Deep down the rabbit hole... von FairyPirate (...noch tiefer kannst du nicht fallen) ================================================================================ Kapitel 3: Kapitel 3 -------------------- Am nächsten Morgen schreckte ich, wie so oft in letzter Zeit, aus einem Alptraum hoch. Ich hatte wieder einmal unseren Autounfall durchlebt. Ein kurzer Blick auf meinen Wecker verriet mir, warum es noch so dunkel war. Wir hatten mitten im Winter, es war klar, dass um diese Uhrzeit noch keine Sonne schien. Falls sie heute überhaupt noch scheinen sollte, der Wetterbericht hatte Regen und Gewitter verlauten lassen. Ich schwang meine Beine über die Bettkante, rückte wieder einmal mein Schlafanzugoberteil zurecht und ging meiner morgendlichen Routine nach. Ins Bad gehen, Waschen, anziehen, Zähne putzen, Haare kämmen, in die Küche gehen, Toast in den Toaster schieben, Wasser für den Tee aufsetzen, Tasse aus dem Schrank holen, Teebeutel in die Tasse legen, Toast aus dem Toaster holen, Toast bestreichen, Teller zum Tisch tragen, Tee über brühen, Teetasse zum Tisch tragen. Wie immer. Nachdem ich aufgegessen hatte, machte ich noch den Geschirrspüler an und ging zurück ins Bad. Ich musste mich schminken. Mich störte mein Aussehen zwar nicht wirklich, aber wenn ich Vivi so unter die Augen treten würde, bekäme sie einen Herzinfarkt. Das oder sie würde mich endgültig in eine Psychiatrie schleifen. Denn auch das hatten mir meine Freunde das ein ums andere Mal vorgeschlagen. Ich weiß noch, dass ich sie damals angeschrien hatte, ihnen vorgeworfen hatte, sie wollen mich bloß loswerden und ihnen angeboten hatte, einfach für immer aus meinem Leben zu verschwinden. Damals hatte ich das auch so gemeint. Heute war ich froh, dass sie es nicht getan hatten. Denn sie waren mittlerweile der einzige Lichtblick, den ich in diesem Leben noch besaß, ich wollte sie wirklich nicht verlieren. Sie waren zwar schon ein Haufen Verrückter, aber ich hatte früher einmal zu ihnen gehört, war früher einmal genauso verrückt. Rückblickend vermisste ich diese Zeit. Es war eine Zeit, in der ich unbeschwert lachen konnte und in der ich mich über fast alles freuen konnte. Mittlerweile konnte ich das nicht mehr. Ich konnte mich nicht einfach so freuen, so hell lachen wie früher, so frech und aufgedreht sein. „Nami“, mit einem lauten Schrei fiel Vivi mir noch im Türrahmen der Wohnungstür um den Hals. Sie war schon immer diese Art von Person gewesen. Ich freute mich zugegebenermaßen auch sie endlich wiederzusehen. Vivi studierte momentan im Ausland, unsere Treffen wurden relativ selten. Wenn sie dann doch mal kam, wohnte sie meist bei Corsa, ihrem Sandkastenfreund. Ich rang mir ein leichtes Lächeln ab, ehe ich ihre Umarmung erwiderte. Als sie sich von mir löste, hatte sie immer noch ein breites Grinsen im Gesicht. Das verschwand erst, als sie mir ins Gesicht blickte. Sie stockte, der Glanz in ihren Augen verschwand und ihre Mundwinkel gingen nach unten. Sie lächelte immer noch, nur nicht mehr so breit und strahlend. Sie hatte jetzt den Gesichtsausdruck, den mir meine Freund immer zeigten, wenn sie mir symbolisieren wollten, dass sie meine Trauer verstanden. Wie ich ihn hasste. Ich fühlte mich dann immer wie ein Kind behandelt. Ein Kind, das nichts von der Welt verstand und das nichts alleine auf die Reihe bekam. „Lass uns doch ins Wohnzimmer gehen“, schlug ich vor. Mir wurde es zu blöd weiter in der Tür stehen zu bleiben. Und wenn wir gingen, brauchte ich ihr wenigstens nicht ins Gesicht sehen. Ich ging einen Schritt zur Seite und deutete ihr an mir vorbei und ins Wohnzimmer zu gehen. Vivi kannte den Weg, sie besuchte mich ja nicht zum ersten Mal. Unterwegs machte ich noch einen Abstecher in die Küche und holte mir und Vivi noch jeweils ein Glas mit Wasser. Im Wohnzimmer stellte ich beide auf dem Wohnzimmertisch ab und deutete ihr sich eines zu nehmen. „Soll ich dir mal was erzählen?“, wollte Vivi grinsend von mir wissen. Ihr Tonfall deutete an, dass sie die ganze Sache echt witzig fand. Ich nickte einmal kurz, was Vivi zum Sprechen veranlasste. Sie erzählte mir ziemlich viel. Von Luffy, welcher betrunken mit Blumen sprach und wenn man ihn darauf hinwies behauptete, der Stuhl erzähle ihm den Weg zum Weihnachtsmann. Von Ace, der sein Handy auf Flugmodus schaltete, es durch den Raum warf und hinterher schrie: „Transformier' dich“. Von Hancock, welche letztens aus versehen einen Haschkeks gegessen hatte und dann stundenlang die Decke anstarrte und 'Ahhh' machte. Und von Sanji und Zorro. Sanji hatte Zorro wohl gefragt, was abging. Daraufhin hatte Zorro ihm mit schwarzem Edding ein X auf die Stirn gemalt und gesagt: „Schwarzer Edding schon mal nicht“. Und Corsa hatte wohl auf großartige Art und Weise festgestellt, das Kaffee morgens erst dann richtig wach machte, wenn man ihn übers Notebook schüttete. Sabo hatte die Gutherzigkeit der Frauen auf die Probe gestellt und herausgefunden, dass diese einem Mann sogar dann verzeihen konnten, wenn dieser gar nichts getan hatte. Und Luffy hatte seinen Großvater geärgert. Dieser war mit dem Fahrrad zum Friedhof gefahren und Luffy hatte ihn gefragt, wer denn das Fahrrad zurückbrachte. Unweigerlich stellte ich fest, dass ich ziemlich viel verpasst hatte. Es war mir klar gewesen, dass ich nicht mehr ganz auf dem neuesten Stand war, immerhin hatte ich mich monatelang in meiner Wohnung verbarrikadiert hatte. Ich hätte allerdings nicht gedacht, dass sie so viele neue Erinnerungen gesammelt hatten, von denen ich kein Teil war. Schlagartig wurde mir etwas klar. Mein Leben war in den letzten Monaten eine langweilige, graue Einöde geworden. Etwas, was sich immer und immer wiederholte. Wofür es sich eigentlich kaum noch zu leben lohnte. Aber das Leben meiner Freunde ging aber weiter. Sie hatten ihre aufregende und bunte Welt die letzten Monate aufrecht gehalten. Sie hatten immer wieder neue Sachen erlebt. Ihr Leben war wirklich lebenswert. Es ging weiter, egal ob mit mir oder ohne mich. Tränen sammelten sich in meinen Augen und dieses Mal versuchte ich gar nicht sie weg zublinzeln. Ich ließ sie meine Wangen hinunter laufen. Nur das Schluchzen unterdrückte ich. Stumm vor mich hin weinen, das tat ich. Vivi stoppte kurzfristig in ihren Erzählungen, ich hatte gar nicht mitbekommen, worum es eigentlich ging. Sie rutschte auf mich zu und nahm mich in den Arm. Sie drückte meinen Kopf gegen ihre Schulter. Eine Hand hatte sie in meinem Haar, die andere streichelte gerade sanft meinen Rücken auf und ab. Immer wieder flüsterte sie mir beruhigende Worte ins Ohr. Mittlerweile unterdrückte ich das Schluchzen auch gar nicht mehr. Und jedes Mal, wenn ein Schluchzen meinen Körper schüttelte, sprach sie ihre Worte mit etwas mehr Nachdruck. Sie klangen fast schon wahr. Wenn ich es nur nicht besser wüsste. Nachdem ich mich halbwegs beruhigt hatte, hob ich meinen Kopf von Vivi's Schulter und schaute ihr ins Gesicht. Fragend schaute sie mich an, verstand meinen Gefühlsausbruch nicht. „Ihr, ihr braucht mich nicht mehr, oder?“, brachte ich zwischen zwei Schniefern hervor. Ich musste es jetzt einfach wissen. Ich musste wissen, ob ich für sie ersetzbar war. Ob sie mich vielleicht schon ersetzt hatten. Vivi' Augen weiteten sich schockiert und sie schüttelte vehement den Kopf. Fast schrie sie schon: „Was? Natürlich brauchen wir dich. Dich könnte doch niemand je ersetzen. Du machst momentan nur eine schwere Phase durch. Aber wir lieben dich doch trotzdem, Nami“. Immer wieder versicherte mir Vivi, das ich unersetzbar wäre. Ich hatte mir auf die Unterlippe gebissen und hörte Vivi einfach zu. Es beruhigte mich ungemein, dass ich trotz meiner langen Abwesenheit immer noch so wichtig für meine Freunde war. „Danke“, hauchte ich. Vivi stoppte abrupt in ihrem Redefluss und sah mich eine ganze Weile schweigend an. Langsam fing sie an zu lächeln und schließlich kicherte sie kurz. Dann erhob sie sich von der Couch, um uns noch etwas zu trinken zu holen. „Sag mal, Nami, was ist denn das?“ Vivi war ohne Getränke zurück ins Wohnzimmer gekehrt. Dafür hielt sie etwas in der Hand, das für mich nach einem zerknüllten Zettel aussah. Viel mehr konnte ich von der Ferne nicht ausmachen. Musste ich auch gar nicht, denn Vivi ließ sich kurzerhand neben mich auf das Sofa fallen und drückte mir den Zettel in die Hand. Jetzt erkannte ich ihn auch. Es war der Rezeptschein, den Law mir ausgestellt hatte. Den kleinen Zettel, den ich einfach so zerknüllt hatte. Ich hatte ihn vollkommen vergessen. Aber jetzt, wo ich ihn sah, fiel es mir wieder ein. Ich hatte ihn auf das Schränkchen im Flur gelegt. Wenn man in die Küche wollte, kam man unweigerlich daran vorbei, es hätte mir klar sein müssen, dass Vivi ihn findet. Und natürlich auch, das sie sich Sorgen machte, wenn sie ein nicht eingelöstes Rezept fand. Ich drehte meinen Kopf leicht nach links und sah, dass Vivi mich auffordernd anblickte. Ich musste ihr anscheinend eine Antwort geben. Ich schwankte zwischen der Wahrheit, die wirklich ziemlich komisch klang und einer Lüge. Einerseits wäre eine Lüge besser um sie zu beruhigen. Andererseits wollte ich meine Freundin nicht wirklich anlügen. Aber wenn ich ihr die Wahrheit erzählte, fing sie vielleicht an sich Sorgen zu machen. Wobei Vivi eine erstaunliche Menschenkenntnis besaß. Sie konnte mir eventuell erklären, was Law mit seiner Aussage meinte. Ich entschied mich dafür, Vivi die ganze, ungeschminkte Wahrheit zu erzählen. Von meinem Termin im Krankenhaus, über meine erste Begegnung mit Law und dieser komischen Aussage im Zusammenspiel mit dem Medikamentenschein. „Und du bist gar nicht neugierig? Ich hätte das Rezept schon gelesen, bevor ich wieder auf der Straße gewesen wäre“, empörte meine Kindheitsfreundin sich. War es wirklich so komisch, dass ich nicht wissen wollte, was darin stand? Vivi neben mir war inzwischen ganz hibbelig und verlangte von mir, das Rezept sofort zu öffnen. Meine Neugierde hielt sich zwar in Grenzen, aber ich tat Vivi diesen Gefallen. Langsam entfaltete ich das Papier. Meine Hände waren komisch, sie zitterten. Schweiß bildete sich auf meinen Handflächen, gleichzeitig waren sie seltsam kalt. Ich öffnete doch bloß ein blödes Papier von einem verrückten Arzt. Es war doch nichts, weswegen ich mir so einen Stress machen musste. „33 Richmond Road“ „Eine Adresse?“ Es war mehr eine Frage, als eine Feststellung von Vivi. Aber es war eine gute Frage. Warum hatte der Typ eine Adresse auf das Rezept geschrieben? Es stand auch wirklich nur die Adresse da und weiter nichts. Vivi zuckte mit den Schultern und wirkte irgendwie seltsam enttäuscht. Als hätte sie etwas größeres erwartet. Die Frage war nur: Was? Sollte er etwa 'Lebensfreude' darauf geschrieben haben? Die stand dann in der Apotheke, zwischen Hustensaft und Halstabletten, oder wie? Das ganze warf leider mehr Fragen auf als es beantwortete. „Naja, egal“, zwitscherte Vivi. Irgendwie kam ich mir veralbert vor. Erst kaute sie mir ein Ohr ab und bestand darauf, zwang mich schon fast dazu, den Zettel zu öffnen. Und jetzt war es ihr egal? Vivi war ein Mysterium, das ich wahrscheinlich nie so ganz durchschauen würde. „War schön dich mal wieder zu sehen“, nuschelte Vivi in unserer Umarmung. Die restliche Zeit des Nachmittags war wie im Fluge vergangen. Vivi hatte mir noch viele Sachen erzählt, die in letzter Zeit so geschehen waren. Zum Hauptthema waren irgendwann Sabo und Koala geworden. Die beiden hatten über Jahre eine konstante Hass-Liebe-Freundschaft aufrecht gehalten. Letztens war Koala wohl mit einem anderen Mann ausgegangen, was Sabo fuchsteufelswild werden ließ. Besagter Mann hatte Koala dann wohl betrogen, wofür Sabo ihm die Nase gebrochen hatte. Koala war daraufhin echt wütend gewesen und hatte Sabo zusammengestaucht, dass er doch nicht einfach fremden Menschen die Nase brechen konnte. Sabo hatte die ganze Predigt über sich ergehen lassen und letztlich von Koala noch einen Kuss auf die Wange bekommen, weil sie es echt süß fand, wie er sie verteidigte. Seit diesem Vorfall kursierten die wildesten Gerüchte über ein mögliches romantisches Interessen beider Seiten. Wundern würde es mich nicht, war Koala's Lieblingsthema doch schon immer Sabo gewesen. Ich verabschiedete mich noch leicht lächelnd von Vivi. Es war wieder ein aufgesetztes Lächeln, das sah Vivi mir auch an. Aber wir beließen es dabei. Vivi kündigte an, mich definitiv mal wieder zu besuchen und ich erlaubte ihr, das jeder Zeit zu tun. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)