Heimkehrer von abgemeldet ================================================================================ Du sitzt am Esstisch deines Onkels und bist schwer damit beschäftigt mit deinem Essen zu spielen. Dein Onkel hat echt leckeres Rührei gemacht und du musst an früher denken, als du noch bei deinen Großeltern gelebt hast, die dir auch jeden Morgen etwas gekocht haben. Das ist etwas, was du rückblickend in den letzten Jahren vermisst hast. Was du damit sagen willst ist, dass du vollkommen vergessen hast, dass man schon zum Frühstück richtig zeitverschwenderisch kochen kann und nicht nur schnell einen Poptart in den Toaster haut... oder eben auch nicht, wenn man gerade keinen hat. Also keinen Toaster. Aber jetzt, wo du es wieder erlebst, fragst du dich, wie du die ganze Zeit ohne so etwas leben konntest. Die ganze Zeit beläuft sich hierbei auf... du weißt nicht mehr wie lange es her ist. „John, wie alt bist du?“, fragst du deinen Cousin, der dir gegenüber sitzt. Er ist mit dem Essen schon fertig und packt gerade eine Brotdose in seinen Schulranzen. Hier gibt es sogar homecooked Meal für die Pause. Den Mensen und Cafeterien der Schulen kann man ja heutzutage nicht mehr trauen. Zumindest laut deinem Onkel. John guckt dich etwas entrüstet an, als wäre das nichts, was man jemals vergessen sollte: „Zehn! Hatte letztens erst Geburtstag!“ Als du damals Hals über Kopf in die weite Welt gezogen bist, war er gerade mal drei Jahre alt gewesen. Macht unterm Strich sieben Jahre Abwesenheit. Das Rätsel wäre wohl gelöst! Du nimmst wieder die Gabel in die Hand, die du zum Zählen kurz beiseite legen musstest, und isst in deinem atemberaubenden Schneckentempo weiter. „Wenn du einen Monat früher gekommen wärst, hättest du mitfeiern können...“, beschwert sich John. „Naja, ich hab das alles nicht so genau geplant, weißt du?“ Und das hattest du wirklich nicht. Schon seit einigen Monaten bist du dem ewigen Reisen, zu dem du vor sieben Jahren aufgebrochen warst, irgendwie überdrüssig geworden, und so langsam hat sich der Gedanke in deinen Kopf geschlichen, zur Familie zurückzukehren. Früher hattest du bei deinen Großeltern gelebt, doch die waren vor ein paar Jahren endgültig auf irgendeine Insel mitten im Pazifik gezogen, die sie in ihrer eigenen Jugend und auf ihren Reisen entdeckt hatten. Das hat für dich und in deiner Situation eher nach noch mehr Abenteuern geklungen, als nach Entspannung, weswegen du eigentlich nur noch zu deinem Onkel Egbert ziehen konntest, der als einziger Teil der Familie in Amerika, genauer gesagt in Maple Valley geblieben ist. Nun bist du aber irgendwo in den Rocky Mountains gewesen. Weit weg von daheim. Und so hat sich das Ganze noch etwas hinausgezögert, bis es vor ein paar Tagen auch noch finanziell etwas enger wurde. Du bist auf irgendeinem Highway in der Nähe von Livingstone, Montana gewesen und glücklicherweise hat irgendwann ein Auto neben dir angehalten und der Fahrer hat ganz klischeehaft gefragt: „Need a ride?“ Er ist tatsächlich gerade nach Seattle gefahren. Irgendwelche entfernten Verwandten hatten irgendetwas Wichtiges zu feiern, woran du dich grade leider nicht mehr erinnerst... Jedenfalls lag für ihn das kleine Maple Valley somit halbwegs auf dem Weg und er ist sogar so freundlich gewesen, dich direkt vor der Haustür der Egberts abzusetzen, die zum Glück noch in genau diesem Haus wohnen. Du hattest es vergessen, dich vorher per Telefon oder Ähnlichem anzukündigen und warst quasi auf gut Glück gekommen. Der Kleine zieht einen Schmollmund und murmelt irgendwas in die Richtung von, „Hättest wenigstens mal anrufen können oder so...“, während er seine Tasche schultert. Dann kassiert er noch schnell von seinem Dad einen Kuss auf die Stirn ein, um sich dann zum Schulbus aufzumachen. Sein Dad bedenkt dich kurz mit einem Blick, der unmissverständlich klarmacht: „Ja, das hättest du wirklich. Familie ist wichtig. Und zehn wird man nur einmal im Leben.“ Er ist ziemlich gut darin, alles mit einem Blick zu sagen, weswegen er nicht besonders viel reden muss... Das scheint sich in der ganzen Zeit nicht verändert zu haben. Ist irgendwie beruhigend, dass manche Dinge ewig so bleiben wie sie sind! Dann kümmert er sich darum das Geschirr zusammenzuräumen, bevor auch er sich für seine Arbeit fertig machen muss. Du bleibst alleine am Küchentisch zurück und stocherst weiter in deinem Rührei herum, das dein Onkel dir zum Glück nicht vor der Nase weggeräumt hat. Wenn man aufmerksam ist, ist einem vielleicht schon aufgefallen, dass dir irgendwas auf der Seele liegt, was dir deinen Appetit ein klein wenig verdirbt. Aber nichtsdestotrotz sollte man deiner Meinung nach (und somit der Meinung deiner Großeltern) Essen niemals verkommen lassen! Besonders wenn es so lecker ist! Ein Ei ist ein Ei ist ein Ei. Deine Großeltern haben irgendeinen Krieg miterlebt und wissen somit Essen zu schätzen. Also wirst du den Kampf auf dich nehmen und es wohl im Laufe der nächsten Stunden vertilgen. Die Frage, was für einen Krieg beide deiner Großeltern so hautnah miterlebt haben, bei denen du ohne weiteres Überlegen davon ausgehst, dass sie gebürtige Amerikaner sind und somit höchstens dein Grandpa in irgendeinen Krieg geschickt worden sein konnte, stellt sich dir nicht. Dein Gehirn ist mit etwas anderem beschäftigt und hat keine Kapazität für detektivische Meisterleistungen, die so oder so zu hoch für es wären. Nein, dein Problem liegt in der näheren Vergangenheit. Wie man sich schon denken kann in einer sieben Jahre entfernten Vergangenheit. Und mit etwas Glück ebenfalls in der Gegenwart und nur wenige Kilometer von dir entfernt. Du findest, dass du genug deiner mystischen Vergangenheit, die sicherlich nichts mit einem besten Freund oder dessen kleinen Anhängsel zu tun haben könnte, angedeutet hast und versuchst dich von diesem Gedanken zu lösen. Ja, dein ehemals bester Freund Dirk wird höchstwahrscheinlich noch hier wohnen. Und du wirst noch genug Gelegenheit dazu haben, ihm schicksalhaft über den Weg zu laufen. Dafür musst du ihm aber auch die Möglichkeit geben, dich zu treffen. Das bedeutet, dass du aus dem Haus kommen musst. Die einfachste Art das zu erreichen wäre, dir einen Minijob zu suchen, bei dem du viel Kontakt zu anderen Menschen hast. Der Verdienst wäre sogar egal, denn dein Onkel hatte dir gestern noch erklärt, dass du dir keine Sorgen um deine Unkosten machen musst. Als Teil der Familie seist du immer willkommen. Natürlich planst du, den größten Teil deines zukünftigen Gehalts an Egbert weiterzugeben, wo du ja nicht mal vorhast, dir dein Essen selbst zu kaufen. Du hast also eigentlich gar keinen Nutzen für das Geld. Also bringen dich nur deine Ehre und dein Wille, das Schicksal positiv zu unterstützen, dazu, direkt nachdem dein Ei glücklich in deinem Magen gelandet ist, aufzustehen und genau das zu tun, womit in den letzten Jahren viele deiner Tage begonnen haben: Durch die Gegend laufen und danach Ausschau halten, ob jemand einen tüchtigen Arbeiter benötigt. Das stellt sich als schwieriger heraus, als du es gedacht hast. In den weniger dicht besiedelten Gegenden von Amerika leben die meisten Leute von ihren Farmen, Ranches oder anderer bodenständiger Arbeit, für die man gerne kurzzeitig eine zusätzliche Hilfskraft einstellt, die (zumindest in deinem Fall) auch meistens damit zufrieden ist, mit einem Dach über dem Kopf und Essen entlohnt zu werden. Aber hier in der Nähe einer Großstadt sieht das Ganze schon anders aus... Nicht viele Läden fragen in ihren Schaufenstern oder Aushängeschildern nach zusätzlichen Mitarbeitern. Und dort, wo du fündig wirst, suchen sie grundsätzlich nach Menschen mit Erfahrungen in dem Beruf oder Leuten, die wirklich eine Ausbildung oder Ähnliches vorweisen können... Du kannst dir nicht vorstellen, dass du der einzige Amerikaner bist, der nach der Highschool vor jedem weiteren Lernen geflüchtet ist, und schiebst es darauf, dass du heute einfach Pech hast. Das heißt, du gehst sofort vom Letzteren aus und ziehst den anderen Grund nicht mal in Betracht. Zum Glück sieht dir wieder zuhause angekommen dein Onkel direkt dein Problem an und leiht dir für den Abend seinen etwas rustikaler gehaltenen Laptop. Soso. Heutzutage ist das Internet die Lösung für alles! Nach deiner recht elektronikfreien Auszeit fühlst du dich nun wie ein waschechter Großvater. Leider kannst du nicht den guten alten Zeiten gedenken, in denen es solchen Schnickschnack noch nicht gab, denn früher bist du selbst sehr viel im Internet umhergetummelt. Soweit das überhaupt möglich war. Du hältst kurz inne, um in Erinnerungen zu schwelgen. Aber dann fällt dir natürlich ein, mit wem du dich dort immer getroffen hast, und du widmest dich wieder deiner Jobsuche. John scheint es irgendwann sehr interessant zu finden, was du da treibst, und kommt zu dir getrollt. In Wahrheit bist du einfach nicht besonders gut darin, irgendeiner Tätigkeit nachzugehen ohne dass deine Umgebung alles davon mitkriegt, und John wurde von deinem Aufstöhnen und Gemurmel angelockt. Aus deiner Hoffnung, John könnte dir behilflich sein, wird natürlich nichts, da er für solche Probleme einfach noch zu jung ist. Es macht aber Spaß, mit ihm gemeinsam Stellenanzeigen aus der Umgebung zu durchsuchen und sich auszumalen, wie du dich in dem jeweiligen Beruf machen würdest, wobei John sich bei seinen Varianten grundsätzlich ausdenkt wie du es schaffst, auf jeder Bananenschale, die auf dem Weg liegt, auszurutschen, in Läden Stapel aus Dosen umzuwerfen und in zahlreiche weitere Fettnäpfchen zu treten. Nichtsdestotrotz findet ihr eine Handvoll Stellenanzeigen, die sowohl keine (für dich) exorbitanten Ansprüche haben, als auch so klingen, dass du sie erledigen könntest. Allerdings ist darunter nichts besonders Spannendes. Hauptsächlich irgendwelche Verkäufer-Stellen, deren Produkte dich nicht besonders interessieren... Du stellst es dir unglaublich öde vor den ganzen Tag über in einem Supermarkt an der Kasse zu sitzen... Naja, den halben Tag über. Immerhin wird dein Leben bei den Egberts weitaus weniger kosten als die Variante in einem Einzelapartment zu leben. Für John ist nun die Zeit gekommen ins Bett zu wandern und du entschließt dich, es ihm gleich zu tun. Naja, du nimmst den Laptop mit in dein Zimmer, was das Einschlafen wohl noch etwas herauszögern wird. Dein Zimmer war übrigens vor Kurzem noch eine Kombination aus Lagerraum und Waschküche. Beziehungsweise ist es das nun immer noch, bloß mit der Erweiterung, dass es nun auch noch dein Zimmer ist. Du wärst schon mit der Couch zufrieden gewesen, aber du siehst ein, dass es auf Dauer für alle Beteiligten etwas ungemütlich ist, wenn eins der Familienmitglieder jede Nacht auf der Couch kampiert. Deswegen hast du zugestimmt, als dein Onkel die neue Zimmerverteilung beschlossen hat, und hast ihm geholfen die Ersatzmatratze, die sie für Übernachtungsgäste im Petto haben, in das Zimmer zu tragen. Du hockst dich auf diese wohl nun deine Matratze und lehnst dich an die Wand. Die Internetverbindung ist ganz gut, weswegen du dich dazu entschließt, noch einen Film per Stream zu gucken, bevor du ebenfalls deine Äuglein schließt. Sachen, die vor deiner Wanderschaft gerade im Kino anliefen, gibt es zu deiner Begeisterung nun zum Teil frei verfügbar auf zahlreichen Videoplattformen. Solange du den Laptop die Abende über in Beschlag nehmen darfst, dürfte die nächste Zeit unglaublich spannend für dich werden! Denn auch wenn du in fremden Städten natürlich häufig das Kino besucht hast, hast du so Einiges der spannenden Filmlandschaft verpasst. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)