Tristsulfate von Gosick (Virus M4) ================================================================================ Kapitel 3: Ionen der Ewigkeit ----------------------------- Râskan öffnete langsam lächend die schwerfälligen Augenlieder. Tanzend kitzelten abwechselnd warme Sonnenstellen sein Gesicht, abhängig vom Stande der Windrichtung, die das über ihm traumhaft elegant raschelnde Blattwerk zum rütteln brachte. Grüne Wiesen, soweit das Auge reichte, und inmitten dieser Idylle ruhte er, lang über dem Boden liegend, die Arme als Kopfstütze nach hinten angewinkelt. Die große Stadt schien unendlich weit fern, keine tösenden Autohupen, nervende gaffenden Passanten oder überteuert dämmlich aussehende riesige Werbeplakate. Einfach nur stinknormales Gras, ein Baum, die Sonne sowie Râskans nette Gesellschaft, dessen hüftlange schwarze Haare verführerisch sanft im Wind flatterten. Er war nicht allein hier, ja. Lawkers Kopf ruhte tief entspannt auf dem Schoß einer schönen Dame. Ihre Stimme, so bezaubernd sanft wie ein herzergreifendes Pianostück, begann zu erklingen. »Und?.. Wie bist du dort wieder rausgekommen?« Sanfte Brisen wirkten diesen Moment traumgleich, als gäbe es keinerlei Schlechtes mehr in der Welt, völlig frei besorgniserregender Zukunftsängsten. Râskan Antwort ließ sich Zeit, er wollte diesen Augenblick nicht einfach verstreichen lassen. »Meine Verzweiflung brachte meinen Körper dazu, die Beine in die Hand zu nehmen. Die Angst, Ich würde dort mein Ende finden, überragte alles Andere bei Weitem, mein Blut floss trotz des unglaublich erhöhten Adrenalinspiegels unweigerlich langsam, was die Blutung stark unterdrückte.« Für wenige Sekunden musste der Ex-Soldat verschnaufen, berreicherte seine Lungen mit einem kräftigen Schub frischer Landluft, aus Angst jemand könnte auf die Idee kommen, diese plötzlich abzustellen. »Ich rannte geradewegs.. immer, und immer weiter Richtung dieser grauen Wolken, die mich geradezu demütigend anstarrten, majestätisch in weiter Ferne verharrten. Ich hatte zum ersten Mal dieses Gefühl, dass.. Ich, in meinem Leben erstmals die richtige Entscheidung traf, und dieses Gefühl konnte mir keiner, nicht einmal Gott, wegnehmen. 40mm-Geschosse sprengten unentwegt um mich herum die Häuser in tausend Trümmern. Meine Ohren schmerzten, doch die waren mein kleinstes Problem gewesen.« Râskan hätte weinen können, doch er wusste nicht, ob aus Glück, oder aus Trauer. Jemand den er früher kannte, könnte ihn verstehen. Er erzählte Râskan einmal, dass er auf der Beerdigung seiner Mutter war, damals noch ein Frischling, der gerade zum Militär berufen wurde. Er meinte, er habe nicht viel für seine Familie übrig gehabt, aber gehasst hatte er sie ebenfalls nicht. Auch wenn er kein Mann großer Gefühle war, brach er gegen Mitte der Predigt in Tränen aus, sein Gesicht vor innerlichem Schmerz vollkommen gebrandmarkt. Minutenlang gaben diese Tränen nicht nach, bis er schluchzend hart den Boden erreichte, die Knie vom harten Aufprall aufgerissen. Er meinte, es kam schlichtweg nichts mehr raus, sein Vorrat an salzigem Schmerz war einfach leer gewesen. Die Leute fragten ihn, "War sie dir doch so wichtig?", und er antwortete darauf nur, "Ich weiß es nicht. Hier und Jetzt weine Ich nicht aus Trauer, sondern weil ich keinerlei Trauer verspüre, selbst wenn ich es wollte...". Damals berührte ihn diese Geschichte sehr, heute umso mehr. Man weint, aber nicht weil man traurig ist, sondern weil man keine empfindet, selbst wenn sie da sein sollte. Doch warum weint man dann trotzdem? Bis Heute fand er darauf keine Antwort. Râskan erzählte seine Geschichte aus der Vergangenheit weiter, gestärkt durch gute Erinnerungen. »Ich schleifte meinen Körper immer weiter, das Glück schien mir hold. Solange, bis mich ein Ägyptischer Infanteriesoldat bemerkte, der sich ebenfalls in Sicherheit bringen wollte. Ich war am Ende meiner Kräfte, lag kniend gut fünf Meter vor ihm, das Gesicht von Tränen und Blut verschmiert. Ich kannte diesen Kerl nicht, und er mich genauso wenig. Er wusste, wenn er mich mitnimmt, könnte er auch hier sein Ende finden. Mir kam dieser Moment so unendlich lang vor, während unsere Augen aufeinander trafen. Dann... rannte er weg. Das Einzige, an was ich mich noch danach erinnere war, dass ich grinste. Ich wollte, dass er zurück blickt und dieses lächelnde schmerzerfüllte zurückgelassene Gesicht sieht, auf dass es ihn ewig plagen würde im Leben. Ich lachte, so laut wie nie zuvor, und fiel schlussendlich, einfach in sanfte Ohnmacht...« Während der gesamten Zeit sprach die schöne Dame, auf dessen Schoß sein Kopf weiterhin ruhte, kein einziges Wort. Râskan kam kurz der Gedanke, er wäre ein traumatisierter Kriegsveteran beim Psychater, der doch gefälligst alle schlechten verdrängten Erinnerungen an die Oberfläche bringen musste. Nun ja, bei ihr würde ihn das wenig stören. Als Râskans Rede sich langsam dem Ende neigte, streichelte die vornehme Dame sanftmütig seine in Falten gelegte Stirn und fing wieder an, ihre wohltuende feminine Stimme ertönen zu lassen, seicht dahintreibend wie ein schöner Sonnenuntergang auf hoher See bei minimalem Wellengang ohne Wind. »Sowas sollte keiner mitmachen müssen. Hat dich denn trotz alledem jemand noch gerettet?« Râskans Gesichtsausdruck erinnerte eher an jemanden, der total entspannt imaginärer Musik lauschte, bekam überhaupt nicht mit, dass eine Frage gestellt wurde. Er atmete tief ein. »Schön wär's gewesen... Am Ende hab ich mich selbst retten müssen. Die tristen Wolkentürme zogen mich weiter, weiter Richtung Evakuierungsgebiet, aus dem ich kam. Glücklicherweise trafen mich weder Trümmer, noch bemerkten mich zurückgebliebe Feinde. Ein sogenanntes Räumungskommando, angeführt von einem gewissen jungen Seargent Falk, wollte gerade los, die Ausgangslage auskundschaften. Das Einzige was sie noch sahen, war wie Ich aus dem Rauch, sowie dem aufgewühlten Sand, der durch die Luft wirbelte, hinaus trat, zombiehaft torkelnd, nur um dann wieder, gute zehn Schritte vor ihnen blutüberströmt zusammensackte und hart aufschlagend den Boden küsste. Circa zwei Tage später wachte Ich auf, am Tropf hängend in irgendeiner müffelnden Kaserne. Eigentlich müffelte nur der Kerl neben mir äuserst berstig. Meine ersten Worten, die meinen Mund nach dem Aufwachen verließen, lauteten, 'Ey! Der Typ neben mir hat's hinter sich und stinkt zum Kotzen, nimmt den mal einer weg?! Natürlich betreute niemand zu dieser Zeit die Verletzten, bestimmt Besprechungsrunde oder Kaffeepäuschen.« Als nach einer halben Stunde endlich mal jemand nach dem armen Lawker schaute, gabs erstmal die neuesten Infos. Râskan erinnerte sich sehr gut daran, vergnügt blickte er der schönen Frau kurz ins Gesicht, den Kopf immer noch auf ihrem Schoß liegend. »Weißt du, die ersten beiden Informationen, die mir vermittelt wurden lauteten, 'Ihre Einheit reiste sofort ab nach der Operation', und 'sie können sich bestimmt an nicht viel erinnern. Die Männer behaupteten, sie seien bewusstlos aus der Gefahrenzone marschiert, Stück für Stück...'« Vom Ding her kamen ihm wirklich keine Erinnerungen mehr in den Sinn, nachdem der Ägypter ihn ebenfalls liegen ließ und er ohnmächtig hin fiel. Sein Gedächtnis glich sonst dem eines Elefanten. »Ich hatte keine Lust mehr darauf, Soldat zu sein. Nicht für diese Leute und auch nicht für irgendeine Armee, also wurde ich Forscher.« Beide kicherten kurzerhand leise auf, und beide wussten warum. Râskan dachte zurück daran, wie er dort im sperrigen Lazarett des Headquarters des nächstgelegenen Stützpunkt lag, die Tage langweilig dahin zogen, einzig und allein seinen eigenen Gedanken verfallen. Viel Zeit zum nachdenken. Nur einmal besuchte ihn jemand. Jemand, der wenigstens nicht nervte. Rückblickend schloss Lawker seine Lider, damit die Erinnerung sich besser aufbauen konnte. Dieser Jemand kam unangekündigt ins provisorische Krankenlager gestürmt. Es erinnerte eher an ein kieferngrünes Campingzelt für luxuriöse Angelegenheiten. Râskan konnte Übungsschüsse vernehmen, Kommandorufe, Panzerketten und sogar selten mal Hubschrauber. Den Besucher jedensfalls kannte der Soldat einigermaßen gut. Vor seinem Bett, auf der linken Seite beim Tropf, blieb er stehen und kratzte genervt seinen halbvollen Bart. »Hah!.. Sieh einer an... Wenn das nicht Betty ist!« Vor ihm stand Seargent Dean Falk. Râskan traf ihn schon etliche Male, sogar in der Grundausbildung mehrmals. Die besten Freunde wurden die beiden aber nicht wirklich. Durch die ganzen Schmerzmittel, die die Sanitäter rein pumpten, käme ihm gerade eh jeder wie der Nicholaus am Weihnachtsabend vor, in der einen Hand Kekse, in der anderen ein Funkgerät haltend, shit happens. Seargent Falk fing nun auch an, seine wundervoll schrecklich nervtötende Stimme ertönen zu lassen. »Heute bin ich wohl Betty, was?... Hab bereits alles gehört über deinen Einsatz, echt scheiße gelaufen. Hast gute Arbeit geleistet, hoffentlich wird dieses Arschlosch von Vorgesetzter rausgeworfen. Aber verdammt noch eins, wie du dort aus dem Sandnebel kamst. Ich dachte du wärst ein Zombie, alter. Dich kann glaube ich nichts menschliches umbringen, Kampfzwerg, haha.« Râskan schaute belustigt, kicherte kurz mit, aber offensichtlich gestellt. »Gute Arbeit..? Einen Scheiß!!!« Der Verwundete Soldat zog Falk am Kragen zu sich hinunter. Selbst als Verletzender auf Drogen hatte er noch genug Kraft dafür, sowie die Einstellung. Râskan brüllte ihn an, doch der Seargent blieb locker, da dieser wusste, irgendwo muss angestauter Frust ja raus. »Dieser Mistkerl Chief wollte mich dort verrecken lassen, nur sich selbst retten! Und dann lacht er mich aus, lächelt sich einen ab! Lasst ihn liegen, hat er gesagt! Nicht mit mir... Nicht mit mir!!! Ich stecke hier in diesem scheiß Dreckslazarett fest, während dieser Mistkerl wahrscheinlich ne Luxus-Suit bekommt, verdammte Scheiße! Hier gibt es nichtmal ein Fenster, ein Fenster um Gottes Willen. Lasst mich raus, ich will die grauen Wolken sehen, die Türme! Ich weiß nicht wo sie sind! Ich muss es wissen, wie weit weg! Wo sie sind, wo sie sind... Wo sind sie...« Mehrere Packungen Schmerzmittel zeigten ihre Wirkung dramatisch. Seargent Muskelbepackter Rauschebart löste den Griff um seinen Kragen behutsam. Sogar er war verwirrt, was Lawker dort laberte. Woher sollte sein Spatzenhirn auch wissen, dass Râskan durch die Medikamente das Gefühl hatte, er müsste sein eigenes Trauma 'jagen' und töten. Wenige Milligram mehr, dann würden über ihn bestimmt massenhaft Halluzinationen hineinbrechen. Dean wollte ihn beruhigen. »Ich weiß, das ganze ist scheiße hart. Aber ich versteh nicht, was du mit den Wolken meinst, Kleiner. Kommt wohl von den Beruhigungsmitteln. Du wirst noch bis heute Abend wohl hier sein und dann zurück nach Hause geflogen werden. Auf mich wartet hingegen der nächste Kampf.« Râskans Ego überragte Alles, selbst wenn sein Ausraster eben Unnötig schien, würden niemals von seiner Seite aus erwünschte Entschuldigungen fallen. Stattdessen hielt Râskan ihm die Faust hin, während sein Gesicht sich wegdrehte. Falk lachte, gab ebenfalls die Faust, meinte das alles okay sei. »Wie... gehts denn deiner, Familie so?« Mittlerweile beruhight sprach der eben noch brüllende Mann nun merklich leiser, nostalgischer, an alte Zeiten klammernd. Falk hob den Daumen und lächelte grimmig. Heh, er sah dabei aus wie ein behaarter Winnie Puh auf LSD, nicht besonders cool. »Der gehts gut. Bin mittlerweile Vater geworden, um genau zu sein. Bei denen dreht sich alles darum, wann ich wieder heim komme. Hab ja keinen Fronteinsatz gehabt, Nichts wildes.« Bei so einer guten Nachricht klatschte sogar Râskan mehrmals in die Hände. »Nich übel, Flora! Junge oder Mädchen? Wenn's ein Mädchen ist, nenn sie Dean.« Falk winkte ab, meinte es sei ein Mädchen, würde aber leider nicht Dean heißen. »Deine Tochter hat bestimmt auch mal soviele Muskeln wie du.« Wirklich lustige Vorstellung, wegen der Medikamente ging's sogar sinnlicher. Als in der Vorstellung sein geiler Bart hinzukam sowie die uncoole Pose von eben, verknief der Verwundete sich das amüsierte kichern. »Ja, und vergess nicht das Wichtigste!« Seargent Falk setzte noch einen drauf, indem er sich filigran imaginär den Penis hielt und mit dem dicken imaginären Lümmel im Kreis wedelte. Bei der Vorstellung konnte Râskan einfach nicht mehr, just to much, er brach in lautes Gelächter aus, während sein Gegenüber weiterhin Schwengelkunststückchen vollführte sowie hinzufügte, dass seine Tochter dickere Eier als er selbst bekommen würde anstatt Quarktaschen. Der im Bett liegende Soldat konnte nicht anders als über diese schlechten Witze abzulachen, bis die Tränen kamen. Kollege Hupendreher vor ihm nahm das ganze besinnlich auf, lächelnd die Nase reibend. Eigentlich machte der gute Kerl nicht allzu viel Blödelein, aber heute gab dieser wohl ne Extraportion ab, zum Wohle aller Verwundeten, naja nur ihm also. Komiker Falk schaute auf seine teuer, wahrscheinlich gefälscht, aussehende Silberuhr von Citizen, welche mittlerweile etwaige Kratzer bekam wegen etlicher Einsätze. »Nun denn, ich muss dann mal wieder. Schön, dass du noch lachen kannst, du Großkotz. Liegt bestimmt an dem Zeug, dass die dir eintröpfeln. Die Sanitäter meinen, das sei naturelles Cobragift gemischt mit Schwefelsäure. Und hinzugefügt hatten sie noch, das wäre das wohl einzige, was dich ruhig stellt.« Bevor er aus dem Zelt ging, musste noch dieser letzte Flachwitz raus, gut gemeint. »Verzieh dich, du Penner. Wenn ich wieder raus bin, bist du der nächste am Tropf.« Höhnisch kichernd verließ werter Herr Spaßkanone sprunghaft das Zelt, weil Râskan nen Apfel aus der neben ihm liegenden Obstfalsche hinterher warf. So'n Pfosten. Am Abend, wie Seargent Falk bereits meinte, wurde Râskan zurück in die Vereinigten Staaten geflogen, und damit endete die eben noch so realistische Rückblende seinerseits. Wie bei einem harmonischen weißen langsamen Filmübergang wurde der heute grimmige Forscher zurück in den nächsten Traum, der Realität, zurück geworfen. Immer noch tanzten die sich durchs Blätterwerk bewegenden Sonnenstrahlen auf sein Gesicht. Seine Begleiterin rückte kurz ihre Beine zurecht, wo seit geraumer Zeit sein Kopf wahrhaftige Ruhe genießte. Sie hatte den Mp3-Player an die kleinen Lautsprecher angeschlossen. Leise, wirklich hintergründig, spielte diese sinnige Tonmelodie vor sich hin, die er sofort erkannte. Es war 'Heaven is not enough', von Steve Conte. »Erkennst du es?« Würde diese Frau nur mehr reden mit diesen wunderbaren Stimmbändern. Hintergrundmelodie sowie Stimme harmonierten wunderbar zueinander samt der ganzen Kulisse allgemein dieser Darbietung (Bild). »Natürlich erkenne ich es... Das ist unser Song, unser beider liebster obendrein.« Râskan beschied dieses Lied Fröhlichkeit, sogar er stimmte sanft sowie entspannend summend mit in die Symphonie mit ein. Durch vertraute Klänge benebelt, brach das vergangene Szenario vor der Leinwand seiner geschlossenen Augenlider zusammen. Eine Geschichte für den Moment, kitschig wie die Märchen als das es schien. Die Künstlerin und der Soldat, die Schöne und das Biest. »Damals, an diesem eisigen Winterabend, verscheuchtest du diese drei Typen, die versuchten, mich unfreundlich anzubaggern. Das war sehr beeindruckend.« Es stimmte, so lief ihre erste Begegnung ab. Zu dieser Zeit wollte er nichts dem Wort 'Liebe' am Hut haben. Râskan half ihr auch nicht aus dem Grund, weil sie Hilfe brauchte, sondern weil diese Typen ihn nervten. Ihn verwunderte, dass Sie ihm hinterherging, nachdem seine Arbeit, Prügel, verrichtet wurde. »Ich wollte mich bedanken, aber davon wolltest du kein Wort hören, weißt du noch?« Sie kicherte keck, rückblickend auf gute Momente. Auch wenn sie dort, beim ersten Auffeinandertreffen, schon sehr hübsch war, empfand Râskan keinerlei Gefühl ihr gegenüber. Er und Liebe auf den ersten Blick? Könnte euch wohl so passen, eher wäre die Hölle eingefroren. »Du hast mich zwei Straßen lang verfolgt. Das war echt gruselig! Als ich mich umdrehte und fragte, was du denn noch wolltest, kam nur ein schüchternes 'Ich wollte dir danken...'« Sie gab ihm einen Klapps auf den Kopf, weil er mit hoher Stimme diese Szene nachäffte. Beide lachten sichtlich vergnügt, umgeben von Ruhe, Natur und der Gelassenheit des einfach gestrikten Lebens. Râskan plapperte weiter, als wäre er im Rausch des Vergangenen. »Am nächsten Tag standest du einfach vor meiner Tür! Ich konnte ja nicht ahnen, dass du nur anhand meines Namens, den ich dir an dem Abend verriet, die halbe Stadt durchquerst bis hin zu mir.« Seine geliebte Schlafstütze schüttelte den Kopf, mit einem Blick der sprach 'erinnere mich bloß nicht daran!'. »Vergiss nicht, dass du mir beim ersten Besuch die Tür vor der Nase zugeschlagen hast, nicht besonders romantisch...« Ein 'Ach ja, Ups. Zum Glück biste eine hartnäckige Frau, was?' seinerseits brachte ihm erneut einen Klapps auf den Kopf, den er mit einem gespielten leisen Schmerzesausruf beantwortete. »Zwar hattest du damals schon diesen irren Blick, aber irgendwie fand ich den sexy~« Râskan nahm das als eine Art Herausforderung an! »Ach ja, wer stand denn beim dritten Mal vor meiner Tür und hatte diesen Blick des Todes, weil sie so dringend auf Toilette musste und mich quasi umrannte, sofern die Tür nur groß genug war, dass sie durch passte, häh? Dagegen war mein Blick lämmchenzarm!« Lachend kämpften die beiden um die Vorherrschaft der peinlichen Blicke, körperlich und gefühlt. Sie meinte, er solle sie nicht so ärgern, während ihre samtweichen Patschepfötchen langsam auf ihn eindroschen, böse formuliert. »Ich hab mir zwei Stunden vorher überlegt, was ich sagen soll, damit mir kein drittes Mal die Tür vor der Nase zufliegt! Dabei hab ich das garnicht gemerkt, wie dringend es war.« Râskan konnte nicht anders, als laut los zu lachen. Diese Szene, wenn man das hölzerne Eingangsbrett langsam öffnet, einen dieser gequälte Blick eines Dämons entgegen kommt und zack, man plötzlich über den Haufen gerannt wird und das Einzige Geräusch, welches man wahrnimmt am Ende, das Klicken des Badezimmerriegels ist, war einfach göttlich. Râskans Wohnung bestand nur aus ca. 30 Quadratmetern. Genauer formuliert Badezimmer sowie Schlafzimmer, getarnt als Wohnzimmer. Vor der kleinen Glotze trohnte eine mittelgroße bequeme Ledercouch in büffelbraun, rechts an der Wand stand allerlei Lernzeug herum, gut sortiert auf dem Holztisch natürlich. Die drei Meter hohen Altbauwände, obendrein die Decke, brachten durch den dunklen Gelbton etwas mehr Stimmung rein. Das wohl Beste an der Bude aber unumstritten, der dunkel gehölzte Laminatboden. Deko suchte man hier vergebens, Râskan brauchte Kohle für seine Studien, nicht für Klingelglöcklen, Windspiele oder vielleicht Porzellanfigürchen allerlei Tierarten! »Ja, irgendwann hatte ich mich an deine Besuche gewöhnt. Ich fand es zu Anfang merkwürdig, dass du ausgerechnet mich wolltest, anstatt jemanden, der keine Kinder mit seinem alltäglichen Blick zu Tode verängstigt. Denk an den Schlamassel mit dem Kindergarten damals!« Sie hielt beim Lachen dezent ihre Hand vor den Mund, Râskan mochte das. »Weißt du nicht mehr, was ich damals meinte? Die Worte meines Vaters? Lawker hob seinen linken Arm, um ihre Wange einmal entlang zu streifen. Was für eine dumme Frage, also wirklich. » -'Such dir jemanden, der dich beschützen kann. Jemanden, den du beanspruchen möchtest und nicht andersherum. Such dir keinen langweiligen Macho, sondern jemanden, dessen Herz an dir wachsen könnte!' -« Sie lächelte, strich ihm gefühlvoll mit den Fingernägeln über die Stirn. »So ist es. Mein Vater war ein schlauer Mann, oder? Ich weiß noch, was für ein Theater du fabriziertest, als ich dich, schlau wie ich bin, zum Haus meiner Eltern führte, dir weismachend, wir würden nur kurz meine Freundin besuchen.« Auf die Tour wollte also die Dame wohl heute 'ihn' ärgern. »Ohh~ diese Überheblichkeit in deiner Stimme, so verwegen! Ich, der dumme Mann, und die schlaue Braut. Hab schon verstanden, Mam.« Warum konnten die beiden immer und immer dieses alte Thema aufgreifen und dabei trotzdem jedes mal wieder dabei gleichen Spaß empfinden? Weil sie stolz auf ihre Beziehung, ihr Leben sind? Wahrscheinlich war es noch viel mehr. »Komm mir ja nicht auf die Tour. Wir wissen beide, wer hier die Hosen anhat.« Mehr oder weniger machte Râskan diese Einstellung glücklicherweise irgendwie an. Aus solchen Situationen wie der Jetzigen konnte man super in Flirtstimmung kommen. »Also, du hast leider nur nen scharfen Rock an, aber wenn dir daran so viel liegt, wirst du mir wohl meine Hose ausziehen müssen...« Für diesen Spruch gab es abermals belustigtes Gerangel. Andere Leute leiden lassen machte ihm Spaß, sehr großen, treffender formuliert. Doch das Gefühl, Sie zum lachen zu bringen, beschied ihm wahrlich Freude, und zwar eine, welche sogar sein verkümmertes Herz erreichen konnte. Râskan hielt ihre Hände fest, damit unter Umständen keine Faust mehr auf ihm rumtrommelte, sollten noch mehr foppende Sprüche seinerseits aufkreuzen. Leichte röte machte sich im Gesicht der schönen Dame bemerkbar. Näher, sie kam näher an ihn heran indem sie den Oberkörper vorbeugte in Richtung der Beine. Mehrfach berührten einige Strähnen der offen gestalteten knapp über der Schulter langen Haare bereits sein Gesicht, bis ihn schlussendlich besagte Haarpracht völlig das Gesicht bedeckte, sodass Außenstehende den liebevollen Kuss garnicht sehen könnten. So langsam der Kuss kam, so langsam verschwand jener wieder und ihr schmaler Oberkörper ging zurück zur aufrechten Haltung. »Hmm, ich schmecke Scham.« Hämisches sanftes kichern entwich diesem zarten Lippen. 'Oh ja, lach mich aus, Baby.' war Râskans einziger Gedanke dazu. »Hmpf, der war nicht schlecht ausgeteilt...« Râskan schloss etwas beschämt seine Augen, dieses Funkeln darin versteckend, welches 'mehr, mehr!' schrie. »Dieser Kuss erinnerte mich an unsere Hochzeit...« Oh Gott, jetzt ging's los. Seine Zeigefinger bohrten sich tief in die Gehörgänge, gefolgt durch für ihn nun kaum noch hörbares 'Ahh, lass mich damit in Ruhe, diese Schmaaach'. Ohne Hände konnte Râskan schlecht die herannahende Bedrohung, in Form einer flachenden Hand, die seine Stirn mehrmals zum klatschen brachte, abwehren. Am Ende war er dann nach gefühlten zwanzig Schlägen sowie einem dicken roten Fleck zwischen den Schläfen gezwungen, die Ohren wieder freizugeben. »Wenn du mich weiter so verdrescht, macht mich das irgendwann noch an, also hör lieber auf.« Als er kurz beide Augen schloss, Deckung vernachlässigte, gab es gleich einen fies klatschenden hinter her, welcher ihn erschrack. »Ich weiß, eine Traumhochzeit konnte man es nicht gerade nennen, aber 'du' warst echt perfekt. Deine Rede auf dem Altar hat mich fast umgehauen...« Genau daran wollte Râskan keinesfalls erinnert werden. Sowas peinliches würde nie wieder über seine Lippen kommen. » - 'Ich habe Angst, meine Augen zu schließen, weil ich befürchte, dass sich dann herausstellt, ich würde aufwachen die Zeit mit dir sei nur ein schöner Traum gewesen. Sogar das atmen fällt mir schwer, weil ich vermute, bei meinem nächsten Atemzug federleicht in die Hölle zu gleiten, dafür dass mir diese tolle Frau geschenkt wurde. Sogar meine Ohren und meine Nase möchte ich mir zuhalten, weil deine wunderbaren Reize mich förmlich überfluten. Wie dein Vater vorraussagte, ist mein Herz an dir gewachsen, und Ich werde schwören auf den kümmerlichen Rest meiner Seele, die ich dem Teufel geben musste um dich zu kriegen, dass ich alles in meiner Macht stehende tun werde, um dir das bestmöglichste Leben zu schenken, welches das Schicksal für uns bereit hält... «' - Verdammt, warum kratzt sie nicht gleich mit Fingernägeln über die Tafel? Sowelche beschämenden Sätze müsste Râskan hoffentlich nie wieder aufsagen. Viele Hochzeitsgäste waren nur aus 'Pflicht' gekommen. Einige Männer, um sich den sogennanten Lackaffen anzusehen, der ihnen die tolle Braut weggeschnappt hat, also Freunde von ihr, dann eine ganze Anzahl Frauen, die nicht begriffen, was Sie an ihm fand, und zu guter Letzt Verwandte ihrerseits, welche vermuteten, Râskan sei so'n krimineller Ex-Knacki. Keine besonders tolle Atmosphäre. Einzig sowie einsam die Brauteltern mochten Râskan gut leiden, wenigstens etwas. Ach ja, und Seargent Dean war ebenfalls mit von der Partie! Übrigens fand die Feier sowie Trauung auf einem gemieteten Schiff ab, einer modernen Passagierfähre, denn Râskan durfte als Ungläubiger nicht in einer Kirche heiraten. »Da war ich nicht Ich selbst! Du hattest dieses schöne Kleid an, das war unfair, verdammt.« Sie hielt ihm lächelnd seine kleine Stupsnase zu, wackelte hin und her, Ende dieses Themas. Râskans Gedanken schweiften weiter, bis hin zu Zeiten , wo seine Wenigkeit sich bereits als engagierter Forscher, besser formuliert Bio-Chemiker, schimpfte. Viel seiner Arbeitszeit verbrachte Lawker damit, Kriegsproben von Granatsplittern, Biowaffen oder spezieller Munition zu entnehmen, oder für's Militär Gegenmittel herstellen gegenüber neuen chemischen sowie biologischen Waffen, sogenannten Serums. Dauernd kam da ungefähr zweimal pro Woche eine junge Offizierin vorbei, brachte Proben, nur um wieder danach wortlos abzuziehen. Manchmal quasselten die beiden aber auch nett miteinander, naja, Râskan sprach außer zu seiner Frau nie besonders nett. Ariana Mitrogločević lautete ihr Name. Nachdem die beiden mehrere Kämpfe untereinander hinter sich ließen, verlieh Râskan ihr den Namen 'Cyborgschlampe'. Warum? Nun ja, sie besaß eine Art Augmentierung, eine Militärische Protese anstatt ihres rechten Unterarmes. Einmal schlug sie Râskan mit dem Ding bewusstlos, als er sie wieder Cyborgschlampe nannte. Nach wenigen Sekunden kam der Forscher jedoch wieder ins Leben, meinte spöttisch, dass sie schummeln tue. Ihre verdammte Drecksprothese schlug härter zu als die von Will Smith in 'i Robot. Zumindest Râskan fand es lustig, auf der Arbeit etwas Stress abzubauen. Sein monotones sowie monochromes großes Labor bestand lediglich aus weißen Wänden, vollkommen sterilisierten schwarzen Ablagen, oder konstrastfarbenen Laborgeräten, angefangen mit kleinen Reagenzgläsern und Mikroskopen, bis hin zu Laborzentrifugen, Gaschromatografen, Magnetrührern sowie vielem mehr. Râskan drohte Ariana sehr oft damit, mal ein paar Geräte an ihr auszuprobieren, sollte sie wieder zickig werden. Offizierin Mitrogločević fasste Meistes eher humorvoll auf. Während ihren Plauderreien flogen mehr Beschimpfungen als Worte. »Sag mal, Cyborgbitch. Haben die Schweine über dir Angst, dich seit deiner Amputation in Einsätze zu schicken?« Râskan wusste, was die beiden gemeinsam hatten. Einen vergangenen Kampf ums überleben. Doch am Ende wartete nur der Austritt auf solche Leute. »Halt die Schnauze du alter Sack, was glaubst du denn, häh? Meine Karriere ist wohl vorbei, und von nem Tattergreis wie dir muss ich mir das nicht bestätigen lassen.« Râskan kannte Mitgefühl nicht, auch wenn Ariana welches verdient hätte wohlmöglich. Immerhin trat er freiwillig aus, Sie hingegen wurde verstoßen. Seine zischende Zunge war die einzige Antwort darauf. »Hör auf, so viel rumzumeckern, du mechanischer Freak. Bring mir lieber mehr Proben, ansonsten gibt's ne Tracht Prügel. Proben von anderen Leuten sind meistens immer verwischt, verdreckt oder nicht geeignet für eine Analyse. Da kommen deine Scheißproben wenigstens halbwegs sauber an, Also zieh Leine, mach weiter deine Arbeit.« Sonst schaute die Robotertusse immer grimmig oder stolz. Aber in diesem Augenblick lächelte sie einmal, verschwand beleidigend. Râskan hatte das Gefühl, so etwas ähnliches wollte sie hören. Botengänger wechseln oft, daher verwunderte Râskan es nicht, als wenige Monate später andere verlauste Kreaturen Proben vorbeibrachten, mit denen er keine Prügelei anzetteln konnte leider. Eventuell war Ariana wieder im Dienst tätig. Râskan erwachte wiedermal aus seinen langen Gedankengängen, sich vor findend an genau der gleichen harmonischen Stelle unter dem Baum wie vorher, den Kopf gemütlich schmiegend auf dem Schoß seiner Frau. Aus naher Umgebung ertönten Rufe eines Kindes, während Râskan breit lächend wieder einmal die Augen schloss. » Hey, komm her und leg dich zu zu deinem Vater. Der hat dich schon vermisst, Süße.« Râskan hörte vergnügt hin, wie die beiden über ihm rum blödelten. So viele schöne Erinnerungen, die das Leben ihm vermachte, ihm großzügig schenkte! Könnten die drei doch nur auf ewig unter diesem Baum liegen, die freie Natur genießen und die unendlichen Sonnenstrahlen über die Wangen gleiten lassen, während die sanfte Stimme seiner beiden Damen dabei durch leichte Brisen um die gesamte Welt getragen wird. Wenn er gewusst hätte, was das Schicksal noch für ihn bereit hielt in naher Zukunft, hätte der Râskan nichts anders im Leben gemacht. Denn am Ende des Horizonts, wird es wohl immer graue Wolken geben... - The End, of the Beginning - Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)