Cinder and Smoke von kaprikorn (The Fall of Adam) ================================================================================ Kapitel 1: Flight gone wrong ---------------------------- **** |[x]| **** Said the Thief to the Moon: "I'll exstinguish your light soon, I'll put an end to all the light that you shed on this world in its darkened state." [SHAWN JAMES · THIEF & THE MOON] Es roch nach Schießpulver und Rauch. Der Geschmack heftete sich metallen an ihren Gaumen und erschwerte das Atmen, machte sie verwirrt husten und brachte ihre Schläfen zum Pochen. Ein Teil ihres Bewusstseins räkelte sich träge nach der Wirklichkeit und suchte prompt nach der Ursache für den Gestank und den Lärm, welche sich unaufhörlich in ihr Unterbewusstsein fraßen. Das Letzte, woran sich Hermine erinnerte, war das Ministerium und ihre Flucht aus den schwer bewachten Hallen, mit Yaxley auf den Fersen, der sich nur widerwillig hatte abschütteln lassen. Harry hatte ihr in den Kerkern des Ministeriums das Amulett überlassen, nachdem sie Dolores Umbridge gemeinsam überwältigen konnten. Aus der Not heraus war das Schmuckstück dann um ihren Hals gewandert, anstatt in die sicheren Untiefen ihrer verzauberten Tasche – warum wusste sie nicht mehr. Generell wirkte alles verschwommen: der Sprint durch die mit schwarzem Marmor gefliesten Gänge, Harrys Patronus im Kampf gegen anrauschende Dementoren und Yaxleys erboste Schreie quer durch das Atrium des Ministeriums, sie um jeden Preis zu fassen. Schließlich war da ein Ziehen gewesen, um ihren Hals, wie eine Schlinge die sich kontinuierlich in die Haut bohrte und dabei sämtliche Luftzufuhr abschnitt. Vielleicht hatte sich die Kette des Medaillons ungünstig verdreht, während sie damit beschäftigt gewesen war, Yaxley davon abzuhalten Harry anzugreifen. Taten das Schmuckstücke nicht zu weilen? Sich bei jedweder Gelegenheit verheddern? Hermine entrang sich ein benommenes Stöhnen. "Oi! Sie da! Fräulein!", hämmerte sich eine grobe Stimme quer durch ihr Ohr, bis der Brünetten das Trommelfell davon gellte. Jemand schüttelte sie, zuerst sachte, dann mit mehr Nachdruck, bis Hermine nicht umhin kam, sich mit flatternden Lidern zurück in die Gegenwart zu kämpfen. "Harry?", erwiderte sie leise. Ihr Mund war staubtrocken und auf der Zunge lag ein grober Geschmack von Eisen, als hätte sie sich selbst gebissen und Blut geschmeckt. Das Haar hing der Gryffindor wild in Gesicht und Stirn und es dauerte eine weitere Weile, bis ihre Glieder ihr den Gefallen taten, ihren Bewegungen auch tatsächlich Folge zu leisten. Schmerzende Muskeln deuteten auf einen Krampf hin – so etwas konnte beim Apparieren unter Umständen unschön enden, meistens mit gesplitterten Körperteilen. Plötzlich war Hermine hellwach. Wie hatte sie nur zu lassen können, die Kontrolle zu verlieren? Über ihre Flucht? Den Plan? Ihre eigenen Fähigkeiten? Dumme Granger! "Nix Harry, aber Sie können Collin zu mir sagen, Missy." Unter klärendem Blick grinste ihr ein älterer Mann entgegen. Graue Bartstoppeln zierten sein runzeliges Kinn; ihm fehlten bereits einige Zähne. Er lachte heiser und half Hermine in eine sitzende Position, wobei sie dem Drang widerstand sich benommen die Augen zu reiben. Collins zerschlissenen Kleidern und den zerrissenen Handschuhen nach zu urteilen, die er trug, war er wohl arm oder obdachlos – oder beides. "Hab'en ganz schönen Schreck bekommen." In fürsorglicher Manier klopfte Collin Hermine den Staub von den Kleidern; sie trug noch immer Mafalda Hopkirks Kostüm. "Danke. Ich … tut mir leid, ich wollte Sie nicht stören." Das Grinsen des Fremden wurde eine Spur breiter, aber er winkte ab und erklärte der Gryffindor, dass es nichts gab, wobei man ihn zu dieser Zeit hätte stören können, so lange man kein Deutscher war. Die Entgegnung irritierte Hermine kurz, doch die Sorge um den Verbleib ihrer beiden Freunde war größer, wie die nagende Stimme in ihrem Hinterkopf, die sie stur darauf hin wies, dass etwas nicht stimmte. Tatsächlich war sie fest davon überzeugt, beim Apparieren einen, zugegeben untypischen, Fehler gemacht zu haben. Das war freilich ärgerlich, konnte aber selbst den Besten passieren – und so bald sie heraus gefunden hatte, wo sie sich befand, konnte sie sich auf den Weg machen, um zu Ron und Harry aufzuschließen. Wahrscheinlich waren die Kindsköpfe längst im Forrest of Dean und inzwischen dabei, das Zelt aufzustellen und die Sicherheitszauber auszuführen; eine andere Vorstellung ließ ihr verbissener Verstand nicht zu. "Sind Sie sicher, dass alles in Ordnun' is? Sie sehen etwas blass aus", Collins Musterung wurde unangenehm intensiv, nichtsdestotrotz zog er Hermine ohne Federlesen auf die Beine und stützte sie, bis ihr Gleichgewichtssinn sich an die Vertikale gewöhnte. Dann nahm er die Hände weg und schob sie mit neugierigem Blinzeln in die schmuddeligen Taschen seiner alten Hose. Seine Aufmachung hatte unweigerlich ein bisschen Ähnlichkeit mit Charly Chaplins Taugenichts. Hermine strich sich eine wilde Haarsträhne hinters Ohr, die sich aus ihrem strengen Zopf gelöst hatte. Die Mundwinkel zu einem Lächeln gehoben, wollte sie dem Fremden entgegnen, dass sie bloß gestürzt und seine Fürsorge deshalb nicht der Rede wert war. Es würde schon gehen. Dass ihre Kleidung zerknittert und nicht weniger schmutzig anmutete, wie die ihres vermeidlichen Retters und sie völlig allein und nahezu zurück gelassen in einer Seitengasse kauerte, blendete Hermine dabei aus. Sie musste nach wie vor in der Nähe des Zaubereiministeriums sein. Doch ehe sie sich eine passende Ausrede zurecht legen und sich aufmachen konnte vor dem Muggel Reißaus zu nehmen, wurde sie von dem abrupten Heulen dumpfer Sirenen unterbrochen, welche die Fensterscheiben der alten, eingefallenen Gemäuer im Hinterhof der Gasse zum Klirren und Beben brachte. Dem Schrei der Sirenen folgte ein Brummen, ein Donnern von Motoren, das eigenartig in ihren Ohren dröhnte und mit der Kraft eines Orkans unaufhörlich näher rückte. Hermine neigte den Kopf alarmiert in den Nacken, just als eine Flugzeugstaffel ihren polternden und finsteren Schatten auf die Stadt warf. Sie bekam Gänsehaut; zu ihrer Benommenheit gesellte sich etwas penetrant der Anflug purer Panik. Ihre Gedanken überschlugen sich, ihr wurde schlecht, flüchtig schwarz vor Augen, dass Collin die Hände wieder nach ihr ausstreckte. Sie bemerkte ihn kaum, bemerkte nicht, wie er auf sie einredete und beruhigen wollte, tobte und ob des Chaos, das London Heim gesucht hatte schimpfte. Es bestand nach wie vor die Möglichkeit, zu träumen, nicht wahr? **** |[x]| **** Collin kannte sich in dieser Gegend von London aus, das musste man ihm lassen. Er hatte nach Hermines Hand gegriffen und zerrte sie in stolpernder Hast mit sich, so schnell ihn seine krummen Beine über Schutt und Geröll trugen. Er fluchte dabei unentwegt, verachtete die Wehrmacht und den Krieg, ihre Situation und die Ausweglosigkeit ihrer Lage. Nicht mehr lange, prophezeite Collin seiner Begleiterin dabei atemlos, und die Deutschen würden sich wünschen, diesen Krieg nie begonnen zu haben. Hermine hätte ihn gerne in seiner Vermutung bestätigt, ihm ein Zeichen gegeben, dass sie ihm zu hörte und völlig seiner Meinung war, denn sie musste auf ihren vermeidlichen Retter schon verstörend und seltsam genug wirken. Aber was sie sah und roch und sich durch ihre zusammen gekniffenen Augenlider auf die Iris brannte, war zu furchtbar und eine viel zu große Ablenkung, als dass sie Collin irgendeine Form von Entgegnung hätte schenken können, die mehr bedeutete, wie ein stumpfsinniges Nicken. Wachte sie längst? Die Hauptstraßen der Stadt waren hier und da bis zur völligen Unkenntlichkeit niedergerissen worden. An den wenigen Litfasssäulen, denen sie begegneten, lächelte ihnen König George verzerrt von vergilbtem Papier entgegen, Mut machend und vertrauensvoll in Zeiten des Krieges. Das Datum, das unter Georges Konterfei prangerte, bestätigte jedes Mal aufs Neue, wie unwirklich diese Realität war, wie hart sie auf den Kopf gefallen sein musste, um sich derlei überhaupt ansatzweise einzubilden. Und trotzdem: egal, wie oft Hermine zwinkerte, das Bild blieb das Selbe. 1944. 1944. Der zweite Weltkrieg. 1944. Rund vier Jahre nach der verheerenden Katastrophe, wo die deutsche Wehrmacht ihre Bomben auf London geworfen hat. So viele Tote. Das Chaos würde als Blitzkrieg in die Geschichte eingehen. 1944. Ausnahmezustand. Hermines Gedächtnis spielte jedes ihr bekannte Ereignis durch – und zum ersten Mal verfluchte sie sich selbst, diese Fähigkeit nicht abstellen zu können. Wieso? "Gott sei Dank sin' die Gebäude im Zentrum der Stadt nich' ganz so arg in Mitleidenschaft gezogen worden. Schade um London, das. Wirklich schade", schaltete sich Collin nach einer Weile wieder besorgt ein, seine Hand nach wie vor fest um die Ihre geschlossen. "Hier en'tlang, da vorn' is'n Unterschlupf. Die geben bestimmt bald Entwarnung." Der alte Mann stockte in seinem Schritt: "Ich glaub, ich hab' vorhin nich' ganz verstanden, wie Sie heißen, Missy." Collins Augenmerk, klar und blau, erinnerte Hermine vage an jemanden den sie kannte. Das ungleiche Paar überquerte jetzt eine der Straßen, stieg über weiteren Schutt hinweg und suchte Schutz in einer Nische zwischen zwei eingefallenen Gassen; über dem blanken Mauerwerk taumelte das alte Schild eines Jazz-Kellers. "Ich habe Ihnen meinen Namen noch nicht gesagt." Collin schenkte Hermine auf ihre Reaktion ein von Lücken besetztes, aber herzliches Lächeln. Ihre Schritte hallten laut an den Wänden wider und bildeten somit ein stetiges Echo zu den kreisenden Flugzeugen über ihren Köpfen. "Sie sin' spitzfindig, muss man Ihnen lassen. Suchen Sie nach jemandem? Is' nicht gerade ein guter Zeitpunkt, um draußen rum zu hampern, wissen Sie?" Die Brünette schüttelte den Kopf, wobei das Pochen an ihren Schläfen eine Spur unangenehmer wurde, zusammen mit dem Kloß in ihrem Hals, der ihre Augenwinkel feucht vor Verzweiflung machte. Sie wollte nach Hause. "Mein Name ist Hermine", erklärte sie sich vorsichtig. "Und … ich bin allein." **** |[x]| **** Der Keller war niedrig und ähnelte mehr einem modrigen Gewölbe. Die aufgestellten, runden Holztische waren in einem erbärmlichen Zustand, der selbst den Eberkopf attraktiv hätte wirken lassen, von der muffigen Luft und dem Staub ganz zu schweigen, der in dem diffusen Licht der aufgereihten Öllampen tanzte. Ein dunkelhäutiger Mann saß an einem Klavier, als Collin und Hermine den Weg durch eine Stahltüre fanden, die der Obdachlose hinter sich mit einem Holzbalken verriegelte. Der Mann am Klavier blinzelte flüchtig auf, winkte jedoch nur und widmete sich dann wieder seiner stoisch-traurigen Melodie, die nicht unbedingt dazu beitrug, dass sich Hermines Laune besserte. Sie stand unter Schock. 1944. Collin murmelte etwas in die Richtung des Pianisten, das verdächtig nach einer Beleidigung klang, bugsierte seine Begleiterin an einen der Tische, drückte sie auf einen Stuhl hinab und verschwand mit schlurfendem Schritt an die Bar, an der eine recht junge Frau auf ihn wartete, deren Gesicht von einer blonden Lockenpracht umrahmt wurde. Mit ihren vollen Lippen und den langen Wimpern hätte sie sicher als hübsch durch gehen können, vergaß man die Ringe unter ihren Augen und die Müdigkeit auf ihren ausgemergelten Zügen. Collin begrüßte sie und verlor sich prompt in ein reges Tuscheln, das Hermine völlig ausblendete, zu beschäftigt damit sich einen Reim aus der Situation und ihrem unerwartet akuten Problem zu machen. Ein Problem, das sich jeglicher Logik entzog, das mit schweren Panzern über ihren Kopf hinweg rollte und die Erde zum Beben brachte, das schrillen Alarm auslöste und Mord und Totschlag verhieß. Ein Problem, das immer plastischer wurde und gleichzeitig unmöglich war. Real. Ihre Finger wanderten um das Gewicht an ihrem Hals, fühlten das kalte Silber des Amuletts zwischen Bluse und Haut und die Bosheit, die davon ausging. Wieso sollte ein Horcrux die Fähigkeit besitzen, alle Regeln von Raum und Zeit zu brechen? Warum sollte er in der Lage sein, sie in eine Richtung zu katapultieren, die unmöglich war zu erreichen? Warum jetzt? Und was bedeutete das für ihre eigene Zeitlinie, für ihre Freunde und die Gegenwart? Was hatte sie angestellt? Und wie, in dreiteufelsnamen, kam sie wieder zurück? Sie zerrte die Kette von ihrem Hals und warf sie auf die Tischplatte, als hätte sie sich daran verbrannt. Das Klappern von Glas auf Holz unterbrach Hermines wirren Gedankenstrom schließlich und ließ sie erschrocken zusammen zucken. Ihr braunes Augenmerk begegnete dem besorgten Blick der blonden Frau, deren Lippen sich in ein freundliches Schmunzeln gekrümmt hatten: "Hier, du siehst aus, als könntest du einen Drink vertragen. Geht aufs Haus." Sie ließ sich auf den Platz gegenüber Hermine fallen und stützte ihren schweren Kopf auf die Handfläche; auch, wenn die Blondine ihre Neugierde nicht verhehlte, so sah sie zumindest davon ab Hermine mit Fragen zu löchern, deren Antworten sie nicht kannte. Stattdessen lenkte sie ihre Aufmerksamkeit auf das Medaillon und streckte die Hand danach aus. "Nicht anfassen!", bellte die Gryffindor rau. Sie warf sich auf die Kette, wobei das Silber klirrte und stopfte den vermeidlichen Horcrux nun endlich in ihren Beutel – eine boshafte Stimme ergänzte in ihrem Hinterkopf, dass sie das von Anfang an hätte tun sollen. Die Blondine zeigte ihr entschuldigend die Handflächen, sagte aber nichts, bis Hermine ergeben seufzte, sich entschuldigte und anfügte: "Ich muss in die Charing Cross Road. Ist das weit?" Zu ihrer Überraschung war es der Pianist, der inzwischen aufgehört hatte den Keller mit seiner Melancholie zu füllen und sich zu ihr umgedreht hatte; seine weißen Augäpfel funkelten wie zwei grelle Sterne in der Dunkelheit. "Eine dreiviertel Stunde zu Fuß von hier, Miss. Ich würde Ihnen aber raten, den Alarm abzuwarten und bei Sonnenaufgang aufzubrechen. Nachts sind Plünderer auf den Straßen Londons unterwegs, da ist es nicht sicher für eine Frau … begleite Sie gern', wenn sie wollen. Mein Name ist übrigens Frank." Hermine nickte nur, musterte die goldene Flüssigkeit in dem Glas vor sich, nach dem sie als dann entschieden griff, um es mit einem impulsiven Zug zu leeren. Der Bourbon brannte sich über ihre, mit Staub bedeckte, Speiseröhre hinab und breitete sich anschließend in geheuchelter und wohltuender Wärme in ihrer Magengegend aus, wo er ihr bestätigte, dass die Zeit des Träumens längst vorüber war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)