatte. Neben Rabastan saß Evan Rosier, ebenfalls ein potenzieller Anwärter für die Reihen des dunklen Lords. Schon letztes Jahr hatten Avery und Mulciber auffällig oft mit ihm zusammengesessen und er hatte versucht, sich einzubringen. Dank seiner Begabung für Zaubertränke und seiner recht guten Kenntnisse über die dunklen Künste, hatte er es geschafft, sich einen Platz zwischen ihnen zu sichern. Zumindest für kurze Zeit, denn nach der blamablen Szene am See mieden sie ihn, wenn sie gerade keinen hämischen Kommentar übrig hatten. Das Schlimmste war, dass er Lily ein Schlammblut genannt hatte, damit niemand auf die Idee kam, sie wären Freunde. Schon seit dem vierten Jahr hatte er sie fast ausschließlich heimlich getroffen und in den Stunden kaum mehr mit ihr gesprochen. Die Sommerferien waren dagegen immer eine Erlösung gewesen, denn da musste er niemandem Rechenschaft ablegen. Wenn er jetzt so darüber nachdachte, schämte er sich. Er hätte sie nicht so behandeln dürfen, doch wahrscheinlich hatte er es ihnen beiden damit im Endeffekt leichter gemacht. Falls er diesem Weg wirklich folgen würde, hätte sie sowieso keinen Platz an seiner Seite gehabt. Jetzt konnte er sich ganz darauf konzentrieren, sich einen Ruf zu machen, der Lestranges Interesse wecken würde. Er durfte sich nur keine Blößen mehr geben, was bedeutete, dass er Potter und seinem Gefolge besser aus dem Weg gehen musste. Oder er wehrte sich auf eine Art, die allen Respekt einflößen würde. Andererseits würde ihm dafür vermutlich der Schulverweis drohen. Doch war er noch darauf angewiesen, wenn er sich den Todessern anschließen würde? Während er darüber nachdachte, waren die Prahlereien von Potter in den Hintergrund getreten. Als Severus mehr durch Zufall zum Lehrertisch sah, traf ihn ein Blick aus hellblauen Augen, die hinter halbmondförmigen Brillengläsern schimmerten. Plötzlich hatte er das Gefühl, bei etwas Verbotenem ertappt worden zu sein und ein kalter Schauer rann seinen Rücken hinab, so dass er sich vielleicht ein wenig zu hastig seinem Frühstück widmete. Von der Seite her warfen ihm Avery und Mulciber skeptische Blicke zu, ehe sie sich wieder flüsternd unterhielten. Severus‘ Appetit war ihm vergangen, so dass er schweigend in seinem Müsli herumrührte.     Später hatten sie zusammen mit den Gryffindors eine Doppelstunde Zaubertränke bei Slughorn. Die Kerker mochten für die meisten unangenehm sein, weil es kalt und düster war, doch Severus mochte gerade das. Lily hatte das nie nachvollziehen können, doch jetzt musste er darüber nicht mehr diskutieren, denn sie gingen den Weg hinunter schon lange nicht mehr gemeinsam. Ihr rot schimmerndes Haar leuchtete selbst hier unten und er kam nicht umher, ihr einen längeren Blick zuzuwerfen, als sie sich neben einem anderen Mädchen an einen der Tische stellte. Er war so abgelenkt, dass er auf nichts anderes achtete – und so traf ihn den Fluch in den Rücken völlig unvorbereitet. Schmerzhaft krachte er gegen seinen Tisch und riss durch den Schwung seinen Kessel herunter, der scheppernd auf dem Boden aufkam. Einige zuckten zusammen, andere lachten, als sie ihn so über dem Tisch hängen sahen, doch Severus ignorierte sie. Mit zornesrotem Gesicht sprang er auf, den Zauberstab bereits in der Hand und einen Fluch auf den Lippen, während er in Potters breit grinsende Visage sah. „Anstatt Evans anzustarren, solltest du vielleicht lieber auf deine Umgebung achten, Schniefelus…“, bemerkte dieser höhnisch. Black stand neben ihm, den Blick lauernd auf ihn gerichtet und wie Potter den Stab in der Hand. „...tu besser nichts Unüberlegtes, Snape“, warnte er ihn. „Wir wollen deine Unterhosen eigentlich nicht nochmal sehen…“ Einige kicherten und es brachte das Fass zum Überlaufen. Dieses Mal würde er schneller sein, er wusste es, als sein Arm hochschnellte, noch bevor Potter und Black soweit waren. Dieses Mal nicht…dieses verdammte Mal nicht! „Sectum-“ „Was ist denn hier los?“ Vielleicht war es ja Glück, dass Slughorn in dem Moment reinkam, als er kurz davor war, James Potters Grinsen aus seinem Gesicht zu schneiden. Dies vor so vielen Zeugen zu tun, wäre sicher kein guter Zug gewesen und dennoch spürte er sein Blut kochen. Slughorn sah von einem zum anderen und sein blonder Schnurrbart erzitterte; natürlich hatten Potter und Black bereits ihre Stäbe weggesteckt. „Missverständnis, Professor“, erwiderte Potter mit einem Lächeln und erntete ein Stirnrunzeln des beleibten Lehrers. „So? Nun, Mr Snape, dann lassen Sie bitte den Zauberstab verschwinden – oh und räumen Sie bitte Ihren Tisch auf. Ein wenig Ordnung muss sein, ja, ja…“ Severus presste die Lippen so fest zusammen, dass es wehtat. Sein hasserfüllter Blick war weiter auf die beiden grinsenden Jungen gerichtet, die Slughorn hinter seinem Rücken nachäfften. „Genau, Schniefelus, Ordnung muss sein…“ „…vielleicht sollte er damit anfangen, seine Haare zu waschen?“ „Na, da warten wir ja schon seit Jahren drauf…“ „…und noch immer trieft das Fett raus.“ „Wartet nur…“, zischte er ihnen zu, ehe er den Kessel aufhob und diesen mit Wut auf den Tisch knallte. „…irgendwann ist Black nicht in der Nähe, Potter, und dann kriegst du alles zurück!“ „Ist das eine Drohung, Snape?!“, bellte Black und machte einen Schritt auf ihn zu. Bevor Severus jedoch darauf antworten konnte, die Hand bereits wieder im Umhang, verschaffte sich Slughorn Gehör. „Nun ist es aber gut! Bitte gehen Sie an Ihren Tisch, Mr Black! Der Unterricht beginnt jetzt…da dulde ich keine weiteren Störungen!“   Tatsächlich kehrte daraufhin fürs Erste Ruhe ein und er beobachtete mit Schadenfreude, wie sich Black zu seinem Tisch neben Potter trollte. Dass er dabei immer noch leise Schimpfworte murmelte, entging Slughorn dabei. Severus wandte sich ab, warf stattdessen einen Blick zu Lily und er bemerkte erst jetzt, dass sie ihn ansah. Als sich ihre Blicke jedoch trafen, wandte sie sich rasch ab, wobei ihre Mimik kühler zu werden schien. Innerlich stöhnte er auf, doch äußerlich verzog er keine Miene, sondern versuchte sich auf den Unterricht zu konzentrieren. Dabei musste er krampfhaft verdrängen, wie schön die Zeiten gewesen waren, in denen sie gemeinsam gebraut hatten, denn Lily war in so ziemlich jedem Fach sehr fähig. „Sehr gut!“, ergriff Slughorn wieder das Wort und sah in die Runde. „Nun, wo ich Ihre Aufmerksamkeit habe, möchte ich Ihnen mitteilen, was wir heute brauen werden.“ Er räusperte sich einmal und bat sie dann, die Bücher aufzuschlagen. „Man nennt diesen Trank den Sud der lebenden Toten. Kann mir einer sagen, was es damit auf sich hat?“ Seine eigene Hand schoss in die Höhe, kaum dass er die Bezeichnung vernommen hatte – aus den Augenwinkeln bemerkte er, dass sich auch Lily meldete. Slughorn zögerte nur kurz, ehe er sich mit einem freundlichen Lächeln an sie wandte. „Ja, Miss Evans?“ Es wunderte Severus nicht, dass er ihr den Vortritt ließ, immerhin war sie einer seiner Lieblinge. Eigentlich hätte es ihn wütend machen sollen, doch wie immer, wenn es um Lily ging, nahm er es ohne Aufregung hin. Sicher ärgerte es ihn, dass Slughorn seine Lieblinge bevorzugte – mehr noch als Schüler seines eigenen Hauses –, aber sie konnte nichts dafür. Verbittert ließ er die Hand sinken, während Lilys klare Stimme den Raum erfüllte. „Der Sud der lebenden Toten ist ein extrem starker Schlaftrunk. Wer ihn trinkt, schläft wie ein Toter und ist durch nichts zu wecken.“ Slughorn nickte ihr wohlwollend zu. „Das ist korrekt, Miss Evans…zehn Punkte für Gryffindor!“ Sie strahlte ihn an und Severus wünschte sich, sie würde ihm nur ein halb so freudiges Lächeln schenken, anstatt dieses kalten Blicks, den er mittlerweile nur noch von ihr bekam. „Wir werden also heute diesen Trank brauen…finden Sie sich bitte paarweise zusammen. Oh, Miss Evans, seien Sie doch so gut und nehmen Sie Mr Pettigrew beiseite, ja? Letztes Mal ist Miss Vance von seinem explodierenden Schrumpftrank schwer verletzt worden…“ Pettigrew wurde so rot wie das Banner seines Hauses und murmelte leise Entschuldigungen. Slughorn ignorierte es und zwinkerte der nicht besonders begeisterten Lily zu. „Mit Ihnen an seiner Seite können wir es sicher verhindern, dass hier jemand den ewigen Schlaf findet…nun ja…haben ansonsten alle ihre Partner? Mr Snape? Was ist mit Ihnen?“ Es wäre ihm lieber gewesen, nicht direkt darauf angesprochen zu werden. Er hatte es schon damals in der Muggelschule gehasst, wenn es um Auswahlverfahren ging. „Ich arbeite allein“, erwiderte er knapp und ohne auf die anderen Schüler zu achten. Das war ihm sowieso lieber, als wenn ihm jemand reinpfuschte.   Slughorn jedoch machte eine abwinkende Bewegung mit der Hand. „Unsinn, Unsinn…ah, Mr Lupin, kommen Sie hier rüber…ja, genau, an den Tisch von Mr Snape. Sehr gut…dann arbeiten Sie beide heute zusammen.“ Ein Zucken ging durch Severus, als er das hörte und er verbiss sich mit Mühe einen abfälligen Kommentar. Er sah zu Remus Lupin, dem Black gerade auf die Schulter klopfte und sein Beileid ausrichtete, doch dieser lächelte nur müde. Das hatte er beinahe vergessen…vor wenigen Tagen war Vollmond gewesen. Severus konnte nicht verhehlen, dass ihm die nur halb verheilten Wunden im Gesicht des Werwolfs ein Gefühl der Genugtuung gaben. Er bedachte Lupin mit einem abschätzenden Blick, als dieser seinen Tisch erreicht hatte, wobei er seinen Blick ruhig erwiderte. „Scheint, als hätten wir keine Wahl, hm?“, wies er ihn auf das Offensichtliche hin und hatte auch noch die Nerven, ihm ein halbherziges Lächeln zu schenken. „Lass uns einfach so gut zusammenarbeiten, wie es möglich ist, ja?“ Severus‘ schwarze Iriden verengten sich und er funkelte sein Gegenüber so hasserfüllt an, dass dessen Lächeln in sich zusammenfiel. Slughorn hatte ihren Tisch längst verlassen und erklärte ihnen gerade, welche Zutaten sie für den Trank benötigten. Severus wusste es ohnehin bereits und wäre dies nicht der Fall gewesen, hätte er einfach ins Buch geschaut. „Deine geheuchelte Freundlichkeit kannst du dir sparen, Lupin!“, zischte er zurück. „Ich warne dich…wenn du irgendwas versuchst und mir damit meinen Trank ruinierst, wirst du das bereuen!“ Für einen Moment sah ihn der andere nur verdutzt an, ehe er sich fasste. „Das habe ich nicht vor, Snape“, erwiderte er leise. „Und ich möchte mir meine eigene Note auch nicht versauen…können wir das hier also friedlich hinter uns bringen?“ Am liebsten hätte Severus ihm ins Gesicht gebrüllt, dass er sich seinen Frieden sonst wohin stecken könne. Wenn Severus von Lupins Kumpanen drangsaliert wurde, war ihm dieser Frieden immerhin auch nichts wert. Vermutlich stand ihm die Abneigung ins Gesicht geschrieben, denn Lupin seufzte plötzlich leise. „…also gut, lass uns einfach anfangen, in Ordnung?“, meinte er nur und griff nach der Affodillwurzel. „Ich hacke die Wurzel klein und du bereitest den Wermutsud vor?“ Dass Lupin nun auch noch die Arbeit einteilte, passte ihm genauso wenig, wie die Zusammenarbeit an sich, doch er nickte mit zusammengebissenen Zähnen. „Wehe, du hackst die Wurzel nicht fein genug…“, knurrte er nur, ehe er sich daran machte, den Sud vorzubereiten. Lupin enthielt sich eines Kommentars und machte sich stattdessen an die Arbeit.   Generell arbeiteten sie recht still an ihrem Trank, was Severus auch ganz recht war. Während er die richtige Temperatur des Kessels im Auge behielt, hörte er, wie Lily Pettigrew verzweifelt Anweisungen gab. „…Peter, stopp! Da gehören doch gar keine Schlangenzähne rein!“ „Oh…entschuldige, Lily…“ „Schon gut…zerhack bitte die Wurzel…nein, nicht so grob…du musst sie feiner hacken…“ Er empfand wahrlich Mitleid für sie, dass sie mit diesem plumpen Idioten, dem bereits jetzt der Schweiß auf der Stirn stand, arbeiten musste. So gesehen hatte er es doch besser getroffen, denn auch, wenn er Lupin nicht ausstehen konnte, arbeitete dieser wenigstens weitgehend vernünftig. Er beobachtete, wie dieser die Wurzeln in den Kessel fallen ließ, ehe er sich abwandte und den Blick kurz schweifen ließ. Potter und Black waren ebenso weit wie sie beide und mühten sich gerade mit dem Kleinschneiden der Schlafbohne ab. „Verdammtes Mistding…“, hörte er Black murmeln, während Potter die Stirn runzelte. „Da kommt ja fast gar nichts raus…lass mich mal…“ Sein Blick glitt zu ihrer eigenen Bohne und er drehte sie nachdenklich in den Fingern, während auch von den anderen Tischen her leise Flüche ertönten. Ohne auf Lupin zu achten, griff er nach dem Silbermesser, mit dem dieser soeben noch die Wurzeln zerhackt hatte und versuchte die Bohne vorsichtig zu schneiden. Es war nicht nur schwierig, sondern auch sinnlos, so dass er es direkt wieder aufgab. „Soll ich es versuchen?“, fragte Lupin freundlich, doch er würdigte ihn nicht eines Blickes. Stattdessen drehte er die Bohne abermals in der Hand, zog die Stirn in Falten, ehe er stutzte. Vielleicht…war Schneiden viel zu umständlich…er legte die Bohne auf das Brett und zerdrückte sie langsam mit der stumpfen Seite des Messers. Ein Gefühl des Triumphs kam in ihm auf, als die Bohne augenblicklich eine große Menge Saft absonderte. „Das ist eine gute Idee gewesen!“, bemerkte Lupin neben ihm anerkennend, doch Severus warf ihm nur einen kühlen Blick zu. „Das weiß ich selbst – also spar dir dein Lob“, erwiderte er abweisend, was der andere mit einem Seufzen hinnahm. „Schon gut, am besten sage ich gar nichts mehr.“ „Das wäre in der Tat eine Erleichterung.“ „…nur nicht zu freundlich, Snape.“   Auf diesen sarkastischen Kommentar sagte er nichts mehr und kritzelte stattdessen seine neuesten Erkenntnisse in sein Buch. Dabei ließ er zu, dass Lupin, wie in der Anweisung beschrieben, die Baldrianwurzel und den Saft hinzufügte, so dass sich der bisher brombeerähnliche Farbton aufhellte. Soweit hatten sie anscheinend alles richtig gemacht. Er studierte kurz die Anleitung, wobei er sich noch tiefer über sein Buch beugte, was dafür sorgte, dass ihm die Haare ins Gesicht fielen. Er runzelte die Stirn, während er still las und dabei den Rest der Klasse ausblendete. Da stand gegen den Uhrzeigersinn umrühren…allerdings wusste er aus Erfahrung, dass es bei den meisten Tränken effizienter war, wenn man siebenmal gegen Uhrzeigersinn und einmal im Uhrzeigersinn rührte. Als er wieder aufsah, hatte Lupin bereits begonnen – und natürlich hielt er sich an die Anweisung. Der Trank blieb bei seiner fliederfarbenen Farbe, veränderte sich nicht. „Hm…wieso…“, hörte er ihn murmeln. „Finger weg!“, unterbrach er ihn ruppig und Lupin blickte ihn verärgert an. „Das kannst du auch-“ „Die Zeit ist bald um, also fass hier nichts mehr an, wenn du nicht willst, dass der Trank verdirbt.“ Lupin schnappte nach Luft, allerdings war er so klug, ihm tatsächlich Platz zu machen. Severus machte es nun genau so, wie er es schon einige Male getan hatte. Siebenmal gegen, einmal im Uhrzeigersinn… „Du weißt schon, dass das so nicht korrekt ist?“, hörte er Lupin sagen und schnaubte leise. „Ach wirklich…“, meinte er nur und sah zufrieden, wie die Farbe des Tranks langsam blasser wurde. Hatte er es doch gewusst. Das Resultat wurde immer besser und nach einem kurzen Blick durch den Raum stellte er fest, dass es niemandem – nicht einmal Lily – so gut gelungen war wie ihm. Dass Lupin auch seinen Teil beigetragen hatte, ignorierte er. „Woher wusstest du…?“, fragte dieser mit großen Augen und klang beeindruckt. Severus war das unangenehmer, als wenn er ihn beleidigt hätte. Er rührte weiter, den Blick starr auf den Inhalt des Kessels gerichtet, der nun so klar wie Wasser wurde. „Im Gegensatz zu den meisten anderen, dir eingeschlossen, verlasse ich mich eben nicht nur aufs Lehrbuch, sondern benutze meinen Kopf zum Mitdenken!“ Die Arroganz, die in seinen Worten mitschwang, war pure Absicht und zufrieden nahm er zur Kenntnis, wie Lupin ihn sprachlos anstarrte.   „So, die Zeit ist um…dann wollen wir mal sehen…ah, gar nicht mal schlecht, Miss Evans…er könnte natürlich blasser sein…aber in Anbetracht der Tatsache, dass es nicht Ihre alleinige Arbeit war…aber gut, 10 Punkte für Gryffindor für sie beide.“ Lily lächelte schwach, schien noch etwas sagen zu wollen, doch dann beließ sie es dabei. Pettigrew neben ihr strahlte, als hätte Slughorn ihn direkt angesprochen, anstatt ihn zu übergehen. „Mr Avery und Mr Mulciber…hm…nun, da haben Sie wohl die Wurzeln nicht fein genug gehackt…ja, hier auch nicht schlecht, Miss Vance…“ Auch Potter und Black schienen die Aufgabe Slughorns Urteil nach gut gemeistert zu haben, was vor allem Severus missfiel. Er hätte es den beiden auch gegönnt, wenn der Kessel explodiert wäre.  Als Slughorn jedoch zu ihrem Tisch kam, überschlug er sich beinahe vor Freude. „Oh, vortrefflich!“, rief er aus und beugte sich über den Kessel. „Ja wirklich, ganz hervorragend! Sehen Sie sich nur das großartige Resultat von Mr Snape und Mr Lupin an! Anscheinend sind Sie beide ein gutes Team…jeweils 20 Punkte für jeden von Ihnen für diesen gelungenen Trank!“ Das Lob verlor an Bedeutung angesichts dieser Behauptung und das machten auch die Punkte für sein Haus nicht gut. Sein Lächeln wich einer erzwungenen Grimasse, die Slughorn jedoch nicht zu bemerken schien. Hinter dessen breitem Rücken tat Black gerade so, als würde er sich übergeben müssen. „Danke, Professor, aber die Leistung ist mehr Mr Snape als mir zu verdanken“, ertönte da Lupins Stimme und er traute seinen Ohren nicht. „Ach, Papperlapapp! Sie sind immer so bescheiden, Mr Lupin! Sie haben es beide sehr gut gemacht und können stolz auf sich sein!“ Slughorn winkte ab, ehe er ihnen den Rücken kehrte und verlautete, dass die Stunde zu Ende sei und sie noch schnell aufräumen sollten. Severus kam nicht umhin, Lupin vernichtend anzustarren, doch dieser schien den Grund dafür nicht nachvollziehen zu können. „Ich brauche deinen Zuspruch nicht!“, fauchte er ihn auch sogleich an. „…ich wollte nur-“, versuchte sich Lupin mit leichter Verärgerung zu verteidigen, doch Severus schnitt ihm das Wort ab. „Mir ist egal, was du wolltest, Lupin! Halt den Mund und räum hier auf, wenn du etwas Sinnvolles tun willst!“ Und zum zweiten Mal an diesem Tage schien der Gryffindor sprachlos zu sein.   „Ich-“ „Lass den doch, Moony!“ Es war Potter, dicht gefolgt von Black, der sich nun neben den Werwolf stellte und ihn mit einem Blick kalter Verachtung bedachte. Nun, er empfand nichts anderes für diesen arroganten Mistkerl. Seitdem er wegen ihm Lilys Freundschaft verloren hatte, verabscheute er ihn noch mehr als zuvor. „Ja, ich verstehe nicht, warum du auch noch nett zu sein versuchst…“, pflichtete Black ihm bei. Einen Moment lang zögerte Lupin, doch dann vollführte er einen Schlenker seines Zauberstabs – Severus langte direkt in seinen Umhang, um sich zu verteidigen, sollte es nötig sein. Jedoch hatte er lediglich den Tisch gesäubert, ehe er seine Sachen nahm und sich abwandte. „Ja“, sagte er leise und blickte Severus ein letztes Mal flüchtig an. „Wirklich dumm von mir.“ Und mit diesen Worten zog er mit seinen Freunden von dannen. Severus blickte ihnen nicht lange nach, auch wenn ihn der Zorn innerlich auffraß. Wie sehr er sie hasste…und zwar allesamt. Schweigend räumte er nun ebenfalls seine Sachen zusammen, doch dann sah er aus den Augenwinkeln rotes Haar aufblitzen. Er hob den Kopf und sah Lily nach, die soeben an ihm vorbeigeeilt war, ohne ihn eines Blickes zu würdigen…und plötzlich war sein Zorn verraucht…und er fühlte nur noch dieses unangenehme Gefühl der Leere. Abermals wurde ihm bewusst, wie sehr er sie vermisste. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)