Mnemophobia von Flordelis ================================================================================ Prolog: Davor: Wasser --------------------- Oh, well I'm going home, Back to the place where I belong, And where your love has always been enough for me. I'm not running from. No, I think you got me all wrong. I don't regret this life I chose for me. But these places and these faces are getting old. I said these places and these faces are getting old, So I'm going home. I'm going home. Das Lied verklang, während ich tiefer und tiefer sank. Ich war mir sicher, dass es eigentlich bereits schon lange aus war, dass im Radio meines laufenden Autos längst ein anderes Lied gespielt wurde. Aber in meinem Kopf war es immer noch zu hören, es begann einfach von vorne, nur dass es immer leiser wurde, je tiefer mein Körper sank. Ich war umgeben von Wasser, es war angenehm kühl, versprach mir in diesem Moment den Frieden, nach dem ich mich so lange gesehnt hatte. Auch wenn ich dem Ruf nicht freiwillig gefolgt war, befand ich mich nun hier und sah, wie das Licht sich immer weiter von mir entfernte, ich mich immer mehr dem Grund des Sees näherte. Ich wusste, dass ich bald von allem, was mich quälte, frei sein würde, und dieses Wissen machte mich derart glücklich, dass ich am liebsten geweint hätte. Kurz bevor ich von Dunkelheit übermannt wurde, sah ich, wie etwas durch die Wasseroberfläche brach, den bis dahin ruhigen See in Aufruhr versetzte und direkt auf mich zuschwamm. Ich wollte lächeln und diesem anderen Wesen die Hand entgegenstrecken, damit wir beide Teil des Friedens werden könnten, aber da wurde die Dunkelheit bereits übermächtig und mir wurde schwarz vor Augen. Als ich wieder etwas sehen konnte, lag ich auf Gras, ich konnte es deutlich unter meinen Fingern spüren. Meine Kleidung war nass und klebte an meinem Körper, aber das störte mich nicht. Regungslos starrte ich in den Himmel hinauf, in dem ich unzählige Sterne sehen konnte, noch nie waren sie mir derart zahlreich erschienen. Sie wirkten gar nicht mehr wie Sterne, eigentlich erinnerten sie mich mehr an Glasscherben, die jemand unachtsam auf einen dunkelblauen Teppich gefegt hatte. Es kam mir vor, als würde ich die wütende Stimme meines Bruders hören können, der mich wegen dem zerbrochenen Glas anschrie. Aber ich hörte ihn nicht. Ich hörte gar nichts. Genau genommen atmete ich in diesem Moment nicht einmal. Das fiel mir aber erst auf, als ich die Person, die mir andauernd schmerzhaft auf den Brustkorb drückte, anfauchen wollte, dass sie mich endlich in Ruhe lassen sollte. Ich konnte mich nicht bewegen, nicht einmal Luft holen, ich war eingesperrt in diesen reglosen Körper, einen nutzlosen Sack Haut, gefüllt mit Fleisch, Knochen und Blut und für einen kurzen Moment glaubte ich, dies sei die Hölle. Es war fern von allen biblischen Vorstellungen, die ich kannte, aber gefiel mir doch ein wenig besser, als die eigentliche, mit dem ganzen Feuer, deswegen wusste ich aber auch, dass es nicht die Hölle sein konnte – welchen Sinn sollte das denn sonst machen, wenn man nicht ewig mit seinem schlimmsten Albtraum konfrontiert wird? Dann schoss das Wasser aus mir heraus, eine überraschend übel schmeckende Brühe, leicht abgestanden, die meine Lungen verließ und sich dafür über mich ergoss. Ich hustete und sog im gleichen Augenblick wieder Sauerstoff ein, schnappte buchstäblich wie ein Ertrinkender nach Luft. Wie aus weiter Ferne hörte ich eine Stimme, die nach einer besorgten Frage klang, dann verlor ich mich wieder in Dunkelheit. Die Fahrt im Krankenwagen, die Notaufnahme, die ersten Gespräche nach meiner stationären Aufnahme … An all das erinnere ich mich kaum noch. Es ist, als würde ich versuchen, durch ein verschmutztes Fenster in einen Raum zu sehen, der in unregelmäßigen Abständen wieder schlagartig dunkel wurde, nur um dann für den Bruchteil einer Sekunde hell erleuchtet zu sein. Aber alles, was man dann sieht, ist verschmiert und so undeutlich, dass man sich alles in diesen Schemen vorstellen könnte – oder gar nichts. Meine erste klare Erinnerung setzt an meinem dritten Tag in diesem Krankenhausbett ein. Es war der Tag, an dem der Arzt endlich kam, um mit mir über das weitere Vorgehen zu sprechen. Ich kannte diesen Mann mit der Halbglatze und dem Schnauzbart nicht, hatte seinen Namen auch nicht verstanden oder ihn mir schlichtweg im Nachhinein nicht gemerkt. Aber ich erinnere mich immer noch daran, dass ich mich fragte, warum Cowen so lange auf sich warten ließ, mich wieder aus dem Krankenhaus zu holen. Bestimmt hatte man ihm davon erzählt, dass ich einen Suizidversuch – der eigentlich keiner gewesen war – hinter mir habe, also warum wartete er so lange? Ich wollte nach ihm fragen, aber der Arzt ließ mich nicht zu Wort kommen und schließlich sprach er von einer sehr guten psycho-somatischen Klinik, die auf Fälle wie meinen spezialisiert sei. Da es Cowen wohl egal zu sein schien, wo ich war, beschloss ich, auch nicht eher nachzugeben und stimmte, ohne darüber nachzudenken, zu, nach Athamos verlegt zu werden. Also schickte man mich genau dorthin … und das ist auch überhaupt der Grund, warum ich das alles hier schreibe. Mein Therapeut, Vincent, hat mich aufgefordert, alles festzuhalten, woran ich mich erinnere, also tue ich das – und hoffe, dass es mehr als nur eine Beschäftigungstherapie ist. Ich muss nur dafür sorgen, dass Cowen das hier nie seht, sonst bringt der mich am Ende wirklich noch um und ich darf nicht zu viele Smileys machen, weil Vincent ja auch reinsehen will. Denke ich jedenfalls. Aber gut, dann schreibe ich wohl besser, wie mein erster Tag so war, sonst sehe am Ende nicht einmal mehr ich durch (als ob ich das jemals getan hätte *lol*). (Okay, okay, ab sofort wirklich weniger von dem Zeug, ich nehme das ernst, versprochen!) Also gut, mein erster Tag in Athamos … den werde ich wohl nie vergessen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)