Blind Love von Akemi-Homura (Wahre Liebe überwindet alle Hürden) ================================================================================ Kapitel 1: Blind Love --------------------- Zügig laufe ich durch die Ered Luin. Ich sollte von Nori aus Dori etwas zur Arbeit bringen. Keine schwere Aufgabe, wie man meinen sollte. Doch jetzt auf meinem Rückweg ist der Marktplatz voller Leute. Und das ist mein Problem. Ständig habe ich Angst, jemanden anzurempeln. Rasch gehe ich weiter, um so schnell wie möglich nach Hause zu kommen. Aber dann, vollkommen unerwartet, ruft jemand meinen Namen: „Cussa!!! Warte bitte!“, die Stimme Fili Durins weht mir entgegen. Oh nein, bitte nicht er. Bitte nicht er. Das ist der denkbar schlechteste Moment. Ich will wegrennen, obwohl ich weiß, dass er mir folgen würde. Schon umfasst jemand meinen Arm. „Du bist schwerer zu finden, als Kili beim Verstecken spielen“, begrüßt mich Fili. „Ach wirklich?“, ich weiß nicht genau, was ich erwidern soll. „Bist du gerade auf dem Weg nach Hause?“, will mein bester Freund wissen. Ich nicke ihm nur zur Antwort. „Dann begleite ich dich, Cussa“, ich höre Filis Lächeln aus seiner Stimme heraus. Seufzend ergebe ich mich meinem Schicksal. Fili erzählt mir, welche Streiche sein Bruder und er schon wieder angestellt haben. Unwillkürlich frage ich mich, ob er wirklich ein Zwerg von fünfundvierzig Jahren, oder viel mehr ein kleiner Zwergling ist. Er reißt seine bekannten Witze, bis: „Sag mal, Cussa, sehe ich so furchtbar aus, dass du mich nicht mehr ansehen kannst?“ Sein amüsierter Unterton ist unüberhörbar. Typisch Fili eben. „Nein, nur…“, ich will mir gerade eine gute Ausrede überlegen, als Fili mich mit energischer Stimme unterbricht: „Dann sieh mich an, wenn ich mit dir spreche.“ Erschrocken über seine heftige Reaktion, wende ich ihm mein Gesicht zu. „Na also, geht doch“, spricht er leiser weiter. Wir kommen an meiner Haustür an. „Cussa, Thorin hat mir für morgen freigegeben und da dachte ich, dass wir ja noch einmal etwas zusammen unternehmen könnten. Nur wir beide ohne meinen jüngeren Bruder“, schlägt er mir vor. Unsicher trete ich von einem Fuß auf den anderen. Fili will etwas mit mir unternehmen, mit mir alleine. Mein Herz pocht bei dem Gedanken schneller. „Ehm, okay. Wo wollen wir uns denn treffen?“, frage ich. „Ich hole dich morgen am späten Vormittag hier ab. Bis morgen, Cussa“, dann entfernen sich auch schon seine Schritte. „Ja, bis morgen, Fi.“ Drinnen werde ich von meinem überfürsorglichem Cousin Ori erwartet. „Bist du dir sicher, dass das eine gute Idee ist, Cussa? Nicht das dir etwas passiert!“, besorgt greift Ori nach meinem Arm und führt mich zu einem der Sessel. „Ori, ich finde mich hier auch sehr gut alleine zu recht. Und ja, ich halte es für eine gute Idee. Außerdem kann mir gar nichts passieren, Fili ist doch bei mir“, widerspreche ich ihm. „Aber Cussa, du weißt doch gar nicht, was er vor hat“, Ori startet den verzweifelten Versuch, mich von meinem Vorhaben abzuhalten. „ORI! Ich bin kein kleiner Zwergling mehr und kann sehr wohl selbst entscheiden, was ich tue und was nicht. Hör gefälligst auf mich zu bemuttern!“, fahre ich meinen Cousin an, stoße ihn bei Seite und marschiere raschen Schrittes den Gang hinab zu meinem Zimmer. Spät am Vormittag des nächsten Tages klingelt es an der Tür. Dori, mein ältester Cousin, geht zur Türe und öffnet: „Ah, guten Morgen Fili. Einen Moment. CUSSA!“ Quer durch den gesamten Flur erschallt Doris Stimme. Ich beeile mich zur Tür zu kommen, möglichst dabei nicht auf Ori zu treffen. „Hallo Fi!“, begrüße ich ihn. Dori legt mir die Hand auf die Schulter, schiebt mich zur Türe hinaus: „Einen schönen Tag euch zweien!“ Rums, schon ist die Tür wieder ins Schloss gefallen. „Hallo Cussa, wollen wir los?“, fragt mich mein bester Freund. „Klar“, ich taste zaghaft nach seinem Arm und hacke mich unter. Nur Mahal weiß, was dieser heute vor hat und verlieren will ich ihn sicher nicht. Die ganze Zeit über laufe ich schweigend neben Fili her. Er erzählt mir davon, dass es Kili gar nicht zu passen scheint, dass er heute nicht mit darf. Aber was soll's? Das ganze war doch nicht meine Idee. Als ich den Wind pfeifen hören kann, kommen die Unsicherheit und die Angst zurück. „Ähm, Fi, wo willst du eigentlich hin?“, frage ich zaghaft. „Zu einer Lichtung draußen am Wald. Sie wird dir bestimmt gefallen“, kommt die enthusiastische Antwort. „Können wir nicht vielleicht in den Ered Luin bleiben?“, kommt mein lahmer Protest. Wir sind schon draußen. „Warum? Es ist herrliches Wetter“, Fili versteht mich nicht. Nun, wie sollte er auch? Es kommt wie es kommen muss: Ich stolpere über eine Wurzel. Schlagartig versteifen sich meine Finger in seinen Arm. Bevor ich falle, schlingt sich bereits sein anderer Arm um meine Hüfte: „Alles in Ordnung, Cussa?“ „Ja, danke“, weiche ich ihm aus. „Ist es noch weit?“ „Nein, wir sind fast da“, erwidert er ruhig. Keine zehn Minuten später erreichen wir diese Lichtung. Fili lässt meine Hand los und verschwindet von meiner Seite. Ich bemerke es gar nicht, drehe mich stattdessen im Kreis. Lilien, es riecht ganz eindeutig nach Lilien. Meine Lieblingsblumen. Ob er das meinte? Ich mache ein paar zaghafte Schritte vorwärts, als ich bemerke, dass etwas fehlt. Nun nicht etwas sondern jemand. „Fili?“, panisch rufe ich seinen Namen, „Fi… FILI!!!“ Hände legen sich auf meine Schultern: „Hey, Cussa, was ist denn?“ Erleichtert wirble ich herum und drücke mich an Fili. Er ahnt ja gar nicht, welchen Schrecken er mir eingejagt hat. „Cussa, was ist denn bloß los mit dir? Du bist in letzter Zeit so seltsam. Wochenlang treffe ich dich nicht an, dann weichst du mir aus, siehst mich nicht an, stolperst über unübersehbare Wurzeln und reagierst panisch. Sag mir doch bitte, warum. Liegt es an mir?“, ich höre die Sorge aus der Stimme meines besten Freundes, meiner großen Liebe, heraus. „Versprichst du mir was, Fi?“, frage ich ihn. „Alles was du willst“, höre ich seine Stimme über mir. „Versprich mir, dass du mich hier nicht alleine lässt, wenn ich dir sage, was vorgefallen ist“, verlange ich leise. „Versprochen, ich lasse dich hier nicht alleine“, er klingt sehr ernst. „Vor einem halben Jahr wurde ich auf dem Rückweg in die Ered Luin von einer Horde Orks angegriffen. Es waren zu viele für mich alleine, weshalb sie mich überwältigten und verschleppten. In ihrem Lager träufelte mir einer von ihnen Säure in die Augen. Danach wurde alles schwarz. Als ich wieder zu mir kam, war ich zu Hause. Ich hatte Glück, dass ich so schnell von meinen Cousins gefunden wurde, sonst wäre ich vermutlich gestorben. Zwar hatte ich keine schwereren Verletzungen davongetragen, aber an jenem Tag verlor ich mein Augenlicht. Ich war die erste Zeit nur zu Hause in meinem Zimmer, weil es mir so unglaublich schwerfiel weiterzumachen. Ich musste erst alles neu lernen. Das hat lange gedauert. Danach bin ich dir immer so gut es ging ausgewichen“, beende ich meine kleine Erzählung. Fili umarmt mich stärker: „Das wusste ich nicht.“ Erstaunt, dass er meine Blindheit so aufnimmt, hebe ich den Kopf. Etwas tropft auf meine Wange. Sagte Fi nicht, dass wir herrliches Wetter hätten? Wieder tropft etwas auf meine Wange. Und dann begreife ich. Fili weint meinetwegen. „Fili?“, flüstere ich leise. „Alles okay, es ist nur. Ich könnte mich selbst schlagen. Es war mehr als offensichtlich und ich… ich habe es nicht bemerkt. Tut mir Leid, Cussa“, er lässt sich zu Boden sinken, zieht mich dabei unweigerlich mit. „Warum wolltest du deinen freien Tag eigentlich mit mir verbringen, Fi?“, frage ich ihn. „Na ja, weil… das ist nicht so wichtig“, streitet er ab. „Doch ist es!“, energisch versuche ich mich aufzurichten, bis mir einfällt, dass es mir völlig egal sein kann, ob ich ihn ansehe oder nicht. „Ich… also, es ist so… ich… ich liebe dich, Cussa…“, gesteht Fili. „Wirklich?“, meine Stimme gleicht einem Windhauch. „Wirklich!“, beteuert er. „Ich liebe dich auch, Fili“, gestehe ich ihm. Sanft hebt er mein Kinn an, dann liegen seine warmen Lippen auf meinen. Glücklich erwidere ich seinen sanften Kuss. Später liegen wir im hohen Gras. Mein Kopf ruht auf seiner Brust, unsere Hände sind ineinander verschränkt. „Stört es dich nicht?“ will ich wissen. „Was? Das du blind bist? Nein, wieso denn auch. Nur weil du mich nicht mehr sehen kannst, ist das noch lange kein Grund für mich, dich nicht zu lieben“, mit einer Hand streicht Fili mir übers Haar. Lächelnd schmiege ich mich an ihn. To be continued… Kapitel 2: Forgotten -------------------- Zehn Jahre sind vergangen seit dem Cussa und ich zusammengekommen sind. Zehn Jahre voller Glück. Manchmal vergesse ich sogar, dass sie blind ist. Das sind dann die Momente, in denen sie mich sanft darauf hinweist. Und dennoch hat es mich nie gestört. Auch wenn es mir anfangs schwerfiel, richtig damit umzugehen. Heute sind wir ein eingespieltes Team. Ich weiß immer, wann sie meine Hilfe braucht. Es fällt nicht auf, dass Cussa blind ist. Vielleicht weil sie gelernt hat, damit zu leben? Ich weiß es nicht. Gut gelaunt laufe ich nach Hause. Cussa wartet schließlich schon. Keine fünfzehn Minuten später erreiche ich unsere Wohnung. Vor fünf Jahren hatten wir uns entschlossen zusammenzuziehen. Eine Entscheidung, die ich keinen Moment lang bereut habe. Kili gefiel das gar nicht. Doch als Cussa ihm angeboten hat, dass er ja zu uns ziehen könnte, war er sofort wieder glücklich. Typisch mein kleiner Bruder eben. Dennoch freue ich mich sehr, dass wir drei so harmonisch zusammenleben. Außerdem ist Kili oft zu Hause und unterstützt Cussa, die für ihn eine Schwester ist, so gut er kann. Und dafür bin ich ihm sehr dankbar. Ich streife meine Schuhe ab, als mir etwas auffällt. Irgendetwas stimmt hier nicht. Es ist zu ruhig. Normalerweise hört man die Stimmen meines Bruders und meiner Geliebten. Oder das Klappern von Geschirr. Oder aber sonst irgendwelche Geräusche. Heute höre ich nichts. Skeptisch betrete ich die Wohnstube, wo ich meinen jüngeren Bruder vorfinde. Abwesend starrt er in die Flammen, des im Kamin brennenden Feuers. „Hallo Kili“, grüße ich ihn. Er gibt einen undefinierbaren Laut von sich. „Alles in Ordnung?“, frage ich nach. Kili schüttelt resigniert den Kopf, scheint aber immer noch nicht gewillt, mir eine Antwort zu geben. Seufzend setzte ich mich zu ihm auf das Sofa: „Habt ihr euch gestritten?“ „Was? Blödsinn!“, behauptet dieser. „Verrätst du mir dann vielleicht, was mit dir los ist oder aber warum es hier so still ist, als ob jemand gestorben ist?“, hoffentlich gibt er mir jetzt eine Antwort. „Ähm… also, ich habe damit nichts zu tun, falls du das denkst, Fili. Es ist nur… Heute Mittag haben Cussa und ich uns unterhalten. Dabei habe ich erwähnt, dass du dir deinen Bart ja mittlerweile flechtest. Sie hat damit aufgehört, das Geschirr abzutrocknen und zu mir rüber gesehen. Na ja und dann… ist sie ganz plötzlich aus dem Raum geflohen, zur Tür raus und den Gang hinunter. Ich bin ihr nachgelaufen, aber ich habe sie im Getümmel auf dem Marktplatz aus den Augen verloren. Deshalb bin ich zurückgegangen, in der Hoffnung, dass sie vielleicht schon wieder hier ist. Seitdem warte ich“, beendet Kili seine Erzählung. „Und du hast nichts gesagt, was sie hätte verärgern können?“, hacke ich sicherheitshalber nach. „Wirklich nicht, Fili“, versichert er mir. „Na dann, werde ich sie mal suchen gehen. Bis später, kleiner Bruder“, damit erhebe ich mich und gehe zur Tür. Seit geschlagenen zwei Stunden suche ich bereits die Ered Luin verzweifelt nach Cussa ab. Mein erster Gedanke, dass sie vielleicht zu ihren Cousins gegangen ist, erwies sich als eben so falsch, wie die Vermutung, sie könne bei meiner Mutter Dis sein. Danach habe ich damit begonnen sämtliche Plätze nach ihr abzusuchen. Was ebenfalls gescheitert ist. Eigentlich gibt es jetzt nur noch einen Ort, wo sie sein kann, aber… ach was soll's? Ein Versuch ist es wert. Rasch laufe ich durch den Wald zu der Lichtung, wo wir uns damals unsere Liebe gestanden haben. Ich renne so schnell ich kann. Ich kann bereits sehen, wie sich die Bäume und das Dickicht lichten. Schweratmend bleibe ich stehen, blicke mich um. Mitten auf der Wiese sitzt tatsächlich sie. „Cussa!“, erleichtert gehe ich auf sie zu und setze mich neben sie. Ihre Schultern beben. Die Erleichterung weicht schlagartig Sorge. Zaghaft lege ich ihr meinen linken Arm um die Schultern: „Was ist denn los, Cussa?“ Zuerst passiert gar nichts. Dann, völlig unerwartet, dreht sie sich zu mir und umarmt mich. Noch immer zittern ihre Schultern. Leise weint sie in meine Tunika. Besorgt streiche ich ihr über den Rücken. Rede beruhigend auf sie ein. Nach schier endloser Zeit beruhigt sie sich wieder. „Cussa“, spreche ich sie mit gedämpfter Stimme an, „was ist passiert, Liebste?“ „Ich kann mich nicht mehr erinnern“, haucht sie leise. „Woran?“, hat sie etwas vergessen? Den Geburtstag von Ori? „Dein… Gesicht und das von Kili und meinen Cousins. Die Erinnerungen sind fort. Früher habe ich sie oft gesehen, vor meinem inneren Auge. Aber jetzt… jetzt geht es nicht mehr“, schluchzt Cussa leise. Schockiert begreife ich ihre Worte: „Wie meinst du das mit, du kannst dich nicht mehr erinnern?“ „Eure Gesichter sind undeutliche Schemen geworden. Als Kili meinte, du würdest dir deinen Bart schon zu Zöpfen flechten, hatte ich mich gefragt, ob dieser wirklich schon so lang geworden ist und dann… musste ich feststellen, dass mich nicht mehr richtig an dein Gesicht erinnern kann“, erneut fließen Tränen über ihre Wangen. Ich schlucke. Nie hätte ich erwartet, dass das eines Tages passieren könnte. Andererseits ist ihre Welt seit mehr als zehn Jahren nur noch schwarz. Sie ist von einer undurchdringlichen Finsternis umgeben. „Bist du sauer?“, fragt mich meine Liebste. „Nein“, es ist die Wahrheit. Cussa kann nichts dafür, dass sie sich nicht mehr an mein Gesicht erinnert. Oder an das von Kili und ihren Cousins. Das ist nicht ihre Schuld und ich habe kein Recht, sie ihr zu geben. Ich überlege, ob es nicht noch eine Alternative gibt. Etwas, was ihr hilft zu sehen, obwohl sie nicht wirklich sehen kann. Natürlich gibt es sie. Warum ist mir das nicht schon früher eingefallen? Ich nehme ihre linke Hand in meine und führe sie an meine Wange. Verwundert streicht sie über jene. Dann begreift sie, was ich damit bezwecken will. Cussa legt ihre rechte Hand an meine andere Wange. Sanft fährt sie mit ihren Fingern die Züge meines Gesichts nach. Berührt vorsichtig die beiden Zöpfe, zu denen ich meinen Bart immer flechte. Schlussendlich nimmt sie ihre Hände wieder weg und legt sie auf meine Brust. „Hast du alles vergessen?“ ich bin mir nicht sicher, ob ich ihr diese Frage stellen sollte. „Nicht alles. An eine Sache erinnere ich mich noch sehr gut“, verneint sie. „Und das wäre?“, neugierig warte ich ab. „Der sanfte Blick in deinen blauen Augen, den du mir immer zugeworfen hast, wenn du geglaubt hast, dass weder Kili noch ich es bemerken würden“, sie lächelt mich an. Überrascht mustere ich sie. Ausgerechnet daran erinnert sie sich. Ausgerechnet an diesen Ausdruck in meinen Augen. Mit einem sanften Lächeln ziehe ich sie zu mir und küsse sie sanft. Zärtlich erwidert sie meinen Kuss. To be continued… Kapitel 3: Good Bye ------------------- Side: Fili Ich stürme durch die Gänge in die Richtung unserer Gemächer. Renne so schnell ich kann zu meiner Frau. Auf den Tag genau sind Cussa und ich jetzt schon 19 Jahre verheiratet. Zehn Jahre nachdem wir zusammengezogen sind, haben wir uns das Ja-Wort gegeben. Es war ein riesiges Fest, wenn ich so daran zurückdenke. Doch rasch verdränge ich diese Gedanken wieder und flitze um die nächste Ecke. Ich muss mich beeilen, bevor es zu spät. Vor wenigen Minuten erreichte mich durch Ori die Nachricht, dass Cussa vermutlich nicht mehr als eine Stunde bleibt. Verdammt, dass darf einfach nicht sein. Meine Cussa darf einfach nicht sterben. Nicht jetzt. Halsüberkopf habe ich die Beratung verlassen. Thorin wird sicher nicht sehr erfreut darüber sein, doch ich glaube, dass er mich verstehen kann. An meiner Stelle hätte er genau so reagiert. Aber warum jetzt? Natürlich wusste ich, dass ihre Krankheit höchstwahrscheinlich so enden wird, aber jetzt schon. Verdammt, ich muss unbedingt zu ihr. Ich reiße die Tür zu unserem gemeinsamen Schlafgemach auf, eile ans Bett. Grob wird mein jüngerer Bruder Kili von mir zur Seite gestoßen. Dori fasst diesen am Arm und bugsiert ihn zur Türe hinaus. Leise höre ich seine Stimme: „Hier haben wir nichts mehr zu suchen, Kili.“ Dann fällt die Tür ins Schloss. Ich setze mich auf die Bettkante und greife nach der Hand meiner geliebten Frau. „Fili?“, schwach erklingt ihre Stimme. „Ich bin hier, Cussa. Ich bin da“, leicht drücke ich ihre Hand. „Wirst du hier bleiben?“, fragt sie mich. „Natürlich, Liebste. Hab keine Angst, ich gehe nicht weg“, mühsam schlucke ich meine Tränen runter. Cussa dreht sich auf die Seite. Sie hebt ihre freie Hand und legt sie an meine Wange. Sachte streicht sie darüber ,wie so oft. „Wie gerne würde ich dich wenigstens einmal noch sehen können, nur um zu wissen, wie du jetzt aussiehst“, haucht sie, „aber es geht nicht.“ „Ich sehe immer noch so aus, wie an dem Tag, wo du mich das letzte Mal sehen konntest. Nur mein Bart und meine Haare sind länger geworden“, erwidere ich. „Würdest du mir einen letzten Wunsch erfüllen, mein Liebster?“, fragt Cussa mich. „Ich würde dir immer jeden Wunsch erfüllen“, antworte ich. „Ich möchte ein letztes Mal noch in deinen Armen liegen, Fili“, bittet sie mich. Anstatt ihr zu antworten, lasse ich ihre Hand los und streife meine Stiefel ab. Dann hebe ich die Decke an und lege mich zu ihr, ziehe sie in meine Arme. Augenblicklich kuschelt sie sich an mich. Es fällt mir immer schwerer meine Tränen zu verdrängen. Dennoch will ich nicht, dass ich in unserem letzten gemeinsamem Augenblick weine. Federleicht legen sich Cussas Lippen auf meine. Sachte erwidere ich ihren Kuss. Spüre, wie sie in jenen hinein lächelt. Sanft lösen wir uns voneinander und sie kuschelt sich enger an mich. „Ich liebe dich, Fili“, murmelt sie. „Ich dich auch, Cussa“, dabei streiche ich ihr durchs Haar. Lange liegen wir einfach nur ruhig da. Nichts mehr zählt, nur noch dieser Moment. Irgendwann höre ich ihr Atmen nicht mehr. Unbewusst drücke ich ihren Körper enger an mich. Die Tränen rinnen ungehindert über meine Wangen. Sie ist fort. Für immer an einen Ort gegangen, an den ich ihr nicht folgen kann. Meine geliebte Cussa. Ich schluchze auf, verberge mein Gesicht an ihrem Haar. Sämtliche Wärme weicht aus ihrem Körper und dennoch halte ich sie weiterhin fest. Nachdem ich mich einigermaßen beruhigt habe und glaube, dass ich nun anderen gegenübertreten kann, löse ich mich von ihr. Sanft lege ich sie auf unser Bett. Was ich dann sehe, lässt mich erstaunen: Auf ihren Lippen liegt ein überglückliches Lächeln. Das selbe Lächeln wie an dem Tag unserer Verlobung. Dieses einmalige Lächeln, von dem ich dachte, dass ich es nie wieder sehen würde. Und dann begreife ich. Ich begreife, warum sie gelächelt hat, als sie mir in die Ewigkeit entschlief. Weil sie glücklich war, dass ich bei ihr war und sie im Arm gehalten habe. Ein letztes Mal beuge ich mich über sie, küsse sie sanft auf die Lippen und die Stirn. „Lebe wohl, mein kleiner Engel, bis wir uns wiedersehen“, dann drehe ich mich um, verlasse den Raum. Draußen treffe ich auf meinen Onkel, Kili und ihre drei Cousins. Als Ori mich erblickt, steigen ihm die Tränen in die Augen und er wendet sich ab. Kili schluckt heftig. Entschlossen sehe ich meinem Onkel in die Augen: „Thorin, ich werde dich begleiten. Holen wir uns den Erebor zurück!“ Thorins Augen weiten sich leicht: „Bist du dir sicher?“ „So sicher wie zu dem Zeitpunkt, als ich dich um deinen Segen bat“, antworte ich ruhig, „wir brechen in einer Woche auf, korrekt?“ Mein Onkel nickt und ich wende mich um gehen. Einiges muss gepackt werden. Zwei Tage nach ihrer Beerdigung verlassen Kili und ich die Ered Luin. „Bist du dir sicher, dass du das willst, Fili?“, fragt mich mein Bruder. Ich nicke nur. „Und warum?“, neugierig wie immer bohrt er munter weiter. Auch wenn man ihm die Trauer immer noch anmerkt. „Weil ich weiß, dass sie sich wünscht, dass ich mir meine Träume verwirkliche“, damit drehe ich mich zu den Blauen Bergen um. Dieses Mal wird sie nicht auf mich warten. Nicht hier zu mindestens. Sondern an einem Ort, zu dem ich noch keinen Zugang besitze. To be continued… Kapitel 4: Forever ------------------ Hier stehe ich nun. Am Ende meines Lebens. Am Rande zum Tod. Hochgehalten von Azog, dem Feind meines Volkes. Meine Beine baumeln frei in der Luft. Unter mir ragt der Abgrund auf. Irgendwo dort unten steht mein kleiner Bruder. Aber er ist in Sicherheit, ich brauche mir um ihn keine Gedanken zu machen. Schließlich schickte ich ihn deshalb nach unten und lief bereitwillig in die Falle. Vielleicht auch, weil ich schon lange mit meinem Leben abgeschlossen hatte. Mein Blick trifft den von Thorin. „LAUFT!!!“, schreie ich ihm zu. Es reicht aus, wenn ich heute mein Leben verliere. Doch mein Onkel schüttelt nur den Kopf. Egal was ich sagen, er wird seinen Entschluss nicht ändern. Azog brüllt irgendetwas in der Sprache der Orks. Doch mir ist das egal. Alles ist mir gerade egal. Denn ich habe alles getan, um meinen Bruder zu schützen. Die einzige Person, die mir noch etwas bedeutet. Und dann, ja dann sehe ich plötzlich sie vor mir. Meine große Liebe Cussa. Wie gerne würde ich sie wiedersehen, wieder in meine Arme schließen. Ein stechender Schmerz breitet sich in meinem Rücken aus, die Hand, welche mich festhielt, lässt los. Ich falle gen Boden. Dabei kommt mir in den Sinn, welchen Tag wir heute haben. Heute vor einem Jahr ist Cussa verstorben und heute wäre unser 20. Hochzeitstag gewesen. Was für rätselhafte Wege das Schicksal doch geht. Ich höre das Brechen meiner Knochen, als ich am Boden aufschlage. „FILI!!!“, mein kleiner Bruder schreit. Schon taucht er in meinem Gesichtsfeld auf. Ein schwaches Lächeln stiehlt sich auf meine Lippen: „Bring dich in Sicherheit, Kleiner!“ Dann wird alles um mich herum schwarz und der Schmerz verschwindet. In weiter Ferne höre ich die verzweifelte Stimme meines kleinen Bruders: „Nein, FILI!!!“ Dann ist alles still. Ich weiß nicht, wie lange ich nicht bei Bewusstsein war. Doch jetzt wo ich die Augen aufschlage, frage ich mich wofür. Undurchdringliche Finsternis umgibt mich. Sieht wirklich so der Tod aus? Ich dachte immer, dass man nach dem eigenen Tod in die Halle seiner Ahnen eingeht. Und dann wäre ich doch auch Cussa wieder begegnet. Cussa! Tränen steigen in mir auf. Es war wirklich dumm von mir zu glauben, dass es ein Leben nach dem Tod gibt. Die Zeit vergeht, während ich nur hier sitze und meiner Trauer freien Lauf lasse. Etwas, was ich damals hätte tuen sollen, aber nicht tat. Ich wollte damals nicht schwach erscheinen. Ich bemerke das Licht, das sich mir nähert nicht. „Fili…“, eine sanfte Stimme reißt mich aus meinen Gedanken. „Aber mein Liebster, was machst du denn hier?“, spricht die sanfte Stimme weiter. Diese Stimme kenne ich doch. Das ist doch die Stimme von… . Ruckartig reiße ich meinen Kopf herum, blicke in warme Augen: „Cussa…“ Fassungslos sehe ich sie an. Sie steht tatsächlich vor mir. Meine über alles geliebte Cussa. Warm lächelt sie mich an, streicht über meine Haare: „Du hattest Recht. Du siehst wirklich noch genau so aus wie früher.“ Langsam erhebe ich mich und schließe meine geliebte Frau in die Arme. „Endlich habe ich dich wieder“, flüstere ich glücklich. Cussa stellt sich auf die Zehenspitzen und küsst mich. Lächelnd erwidere ich ihren Kuss. „Niemand wird uns je wieder trennen, nicht wahr?“, frage ich. „Niemand, für immer. Wirst du mir folgen, mein Liebster, in unseren eigenen Himmel?“, erwartungsvoll sieht sie zu mir auf. „Ich folge dir überall hin, Liebste“, antworte ich ihr. Sie ergreift meine Hand und gemeinsam, Hand in Hand, gehen wir in unseren Himmel. Keine Macht der Welt vermag es, uns je wieder voneinander zu trennen. At least, we are still together, forever! Fin! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)