Halo-Effekt von Flordelis ================================================================================ Prolog: Prolog: Weißt du denn gar nichts? ----------------------------------------- Das Auftreten des Halo-Effektes wird gefördert, wenn das Urteil besonders schnell gefällt wird. [Spektrum] Eine Sache wurde ihm immer klarer: Im Winter von zu Hause wegzulaufen war eine dumme Idee. So saß er nun frierend vor einem Monument auf einem Platz, der nachts um diese Zeit verlassen war. Den Schnee hatte er beiseite gewischt, damit er nicht auf diesem sitzen müsste, aber wirklich bequem war es nicht. Die Kälte kroch durch seine Kleidung, die Schneeflocken fielen auf seinen Kopf, schmolzen dort und durchnässten sein braunes Haar, während sich auf seinen Schultern schon kleine Schneehügel bildeten. Obwohl seine Hände in den Taschen seines Mantels steckten, waren sie eiskalt und schmerzten bei jeder Bewegung, seine Nase schien bereits tot zu sein. Da überkam ihn doch die Frage, ob er nicht lieber wieder nach Hause gehen sollte, dort hatte er zwar ebenfalls Schmerzen, aber immerhin war es warm, angenehm warm. Gerade dachte er darüber nach, doch wieder nach Hause zu gehen, sich bei seinem Vater reumütig zu entschuldigen und die Strafe auf sich zu nehmen, als er bemerkte, dass er nicht mehr allein war. Den Kopf hebend, entdeckte er einen Jungen, ein wenig jünger als er vielleicht, dessen rabenschwarzes Haar mit Schneeflocken gespickt war. Aus braunen Augen sah er ratlos auf ihn nieder, als wüsste er nicht so recht, was er mit ihm anfangen sollte. „Was willst du?“, fragte er den fremden Jungen. „Was machst du hier?“, erwiderte dieser mit geneigtem Kopf. „Ich sitze, bist du blöd oder so?“ Für einen kurzen Moment schwieg der Fremde, dann lächelte er. „Ach so. Ich dachte schon, du wärst von einem Dämon angegriffen worden.“ „Dämonen gibt es doch gar nicht.“ Ungefragt setzte der Fremde sich neben ihn, er wischte nicht einmal den Schnee beiseite, als wäre ihm die Kälte und die Nässe vollkommen gleichgültig. Dann sah er in den Himmel. „Man kann heute keine Sterne sehen.“ Er folgte seinem Blick, nur um Schneeflocken in die Augen zu bekommen und blinzeln zu müssen. Der Himmel war mit dichten dunklen Wolken verhangen, aus denen es unablässig schneite. Aber er wusste auch so, dass es ohnehin hoffnungslos war. „Man hätte sie so oder so nicht gesehen“, sagte er. „Die Lichter hier sind viel zu grell dafür. Weißt du denn gar nichts?“ Dabei deutete er auf die hell leuchtenden Straßenlaternen und die illuminierten Hochhäuser, die eigentlich jedem klar machen müssten, dass sie für die Menschen heller strahlten, als die weit entfernten Sterne. Aber der Junge zuckte mit den Schultern. „Aber man weiß ja, dass die Sterne dort sind. Eigentlich muss man sie deswegen gar nicht sehen.“ Er wollte ihn fragen, wieso er sich dann von den Wolken stören ließ, aber eigentlich interessierte es ihn doch nicht so sehr – der fremde Junge ließ sich davon allerdings nicht beirren und führte das alles sofort aus: „Wenn die Wolken davor sind, weiß man ja gar nicht, ob der Himmel überhaupt noch da ist. Und wenn der Himmel nicht mehr da ist, sind auch keine Sterne da.“ Das war natürlich … verständlich, in gewisser Weise. Dennoch ärgerte es ihn ein wenig, dass dieser Idiot ihm solche Sachen erklärte, obwohl er nicht einmal gefragt worden war. Warum konnte er ihn nicht einfach in Ruhe lassen? Allerdings forderte er ihn auch nicht auf, wegzugehen, stattdessen saß er dort, stundenlang, und starrte mit dem fremden Jungen in den bewölkten Himmel hinauf, beobachtete, wie es schneite und beachtete dabei die Kälte nicht mehr, während er sich fragte, ob hinter der Wolkendecke wirklich noch Sterne existierten. Und dann fragte er sich, ob er vielleicht auch aufhören könnte zu existieren, wenn er erst einmal vollkommen von Schnee bedeckt wäre. Eigentlich müsste es doch funktionieren. Also bewegte er sich nicht mehr und wartete darauf, vollkommen von dieser weißen Masse verdeckt zu werden, während er gleichzeitig dem leisen Gesang des Jungen neben sich lauschte und dann langsam in den Schlaf abdriftete, in der Hoffnung, nie wieder zu erwachen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)