The Story of a Bastard Child von dattelpalme11 ================================================================================ Kapitel 41: Herzenswünsche -------------------------- Nachdenklich ging sie am nächsten Tag zur Schule, konnte aber den gestrigen Abend nicht aus ihren Erinnerungen streichen. Sie hatte versucht mit Masaru zu sprechen, doch er blockte ab. Meinte, dass es nichts bringen würde, da sein Vater einfach vom alten Schlag wäre und es niemals akzeptieren könnte. Traurig und auch ein wenig verzweifelt machte sie sich kurz danach auf den Nachhauseweg. Gestern hatte sie kurz noch mit Noriko telefoniert, die sie nach der Schule abholen kommen wollte. Sie hoffte, dass sie ihr einen Rat geben könnte und sie wenigstens eine Idee hatte, wie man Masaru wieder aufheitern konnte. Das war doch kein Dauerzustand. Irgendwann würde er daran zerbrechen und das konnte Mimi nicht zulassen. Dafür hatte sie ihn schon viel zu lieb gewonnen. Auf einmal schreckte sie zusammen, als sie ein deutliches Zwicken auf der Seite vernahm und sich in die Richtung des „Zwickers“ drehte. Schnell wandte sie wieder den Kopf herum, als sie niemanden neben sich sah und blickte plötzlich in das grinsende Gesicht von Tai. „Hey“, begrüßte sie ihn fröhlich und konnte sich ein verhaltenes Lächeln nicht verkneifen. Es freute sie ihn wieder zu sehen, besonders nachdem sie sich wieder vertragen hatten. „Ich habe dich von dahinten aus gesehen und dachte mir, dass ich dich noch einholen könnte“, meinte er und schnaufte leicht. „Interessant“, erwiderte Mimi, „läufst du mir jetzt neuerdings hinterher, wie ein süßer kleiner Dackel?“ Belustig sah sie ihn mit einem herausfordernden Blick an und zog die Augenbraue in die Höhe. „Sie ist wieder da“, antwortete er nur und passte sich ihrem Gehtempo an. „Aber ich glaube, ich wäre eher ein Schäferhund.“ Mimi zuckte nur grinsend mit den Schultern. „Solange ich dir nicht ständig den Bauch kraulen und dich nach Flöhen absuchen muss, ist alles noch im grünen Bereich“, scherzte sie und hielt ihre Schultasche festumklammert. Ihr Herz schlug wie wild, auch wenn sie nur über Banalitäten sprachen. Diese Lockerheit zwischen ihnen hatte ihr sehr gefehlt, auch wenn sie dadurch in der Vergangenheit öfters aneinander geraten waren. „Du bist so charmant“, stellte er fest und verdrehte spielerisch die Augen. Er hatte seine Arme locker hinter seinem Kopf verschränkt, hielt seine Tasche mit zwei Fingern fest und balancierte sie geschickt hin und her. Beide liefen ein Stück, als Mimi das Wort wieder ergriff. „Und was habt ihr gestern noch so gemacht?“ Ein wenig überrascht zog Tai die Augenbrauen zusammen. „Nicht mehr so viel. Ich musste noch Hausaufgaben machen und am späten Nachmittag kamen unsere Eltern auch schon wieder zu Hause an. Mama hat später für uns gekocht und das Essen mal wieder hoffnungslos versalzen“, sprudelte aus ihm hervor. Mimi lächelte sachte, da sie von Kari schon öfters gehört hatte, dass ihre Mutter keine sonderlich gute Köchin war. Sie richtete heimlich den Blick wieder zu Tai und stellte überrascht fest, dass er sie immer noch anstarrte. Fragend legte sie den Kopf zu Seite und fixierte ihn mit ihren nussbrauen Augen. „Ist was?“ „Ähm nee, alles gut“, antwortete Tai hastig und wandte den Kopf zur anderen Seite. „Und konnte dein Freund dir noch mit deinem Schulkram weiterhelfen?“ Seine Stimme bohrte sich in ihr Ohr, doch sie konnte nicht genau sagen, was sie heraushörte. Er klang irgendwie etwas sauer, doch sie wusste gar nicht warum. „Ehm, ja ein wenig“, log sie und verzog das Gesicht. An gestern Abend wollte sie eigentlich gar nicht mehr denken, besonders nachdem Masarus Vater seine Meinung über Homosexuelle vor ihr kundtat. Er machte sie fast so wütend, wie ihr eigener Vater, der so viel Mist gebaut hatte, aber es einfach nicht einsehen wollte. Die Scheidung ihrer Eltern hatte ihrer ganzen Verzweiflung nochmals die Krone aufgesetzt und sie war wirklich froh gewesen, jemanden wie Tai an ihrer Seite zu wissen. Dennoch musste sie sich mit dem Gedanken auseinandersetzen. Heute wollte sie auch Noriko über den neusten Kenntnisstand informieren, auch wenn sie sich vorstellen konnte, dass sie sich Vorwürfe machte. Doch es war nicht ihre Schuld. Sie konnte am wenigsten für die aktuelle Situation. Mimi hätte sicher genauso gehandelt, wenn sie an der Stelle ihrer Mutter gewesen wäre. In manchen Fällen machte es keinen Sinn, eine Ehe weiterhin aufrecht zu erhalten, auch wenn sie sich damit noch nicht anfreunden konnte. „D-Du sag mal…“, riss die Stimme von Tai sie aus ihren Gedankengängen. „Mhm?“, machte sie nur und sah zu ihm rauf. Er druckste etwas herum, verschränkte seine Finger um seine Schultasche und fuhr sich mit der Zunge nervös über seine Lippen. „Wie ist denn dein neuer Nachhilfelehrer so? Kommst du besser mit ihm klar, als mit mir?“ Verblüfft blieb Mimi stehen und konnte nicht fassen, was sie gerade aus seinem Mund gehört hatte. Er klang so verletzt. Tai blieb ebenfalls stehen und sah zu ihr. Ein paar Klassenkammeraden gingen an ihnen vorbei und unterhielten sich angeregt. Die Stimmung zwischen Tai und Mimi war zum Zerreißen gespannt. Was sollte sie nur sagen? Masaru half ihr wirklich nur gelegentlich. Noriko half ihr definitiv regelmäßiger. Doch Tai schien dieses Thema durchaus zu beschäftigen. „Also, er…er hilft mir nur sehr selten. Ich habe noch eine Freundin, die mir öfters hilft, allerdings…“, murmelte sie und hatte das Gefühl, sich total bescheuert anzuhören. Sie ging ein paar Schritte auf ihn zu und überlegte haargenau, ob sie den folgenden Satz überhaupt aussprechen sollte. Nachher verstand er es noch falsch, oder noch schlimmer…er könnte es genau richtig interpretieren und ihre gut behüteten Gefühle für ihn herauslesen. Sie schluckte. Er sah sie erwartungsvoll an, so als würde er hoffen, dass sie diesen einen Satz sagte und auch so meinte. Sie wusste doch selbst schon, dass er die gemeinsame Nachhilfe vermisste, da er realisiert hatte, dass sich beide seither voneinander entfernten. Sie wollte diese Freundschaft nicht riskieren, besonders weil sie von seinen unerwiderten Gefühlen zu Sora wusste. „Allerdings?“, hakte er nun selbst nach und begutachtete sie genauestens. Mimi stockte der Atem. Ihr fiel es so unsagbar schwer, das zu sagen, was sie dachte. Doch was hatte sie zu verlieren? Es war ja kein Liebesgeständnis, sondern nur die Tatsache, dass sie gerne mit ihm lernte und auch vieles besser verstanden hatte. „Allerdings, hat die Nachhilfe mit dir immer Spaß gemacht und ich habe auch viel dabei gelernt“, offenbarte sie ihm ehrlich. Er schmunzelte leicht und stand plötzlich wie ein unsicherer Schuljunge vor ihr, die ihrem Blick nicht standhalten konnte. Es dauerte einen Moment, bis er sich wieder fing und ihr erneut eine Frage stellte, mit der sie nicht gerechnet hatte. „Könntest du dir vorstellen, es nochmal zu probieren? Ich verspreche dir auch, meine Launen für mich zu behalten.“ Überrascht weiteten sich ihre Augen und ein zaghaftes Lächeln legte sich über ihre Lippen. _ Die Pause hatte sie mit Sora verbracht, die nochmal ihre Sicht der Dinge erzählt hatte. Sie gab zu, dass sie ein wenig ausgeflippt war und Tai nur nett sein wollte, doch seit die Situation so angespannt zwischen ihnen war, endete fast jede Begegnung in einer Katastrophe. Unerfüllte Hoffnungen, unterdrückte Gefühle und ein Fünkchen Leidenschaft, hatte eine jahrelange Freundschaft zu tiefst erschüttert und sie ins Wanken gebracht. Auch die Tatsache, dass Matt sich komplett von ihnen zurückgezogen hatte, belastete ihre beste Freundin sehr. Sie vermisste die unbeschwerte Zeit, in der sie alle nur Freunde waren und zusammen Spaß hatten. Auch Mimi vermisste diese Zeit zutiefst, da sie zwischen Sehnsucht und Verlangen gefangen war. Er würde ihr nicht das geben, was sie brauchte. Dennoch klammerte sie sich an den winzigsten Strohhalm fest und hoffte, dass es sich doch noch ändern würde. Sora hatte sie nichts von der Nacht und den Gesprächen mit Tai erzählt. Es war wie ein kleines Geheimnis, das sie hüten wollte, wie ihren Augapfel. Am Nachmittag schlenderte sie gelassen zum Schultor. Noriko hatte ihr eine SMS geschrieben, dass sie dort auf sie warten wollte. Es dauerte nicht lang, bis sie sie entdeckte und freudestrahlend auf sie zugelaufen kam. Auch Etsuko war dabei und hatte einen angestrengten Gesichtsausdruck aufgelegt. „Hey“, begrüßte Mimi sie fröhlich und blieb vor den beiden stehen. Sie hatte nicht gewusst, dass Etsuko auch mitkommen wollte und war sehr überrascht sie zu sehen, auch wenn sie sich über ihre Anwesenheit freute. Noriko trug eine schwarze Mütze und verdeckte ihre Glatze vor den neugierigen Blicken der anderen. Ein paar Schüler gingen an ihnen vorbei, nahmen sie aber nicht wirklich wahr. Das einzige was Mimi sofort auffiel, war das unaufhörliche Grinsen ihrer Schwester. „Was ist denn los? Hast du Grinse-Saft getrunken?“, fragte Mimi stirnrunzelnd und richtete kurz den Blick zu Etsuko, die genervt aufstöhnte. „Ich habe auch keine Ahnung, was mit ihr los ist! Sie hat mich einfach mitgeschleppt und mir gesagt, sie hätte große Neuigkeiten!“ „Neuigkeiten?“, wiederholte Mimi verwundert, als Noriko sich bei ihr unterhakte. Sie zog Mimi und Etsuko ein Stückchen mit, sodass sie außer Reichweite von Mimis Schule waren. „Jetzt tut nicht so geheimnisvoll, ich werde schon ganz hibbelig“, sagte Etsuko empört und setzte sich auf eine freie Parkbank in der Nähe. Auch Mimi setzte sich und legte ihre Tasche auf ihren Schoß. Noriko grinste unaufhörlich und hatte ihre Hände hinter dem Rücken verschränkt. Nervös kaute sie auf ihrer Unterlippe und rang nach Worten. „I-Ich brauch‘ ein Kleid!“, platzte aus ihr hervor. Verwirrt blickten sich Mimi und Etsuko an. „Ein Kleid?“, hakte Etsuko nach und zog ihre Stirn kraus. „Dafür schwänze ich gerade meine Vorlesung?“ „Ein besonderes Kleid“, sagte Noriko mit Nachdruck und richtete ihren Blick zu Mimi, um ihr scheinbar gedanklich die Wichtigkeit ihrer Worte mitzuteilen. Doch Mimi verstand nur Bahnhof. „Okay? Willst du etwa mit uns shoppen gehen?“ „Das auch, aber ich will mir ein besonderes Kleid kaufen“, untermauerte sie und legte ihre Betonung auf „besonderes“. Sie gestikulierte etwas mit ihren Händen und spreizte ihre Finger auffällig. Erst fiel Mimi nichts auf, da sie ihre Gedanken immer noch ordnete und sich fragte, ob und wann sie Noriko von den neusten Ereignissen in Kenntnis setzen sollte, als sie plötzlich etwas an ihrem Finger aufblitzen sah. Ihre Augen weiteten sich und ihr Mund klappte vor lauter Sprachlosigkeit auf. „Was ist denn das?“, fragte sie und begutachtete das Schmuckstück an ihrem Finger. „Was ist was?“, hakte Etsuko nach und folgte Mimis Blick, der direkt auf ihren Ringfinger gerichtet war. Etsuko schlug die Hand vor den Mund und sah unsicher zu Noriko, die nur bestätigend nickte. „Scheiße, er hat dir einen Antrag gemacht?“, platzte aus der forschen Filmstudentin hervor, als sie sich den Ring genauer anschaute. Auch Mimi rang mit ihrer Fassung und schüttelte immer wieder ungläubig den Kopf. „Ist das dein Ernst? Chiaki und du werdet heiraten?“, vergewisserte sie sich nachträglich. „Ja, werden wir“, antwortete Noriko atemlos und hielt ihren Ring fest umklammert. „Am Sonntag hat er mir den Antrag gemacht. Das ist der Ring seiner Großmutter“, präsentierte sie stolz. Ein rostroter Stein zierte die Fassung und Mimi und Etsuko blicken immer noch vollkommen entgeistert in das überglückliche Gesicht von Noriko. „Aber wie kam es dazu? Gib‘ uns mal ein paar Infos“, forderte Etsuko empört und beide sahen die angehende Braut erwartungsvoll an. Plötzlich sprudelte alles aus ihr hervor. Verträumt erzählte sie ihnen, dass sie schon länger mit Chiaki über ihre sehnlichsten Herzenswünsche gesprochen und immer wieder betont hatte, dass sie gerne ihre eigene Hochzeit noch erleben wollte, aber dies eher unwahrscheinlich war. Am Sonntag hatte er sich ein Herz gefasst, all seinen Mut zusammen genommen und sie gefragt. Unter Tränen hatte sie „Ja“ gesagt, auch wenn sie vollkommen überrascht war und mit sowas überhaupt nicht gerechnet hatte. „Er hat gesagt, dass die Momente hier und jetzt zählen und wir nicht länger warten sollten!“ „Wow, ich bin sprachlos“, brachte Mimi nur noch hervor, stand auf und zog sie in eine liebevolle Umarmung. Sie konnte es nicht fassen…Noriko würde heiraten! Das kam alles so plötzlich, aber dennoch freute sie sich unheimlich für sie. Chiaki liebte sie aufrichtig und würde alles für sie tun, auch wenn er selbst wusste, dass ihre Zeit nur noch begrenzt war. Sein Blick war voller Liebe, etwas was Mimi immer neidvoll bei ihren ganzen Freundinnen beobachtete. Doch hier empfand sie nur pures Glück, da Noriko jemanden gefunden hatte, der sie verstand, liebte und alles mit ihr durchstehen würde, egal was ihnen noch bevorstand. Mimi ließ sie wieder los und sah sie freudig lächelnd an. „Und wann ist der große Tag?“, fragte sie interessiert und sah sie gespannt an. Noriko presste die Lippen aufeinander und zog ihre Schultern zu ihren Ohren. „Wir heiraten Ende des Monats!“, eröffnete sie ihnen euphorisch, während Mimi das Gesicht entgleiste. Ende des Monats? So bald? Das konnte doch nur ein Scherz sein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)