Er liebt mich, er liebt mich nicht von Hoellenhund ([Secret Love]) ================================================================================ Kapitel 5: ----------- Die Tür zu Zimmer 102 stand offen. Auf einem der beiden Betten, die fast das gesamte Zimmer ausfüllten, lümmelte bäuchlings ein Junge mit blond gefärbtem, kurzem Haar in Trainingshose und blätterte in einem Magazin herum. Als er Takeda bemerkte, sprang er sofort auf. »Aki Takeda?«, fragte er mit einem breiten Grinsen im Gesicht und kam, um Takeda seine Tasche abzunehmen. »Willkommen im angesagtesten Wohnblock der Seikô Gakuen. Was aber natürlich jeder Block von sich behauptet.« Als wäre die Tasche mit Watte ausgestopft, warf der Blonde sie in hohem Bogen auf das Bett, das wohl ab sofort Takedas sein würde. Er wirkte muskulös, beinahe so, als würde er regelmäßig Gewichte stemmen. »Ich bin Yuuki Ishida. Schön, dass du auch schon kommst. Ich dachte schon, ich muss den ganzen Tag hier rumliegen und verpasse ganze Training.« »Training?«, frage Takeda verwirrt, was Ishida nur ein noch breiteres Grinsen ins Gesicht schrieb. »Ich bin im Athletik-Club. Besser gesagt: Ich BIN der Athletik-Club, der Vorsitzende sozusagen. Ohne mich kriegen die Schlappschwänze da unten nichts auf die Reihe.« Ishida machte nur eine kurze Atempause, die er gleichzeitig nutzte, um Takedas überraschten Gesichtsausdruck zu prüfen, ehe er fortfuhr: »Du brauchst gar nicht so zu gucken, das ist immerhin mein letztes Jahr hier. Wenn man’s bis dahin nicht mindestens zum Klassensprecher geschafft hat, ist das echt ein Witz. Hast du dir schon überlegt, in welchen Club du eintreten willst? Bist ja ein bisschen schmächtig, was? Naja, aber was nicht ist, kann ja noch werden.« Takeda brauchte einige Sekunden, um die vielen neuen Informationen zu verarbeiten, ehe er antwortete: »Muss man in einen Club eintreten?« »Machst du Witze?« Ishida war offensichtlich ehrlich verblüfft. »Was willst du denn hier sonst den ganzen Tag machen? Wir sind ’ne Jungenschule, hier gibt’s keine Mädchen, schon vergessen?« Takeda hielt einen Moment lang inne und runzelte die Stirn. Schließlich kam er zu dem Schluss, dass ein Club vielleicht keine schlechte Gelegenheit war, um neue Freunde zu finden. Oder alte Freunde wieder zu finden... »In welchem Club ist denn Ryo Hirakawa?«, frage er wie beiläufig. Für einen kurzen Augenblick schien Ishida verdutzt. Dann brach er in schallendes Gelächter aus. »Sei froh, dass du ausgerechnet mich das fragst, Mann, sonst gibt’s noch gleich am ersten Tag Gerüchte. Hirakawa ist im Kendô-Club, ’ne richtige Ikone. An den kommst du sowieso nicht ran. Aber Kendô, wieso nicht? Dann bist du wenigstens nicht im Athletik-Club, du ziehst bestimmt den Schnitt runter. Nichts für Ungut, Mann. Jeder hat seine Stärken. Aber ich muss jetzt wirklich los. Wir sehen uns heute Abend, da gibt’s dann ’ne ganz besondere Überraschung, alles klar?« »Was denn für eine Überraschung?« »Wenn ich dir das jetzt sagen würde, wäre es ja keine Überraschung mehr. Also dann!« Und damit flog Ishida förmlich aus der Tür und war nur wenige Lidschläge später auf dem Gang verschwunden. Takeda fragte sich einen Augenblick lang, wie es ihm bloß gelang, sich bei einem solchen Tempo immer noch so elegant zu bewegen, ehe er die Tür schloss und seinen Blick durch sein neues Zimmer schweifen ließ. Ishida schien kein schlechter Kerl zu sein. Humor hatte er jedenfalls. Außerdem glaubte Takeda, dass er noch einiges von ihm würde lernen können. Kein schlechter Zimmergenosse für einen Neuling wie ihn. Langsam ließ sich Takeda auf sein neues Bett sinken, zog seine Tasche zu sich heran und begann, die wenigen Habseligkeiten, die er mitgebracht hatte, auszupacken. Den meisten Platz nahmen die neuen Schuluniformen ein. Nicht mehr blau wie auf der Mittelschule, sondern dunkelgrün. Ein Anzug mit farblich abgestimmter Krawatte. Während Takeda mit dem Daumen über den Saum einer der Ärmel strich, fragte er sich, wie es sich wohl anfühlen würde, eine dieser Uniformen zu tragen. Wie es sein würde, ein Teil dieser Schule zu sein, ein Teil der Schule, an der Ryo Hirakawa Wohnheimsprecher war. Noch ehe Takeda bewusst war, was er tat, hatte er sein T-Shirt über den Kopf gezogen und stattdessen das weiße Hemd der Schuluniform übergestreift, die Jeans gegen die grüne Stoffhose getauscht und die Krawatte gebunden. Als letztes schob er die Hände durch die Ärmel des Jacketts und schloss die drei silberfarbenen Knöpfe vor der Brust. Alles saß, als wäre es eigens für ihn gefertigt worden, wie eine zweite, angenehme Haut. Im Zimmer gab es keinen Spiegel, doch Takeda musste sich nicht erst ansehen, um zu wissen, wie ihn die neue Schuluniform verändert hatte. Eine Veränderung, die weit über das Aussehen hinaus ging. Von der einen Sekunde zur anderen war er ein neuer Mensch geworden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)