Er liebt mich, er liebt mich nicht von Hoellenhund ([Secret Love]) ================================================================================ Kapitel 12: ------------ Es kam, wie es kommen musste. Nach einer feierlichen Begrüßung der neuen Schüler im großen Saal des Hauptgebäudes, begann der Schulleiter persönlich Namen und Klassen der Oberschüler zu verlesen. Die neuen Mittelschüler, die man als Oberschüler aufgrund räumlich getrennter Wohn- und Unterrichtseinheiten nur selten zu Gesicht bekam, hatten die Halle bereits gemeinsam mit ihren neuen Klassenlehrern verlassen und im Saal wurde es ruhiger. Rund 50 Schüler sollten nun auf drei neue Klassen verteilt werden. Im Grunde war es Takeda gleich, in welche Klasse er kommen würde, schließlich kannte er keinen der anderen Schüler in seinem Jahrgang. Bis auf... »Hirakawa, Ryo. Klasse A.« Aus dem Augenwinkel konnte Takeda sehen, wie sich Hirakawa von seinem Platz erhob und sich in Richtung der Bühne aufmachte, wo sich bereits eine kleine Gruppe von Schülern um die neuen Klassenlehrer versammelt hatte. Weitere Namen wurden aufgerufen, doch Takeda nahm kaum Notiz davon. All seine Gedanken kreisten nur um diese eine Hoffnung. Bitte, bitte, bitte, bitte... »Takeda, Aki. Klasse A.« Bitte nicht! Noch gestern hätte Takeda alles darum gegeben, mit Hirakawa in eine Klasse zu kommen, doch jetzt konnte er sich kaum eine grausamere Folter ausmalen. Aber es kam eben immer so, wie es kommen musste. Takeda zögerte einen Augenblick zu lange, zog sich dann aber doch von seinem Platz hoch und machte sich mit weichen Knien in Richtung Bühne auf. Sofort wurde ihm bewusst, dass Hirakawa ihn unverhohlen anstarrte; mit einem kalten, klaren Blick, der Takeda wünschen ließ, er könnte augenblicklich wieder Luft für Hirakawa sein. Doch diese Chance hatte er verspielt. Es blieb ihm nichts anderes übrig, er musste zu seiner alten Gleichgültigkeit zurückfinden, er musste... »Bitte folgen Sie mir«, erhob sich nun die Stimme seines neuen Lehrers über die aufgeregt schwatzenden Oberschüler und er führte die kleine Gruppe aus der Halle, aus dem Hauptgebäude hinaus, über den Platz mit dem Springbrunnen hinweg und auf ein großes, längliches Gebäude mit Glasfront zu, in dem sich die Klassenzimmer befinden mochten. Der Raum der Klasse A war großzügig und hell, mit einer breiten Fensterfront, durch die die Morgensonne hinein schien. Das Herzstück bildete ein nagelneues Whiteboard, davor stand das eher unscheinbare Lehrerpult, vor dem sich wiederum eine Vielzahl von Einzeltischen gruppierte. Takeda ließ sich ein wenig zurückfallen und wartete, bis die meisten der anderen Schüler einen Platz gefunden hatten, ehe er sich auf einen freien Stuhl in der hintersten Reihe fallen ließ, möglichst weit von Hirakawa entfernt und weitestgehend vor seinen Blicken geschützt. Auf dem Platz neben Takeda saß ein kleinwüchsiger Junge mit einer schwarz gerahmten Brille auf der Nase, die Takeda unwillkürlich an Glasbausteine erinnerte und der ihm gerade den Kopf zuwandte. »Hi, ich bin Kamui Sakana. Du bist neu, oder?« »Hier sind doch alle neu«, gab Takeda abweisend zurück. Er war zu beschäftigt damit, Hirakawas Hinterkopf anzustarren, als dass er sich auf den Jungen neben sich hätte konzentrieren können. »Ich war schon in der Mittelschule auf der Seikô und viele andere auch«, gab Sakana zurück, als hätte er gar nicht bemerkt, wie wenig Takeda sich für ihn interessierte. »Glückwunsch erstmal. Es kommen nicht viele Auswärtige in die A-Klasse.« Damit hatte Sakana Takedas volle Aufmerksamkeit für sich gewonnen. Aus seinen Gedanken gerissen wandte er den Kopf seinem neuen Sitznachbar zu: »Wie bitte?« »Die A-Klasse ist nur für besonders Begabte. Wusstest du das nicht?« Takeda war ehrlich verblüfft. »Nein«, sagte er nur, doch in seinem Kopf rasten die Gedanken. Das musste ein Irrtum sein. Takeda hatte nie besonders gute Noten mit nach Hause gebracht und das vorige Jahr über schon gar nicht. Natürlich, er hatte für die Aufnahmeprüfung wie verrückt gelernt, aber er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie ihn das für eine Begabtenklasse qualifiziert haben sollte. Vor seinem inneren Auge sah Takeda das lachende Gesicht seiner Mutter, wenn er sie anrief und ihr davon erzählte... Sie würde es auch nicht glauben. In diesem Moment räusperte sich der Klassenlehrer leicht, wandte sich dem Whiteboard zu und schrieb einen Namen darauf. Erst jetzt bemerkte Takeda, dass er wie ein richtiger Wissenschaftler aussah. Er trug sein leicht gewelltes Haar schulterlang, eine große runde Brille auf der Nase und hatte sich in einen weißen Kittel gehüllt, als wollte er im nächsten Augenblick ein gewagtes Experiment durchführen. »Mein Name ist Kei Yamamura. Ich unterrichte Physik, Biologie und Kunst.« Aufgrund der ungewöhnlichen Fächerkombination ging ein leises Raunen durch die Klasse. Auch Takeda konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie ein Mensch wie Yamamura-Sensei vor einer Leinwand mit Pinsel und Farben hantierte. Doch er würde es sicher bald erleben. »Bevor wir mit dem Unterricht anfangen, sollten wir einen Klassensprecher wählen«, fuhr Yamamura-Sensei fort und ließ seinen wissenschaftlich prüfenden Blick durch die Klasse wandern. Sakana hob die Hand: »Ich schlage Hirakawa vor.« Zustimmendes Gemurmel erfüllte den Raum und Yamamura-Sensei wandte sich wieder dem Whiteboard zu, um Hirakawa als Kandidaten zu notieren. Takeda hatte geglaubt, dass sich viele der Schüler untereinander nicht kennen würden. Im Gegenteil aber schienen die meisten tatsächlich bereits die Mittelschule der Seikô Gakuen besucht zu haben. Plötzlich fühlte sich Takeda wie ein Fremdkörper, wie ein Außenseiter in einem eingespielten System. Am liebsten hätte er sich unsichtbar gemacht und wäre einfach mit der Wand hinter sich verschmolzen. Einen Augenblick lang herrschte Stille in der Klasse. Jeder musste sich Gedanken über einen weiteren potentiellen Kandidaten für die Klassensprecherwahl machen, doch niemand schien diese Position besser ausfüllen zu können als Hirakawa. Gerade räusperte sich Yamamura-Sensei erneut, als Hirakawa die Hand erhob. »Ich schlage Aki Takeda vor.« Takeda wurde übel. Er konnte nur hoffen, dass sein Gesicht seinen Wunsch, die Farbe der Wand anzunehmen, nicht allzu wörtlich genommen hatte, denn in der selben Sekunde, da Hirakawa seinen Namen nannte, wandte sich die ganze Klasse zu ihm um. Er brachte kein Wort heraus. Da kein Widerspruch erfolgte, schrieb Yamamura-Sensei auch Takedas Namen an die Tafel. Während zwei weitere Kandidaten vorgeschlagen wurden, versuchte Takeda sich zu beruhigen. Was wollte Hirakawa damit bezwecken? Niemand würde Takeda zum Klassensprecher wählen, so viel war sicher. Vielleicht war das ein Versuch, ihn zu demütigen. Doch das würde er nicht zulassen, er würde es sich nicht zu Herzen nehmen. Wieso sollten die anderen Schüler ihn auch wählen, sie kannten ihn ja überhaupt nicht. Es hatte nichts mit ihm zu tun. Die Stimmzettel der verdeckten Wahl wurden eingesammelt und Yamamura-Sensei begann, die Stimmen zu verlesen, während Sakana entsprechend Striche hinter die auf dem Whiteboard niedergeschriebenen Namen setzte. »Ryo Hirakawa.« Strich. »Ryo Hirakawa.« Strich. »Aki Takeda.« Strich. Takeda konnte seinen Ohren kaum trauen. Irgendjemand hatte tatsächlich für ihn gestimmt. Er selbst war es jedenfalls nicht gewesen. Vielleicht Sakana? »Ryo Hirakawa.« Strich. »Aki Takeda.« Strich. »Aki Takeda.« Irgendetwas konnte da nicht mit rechten Dingen zugehen. Mit vor Schreck und Erstaunen geweiteten Augen beobachtete Takeda, wie die Anzahl der Striche hinter seinem eigenen und dem Namen Hirakawas wuchs und wuchs. Am Ende stand es acht zu fünf für Hirakawa. Drei Stimmen hatten sich auf die beiden übrigen Kandidaten verteilt. Takeda konnte es einfach nicht fassen. »Damit ist Hirakawa der neue Klassensprecher«, verkündete Yamamura-Sensei und die Klasse verfiel in ausgelassene Zustimmung. »Und Takeda der neue Stellvertreter.« Das konnte einfach nicht wahr sein. Wo war Takeda da nur hineingeraten? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)