Warum erwachsen werden von Amunet ================================================================================ Kapitel 26: Kapitel 26 ---------------------- Die Nacht begann bereits unter der rot erwachenden Sonne zu dämmern, als Hook in seiner Erzählung inne hielt. Peter war so gespannt, dass er unwillkürlich den Atem anhielt. Er wartete, harrte darauf, dass Hook weitererzählte, aber der Kapitän schwieg. Jetzt erst bemerkte Peter, dass Hooks Brustkorb sich schwer hob und senkte, als hätte er sich körperlich stark angestrengt. Das aristokratische Gesicht war von den quälenden Erinnerungen schmerzhaft verzogen. Etwas zog an Peters Herz, als er dies sah. Zum ersten Mal in seinem Leben empfand er tiefes Mitgefühl für den Piraten. Mochte Peter von der Liebe nach wie vor keine Ahnung haben, so begriff er dennoch den Verrat, den man Hook angetan hatte. Der Impuls, den Mann tröstend in die Arme zu nehmen, war so heftig, dass Peter sich erst in der letzten Sekunde bremsen konnte. Missbilligend runzelte er die Stirn. Er wollte nicht so für Hook fühlen, schon gar nicht nach allem, was dieser ihm angetan hatte, doch die wenigen Tage in Hooks Nähe hatten ihn verändert. Ihre Kämpfe waren noch immer real, aber weniger körperlich. Sie hatten ihren Disput verlagert auf die psychische Ebene. Peter kämpfte gegen die Versuchung, die Hook ihm mit sinnlichen Worten ins Ohr raunte. Kämpfte gegen die Begierde, die er seinen Körper lehrte und von der er ihm versprach, dass es noch viel mehr geben könnte. Die Sache mit dem Wahrheitselixier war zumindest vom Tisch, solange Hook sich nicht mehr erinnern konnte. Trotzdem wusste Peter nicht so recht, was er jetzt mit dem Mann anfangen sollte. Obwohl wahrscheinlich klüger, brachte er es keineswegs über sich, Hook alleine zu lassen oder gar zu töten. Aus irgendeinem Grund fühlte er sich noch immer gefesselt, ja fast an Hook gebunden. Der Schrei einer Eule löste bei Peter die Erstarrung. „Wie hast du überlebt?“, fragte er Hook, nur um sich selbst von seinen abschweifenden Gedanken zu retten. „Das ist eine andere Geschichte“, lächelte Hook matt. „Ich erzähle sie dir, sobald ich etwas geschlafen habe. Meine Beine fühlen sich an, als wäre ich zwei Tage ununterbrochen gelaufen.“ Peter verkniff es sich, unter Berücksichtigung seiner eigenen Müdigkeit, ihn darauf hinzuweisen, dass es tatsächlich so gewesen war. Stattdessen machte er es sich soweit es ging auf dem Boden bequem. Er beobachtete, wie Hook sich ebenfalls hinlegte. Sein Körper zitterte, da die Wärme des Lagerfeuers längst verglüht war. Bald würde die Sonne, die durch die Bäume scheinen würde, ihre Körper wärmen, doch bis es soweit war, rutschte Peter zu dem Mann hinüber, der ihn mit verwunderten Augen ansah. „Nur, damit wir nicht frieren“, flüsterte Peter und schmiegte sich an Hooks Körper. Augenblicklich spürte er das Lodern in seinen Adern. Sein Körper erkannte Hook, wenngleich dieser zurzeit nicht er selbst war. Zögerlich legten sich zwei starke Arme um seine Schultern, zogen ihn dichter an die breite Männerbrust heran und Peter schloss seine Augen. Es fühlte sich wundervoll an, von diesem kräftigen Mann gehalten zu werden. Ja, Peter fühlte sich regelrecht geborgen. Er schlief schon fast, als er den Piraten sprechen hörte. „Aber wehe, du küsst mich noch einmal.“ Mit einem Lächeln auf den Lippen schlief Peter ein. Ein Rascheln weckte Peter, sofort stand er auf den Beinen und auch Hook war verteidigungsbereit. Mochten seine Erinnerungen fehlen, den lang trainierten Instinkt des Piraten war ihm durch die blaue Blume nicht genommen worden. Ein Busch, nur wenige Meter von ihnen entfernt, wackelte und dann huschte ein junges Wildschwein heraus. Erleichtert atmete Peter auf. „Wir sollten gehen“, sagte er. „Warum?“, fragte Hook. „Es ist doch nur ein Überläufer.“ „Überläufer?“, hakte Peter nach, dem der Begriff fremd war. „Ja, ein einjähriges Wildschwein.“ „Du kennst dich wohl gut mit Wild aus“, stellte Peter fest. „Mein Vater hat jedes Jahr eine Jagdgesellschaft organisiert. Also ja.“ „Dann solltest du auch sehen, dass das da vorne ein Weibliches ist. Weibliche Wildscheine gehören immer zu einer Gruppe. Wir sollten gehen, bevor die anderen hier auftauchen.“ Hook, erstaunlich rot um die Nase, stimmte Peter zu und so packten sie ihre zwei Habseligkeiten zusammen. In einem kurzen unbeobachteten Moment wünschte sich Peter noch etwas Proviant herbei und tat auf Hooks verwunderten Blick so, als hätte dieser den Vorrat einfach nicht bemerkt. Gut gelaunt, weil er sehr gut geschlafen hatte, schritt Peter voran. Hook folgte ihm, ohne zu murren. Ein Lächeln lag auf Peters Lippen. Der neue Hook war in einigen Punkten definitiv pflegeleichter als der alte. Sie liefen eine ganze Weile schweigend und an ihren Broten kauend nebeneinander her, als der Wald plötzlich lichter wurde. Die Baumreihen waren nicht mehr so dicht. Büsche und Sträucher mehrten sich und irgendwann hatten sie den Wald hinter sich gelassen. Vor ihnen lag der Hang eines Berges. Peter seufzte. Er konnte zum Ozean sehen. In weiter Entfernung sah er etwas, das er mit viel Phantasie als die Jolly Roger identifizieren konnte. Hatte das Schiff seinen Kurs geändert? Und vor alledem, sollte er wirklich mit Hook in die Höhle gehen und das Meerjungfrauengift an sich bringen? „Wohin gehen wir eigentlich, Junge?“ „Warum nennst du mich so? Sag Peter zu mir.“ Hook hielt kurz inne und sah ihn abschätzend an. „In Ordnung, aber nur wenn du mich James nennst.“ „James…“ Peter ließ den Namen auf seiner Zunge zergehen und er fühlte sich so fremd und falsch an, dass er schon im Begriff war, auf das Angebot zu verzichten, als Hook ihn beim Namen nannte. Ein Schauer rann über Peters Rücken. Mochte er seinen Namen schon etliche Male aus Hooks Mund gehört haben, niemals jedoch auf diese liebevolle Weise. „Ja, Peter gefällt mir“, lächelte der Mann ihn an und für einen Augenblick war der Angesprochene gänzlich verwirrt. Sein Herz hatte einen komischen Hopser der Freude gemacht und wärmte ihn nun innerlich. Sanfte Röte legte sich auf Peters Wangen und wie um sie ablegen zu können, streifte er eine imaginäre Strähne seines zotteligen Haares zurück. „Wir“, räusperte Peter sich, „wir gehen hoch zur Piratenhöhle.“ „Piratenhöhle? Ist das ein Scherz oder meinst du es ernst?“ „Ernst, natürlich.“ „Redest du wahrhaft von echten Piraten?“ „Natürlich!“ „Spinnst du? Weißt du, wie gefährlich das ist? Wir sind zu zweit, unbewaffnet und das… das ist lebensgefährlich!“ Peters Augenbrauen ruckten erstaunt nach oben. Unschuldig blinzelnd und mit echter Irritation gestraft, ergriff er das Wort. „Also, zum einen sind wir nicht unbewaffnet. Sieh mal an deinen Gürtel, du trägst einen Säbel, ebenso wie zwei Schusswaffen. Außerdem ist die Höhle verlassen.“ „Und wenn die Piraten zurückkommen?“ „Werden sie nicht. Das garantiere ich dir.“ „Hm…“ Hook wirkte nicht sonderlich überzeugt, hielt aber vorerst seinen Mund. Während Peter einfiel, dass er ja gar nicht genau wusste, wo die Höhle lag. Es war der Pirat, der den versteckten Eingang zu dem Geistergefängnis gekannt hat. Hook meinte, dass nur ein Pirat die Höhle sehen und betreten konnte. Ob dieser auch ohne Erinnerungen noch Pirat genug war? Peter musste sich wohl oder übel darauf verlassen, sonst würde er nie in die Hände des Meerjungfrauengiftes gelangen. Die Phase des Schweigens beendend, fragte Hook: „Und was wollen wir in der Höhle?“ „Das bleibt mein Geheimnis“, grinste Peter ihn frech und abwehrend an. „Wenn ich mein Leben für diese Aktion riskieren soll, dann ist es doch wohl das Mindeste, wenn ich erfahre, weshalb!“ „Du riskierst dein Leben nicht, James.“ Peter betonte den Namen. Er begann, daran gefallen zu finden, ihn auszusprechen. „Ich sagte doch bereits, die Höhle ist verlassen. Die Piraten sind fort. Es wird uns nichts geschehen.“ Nun, so ganz geschwindelt war dies nicht, nur dass Peter eben die Geister der verstorbenen Piraten verschwieg. „Mit scheint, ich habe keine Wahl, als dir zu folgen. Denn was könnte ich hier schon alleine machen, wenn du sagst, wir sind die einzigen Menschen hier?“ „Du wirst es nicht bereuen, James“, lächelte Peter und ging erneut voraus. „Das hoffe ich, Peter“, brummte dieser und lief dem Jungen missmutig und mit einem Gefühl hinterher, dass etwas auf sie zurollte, das sie nun nicht mehr aufhalten konnten. Fortsetzung folgt… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)