Last Desire: Devious Desire von Sky- ================================================================================ Prolog: Der Verurteilte und sein Retter --------------------------------------- Er saß still da und wartete. Wartete auf die Vollstreckung des Urteils… auf seine Hinrichtung. Sein ganzer Körper war noch von Verletzungen übersät. Wunden des Kampfes, Wunden eines grausamen Krieges, der nur ein Ziel hatte: weiterzuleben. Nie hätte er gedacht, dass es einmal so kommen und er einmal die Seiten wechseln würde. Aber er bereute es nicht. Denn er wusste, dass er das einzig Richtige getan hatte. Er hatte den Mut aufgebracht, die Seiten zu wechseln und damit alles zu riskieren, auch sein Leben. Und dank ihm hatte diese Schlacht ein Ende gefunden, nachdem sie schon viel zu lange angedauert hatte. Im Grunde hatte er wirklich alles geopfert. Seine Sicherheit, sein Zuhause, er hatte seinen eigenen Schöpfer verraten um das zu tun, was getan werden musste. Aber dennoch musste er sich nun für seine Verbrechen verantworten. Und diese waren unverzeihlich. Er war ein Feind und musste als solcher vernichtet werden, das wusste er. Denn immerhin wurde er vom Feind erschaffen und seine Gabe war zu gefährlich. Sein Wissen war tödlich für die anderen, deshalb durfte er nicht weiterleben. Und obwohl er seinen Entschluss nicht eine Sekunde lang bereute, fühlte er dennoch ein gewisses Bedauern, weil er trotz allem, was er getan hatte, sterben musste. Schade, aber was hätte er denn auch schon erhoffen dürfen? Es war vielleicht das Beste für alle Beteiligten und egal wie viel er für sie alle getan hatte, er war ein Verbrecher. Die Tür zu seiner Zelle öffnete sich und die Wachen kamen rein. „Aufstehen“, wiesen sie ihn an und gehorsam erhob er sich. Sie nahmen ihm einen Teil der Ketten ab, damit er ihnen folgen konnte und so ging es durch die Kellergewölbe die Stufen hinauf, bis sie einen Turm erreichten. Das Sonnenlicht schien hell in sein Gesicht und geblendet musste er die Augen schließen. Wie lange es wohl her war, seit er das letzte Mal das Tageslicht erblickt hatte? Zu lange… Er hatte schon fast vergessen, wie die Sonne aussah. Wie sich der Wind auf seiner Haut anfühlte und wie es war, einfach nur die Wolken zu betrachten. Unsanft wurde er nach vorne gestoßen und stürzte zu Boden, aber er hatte eh das Ziel erreicht. Eine große Halle erstreckte sich vor ihm und vor ihm stand ein alter Mann mit einem Stab. Etwas sehr Erhabenes ging von ihm aus und man spürte förmlich, dass er einer der großen Alten war. Die ältesten der Sefirot und damit einer der mächtigsten. Bei ihm saßen Nazir, Kabod, Miswa, Rakshasa und einige andere der großen Alten und sahen mit einem unbestimmten Blick auf ihn herab. Würde und Erhabenheit ging von ihnen aus und in seinem Herzen empfand er große Ehrfurcht vor ihnen. Aber auch Angst, denn er wusste, dass es nur ein Wort brauchte und sie würden ihn töten. Sie hatten schon so viele seiner Gefährten grausam hingerichtet und duldeten weder Auflehnung oder Protest. Jeder, der dies wagte, wurde sofort hingerichtet. Die großen Alten waren das absolute Gesetz. Über ihnen aber thronte er, dessen Aura alles bisher Dagewesene überschattete. Sie war so gewaltig, dass es einen einfachen Vergänglichen sofort in den Wahnsinn getrieben hätte, ohne ihn auch nur erblickt zu haben. Und für ihn, der er ein unterklassiger Sefira war, bekam Angst vor ihm. Dies war Ajin Gamur, das Nichts. Der Anfang und das Ende aller Dinge, die Verkörperung der Endgültigkeit. Der König der Shinigami, der auch der Gott der Zerstörung genannt wurde. Sein Wort allein war Gesetz und niemand vermochte es zu ändern. Keiner außer den großen Alten besaß überhaupt die Befugnis und die Macht dazu, ihn in seiner Entscheidung zu beeinflussen. Und deshalb lag allein sein Leben in den Händen dieser Leute. Der alte Mann kam näher und blieb direkt vor ihm stehen. „Nabi, bist du dir deiner Verbrechen bewusst, die du begangen hast?“ „Ja“, antwortete der Gefesselte demütig und senkte seinen Kopf. „Aber ich bin dennoch stolz darauf, diese Entscheidung getroffen zu haben und damit diesen furchtbaren Krieg zu beenden. Wenn der Tod die einzig richtige Bestrafung dafür ist, dass ich existiere, so nehme ich sie an.“ Hier schlug der alte Mann mit seinem Stab auf den Boden und es schien so, als würde die ganze Halle erzittern. „Dein Todesurteil soll schon heute vollstreckt werden, doch unser Herr ist bereit, dein Leben in meine Hände zu legen. Und nun frage ich dich: willst du leben oder sterben?“ Als Nabi diese Frage hörte, sah er verwundert auf und verstand nicht. Wieso wurde er jetzt auf einmal gefragt, was er wollte? Was hatte der alte Samajim bloß vor? Um ehrlich zu sein wünschte sich er schon, die Chance auf ein Leben zu haben, auch wenn diese Chance mehr als gering war. „Ich will leben, Herr“, antwortete er und senkte dabei wieder demütig den Kopf, nachdem er sich selbst in seinem enthusiastischen Eifer schnell wieder gebremst hatte. „Ich weiß, dass ich kein Recht darauf habe, diese Bitte an Euch zu richten, aber ich bitte Euch dennoch: verschont mein Leben.“ „Nun gut“, sagte der alte Mann und fuhr sich durch seinen grauen Bart. „So sei es. Ich werde dein Leben verschonen. Du wirst ab heute mein Diener sein und mir folgen, wohin ich gehe. Du wirst dich nach meinem Wort und nach meinem allein richten und die Aufgaben erfüllen, die ich dir auftrage. Und im Gegenzug werde ich dich aufnehmen als einen der unseren und dich auch als solcher schützen.“ Und damit nahm man ihm die Ketten ab. Nabi konnte nicht fassen, was er da gehört hatte und er war so überglücklich, dass ihm die Tränen kamen. Er fiel vor ihm auf die Knie und schluchzte heftig. „Ich danke Euch. Ich… ich schwöre Euch, dass ich mich an Euer Wort halten und immer mein Bestes geben werde, um Euren Wünschen Folge zu leisten.“ Und sanft legte der alte Mann seine Hand auf Nabis Kopf und lächelte sanft. „Das weiß ich. Und nun lass uns gemeinsam nach Hause gehen. Denn es wartet auf uns noch eine Menge Arbeit.“ „Ja, Meister.“ Es erhoben sich Stimmen in der Halle. Wütend riefen einige „Verrat“ und verlangten die augenblickliche Hinrichtung. Insbesondere Rakshasa, Kabod und Miswa, deren Zorn auf diesen in ihren Augen nichtswürdigen Verbrecher wohl am größten war, wollten schon mit der Klinge auf ihn losgehen. So groß war ihre Wut über dieses Urteil und Miswa erhob schon ihre Streitaxt, um ihm den Kopf abzuschlagen, doch da stellte sich Samajim dazwischen und fing den Schlag rechtzeitig ab. Es wurde immer lauter, bis die donnernde Stimme von Ajin Gamur persönlich augenblicklich Ruhe in die Halle brachte und als er um Ruhe gebot, da erzitterte die Erde und man hätte es mit einem Erdbeben verwechseln können. Langsam erhob sich der Herr des Nichts von seinem Platz und sah auf die verstummte Menge herab, in deren Gesichtern Angst und Entsetzen abgezeichnet war. Keiner wagte es, auch nur einen einzigen Ton von sich zu geben oder überhaupt um Luft zu holen. Denn die Furcht vor jenem, der sich außerhalb jeglichen Fassungsvermögens befand, war zu groß. Sie wussten alle, dass niemand jemals in der Lage sein würde, ihm die Stirn zu bieten. Nichts und niemand vermochte es. „Meine Entscheidung ist endgültig“, erklärte er mit lauter und donnernder Stimme. „Und mein Gesetz ist es ebenso. Samajims Grund und Boden erkläre ich hiermit zur neutralen Zone. Wer es wagt, auf diesem einen Schutzbefohlenen anzugreifen, der wird restlos vernichtet werden, als hätte er nie existiert. Sein Platz soll ein Heim sein für jene, die seinen Schutz erbitten und gewährt bekommen. Und solange sie sich dort aufhalten, soll ihnen nichts getan werden. Des Weiteren beschließe ich, dass der Hochverräter Araphel ebenso Samajims Obhut anvertraut wird. Seine Schwester Ahava wird dafür bürgen und Sorge tragen, dass er niemals wieder einen solchen Verrat begeht. Samajim wird ihn bewachen und Maßnahmen treffen, sollte er sich der ihm auferlegten Kontrolle entziehen. Gibt es jemanden, der Einspruch erhebt?“ Stille im Raum. Wahrscheinlich gab es einige, die gerne protestiert hätten, aber sie alle wussten, was darauf folgen würde. Ajin Gamur widersprach man nicht. Er war das höchste aller Wesen und seine Entscheidungen waren endgültig und unumstößlich. Was er beschlossen hatte, vermochte niemand zu ändern, mit Ausnahme vielleicht die großen Alten und auch das nur in äußerst seltenen Fällen. Es kam ohnehin äußerst selten vor, dass er das Wort ergriff und eine Entscheidung fällte, denn ansonsten waren es immer die großen Alten gewesen. Wahrscheinlich hätten Miswa, Kabod und Rakshasa etwas gesagt, doch sie hatten zu große Angst davor, Ajin Gamurs Zorn auf sich zu ziehen. Das würde ihren sofortigen Tod bedeuten. Schließlich aber schlug Samajim seinen Stab wieder auf den Boden, um selbst ein paar Worte an die Menge zu richten. „Nabi mag zwar eine Schöpfung unseres Feindes sein, aber er ist dennoch ein Sefira. Er verriet seinen Herrn, um unser Leben zu retten und Elohim aufzuhalten. Was wären wir, wenn wir ihn zum Tode verurteilen, obwohl wir ihm sein Leben verdanken? Vergesst nie, dass es nicht unsere Herkunft oder die Umstände unserer Geburt sind, die uns zu dem machen, wer wir wirklich sind. Es sind allein unsere Entscheidungen. Und Nabi hat sich gegen seinen eigenen Schöpfer entschieden, um uns alle zu retten. Solange ich lebe, werde ich nicht zulassen, dass seine Tat mit einer solchen Strafe gedankt wird.“ Damit wandte er sich Nabi zu und nickte ihm zu. „Komm mit.“ Der Begnadigte gehorchte und folgte dem alten Mann und war sprachlos. Dass der alte Samajim selbst Partei ergriff und sich mit den anderen Sefirot anlegte, geschah so gut wie nie und es gehörte einiges dazu. Er war überwältigt und konnte sein Glück kaum fassen. Als sie die Halle verlassen hatten, da war Nabi immer noch am zittern und brachte kaum ein Wort hervor. Dann aber wischte er sich die Tränen weg und sagte mit tief bewegter Stimme „Vielen Dank, Meister. Ich verspreche Euch, dass ich Euch nicht enttäuschen werde.“ „Das weiß ich doch“, sagte der alte Mann und legte ihm in einer schon fast großväterlichen Geste eine Hand auf die Schulter. „Das weiß ich, mein Freund.“ Kapitel 1: Frühling ------------------- „Meister! Ihr verschlaft schon wieder den ganzen Tag. Was bin ich denn, verdammt? Eure Nanny, oder was? Steht jetzt gefälligst auf und bereitet endlich mal die Andacht für heute Abend vor!“ Nabi platzte fast der Kragen. Nicht nur, dass er ohnehin schon genug Arbeit am Hals hatte, nein jetzt durfte er auch noch diesen Faulpelz schon zum gefühlten tausendsten Mal aufwecken. Da aber keine Antwort kam, stellte er den Korb Wäsche kurz ab und ging im Haus suchen. Und tatsächlich fand er den Übeltäter friedlich schlafend unter dem japanischen Heiztisch, den er sich als Souvenir von seinen Reisen mitgebracht hatte und der zu seinem Lieblingsplatz geworden war. Sein kleines Heiligtum, mochte man meinen. Nicht zu fassen, dachte der Sefira und knirschte mit den Zähnen. Der pennt jetzt schon seit geschlagenen 15 Stunden und ich muss natürlich alles alleine organisieren. So ein elender Faulpelz. „Meister, wacht endlich mal auf!“ Nun war er deutlich lauter geworden und schon erhob sich der Schlafende langsam. Laut gähnte er und streckte sich, woraufhin er langsam unter seinem Schlafplatz hervorgekrochen kam. „Mensch Nabi, was musst du mich denn so früh wecken?“ grummelte er und begann sich seine langen blonden Haare zu richten. „Wie spät ist es denn?“ „Wir haben gleich halb zwei und wenn Ihr nicht endlich mal zeitig aufstehen würdet, müsste ich die Messe auch noch für Euch machen. So langsam habe ich echt den Eindruck, dass ich hier bald noch den Pfarrer spielen muss, obwohl das eindeutig Euer Job ist.“ Ohne großartig etwas dazu zu sagen, schlurfte der Schlaftrunkene ins Bad, um sich frisch zu machen. Nabi brachte derweil die Wäsche nach draußen, um sie aufzuhängen und beeilte sich, damit er noch den Kaffee kochen konnte, bevor sein Herr aus dem Bad war. Es war Frühling und ein außergewöhnlich warmes und sonniges Wetter. Eigentlich das perfekte Wetter, um einen Ausflug zu machen, aber daraus wurde leider nichts. Denn mal wieder hatte Samajim eine seiner langen Schlafphasen, wo fast sein gesamter Tagesablauf nur aus Essen und Schlafen bestand. Natürlich hatte das alles seine Gründe, weil er in der letzten Zeit viel zu tun hatte. Immerhin war seit dem Umsturz der alten Ordnung und Ajin Gamurs Wutausbruch einiges passiert und das war nun mal nervenaufreibend gewesen. Er selbst hatte da nicht viel mitbekommen, weil er in der Menschenwelt bleiben sollte, wo er sicher war. Aber dennoch war er ziemlich genervt, weil natürlich mal wieder alles an ihm hängen blieb. Als hätte er mit seiner Arbeit als Küster nicht schon genug zu tun, er war zuhause auch noch die Hausfrau für alles und durfte zudem die manchmal ziemlich erniedrigenden Aufgaben seines Herrn erfüllen. Nicht, dass er es unbedingt hasste. Er war dankbar für diese Arbeit, denn immerhin war es Samajims Einsatz zu verdanken, dass er noch am Leben war. Am Anfang war das Verhältnis zwischen ihnen noch ein wenig schwierig gewesen, denn Nabi wusste sehr wohl um seine Position und hatte große Angst, durch einen unbedachten Fehler Samajims Unmut auf sich zu ziehen. Aber wie sich herausstellte, war der alte Samajim bei weitem nicht so streng und herrisch wie so manch andere. Inzwischen war zwischen ihnen beiden eine richtige (wenn auch sehr ungewöhnliche) Freundschaft entstanden und mit der Zeit hatte Nabi erkannt, dass er auch der Einzige war, der das Recht hatte, in solch einem Ton mit seinem Herrn zu reden. Denn Samajim war bekannt dafür, dass er sehr autoritär sein konnte und Respekt verlangte. Den bekam er ja auch, aber nur weil die meisten nicht wussten, wie er wirklich ticken konnte. Und seine schrägen Marotten hatte Nabi schon seit Jahrhunderten ertragen müssen. Wenn nicht sogar schon seit Jahrtausenden. Es war nicht immer einfach mit ihm, aber Nabi hätte wohl kaum so lange als sein Diener durchgehalten, wenn er nicht damit zurechtkommen würde. Um ehrlich zu sein, waren es manchmal genau diese schrägen Marotten, die er an Samajim liebte. Denn sie machten ihn auf irgendeine Art und Weise natürlicher. Die Menschen würden sagen, diese Marotten machten ihn „menschlicher“. Und manchmal kam er mit den merkwürdigsten Ideen an. So zum Beispiel vor knapp drei oder vierhundert Jahren, als er urplötzlich das Erscheinungsbild des alten Mannes ablegte und sich stattdessen spontan so weit verjüngt hatte, dass ihn äußerlich nur noch wenige Jahre von Nabi trennten. Und auf Nachfragen hin hatte er ganz einfach gesagt, dass ihn die Falten einfach störten und er sich jünger eben deutlich hübscher fand. Dabei sprach nicht mal die Eitelkeit aus ihm. Allerhöchstens sein seltsamer Charakter. Und es war kein Geheimnis, dass Samajim mehrere Gesichter hatte und sie alle hatte Nabi schon längst kennen gelernt. Und nachdem er zu genüge erlebt hatte, wie faul, kindisch und ichbezogen sein Herr sein konnte, hatte er auch in gewissen Situationen die Achtung vor ihm verloren. Nachdem er mit der Wäsche fertig war, ging er ins Pfarrhaus zurück und setzte Kaffee auf und deckte den Tisch. Er wartete immer mit den Mahlzeiten, bis Samajim aufgewacht war, denn es hatte sich mit der Zeit einfach ergeben, dass sie immer zusammen bei Tisch saßen. Manchmal kam Eva dazu, die gerade zu Besuch in London war und mit ihnen beiden befreundet war. Sie kannten sich schon seit den Sefirot-Kriegen und Eva hatte viel zum Sieg beigetragen und galt als eine der aufgeschlossendsten und freundlichsten Sefirot, die er je gekannt hatte. Sie war wenigstens nicht so stolz und voreingenommen wie die anderen und auch sie kannte Samajims Launen nur allzu gut. Nabi hatte schon lange genug mit ihm zusammengelebt um zu wissen, dass die Sefirot eines gemeinsam hatten: je älter sie waren, desto mächtiger waren sie auch im Vergleich zu anderen. Und je mächtiger sie waren, desto launischer wurden sie. Und Samajim war sehr launisch, das bekam sein Diener für gewöhnlich immer als erstes zu spüren. Denn wenn man so mächtig war, dass kaum jemand es wagte, seine Position infrage zu stellen, dann konnte man sich solche Charakterzüge durchaus erlauben. Das Einzige, was man da noch tun konnte war, diese Person bloß nicht zu sehr zu reizen, dass diese wieder in irgendwelche Launen verfiel. Samajim galt als der eigensinnigste und unberechenbarste der großen Alten und konnte mit seinen zwei Gesichtern manchmal fast unheimlich sein. Aber dennoch hatte Nabi Glück mit ihm, denn es gab welche, die extrem gefährlich waren. Miswa die Strenge war die aufbrausendste, cholerischste und rachsüchtigste der großen Alten und hatte genug Stolz für zehn. Kabod und Rakshasa waren nicht weniger schlimm, genauso wie Adonaj oder Ra’am. Aus diesem Grund wagte es kaum jemand, sich mit den großen Alten anzulegen. Am allerwenigsten aber mit Ajin Gamur. Lediglich Samajim und Nazir brachten den Mut auf, mit ihm zu verhandeln und hatten auf diese Weise das eine oder andere Mal viel bewirken oder abwenden können. So auch schon des Öfteren den Untergang der Welt, denn es war leider ebenso kein Geheimnis, dass Ajin sehr schnell mit seinen Entschlüssen kam und meist immer dann die Welt zerstören wollte, wenn ihm irgendetwas nicht passte. Glücklicherweise hörte er dann auf den Rat seiner Gefolgsleute, denn Samajim und die anderen der großen Alten waren auch seine Berater. Ein weiterer Grund also, warum man sich bemühen sollte, sich mit ihnen gut zu stellen und sie nicht unnötig zu reizen. Nun gut… seit der Rückkehr der großen Entitäten war diese Herrschaft vorbei und die großen Alten waren entmachtet worden. Trotzdem waren einige von ihnen, die nicht in die Elohim-Verschwörung involviert gewesen und deshalb auch nicht verurteilt worden waren, nach wie vor gefährlich. Und ihr Einfluss war nach wie vor sehr groß. Und Samajim war nun der direkte Berater von Ain Soph und Elohim, die nun die Herrschaft über die Welt der Sefirot übernommen hatten und besaß damit einen großen Einfluss. Dessen war sich auch Nabi bewusst, aber inzwischen kannte er Samajim gut genug um zu wissen, wann er ihn ärgern durfte und wann er es besser bleiben lassen sollte. Jetzt zum Beispiel war ein Zeitpunkt, wo man ihm ordentlich in den Hintern treten durfte. Zumindest durfte Nabi das, bei anderen würde sich das Samajim gewiss nicht gefallen lassen. Nachdem Samajim aus dem Bad gekommen war und sich an den Tisch gesetzt hatte, goss Nabi ihm einen Kaffee ein und legte ihm die Zeitung hin. Aber so etwas las der Sefira nur äußerst selten. „Warum hast du überhaupt die Zeitung abonniert?“ „Weil es eben wichtig ist, auf dem Laufenden zu bleiben“, erklärte Nabi mit Nachdruck und begann den Politikteil zu lesen. „Erinnert Euch doch mal daran, dass Ihr erst gemerkt habt, dass in Berlin eine Mauer war, als sie schon wieder abgerissen wurde! Oder zum Beispiel der Vietnamkrieg. Davon habt Ihr erst gehört, als es schon längst vorbei war. Ich kenne keinen Menschen, dem so etwas passiert.“ „Ach die und ihre Kriege und das ganze Pipapo“, winkte Samajim mit betonter Gleichgültigkeit und einer Spur Zynismus ab. „Inzwischen interessiert es mich schlichtweg nicht mehr, wer gerade gegen wen Krieg führt. Ob es nun die Russen, die Araber, die Chinesen, die Deutschen oder die Amis sind. Irgendwo wird doch immer gekämpft. Da lohnt es sich eh nicht, sich auf dem Laufenden zu halten. In ein paar Jahren ist das eh wieder vorbei und irgendjemand anderes führt Krieg. Jetzt sind es die Araber und in ein paar Jahren dieser Giftzwerg aus Nordkorea.“ Es kam noch hinzu, dass Samajim sich zwar rein äußerlich stark verjüngt hatte, aber er besaß trotzdem noch den Zynismus eines alten Mannes. Nun, sie beide waren auch Unvergängliche, die schon sehr lange in dieser Welt lebten. Da verging die Zeit für sie eben deutlich anders als für die Menschen. „Aber Meister, wenn die Leute Euch zu Eurer Meinung befragen, wie wollt Ihr dann antworten?“ „Dass ich kein Politiker bin und diese Kriegsfragen wohl kaum in die Kirche gehören. Wäre was Neues, wenn die Kirche jetzt auch noch eine eigene Partei hätte.“ „Hat sie.“ „Die Leute heutzutage haben auch immer verrücktere Ideen. Na was soll’s, zumindest ändert sich bei den Messen nichts. Dafür lobe ich mir die Kirche: Es ist seit Jahrhunderten derselbe alte Mist und zum Glück wird sich da auch nichts ändern. So muss ich mir wenigstens nichts Neues angewöhnen. Es ist immer die gleiche Prozedur mit denselben alten Geschichten, die irgendwo hervorgekramt und aufgewärmt werden. Irgendwo ist immer was Passendes dabei und auf die Art und Weise lässt sich auch wunderbar Geld verdienen.“ „Und das sagt Ihr als Pfarrer“, kommentierte Nabi kopfschüttelnd und begann nun mit dem Abwasch. Danach würde er noch die Reliquien säubern und die Kerzen auswechseln müssen. Die Liste seiner Aufgaben waren schon lang genug und dabei waren noch nicht einmal die Sonderwünsche mit drin, die Samajim in der letzten Zeit immer häufiger an ihn richtete. Und manchmal waren es schon die unmöglichsten Aufgaben, die er gestellt bekam. „Und?“ fragte der Blondhaarige und sah seinem Diener beim Abwasch zu, ohne auch nur daran zu denken, ihm zu helfen. „Was machst du heute denn Schönes?“ Nabi ahnte, dass gleich irgendetwas folgen würde und dieser alte Fuchs nur deshalb wieder diese Frage stellte, damit er ihm erneut ein paar Aufgaben aufs Auge drücken konnte. „Ich bin gleich damit beschäftigt, den Garten der Pfarrei auf Vordermann zu bringen und das Unkraut zu entfernen. Außerdem muss ich im Keller die Rattenfallen aufstellen, weil sie schon wieder die Vorräte angeknabbert haben. Und ich muss endlich was gegen die Tauben im Dachgebälk machen.“ „Verdammte Viecher“, grummelte Samajim, als er das hörte. „Ist mir ein Rätsel, was die Menschen an diesen Kreaturen bitteschön toll finden. Im Grunde sind das nichts anderes als Ratten mit Federn und die scheißen uns noch alles voll. Hatte ich nicht irgendwo ein Gewehr?“ „Eine Pumpgun“, korrigierte Nabi und ahnte schon, worauf das hinauslaufen sollte und versuchte sogleich, seinem Meister diesen Quatsch sofort wieder auszureden. „Und ich dachte, wir hätten uns darauf geeinigt, nicht mit einer Pumpgun, geschweige denn mit einer Schrotflinte, einer AK-47, einer M16 oder weiß der Henker noch alles auf die Tauben zu schießen. Euer Waffenarsenal habe ich vorsorglich im Keller eingeschlossen und ich werde ganz sicher nicht zulassen, dass Ihr uns schon wieder Löcher ins Dach schießt. Beim letzten Mal musste ich bei Wind und Wetter alles reparieren, bevor es uns noch ins Haus reinregnet.“ „Jetzt stell dich doch nicht gleich so an. Das bisschen Regen…“ „Ich bin zwei Mal vom Blitz getroffen worden, wenn Ihr Euch erinnern würdet. Vergesst es, es wird nicht auf die Tauben geschossen. Ich überlege mir etwas anderes.“ Und damit war die Diskussion beendet. Nachdem Samajim sich gestärkt hatte, begab er sich in sein Arbeitszimmer, um die nächsten Messen vorzubereiten. Nabi seinerseits begab sich in den Garten und war dort die nächsten zwei Stunden damit beschäftigt, das Unkraut zu ziehen, den Rasen zu mähen und die Blumen zu gießen. Erschöpft setzte er sich schließlich auf eine Bank, um sich etwas Ruhe zu gönnen und fächelte sich etwas Luft zu. Dafür, dass es erst März war, herrschten erstaunlich warme Temperaturen und da er ohnehin schon seit sechs Uhr morgens auf den Beinen war, konnte er so eine kleine Pause gut gebrauchen. „Nathaniel!“ Er blickte auf, denn Nathaniel Hope war sein Deckname, den er für die Menschen gebrauchte. Sein richtiger Name klang etwas zu ungewöhnlich dafür und auch Samajim hatte es sich angewöhnt, sich vor den Menschen „Samuel Kings“ zu nennen. Wieder rief ihn jemand und schon sah er auch gleich vier junge Frauen zu ihm kommen. Tabitha, Ellie, Hannah und Patrice kamen aus der Nachbarschaft und statteten ihm des Öfteren mal Besuche ab. Aus irgendeinem Grund schien er bei den Frauen ganz gut anzukommen, auch wenn er sich das selbst nicht so wirklich erklären konnte. An seinem besonders männlichen Aussehen lag es jedenfalls nicht, denn das hatte er nicht. Er wirkte eher etwas androgyn, was ihn schon immer etwas gestört hatte und wie ein Adonis sah er auch nicht gerade aus. Oft fragte er sich schon, wieso er keine verdammten Muskeln aufbauen konnte. Schlimm genug, dass Samajim ihn dann immer mit dem Kommentar ärgern musste, dass er nicht sicher sei, ob es sich bei Nabis Körper um den eines Mannes oder um den einer Frau handelte. „Was kann ich für euch tun?“ fragte er und sogleich hatten sie sich um ihn geschart und er erkannte recht schnell, was los war. Sie hatten ihm mal wieder irgendwelche Kleinigkeiten mitgebracht, obwohl er doch oft genug betont hatte, dass er so etwas nicht wollte. Denn er wusste einfach beim besten Willen nicht, wie er darauf am Besten reagieren sollte und wie er es denn überhaupt anstellen sollte, die Mädchen zurückzuweisen. Zwar waren sie ganz nett und so, aber sein Interesse galt nur einer einzigen Person. Auch wenn diese nichts davon wusste und auch nie erfahren würde. Dieses Mal hatten sie ihm selbstgemachte Schokolade mitgebracht und noch ein paar andere Sachen. Und kaum, dass Tabitha fragte, ob er mit ihr mal ausgehen würde, entstand ein heftiger Zickenkrieg, der schließlich damit endete, dass Nabi wortwörtlich hin und hergerissen war und nicht imstande war, etwas gegen diese Meute zu unternehmen. „Hey meine Damen, was hat dieser Lärm zu bedeuten?“ Sogleich unterbrachen sie den Zickenkampf und riefen „Oh, Reverend Kings. Entschuldigen Sie, wir wollten nur zu Nathaniel.“, als sie Samajim sahen, der herbeigelaufen kam, als er den Lärm hörte. Er durchschaute sehr schnell die Situation und lächelte amüsiert. „Scheint so, als wäre mein Küster beliebter bei den jungen Damen als ich“, bemerkte er mit einem Lachen, wobei er Nabi auf die Schulter klopfte. Doch diesem lief es eiskalt den Rücken runter, denn er erkannte sofort, dass dieses Lachen alles andere als ehrlich gemeint war. Aber dieser verdammte Teufel von einem Pastor schaffte es doch immer wieder, die Menschen um den Finger zu wickeln. „Nicht doch, Reverend. Sie sind immer noch der coolste Pfarrer, den wir je hatten.“ „Genau. Viel besser als der alte. Entschuldigung, wenn wir Sie gestört haben. Nathy, ich komme später noch mal vorbei.“ „Vergiss es, ich hab ihn zuerst gefragt!“ Und so ging das Quartett wieder und zankte sich woanders weiter. Geschlagen seufzte Nabi und setzte sich wieder. Doch Samajim hatte immer noch dieses amüsierte Lächeln. „Scheint so, als wärst du bei den Damen sehr beliebt, mein Freund.“ „Ich weiß nicht, womit ich das verdient habe“, gab dieser etwas trocken wieder und wischte sich mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn. „Ich mag es einfach nicht, wenn sie mir so viele Geschenke machen. Ich weiß einfach nicht, wie ich sie auf eine möglichst schonende Art und Weise zurückweisen soll. Die Frauen sind ja ganz nett, da will ich sie nicht allzu sehr vor den Kopf stoßen.“ „Wieso zurückweisen? Heißt es nicht in Genesis Gehet hin und vermehret euch?“ „Das heißt Seid fruchtbar und mehret euch.“ „Bist du hier der Pfarrer oder ich?“ „Was kann ich denn dafür, wenn Ihr die Bibel nicht mal richtig kennt, obwohl Ihr doch dabei ward, als sie geschrieben wurde?“ „Na wie dem auch sei. Warum triffst du dich nicht mal mit den Mädchen? Nur weil du bei mir lebst, heißt das noch lange nicht, dass du enthaltsam leben musst. Hey, wir arbeiten seit dem 16. Jahrhundert für die Protestanten.“ „Ja aber nur deshalb, weil die Katholiken das Zölibat haben… Glaubt bloß nicht, ich wüsste über Eure ganzen Schmuddelhefte nicht schon längst Bescheid. Für einen alten Mann seid Ihr ganz schön pervers, Meister.“ Samajim zuckte nur gleichgültig mit den Schultern und setzte sich neben Nabi hin und betrachtete den leicht bewölkten Himmel. In solchen Momenten, wenn er das tat, wirkte er so friedlich und glücklich. Schließlich zündete er sich eine Zigarette an und nahm sogleich einen tiefen Zug ein. Nabi versuchte ihm schon seit Ewigkeiten das Rauchen abzugewöhnen, allerdings ohne Erfolg und wenn er ganz ehrlich war, liebte er auch den Geruch von Samajims Zigaretten. „Ich finde es unanständig, einfach so mit einem anderen ins Bett zu steigen, wenn man keine Gefühle für ihn hat. Ich will den Frauen auch keine falschen Hoffnungen machen.“ „Ach Nabi, du bist ziemlich gutherzig. Ein wenig zu gutherzig für diese Welt, wenn du mich fragst. Wenn du nicht mal endlich den Kopf aus dem Arsch ziehst, so wie die Menschen immer zu sagen pflegen, dann wirst du für immer die einsame Jungfrau bleiben.“ „Warum interessiert Euch das eigentlich?“ „Na weil wir doch trotz allem so etwas wie Freunde sind. Und da stimmt es mich doch neugierig, warum du dich nicht mal vergnügst. Hey, die Menschen leben eh nicht lange. Und damals sind die wenigsten von ihnen überhaupt älter als 40 Jahre geworden.“ „Mag ja sein. Aber ich finde es einfach falsch, es mit jemandem zu tun, für den man keine Gefühle hat. Mag sein, dass das für Euch lächerlich ist, aber das sind meine Prinzipien, an denen ich auch festhalte.“ „Gibt es denn jemanden, den du liebst?“ Nabi schwieg und sah Samajim nicht an. Er hatte Angst, dass ihn irgendeine Reaktion verraten könnte. Natürlich gab es jemanden, den er liebte, nämlich Samajim. Und das war ja das Schlimme an der ganzen Situation! Er war nur ein Diener und Samajim hatte ihm das Leben gerettet. Und Fakt war, dass er einfach nicht in der Position war, diese Gefühle zu hegen. Natürlich wusste er das, aber es machte ihn trotzdem fertig. Es war ein einziges Dilemma und er konnte auch nichts tun, um diese Gefühle abzulegen. Wie denn auch, wenn sie den ganzen Tag aufeinanderhockten und er einfach keinen Abstand bekam? Die Situation war mehr als miserabel. Schließlich stand er auf und atmete tief durch. „Entschuldigt mich, Meister. Ich muss noch das Abendessen vorbereiten gehen.“ „In Ordnung“, sagte Samajim und blieb sitzen, um seine Zigarette zu Ende zu rauchen. „Danach kannst du ruhig Feierabend machen. Du hast genug für heute getan.“ Kapitel 2: Im McKerrigan's -------------------------- Nach einem gemeinsamen Abendessen verabschiedete sich Nabi von Samajim und schnappte sich seine Jacke und machte sich auf den Weg. Sein Ziel war ein irischer Pub, der den Namen „McKerrigan’s“ trug. Es war seine Stammkneipe, wo er die meisten Abende verbrachte, wenn er frei hatte. Der Pub war ein sehr beliebter Treffpunkt für die meisten Asylanten, weil er auch von einem Asylanten selbst geführt wurde. Nakash, der für die Menschen den Namen Neville McKerrigan angenommen hatte, war Nabis bester Freund und hatte sich mit seinem Leben im Asyl sehr gut arrangiert. Zwar hielt er nicht sonderlich viel von den Menschen, weil sie seiner Ansicht nach recht kurzlebig und seltsam waren, aber er war schon damals sehr anpassungsfähig gewesen und hatte auch immer ein offenes Ohr für Nabi. Gleich schon als dieser die Bar betrat, wurde er von seinem besten Freund gut gelaunt begrüßt, der hinter dem Tresen stand und Gläser putzte. „Hey Nabi, du siehst ja vielleicht bescheiden aus. Hat dich der Alte mal wieder zu hart rangenommen, oder durftest du mal wieder die Löcher im Dach flicken?“ Mit einem eher halbherzigen Lächeln setzte sich Nabi an den Tresen und bekam sogleich ein Bier gereicht, welches er dankend entgegen nahm. Wie nicht anders zu erwarten war, gab es hier nur das berühmte Guinness. Mit dem englischen Bier konnte Nabi ohnehin nicht viel anfangen und er war auch dankbar für die Abende, in denen er sich bei Nakash den Frust von der Seele reden konnte. „So langsam habe ich das Gefühl, er hat einen Heidenspaß daran, mich zu quälen“, seufzte er schließlich und nahm einen tiefen Zug aus seinem Glas. „Nicht nur, dass er wieder eine seiner Langschlaf-Phasen hatte, nein ich wurde auch noch von den Frauen aus der Nachbarschaft bedrängt und er meint natürlich, ich könne mich ruhig mal amüsieren.“ „Warum nicht, wenn sie heiß sind? Es sind eh nur Menschenfrauen. Die kommen und gehen.“ „Aber ich habe nun mal kein Interesse an Frauen.“ „Ja und? Du bist sowohl bei den Frauen, als auch bei den Männern beliebt. Dass du den Alten liebst, ist ja schön und gut, aber solange du dir selbst im Weg stehst und dich nicht dazu bringen kannst, endlich mal die Karten auf den Tisch zu legen, dann wird es immer nur eine Quälerei für dich sein. Und jetzt mal im Ernst. Ein Menschenkörper hat nun mal Bedürfnisse. Immerhin wurde er zur Fortpflanzung geschaffen und jetzt mal im Ernst. Wie schaffst du es denn, die ganze Zeit so dermaßen enthaltsam zu leben?“ Nabi sagte nichts, wich nur Nakashs Blick aus und trank noch einen Schluck Bier. Sein bester Freund sah ihn prüfend an, dann aber schüttelte er den Kopf und seufzte. „Oh Mann, jetzt sag mir bloß nicht, dass du es auch noch unter der Dusche machst.“ Nun senkte Nabi den Blick nur noch weiter und sagte nichts. „Ach Nabi, das ist doch echt ein Armutszeugnis. Hast du denn gar keine Selbstachtung mehr?“ „Nee. Meine Selbstachtung hab ich gleich mit dem letzten Rest meiner Männlichkeit begraben! Meister Samajim hat Recht. Ich bin doch echt ne Frau…“ Damit legte dieser mit einem wehleidigen Seufzer den Kopf auf den Tresen ab. „Ich bin echt das Letzte, ich weiß. Aber ich hab einfach zu viel Schiss. Was ist, wenn er meine Gefühle gar nicht erwidert und sich dann noch über mich lustig macht? Er zieht mich doch sowieso ständig auf. Nun gut, es sind die üblichen Zankereien, die wir haben, weil der Herr sich mal wieder zu fein ist, um zu arbeiten.“ „Aber wenn du es nicht versuchst, wirst du nie herausfinden, wie er für dich fühlt.“ „Toll. Das hilft mir auch wahnsinnig weiter“, entgegnete Nabi sarkastisch. Aber Nakash blieb bei seinen Ansichten. „Jetzt mal ganz im Ernst: du schnauzt ihn an, wirst frech und sarkastisch, du behandelst ihn wie ein Kind und verbietest ihm sogar Dinge und schreibst vor, was er zu tun und zu lassen hat. Menschenskinder Nabi, das traut sich kein anderer hier. Als Nemala mal zu frech wurde, da hat er sie so zur Schnecke gemacht, dass sie sich 20 Jahre lang nicht mehr aus ihrem Keller gewagt hat. Samajim lässt es sich von niemandem gefallen, so behandelt zu werden. Du bist die einzige Ausnahme neben Eva und das zeigt doch, dass du ihm wichtig bist. Es ist mir eh ein absolutes Rätsel, wie du es nur bei ihm aushältst. Im Grunde bist du doch wie ein kleines Hündchen, das auf Kommando Tricks macht und seinem Herrchen überall hin folgt. Und wag es bloß nicht, das zu leugnen. Wir beide wissen genau, dass du ein Hündchen bist.“ „Das ist aber nun doch ein bisschen hart, findest du nicht auch? Ich habe ihm die Loyalität bis zu meinem Tode geschworen und ich halte mich auch daran. Wenn Meister Samajim nicht gewesen wäre, dann hätten sie mich damals hingerichtet. Ich verdanke ihm mein Leben!“ Nakash betrachtete ihn aus den Augenwinkeln, während er für die anderen Gäste noch ein weiteres Bier zapfte. Es wurde langsam voll im Pub und auch lauter. „Weißt du eigentlich, dass du ihm so was von hörig geworden bist? Selbst hier in der Bar kannst du nicht damit aufhören, ihn als deinen Meister zu bezeichnen. Nabi, sorry wenn ich dir das jetzt sage, aber du hast echt ein Problem. Du himmelst ihn ja regelrecht an, auch wenn du dich ständig über seine Marotten beschwerst. Die Gefühle von Unvergänglichen sind nicht wie die von Menschen. Wenn sich einer verliebt, dann kann es länger dauern als die Lebenszeit eines Sterns. Menschen sind wankelmütige Wesen. Ihre Gefühle ändern sich so unfassbar schnell, dass man kaum hinterher kommt. Sie leben in einer ganz anderen Zeit als wir und eben weil hier ein so rascher Zeitverlauf stattfindet, fühlt es sich für dich doch einfach nur unerträglich an. Du weißt, du kannst auf mich zählen und dich immer bei mir ausheulen, wenn du willst. Dazu sind Freunde ja da. Aber ich kann mir auch nicht mit ansehen, wie du dich mit diesen Gefühlen quälst. Und dass du dich ausgerechnet in ihn verlieben musstest, ist ja auch echt beschissen. Sei mal ehrlich: was findest du überhaupt an ihn? Du sagst doch selbst, dass er ein ichbezogener, eigensinniger, fauler, verwöhnter, hinterhältiger und kindischer Trotzkopf ist. Sein Aussehen kann es ja wohl kaum sein. Er hat sich immerhin erst vor 400 Jahren verjüngt. Also erklär es mir mal. Was findest du an diesem Kerl, der deiner Beschreibung nach eigentlich ein durchgeknallter und sadistischer Psychopath ist?“ „Naja“, murmelte Nabi und trank sein Glas leer, woraufhin er sich ein zweites Guinness bestellte. „Er hat echt schräge Marotten und ist faul und eigensinnig, das stimmt. Aber er hat auch sehr einfühlsame Seiten, er ist so weise und er weiß immer Rat. Trotz allem strahlt er immer so eine Ruhe aus und er beschützt mich eben auch. Vor allem, als die Proxys sich vor ein paar Monaten auf dem Kirchengelände herumgetrieben haben und mich umbringen wollten. Meister Samajim mag zwar viele schlechte Angewohnheiten haben, aber irgendwie liebe ich auch diese Marotten. Die Art, wie er spricht, seinen zynischen Sarkasmus, was die Menschen betrifft… den Geruch seiner Zigaretten… Nemala sagte mir ja auch, ich müsse verrückt sein, dass ich das alles wirklich aushalte, aber ich finde es gar nicht so schlimm. Ich lebe gerne bei ihm und mach Ordnung.“ „Das klingt für mich ganz arg danach, als wärst du masochistisch veranlagt.“ „Ja sicher bin ich das…“, gab Nabi sarkastisch zurück. „Als ob ich unbedingt darauf stehen würde, gefesselt und gepeitscht zu werden.“ „So habe ich das nicht gemeint. Masochistisch zu sein, heißt noch lange nicht, dass du unbedingt auf so etwas stehst. Ich meine es eher so, dass du es magst, von ihm geärgert zu werden. Masochismus gibt es in vielen Formen und es ist ja nicht unbedingt schlimm. Jeder hat so seine Eigenheiten. Du bist ja auch nicht ohne. Dein Sarkasmus wird ja auch immer schlimmer, seit du bei dem Alten bist.“ „Was du nicht sagst. Frag dich mal warum.“ „Siehst du? Da haben wir es schon wieder.“ Nabi sagte nichts mehr und leerte auch sein zweites Glas. Er wirkte nun deutlich verstimmter als vorher und als Nakash ihn so sah, musste er schmunzeln. „Du siehst echt niedlich aus, wenn du schmollst. Ach komm, jetzt mach dich mal locker. Du hast jetzt endlich deinen wohl verdienten Feierabend und kannst diesen Durchgeknallten mal für eine Weile vergessen. Feier doch ein bisschen. Das steht dir auch mal gut zu Gesicht und dann kommst du auch mal auf andere Gedanken.“ Ja, vielleicht hat er ja Recht, dachte Nabi und bestellte sich dieses Mal etwas Hochprozentiges. Das ist mein Feierabend und da kann ich wenigstens für den Rest des Tages mal an was anderes denken als an Samajim. Deshalb bin ich doch hergekommen. Als die Musik im Pub aufgedreht wurde, gesellte sich Nabi zur feiernden Gesellschaft dazu, die erst einmal kräftig darauf anstieß, dass die Terrorherrschaft der großen Alten vorbei war und dass endlich eine Zeit kommen würde, wo niemand mehr Angst um sein Leben haben musste, nur weil er gegen diese grausame Willkür war. Und auch um das Schicksal der Asylanten wurde nun neu verhandelt und das bedeutete für viele, dass nun endlich die Hoffnung bestand, wieder nach Hause zurückkehren zu dürfen. Einige vermissten ihre alte Heimat und wären nur zu gerne wieder zurückgekehrt, doch die Angst vor der Rache der großen Alten war viel zu groß gewesen. Sie wären sofort getötet worden, wenn sie es gewagt hätten, nach Hause zurückzukehren. Als das Thema besprochen wurde, kam Nabi noch mal zum Tresen zurück, um mit Nakash darüber zu reden. „Sag mal, was wirst du eigentlich machen, wenn ihr alle begnadigt werdet? Wirst du dann auch wieder nach Hause zurückkehren?“ „Ach weißt du“, seufzte der Seraph und zündete sich eine Zigarette an, denn in seinem Pub war das Rauchen noch durchaus erlaubt. „Ich hab mich schon so an diese Welt gewöhnt, dass ich vielleicht noch ein wenig mit meiner Abreise warten werde. Immerhin hab ich ja noch den Pub und einige werden wahrscheinlich auch noch hier bleiben. Für sie ist das ja so etwas wie eine zweite Heimat geworden. Tja, wir sind alle frei, aber du musst wohl bei deinem Samajim bleiben. Einen Schwur kann man nicht brechen. Aber… es gibt ja noch die Möglichkeit, dass du Ain Soph bittest, dass sie dich von deinem Schwur losspricht. Dann wärst du frei und kannst gehen, wohin du willst.“ Das stimmte Nabi nun doch nachdenklich. Er hatte die Möglichkeit, Ain Soph um diesen Gefallen zu bitten. Nun, viel war ja noch nicht über sie bekannt, die von manchen auch die „große Mutter“ genannt wurde. Es gab viele Gerüchte und so wie Quellen berichteten (denn selbst die Asylanten hatten ihre Möglichkeiten, um zu erfahren, was in ihrer Heimat vor sich ging), hatte sie zusammen mit Elohim das Regiment übernommen und sogar die Todesstrafe abgeschafft. Das war schon mal ein gutes Zeichen, dass es bald endlich besser werden würde. „Angeblich haben einige Asylanten bereits mit Ain gesprochen.“ „Echt?“ rief Nabi und sah Nakash sprachlos an. „Und wie ist sie so?“ „Nun, sie scheint sehr freundlich und gnädig zu sein, so wie mir gesagt wurde. Aber eigentlich zerreißen sich die meisten die Mäuler über dich.“ „Wieso ich?“ „Na weil du Elohim gesehen und mit ihm geredet hast. Und du stehst doch immer noch mit ihm in Verbindung.“ „Ja schön, aber ich hab doch schon letztens alles gesagt, was ich weiß. Und seit mein alter Meister wieder zurückgekehrt ist und gemeinsam mit Ain Soph die Herrschaft übernommen hat, habe ich eigentlich nicht viel gehört. Wenn mich aber nicht meine Wahrnehmung trügt, dann werden er und Ain Soph bald nach Amerika reisen, um ihren Sohn zu besuchen. Tja… mit etwas Glück kommen sie auch nach England, um Meister Samajim zu besuchen.“ „Du rennst deinem Herrn ja ziemlich hinterher, nicht wahr?“ rief Mayim spöttisch und lachte, wobei einige mit einstimmten. Doch davon ließ sich Nabi auch nicht sonderlich einschüchtern. „Haha, sehr witzig“, gab er sarkastisch zurück. „Ohne Meister Samajim wären wir alle tot und unsere Köpfe wären längst Dekoration in Rakshasas Regalen, nachdem uns Miswa allesamt einen Kopf kürzer gemacht hätte.“ „Das wissen wir doch auch“, seufzte Nogah, der mal wieder schlechte Laune hatte. „Aber trotzdem würden wir wenigstens noch genügend Stolz haben, um ihm nicht gleich in den Arsch zu kriechen. Mal im Ernst. Findest du nicht auch, dass das nicht ein bisschen erbärmlich ist?“ Nabi warf Nogah einen giftigen Blick zu und schnaubte verächtlich. Er hatte den Kerl noch nie so wirklich leiden können. Nogah war ein typischer Nörgler, der immer ein absoluter Schwarzseher war und der nie wirklich zufrieden war. Und solche Typen konnte Nabi nicht wirklich ausstehen. Da wurde man ja noch selbst zum Pessimisten, wenn man sich mit solchen Individuen abgab. „Erbärmlich bist doch nur du, weil du es nicht fertig bringst, dir mal ein vernünftiges Leben aufzubauen. Anstatt mal etwas an deiner Misere zu ändern, bist du immer nur am herummeckern und damit gehst du wahrscheinlich nicht nur mir auf die Nerven. Also sei so gut und halt den Rand, wenn du nichts Besseres zu melden hast.“ „Glaubst du etwa, ich bin der Einzige, der so denkt? Die großen Alten sind unsere Feinde und sie haben so viele unserer Kameraden hingerichtet. Egal ob sie mitgekämpft haben oder nicht. Samajim mag uns geholfen haben, aber es ändert nichts an der Tatsache, dass seinesgleichen unsere Brüdern und Schwestern bis heute noch verfolgen und töten. Meine Schwester und meine Brüder wurden vor meinen Augen hingerichtet und ihre Köpfe wurden auf Speeren aufgespießt und zur Schau gestellt.“ „Wir haben alle Verluste gemacht“, erklärte Nakash schließlich und stellte die nächsten Biergläser auf dem Tisch ab. „Nabi wurde aufgrund seiner Gabe als Einziger kein Asyl gewährt. Seine einzige Chance zu überleben bestand nun mal darin, als Diener an Samajims Seite zu bleiben und es kann ihm wohl kaum jemand zum Vorwurf machen, dass er am leben bleiben wollte. Also pass besser auf, was du sagst.“ Damit war Nogah still und es war nicht zu übersehen, dass Nakash nicht der einzige mit dieser Meinung war. Schließlich versuchte Mayim die Stimmung irgendwie zu retten und schließlich wurde die Musik lauter gedreht, um die Partystimmung zu retten. Tatsächlich wurde getanzt, gesungen und es floss viel Alkohol. Nabi übernahm sich ein wenig und trank mehr, als er eigentlich vertrug. Als sich die Party in den Morgenstunden langsam dem Ende zuneigte und das „McKerrigan’s“ schloss, saß Nabi am Tresen und war inzwischen eingeschlafen. Als Nakash ihn so sah, konnte er nicht anders als zu schmunzeln. „Ach Mensch, Nabi. Du weißt wirklich nie, wann es genug ist. Na komm schon, ich bring dich eben nach Hause. Alleine schaffst du es ja sowieso nicht.“ Damit zerrte er seinen besten Freund vom Hocker herunter und lud sich den Betrunkenen auf den Rücken. Es war nicht das erste Mal, dass sich der Ärmste so dermaßen abgeschossen hatte und wahrscheinlich auch nicht das letzte Mal. In den letzten Jahren war es immer häufiger, dass er sich so dermaßen die Kante gab, weil er auf die Weise seinen Liebesfrust ertränken konnte. Zumindest für kurze Zeit. „Ach Nabi, du musst doch irgendwann mal lernen, wie viel du eigentlich verträgst.“ Während der Barbesitzer den Betrunkenen zu seinem Wagen trug, um ihn nach Hause zu fahren, begann Nabi zu schluchzen. Leider eine kleine Nebenerscheinung, wenn er betrunken war: er begann zu heulen und wurde ziemlich emotional. „Du hast Recht“, jammerte dieser und schluchzte heftig. „Ich muss in meinem letzten Leben wohl ein Hund gewesen sein.“ „Du weißt, dass das eigentlich nicht sein kann, weil du schon lange vor dem Entstehen der Hunderasse gelebt hast. Und du bist kein Mensch, sondern ein Sefira. Und jetzt beruhige dich besser mal. Ich bringe dich wieder nach Hause und dann kannst du dich erst mal schlafen legen.“ „Danke, Nakash. Du bist ein richtig toller Freund. Du bist immer so lieb zu mir. Warum konnte ich mich nicht in dich verlieben? Dann wäre es zumindest einfacher.“ Nakash gab darauf keine eindeutige Antwort. Es war nicht so, dass er gänzlich gegen das männliche Geschlecht abgeneigt wäre. Streng genommen waren alle Unvergänglichen geschlechtslos und deshalb hatten sie auch keinerlei Vorbehalte, was die Sexualität anging. Nakash hatte sich hauptsächlich deshalb für Frauen entschieden, weil sie seiner Meinung nach leichter zu haben waren. Und außerdem gab es eben mehr willige Frauen als schwule Männer in London. Aber Nabi war für ihn ein guter Freund und er wollte, dass es dabei blieb. Außerdem fürchtete er, dass Samajim ihm das übel nehmen würde, wenn er sich an Nabi heranmachte. Und außerdem sprach gerade nur der Alkohol aus seinem besten Freund und wenn er jetzt dieser indirekten Aufforderung nachkam, würde es für sie noch beide unangenehm werden. „Da spricht hauptsächlich der Alkohol aus dir, mein Freund. Na komm, ich fahr dich eben zurück, dann kannst du deinen Alkoholpegel zurücksetzen und bist morgen wieder fit wie ein Turnschuh.“ „Warum ärgert mich dieser alte Mann eigentlich immer? Bin ich vielleicht zu lieb zu ihm?“ „Nun, ich würde eher sagen, dass es bei euch beiden auf Gegenseitigkeit beruht, dass ihr euch gegenseitig das Leben schwer macht.“ Nakash setzte sich schließlich hinters Steuer und fuhr los. Es war schon vier Uhr morgens und so wie er Nabi kannte, würde sein nächster Tag wieder in zwei Stunden anfangen. Für Menschen auf Dauer unmöglich durchzuhalten, aber für Unvergängliche kein Problem. Streng genommen bräuchten sie eigentlich gar keinen Schlaf und sie taten es nur, weil es die Menschen taten und man sich eben anpasste. Und so bekam man die Zeit auch irgendwie gut rum. Manche machten es geschickt und schliefen manchmal bis zu Wochen oder Monaten und versuchten sich auf diese Weise die Zeit zu vertreiben. Andere wiederum hatten sich gut an das Leben der Menschen angepasst und fühlten sich hier auch auf eine gewisse Art und Weise wohl. Nakash gehörte zu der zweiten Sorte und auch wenn die Menschen in seinen Augen vielleicht kurzlebig und geistig ziemlich beschränkt in ihrem Denken und Vorstellungsvermögen waren, so fand er sie dennoch recht interessant. Und er musste auch zugeben, dass die Menschen schon gewisse Dinge hatten, die er in seiner Heimat vermissen würde. Die Musik, diese witzigen Geräte, die sie Computer oder Handys nannten und all die anderen Erfindungen, die in seinen Augen eher nettes Spielzeug waren. Genauso wie die Autos. Es erstaunte ihn immer wieder, wie kreativ die Menschen waren, um sich die Arbeit zu erleichtern, weil sie nicht die nötigen Fähigkeiten besaßen und sich selbst ein komfortables Leben schaffen wollten. Er pflegte dann ganz gerne zu sagen „Beschränkt und einfach mögen diese Menschen vielleicht sein, aber ihr Ideenreichtum ist nicht zu verleugnen.“ Es war erstaunlich, welchen Schöpfungsgeist sie an den Tag legten und immer wieder neue Mittel fanden, um sich das Leben einfacher zu machen und ihr Leben zu verlängern. Auch wenn es viele Gesetze, Anschauungen und Erfindungen gab, die er vielleicht nicht so wirklich als hilfreich ansah, so gab es auch wiederum Dinge, die er gar nicht mal so schlecht fand. Und wenn er offen und ehrlich war, hatte er sich an diese netten kleinen Menschenspielzeuge gewöhnt und würde diese in seiner Heimat wohl doch recht vermissen. Aus diesem Grund wollte er der Bequemlichkeit halber erst mal in der Menschenwelt bleiben. Außerdem brauchten die anderen Asylanten, die auch hier bleiben würden, den Pub als Treffpunkt. Und er konnte ja wohl Nabi schlecht alleine lassen. Der Ärmste brauchte doch jemanden, bei dem er sich ausheulen konnte. Als er schließlich das Pfarrhaus erreichte, stellte er den Wagen ab und brachte Nabi, der inzwischen eingeschlafen war, zur Haustür. Da der Ersatzschlüssel unter der Fußmatte lag, brauchte er nicht klingeln und darauf zu warten, dass Samajim aufmachen würde. Gleich schon als er den Flur betrat, kam Samajim gerade aus seinem Zimmer und warf Nakash einen etwas kühlen Blick zu. „Ich nehme ihn schon“, sagte der blondhaarige Pfarrer und somit überließ Nakash ihm den schlafenden Betrunkenen. „Er hat nur ein wenig zu viel getrunken, wie schon die letzten Male. Ich weiß, dass ich nicht in der Position bin, Euch einen Rat zu geben, aber Nabi hat Probleme und er braucht jemanden, der ein offenes Ohr hat.“ „Und natürlich bist du derjenige, der ihm zuhört und der ihn tröstet, nicht wahr, Nakash?“ „Ich bin sein bester Freund und das ist meine Aufgabe.“ Nakash wusste, dass Samajim nicht allzu gut auf ihn zu sprechen war und er ahnte auch schon, was es mit dieser Antipathie auf sich hatte. Er hatte ein gutes Gespür dafür, wenn andere eifersüchtig waren und es war ihm schon seit langem klar, dass da auch Samajim gewisse Gefühle für Nabi hegte. Aber noch war ihm nicht ganz klar, ob er sich darüber im Klaren war oder nicht. Fest stand für ihn jedenfalls, dass diese ganzen Spielchen mit Nabi dazu da waren, weil Samajim ihn bei sich haben wollte und zum anderen machte er das sicher zum Spaß, weil er Langeweile hatte. Fakt war ja, dass es nicht viel zu tun gab und in so einer Welt, in der alles so schnell starb, während man selbst weiterlebte. Da war Langeweile eben das größte Problem. Und so blieb es eben auch nicht aus, dass man eben auf die verrücktesten Ideen kam, um die Langeweile zu vertreiben. Tja und Nabi war eben Samajims Mittel, um etwas gegen die Langeweile zu tun. „Du hast Recht. Du bist nicht in der Position, um mir Ratschläge zu erteilen. Du kannst gehen, Nakash.“ Damit verabschiedete sich der Seraph mit einer kurzen Verbeugung und verließ das Haus. Als er die Tür schloss und den Schlüssel wieder zurücklegte, konnte er nicht anders, als zu schmunzeln. „Tja, das scheint ja noch richtig unterhaltsam zu werden“, murmelte er und ging wieder zu seinem Wagen zurück. Kapitel 3: Selbstzweifel ------------------------ Der Tag fing für Nabi wieder um 6 Uhr morgens an und nachdem er seinen Alkoholpegel komplett zurückgesetzt hatte, fühlte er sich auch wieder fit genug. Wie immer bereitete er das Frühstück vor und wartete geduldig, bis sein Meister um Punkt 8 Uhr aufstand. Dieser kam schlaftrunken hereingeschlurft und setzte sich zu ihm. Nabi goss ihm einen Kaffee ein und widmete sich schließlich der Zeitung. „Und?“ fragte Samajim schließlich, als er einen Schluck Kaffee getrunken hatte. „Hast du gestern ordentlich einen draufgemacht? Nakash hat dich gestern hier abgeliefert, weil du zu betrunken warst, um überhaupt wach zu bleiben.“ „Ich hab eben mit den anderen Asylanten gefeiert. Immerhin besteht für sie nach langer Zeit Hoffnung, endlich zurück nach Hause gehen zu können. Dass die Terrorherrschaft vorbei ist, stellt doch einen guten Grund zum Feiern dar.“ „Aha. Und sonst?“ „Sonst war da nichts“, erklärte Nabi knapp und stand auf. Er war unruhig und nervös. Irgendwie verstand er einfach nicht, worauf Samajim mit seinen Fragen hinaus wollte und was er damit bezweckte. Wollte er wissen, ob sein Diener sich vielleicht irgendwie anderweitig vergnügt hatte? Selbst wenn, dann würde es ihn doch rein gar nichts angehen. Und außerdem hatte Samajim selbst gesagt, er könne sich ruhig mal mit den Frauen vergnügen, weil ja eigentlich nichts dagegen sprach. Ob er mich vielleicht irgendwie testen will? Oder ist das schon wieder so eine Provokation von ihm? Nabi gingen diese Worte einfach nicht aus dem Kopf, die sein Meister ihm gesagt hatte. Und ihn ließ einfach die Frage nicht los, warum Samajim das gesagt hatte. Womöglich spielt er ja auch wieder seine Spielchen mit mir und will mich nur aus der Ruhe bringen. Zuzutrauen wäre es ihm ja alle Male. Egal wie sehr Nabi darüber nachgrübelte, er kam einfach auf keine befriedigende Antwort. „Hattest du schlechten Sex oder warum bist du so neben der Spur?“ „Haha, sehr witzig“, gab Nabi sarkastisch zurück und wollte das schmutzige Geschirr spülen, was er gestern nicht mehr geschafft hatte. „Nein, ich bin nur ein wenig mit den Gedanken woanders, das ist alles. Also Meister, habt Ihr irgendwelche Aufgaben für mich, die heute unbedingt erledigt werden müssen?“ „Äh ja. Du wolltest ja noch Twinkies einkaufen gehen und ich brauch wieder neue Hemden.“ „Ist gut. Dann erledige ich nach dem Einkauf direkt die Wäsche. Ach, bevor ich es vergesse: heute seid Ihr für die Grundschule in Greenwich eingeplant. Ihr sollt den Kindern da mehr etwas über Nächstenliebe und sozialem Engagement erklären.“ „Na super“, stöhnte Samajim, als er das hörte. „Als ob sich die kleinen Blagen in dem Alter für so etwas interessieren. Was soll ich denen denn beibringen? Die glauben ja noch daran, dass Babys von Störchen gebracht werden. Das ist doch schon eh traurig genug.“ „Ihr könnt ja wohl auch nicht im Ernst verlangen, dass kleine Kinder mit Pornos aufgeklärt werden. Wenn es nach Euch gehen würde, hättet Ihr das schon längst gemacht, wenn man Euch in Eurem Wahnsinn gewähren ließe.“ „Warum nicht? So braucht man nicht um den heißen Brei herumreden und anfangen, von Bienchen, Blümchen und was weiß ich noch zu reden. Ist mir eh ein Rätsel, wieso die Menschen so ein Problem damit haben und diese hirnverbrannten Metaphern benutzen müssen. Da versteht man doch beim besten Willen nicht, was sie damit sagen wollen.“ „Kann ja nicht jeder so freizügig sein.“ Doch Samajim gab nur ein verständnisloses „Pfft!“ von sich und begann nun selbst die Zeitung zu lesen, weil er wohl gerade nichts Besseres zu tun hatte. Dabei rauchte er wie immer genüsslich seine Zigarette. „Versteh mal einer dieses Völkchen. Vor dreihundert Jahren wurden die Frauen noch ausgepeitscht, wenn sie nicht keusch bis zur Ehe waren und heute rennen überall hochschwangere Teenies und halb nackte 13-jährige Mädchen, die sich wie Stripperinnen kleiden, durch die Gegend. In manchen Kulturen wird man schon als Kind verheiratet und woanders ist man immer noch so verklemmt. Wer soll denn da bitteschön durchblicken? Warum können die Menschen sich nicht mal auf eine einzige Sache einigen? Dann wüsste ich wenigstens, woran ich bei diesem Völkchen bin.“ „Das bringt es nun mal mit sich, wenn die Welt so groß ist und alle ihre eigene Kultur haben. Und jetzt kriegt Euch mal wieder ein und behaltet diese Gedanken mal besser für Euch. Sonst macht Ihr Euch noch unnötig Feinde. Die Kirche hatte wegen Euch schon genug Stress, weil die nämlich versucht, unsere wahre Identität zu verschleiern.“ „Mir doch egal. Die Menschen leben eh nicht lange.“ „Euch scheint aber auch alles egal zu sein. Und ich bleibe dabei: Ihr benehmt Euch anständig, wenn Ihr bei den Kindern seid und behaltet Eure Meinung für Euch.“ Hier sah Samajim kurz von seiner Zeitung auf und ein lauernder Blick ruhte auf Nabi, der sich wieder mal über die zynische Lebenseinstellung seines Meisters aufregte und immer noch mit dem Abwasch beschäftigt war. Eine Weile sagte er nichts, bis er dann fragte „Tja, da wird es wohl ziemlich einsam sein, wenn ich nicht da bin, oder?“ Ein lautes Scheppern ertönte und als Samajim aufblickte, bemerkte er, dass Nabi eine Tasse heruntergefallen war. Schnell setzte sein Diener den Schaden zurück und stellte die Tasse beiseite. „Wohl doch ein wenig neben der Spur, oder?“ „Entschuldigt, Meister. Heute ist wohl nicht ganz mein Tag. Ähm… was habt Ihr gerade gefragt? Ich hab nicht richtig zugehört.“ „Ich meine ja nur, dass es doch ziemlich einsam für dich sein muss, wenn ich nicht da bin, oder?“ „Wie kommt Ihr darauf? Ich hab doch sowieso genug zu tun, da bin ich eh den ganzen Tag beschäftigt. Und am Abend bin ich bei Nakash im Pub.“ „Schon wieder? Warum triffst du dich nicht mal mit dieser Patricia? Die schien ja richtig auf dich zu stehen. Wenn du willst, helfe ich dir dabei.“ Warum macht er das? Wieso ist es ihm so wichtig, dass ich mit jemandem zusammen komme? Nabi war vollkommen durcheinander und ließ versehentlich noch etwas Besteck fallen. Dass sich Samajim ja oft genug irgendwelche Gemeinheiten erlaubte, wusste er ja schon und das war auch nichts Neues. Er konnte damit hervorragend umgehen und es störte ihn auch nicht sonderlich. Aber diese Frauengeschichte beschäftigte ihn einfach und ließ ihn auch nicht los. Warum nur war es Samajim so wichtig, ihn zu verkuppeln? Ein schlimmer Verdacht kam den Sefira. Was, wenn er ahnt, was ich für ihn fühle und er mich deshalb verkuppeln will, weil er meine Gefühle nicht erwidern kann? Ja, das müsste doch eigentlich Sinn machen. Genau, er hegt keine Gefühle für mich und hofft auf diese Weise, dass ich mich in jemand anderes verlieben würde, damit das nicht unser gutes Verhältnis zueinander beeinträchtigt. Ja aber wie habe ich mich denn verraten? Ich hab doch immer aufgepasst, dass ich mir nichts anmerken lasse und er keinen Verdacht schöpft. In seiner Gegenwart verhalte ich mich schon seit Ewigkeiten immer gleich und da kann er doch eigentlich nichts gemerkt haben. Ob ich vielleicht mal in meinem Suff zu viel ausgeplaudert habe? Nabi wurde schlecht bei dem Gedanken, dass ihm das vielleicht mal passiert sein könnte. Nicht auszudenken, wenn er Samajim in diesem Zustand seine wahren Gefühle gestanden hatte. Und das Dumme war: er konnte ihn auch nicht darauf ansprechen. Wenn er das tat, dann war es raus und das wollte er auch nicht. In seinem Kopf herrschte ein unvorstellbares Chaos und er wusste einfach nicht, was er tun sollte. So verunsichert war er zuletzt gewesen, als er in Samajims Dienste getreten war. „Ach, bevor ich es noch vergesse“, sagte Samajim schließlich und unterbrach Nabis Gedanken. „Eva kommt zu Besuch vorbei. Da ihr Bruder mit seinem Liebsten in Japan ist, wollte sie die Zeit nutzen, um mal wieder hallo zu sagen.“ Aber irgendwie bekam Nabi diese Worte nicht ganz mit und hörte nur am Rande zu. Er konnte diese ganzen Gedanken einfach nicht abschalten und geriet in immer stärkere Selbstzweifel. „Meister“, begann er schließlich und räumte die gespülten Teller und Tassen weg. „Nur mal aus reiner Neugier: hab ich irgendwann mal was gesagt, als ich betrunken war?“ „Oh ja. Erst letztens hast du geheult wie ein kleines Mädchen und gefragt, warum du keine Brüste hast.“ „Na super“, seufzte Nabi. „Und Ihr habt Euch mal wieder köstlich amüsiert, alles aufgenommen und dann auf Youtube hochgeladen, oder wie? Ach nein, das geht ja zum Glück nicht. Ihr wisst ja nicht mal, wie man ein Handy vernünftig bedient.“ „Von was für einer Tube sprichst du?“ „Youtube.“ „Und was ist das bitteschön? Wieder so ein Schwachsinn wie dieses Fratzenbuch oder dieses Zwitterding?“ „Facebook und Twitter“, korrigierte Nabi und begann nun damit, den Tisch abzuräumen, als Samajim mit dem Frühstück fertig war. „Nein, Youtube ist kein soziales Netzwerk in dem Sinne. Das ist ne Seite, wo Videos hochgeladen werden. Viele Menschen filmen alles Mögliche und stellen das dann online, damit die ganze Welt es sehen kann. Wenn Ihr Euch mal auf dem neuesten Stand halten und Euch mehr mit der Technik der Menschen beschäftigen würdet, dann wüsstet Ihr das auch.“ „Die haben aber auch keine besseren Hobbys, die Menschen.“ „Das sagt gerade der Richtige.“ Schließlich, als Nabi in der Küche fertig war, zog er seine Jacke an und machte sich auf den Weg, um die Twinkies einzukaufen. Das waren die Lieblingssnacks von Samajim und wenn er seine heiß geliebten Twinkies nicht bekam, dann wurde er schnell unausstehlich und ließ sich nur noch größere Gemeinheiten einfallen. Und da ihn niemand so erleben wollte, beeilte er sich lieber, bevor das Donnerwetter losbrechen konnte. Er fuhr mit dem Fahrrad zu dem kleinen Supermarkt, der auch amerikanische Waren anbot. Es war ein angenehm warmer Tag heute und die Sonne schien hell über Greenwich. Eigentlich das perfekte Gute-Laune-Wetter, aber er war immer noch mit seinem Gedanken bei diesem einen Thema und fand einfach keine Ruhe. Im Supermarkt angekommen, begrüßte ihn sogleich Nancy Anderson, die die Regale einräumte und zu den regelmäßigen Besuchern von St. Michael zählte. Sie war ein hübsches schwarzhaariges Mädchen mit dunklen Augen, allerdings trug sie etwas zu viel Make-up, was dieses Bild auch wieder etwas zerstörte. Nachdem ihre Mutter bei einem Autounfall verunglückt war, ging sie regelmäßig zu den Messen und sie schien auch ein gewisses Interesse an Nabi zu haben. Sehr zu seinem Leidwesen, weil sie ein wirklich liebes Mädchen war und er ein schlechtes Gewissen ihr gegenüber hatte, weil er ihre Gefühle nicht erwidern konnte. Nakash hatte eben Recht, als er sagte, sein bester Freund sei ein wenig zu gut für diese Welt. „Hallo Nathaniel“, grüßte ihn die 19-jährige und kam zu ihm hin. „Wie geht es dir denn so?“ „Ganz gut“, sagte er und wich etwas verlegen ihrem Blick aus. „Ich hab viel zu tun, weil der Reverend mich ganz schön auf Trab hält. Und wie geht es dir und deinem Vater?“ „Ganz gut. Die Selbsthilfegruppe, die Reverend Kings uns angeboten hat, hat uns beiden echt geholfen und inzwischen trifft mein Vater sich auch wieder mit anderen Frauen. Aber sag mal, hast du vielleicht morgen Abend mal Zeit? Wir könnten zusammen was trinken gehen.“ Das waren Momente, die Nabi hasste. Er wusste ja, dass er viel zu nett war und niemandem das Herz brechen wollte. Aber was blieb ihm denn anderes übrig? Nancy falsche Hoffnungen zu machen, war ja auch nicht in Ordnung und widersprach auch seinen persönlichen Prinzipien. „Nancy“, sagte er schließlich und atmete tief durch. „Das ist wirklich lieb von dir und es freut mich ja auch sehr, dass du dich mit mir treffen willst. Aber… ich denke, das sollten wir nicht tun. Du bist wirklich ein nettes Mädchen und du verdienst es, glücklich zu werden. Aber ich bin nicht der Richtige. Ich kann dir nicht das geben, was du dir erhoffst und ich will dir da auch keine falschen Hoffnungen machen. Es tut mir leid.“ Schweigend sah ihn die 19-jährige an und die Enttäuschung war bei ihr kaum zu übersehen. Schließlich aber nickte sie und wandte niedergeschlagen den Blick ab. „Das ist echt gemein. All die netten Typen sind immer vergeben. Du bist immer so nett und selbst jetzt willst du mir nicht wehtun. Deine Freundin muss wirklich großes Glück haben, oder?“ „Wenn ich eine hätte, dann vielleicht. Aber ich glaube, du hast auch ein falsches Bild von mir. Ich mag zwar jetzt nett wirken, aber im Grunde bin ich sarkastisch, schlagfertig und streite mich auch gerne. Und ich glaube, das will sich keiner freiwillig antun.“ „Sag so etwas nicht. Du bist ein toller Kerl.“ Nabi verabschiedete sich von Nancy und wünschte ihr viel Glück bei der Suche nach einem Freund, der ihr die Liebe geben konnte, die sie sich wünschte. Schließlich ging er zu den Regalen mit den amerikanischen Artikeln und fand sogleich auch die Twinkies. Neben denen kaufte er noch ein paar andere Sachen ein, die sie dringend brauchten und fuhr nach dem Einkauf wieder zurück nach Hause. Kaum aber, dass er sein Fahrrad abstellte, hörte er einen lauten Knall. Dieses Geräusch kannte er nur zu gut, doch er hoffte, dass er sich vielleicht doch irrte. Nachdem er die Einkäufe in die Küche gebracht hatte, eilte er in Richtung Glockenturm und stieg die Stufen hinauf. Tatsächlich sah er dort Samajim mit der Pumpgun stehen, der mal wieder auf die Tauben zielte, die sich im Dachgebälk breit machten. „Scheiß Viecher!“ rief er und schoss erneut, wobei er natürlich keinen einzigen Vogel traf und stattdessen nur das Dach erwischte. Nabi fielen fast die Augen raus und bevor Samajim erneut schießen konnte, riss er ihm das Gewehr aus der Hand. „Seid Ihr jetzt völlig bekloppt geworden, Meister? Ich dachte, ich hätte Euer Waffenarsenal im Keller eingeschlossen.“ „Hab das Schloss aufgebrochen.“ „Seid Ihr des Wahnsinns? Ich habe Euch schon oft genug gesagt, es wird nicht auf die Tauben geschossen. Manchmal habe ich echt das Gefühl, ich hätte es hier mit einem Kleinkind zu tun. Und so langsam kommt mir auch der Verdacht auf, Ihr macht das nur, um mich zu ärgern. Und überhaupt: Ihr müsst jetzt los zur Grundschule! Die Kinder warten schon und Ihr werdet Euch noch verspäten. Also Abmarsch jetzt und ich werde erst mal zusehen, dass ich wieder das Dach repariert kriege.“ „Ist ja schon gut. Mann, bist du heute schlecht gelaunt.“ „Was Ihr nicht sagt. Ich habe vorhin im Supermarkt von Nancy Anderson ein Liebesgeständnis gekriegt und musste sie zurückweisen und da fühl ich mich schon beschissen genug.“ Sie gingen die Stufen hinunter und kehrten ins Pfarrhaus zurück. Nabi brachte die Pumpgun wieder in den Keller und begann nun in der Küche die Einkäufe auszuräumen. Sogleich zündete sich Samajim eine Zigarette an und lehnte sich gegen den Herd. „Warum hast du sie abgewiesen?“ „Na weil ich keine Gefühle für sie habe.“ „Ach Nabi, du bist einfach zu gut für diese Welt.“ „Das meinte Nakash auch schon… Aber davon kann ich mir auch nichts kaufen. Und jetzt macht Euch besser auf den Weg, wenn Ihr nicht zu spät kommen wollt.“ „Ich sag einfach, ich hätte einen Teufel aus einem kleinen 12-jährigen Mädchen austreiben müssen. Das hat vor 400 Jahren schon super funktioniert.“ „Vor 400 Jahren vielleicht, aber heutzutage kauft man Euch so eine bescheuerte Entschuldigung ganz sicher nicht mehr ab. Und das mit dem Mädchen habt Ihr doch nur aus dem Horrorfilm, den wir uns letztens angesehen haben. Eure Ausreden waren auch schon mal besser gewesen.“ Damit verabschiedete sich Samajim und so war Nabi alleine. Erleichtert atmete dieser auf. Na hoffentlich komme ich jetzt endlich mal auf andere Gedanken, dachte er und räumte die Einkäufe ein. Aber daraus wurde leider nichts, denn Samajims Worte gingen ihm einfach beim besten Willen nicht aus dem Kopf. Es verunsicherte ihn völlig, dass sein Meister so ein großes Interesse daran hatte, dass er an die Frau kam und ihn sogar mit Patricia verkuppeln wollte. Nun gut, Samajim war furchtbar neugierig, aber das hatte Nabi bis jetzt noch nie so sehr durcheinander gebracht. Es war einfach diese Verunsicherung und die quälende Frage, was er tun sollte. Wusste Samajim Bescheid oder nicht? Warum kam er ständig auf dieses eine Thema zurück und wie sollte man das denn bitteschön interpretieren? Nabi seufzte geschlagen und ging zum Keller, um den Werkzeuggürtel, sowie Hammer, Nägel, Schindeln und andere Sachen zu holen, die er zur Dachreparatur benötigte. Über das Fenster im Kirchturm konnte er mit Leichtigkeit aufs Dach und mit der Arbeit beginnen. Zugegeben, ein einfacher Mensch hätte das vielleicht nicht so einfach geschafft, aber dafür konnte man als Unvergänglicher ja tricksen. Den Asylanten war es verboten, Sefira-Waffen zu besitzen oder ihre Kräfte für etwas anderes als zur Wundheilung und der Erhaltung ihres Wirtskörpers zu benutzen, aber Nabi hatte von Samajim die Erlaubnis bekommen, für riskantere Reparaturarbeiten seine Kräfte auch anders einzusetzen. So brauchte er keine Leiter oder andere Hilfsmittel, um nach oben zu gelangen. Und ebenso wenig sicherte er sich ab. Selbst seinen Sturz konnte er einfach abbremsen, wenn er wollte. Das sparte Zeit und machte das Ganze auch viel einfacher. Nabi begann nun damit, die kaputten Schindeln zu lösen und die neuen festzunageln. Zum Glück waren keine schwereren Schäden entstanden, die jetzt länger als nötig dauerten. Nach und nach wurde ein Loch nach dem anderen repariert und als nur noch ein Loch übrig war, gönnte sich Nabi eine kurze Pause und setzte sich hin. Er nahm einen Schluck aus einer Wasserflasche und betrachtete die Aussicht vom Kirchturm aus. Das machte er oft gerne, wenn er nachdenken wollte. Es verlieh ihm ein gewisses Gefühl der Freiheit und als könne er sich wenigstens für einen Moment lang von seinen ganzen Sorgen und Gedanken befreien. Er musste daran denken, was die Asylanten gestern im Pub gesagt hatten, was seine Loyalität zu Samajim anging. Nun, Nabi hatte es ja auch schon gemerkt, dass er nicht den gleichen Freiheitsdrang wie die anderen hatte. Er fühlte sich wohl in seiner Rolle, jemandem zu dienen, weil es ihm auch das Gefühl gab, gebraucht zu werden. Er hatte eine Aufgabe und auch wenn es manchmal anstrengend mit Samajim war, so fühlte er sich wohl bei ihm. Denn obwohl er sich oft die eine oder andere Provokation und Frechheit anhören musste, so zeigte Samajim ihm auch, dass er ihn respektierte und ihn auch nicht als Verbrecher oder als irgendeinen austauschbaren Sklaven ansah, den er wie Dreck behandeln konnte. Noch nie war Nabi geschlagen oder ernsthaft beleidigt worden. Samajim hatte ihn auch nie von oben herab behandelt oder ihm das Gefühl gegeben, er wäre minderwertig. Stattdessen gingen sie miteinander wie Gleichberechtigte um und Samajim hatte ihm auch nicht ein einziges Mal so etwas gesagt wie, dass er nur ein Diener sei. Stattdessen ließ er sich bereitwillig ausschimpfen und diese ganzen „Erziehungsversuche“ über sich ergehen, ohne dass er ein Mal böse deswegen wurde. Warum also war das so, wenn Samajim doch gar kein Interesse an ihm hatte und ihn stattdessen mit Patricia verkuppeln wollte? Nabi konnte sich das einfach nicht erklären. Nakash sagte ja auch schon, dass er mal endlich für klare Verhältnisse schaffen sollte, aber Nabi hatte einfach zu große Angst davor, dass Meister und Lebensretter ihn zurückweisen könnte. Diese Bemerkung gestern, dass er sich auch mal mit den Frauen vergnügen könnte, war doch eindeutig ein Zeichen dafür, dass diese Gefühle einseitig waren. Ebenso wie der Vorschlag, ihm dabei zu helfen, mit Patricia zusammenzukommen. Oder war es nur einer von diesen dummen Scherzen gewesen, die Samajim nicht ernst meinte? Er wusste einfach nicht weiter. Mit einem lauten Seufzer stand Nabi auf und reparierte auch das letzte Loch im Dach. Dann wollte er eigentlich wieder vom Dach runter, doch da er so mit seinen Gedanken woanders war, merkte er gar nicht, wie er abrutschte und hinunterstürzte. Er konnte nicht schnell genug reagieren, um den Sturz abzubremsen. Es geschah alles viel zu plötzlich, als dass er seine Gedanken rechtzeitig wieder zusammen bekam. Hart schlug er auf dem Boden auf und verlor sogleich das Bewusstsein. Kapitel 4: Kleine (ungesunde) Marotten -------------------------------------- Das Erste, was Nabi spürte, als er wieder aufwachte, war Erschöpfung. Ihm war schwindelig und sein Kopf schmerzte ein wenig. Na super, dachte er und setzte sich auf. So blöd kann ich doch nicht wirklich sein, dass ich vom Dach falle und nicht mal den Sturz abbremse. Daran ist auch nur Samajim Schuld. Dieser blöde alte Mann… Nur wegen ihm bin ich so aus der Konzentration geraten. „Hey Nabi, wieder unter den Lebenden?“ Er blickte in zwei tiefblaue Augen, deren linke Iris von einem goldenen Ring eingerahmt war. Augen, die so blau wie das Meer waren und etwas Warmherziges und Verträumtes in sich bargen. Evas Augen. Als er sich umsah, erkannte er, dass er in seinem Bett lag und wieder im Pfarrhaus war. Dann musste Eva ihn also gefunden und seine Verletzungen zurückgesetzt haben. Na zum Glück war es nicht Samajim gewesen… Das wäre zu peinlich geworden. „Ja, alles in Ordnung. Sorry, wenn ich dir einen Schreck eingejagt habe. Ich bin etwas unachtsam gewesen, als ich das Dach repariert habe.“ Doch Eva ahnte schon etwas und sah ihn prüfend an. Etwas Aufgewecktes lag in ihren Augen und erinnerte sehr an den von Frederica. Seit die Finsternis aus ihrem Herzen verschwunden war, war auch diese Traurigkeit in ihrem Blick verschwunden. Stattdessen war dieses Warmherzige und Liebevolle wieder in ihre Augen zurückgekehrt. Sie legte eine Hand auf seine und sah ihn fest an. „Nabi, so ein Unfall ist doch untypisch für dich. Normalerweise passiert dir so etwas nicht. Irgendetwas beschäftigt dich doch, oder? Ich meine, du bist normalerweise nicht so ungeschickt. Außerdem sehe ich dir doch an, dass dir was auf dem Herzen liegt.“ Nabi stand auf und ging in die Küche. Bevor er nämlich zu erzählen begann, was los war, wollte er wenigstens einen Kaffee vorbereiten. Immerhin war Eva ja Gast. Als er sie fragte, winkte sie nur lächelnd ab und erklärte „Mach dir wegen mir keine Umstände“, aber er bestand darauf, woraufhin sie schließlich doch nachgab. Sie setzten sich ins Wohnzimmer und nachdem Nabi ihr den Kaffee serviert hatte, setzte er sich zu ihr und Eva wiederholte ihre Frage. „Also erzähl schon, Nabi. Was ist los mit dir?“ „Ach es ist nur so, dass…“ Er zögerte unsicher, aber Eva ermutigte ihn und so sprach der Sefira mit der androgynen Erscheinung weiter. „Du weißt ja, wie ich für Meister Samajim fühle. Und irgendwie hab ich das Gefühl, nicht mehr weiterzuwissen. Ich bin völlig verunsichert.“ „Und wieso bist du verunsichert?“ „Er hat mir angeboten, mich mit einer dieser Menschenfrauen zu verkuppeln, die in mich verliebt ist. Und irgendwie lässt mir das keine Ruhe. Vielleicht sind es ja nur seine üblichen Scherze und Sticheleien, aber vielleicht hat er ja was gemerkt, weil ich eventuell etwas ausgeplaudert habe, als ich betrunken war. Ich hab Angst, dass er weiß, dass ich in ihn verliebt bin.“ Eva nickte verständnisvoll und gab etwas Milch und Zucker in ihren Kaffee. Sie wusste, dass Samajim sein Spielchen mit Nabi trieb, allerdings hatte sie keine Ahnung, was sich ihr alter Freund und Mentor dabei dachte und wozu er das alles machte. Aber sie ahnte, dass er ein bestimmtes Ziel verfolgte. Sonst würde er das alles ja kaum machen. „Und wenn du einfach mal mit ihm redest und ihm deine Gefühle gestehst? Samajim wird dir doch nicht den Kopf abreißen. Für deine Gefühle kannst du ja nichts.“ Doch Nabi schüttelte nur den Kopf und senkte niedergeschlagen den Blick. „Ich kann das nicht und ich hab dir doch schon erklärt, wieso ich das nicht kann. Ich bin nur ein Diener, ein untergeordneter Sefira, der vom schlimmsten Feind der großen Alten erschaffen wurde. Meister Samajim hat mir das Leben gerettet und behandelt mich trotz unserer Zankereien gut und gibt mir das Gefühl, dass ich nicht irgendein austauschbarer Fußabtreter bin, so wie man es vielleicht von Miswa oder Rakshasa gewohnt ist. So wie ich erfahren habe, überleben deren Diener ja ohnehin nicht lang. Ich hab echtes Glück, dass Meister Samajim sich so gut um mich kümmert, da bin ich einfach nicht in der Position, um solche Gefühle für ihn zu hegen. Er lässt sich ja einiges von mir gefallen, aber… ich… ich habe Angst, dass ich endgültig die Grenze überschreite, wenn er von meinen Gefühlen erfährt und sich an unserem guten Verhältnis etwas ändern könnte. Wir reden sehr offen miteinander und wenn er erfährt, dass ich ihn liebe und er nicht dasselbe für mich fühlt, dann wird es noch in einer einzigen Katastrophe enden und das will ich auch nicht. Scheiße, warum nur musste ich mich ausgerechnet in ihn verlieben? Aber damals hab ich ja noch nicht gewusst, dass ich später zu seinem Diener werde.“ Eva nickte verständnisvoll und begann nun zu überlegen, was sie denn tun könnte. Für sie stand fest, dass Nabi definitiv Hilfe brauchte. „Nabi, so kann das doch nicht weitergehen. Ich kann doch auch nicht mit ansehen, wie du unter der Situation leidest. Wie wäre es, wenn ich mal mit Samajim spreche? Ich verspreche dir, dass ich dein Geheimnis für mich behalte und nichts sage. Ich werde ihn ganz unverfänglich fragen und klären, wieso er sich so merkwürdig verhält. Vielleicht kann ich da etwas mehr Klarheit in die Angelegenheit bringen.“ Nabi zögerte noch und war sich nicht sicher, ob das wirklich so eine gute Idee war. Schließlich aber gab er sich geschlagen und nickte. „Okay. Aber bitte sag Meister Samajim nichts von meinen Gefühlen, ja?“ „Das werde ich schon nicht“, konnte ihn die Weißhaarige beruhigen. „Keine Bange. Ich weiß schon, wie ich das mache.“ „Danke, Eva. Aber sag mal, wie geht es dir und den anderen eigentlich? Seit ihr alle abgereist seid, haben wir ja nicht mehr sonderlich viel von euch gehört.“ Bei dieser Frage konnte sich Eva ein amüsiertes Schmunzeln nicht verkneifen. Sie erzählte von Liams und Jeremiels gemeinsame Reise nach Japan und wie sie in einer mehr als ungünstigen Situation von L und Beyond erwischt wurden, die dieselbe heiße Quelle besucht hatten. Auch Nabi konnte sich das Lachen nicht verkneifen und wollte natürlich sofort wissen, was dann passiert war. „Naja, so wie ich erfahren habe, bleiben sie dennoch im selben Hotel. Allerdings gehen sie sich erst mal aus dem Weg. Nun, ansonsten gibt es nicht viel Neues. Dathan und Nastasja wollen sich wohl auch demnächst verloben und bei Jeremiel und Liam steht ja auch schon das Thema Hochzeit im Raum. Du glaubst nicht, wie überglücklich mein Bruder war, als Jeremiel ihn gefragt hat, ob sie heiraten wollen. Normalerweise ist Liam ja überhaupt nicht der emotionale Typ, aber da hatte er richtig Tränen in den Augen gehabt.“ Hier versuchte sich Nabi vorzustellen, wie Liam wohl in dem Zustand aussah. Aber das wollte ihm beim besten Willen nicht gelingen. Liam vergoss niemals Tränen, nicht mal beim Zwiebelschneiden. Da würde eher der Fall eintreten, dass Liam noch die Zwiebel zum Heulen bringt. Aber andererseits… Es war ja kein Geheimnis, dass Liam absolut fixiert auf Jeremiel war und ihn abgöttisch liebte. „Ich kann mir vorstellen, dass Delta die Hochzeit planen will, oder?“ „Das auf jeden Fall. Er ist mit vollem Eifer dabei und kann an nichts anderes mehr denken. Er ist ja der absolute leidenschaftliche Romantiker.“ „Stehst du mit deiner Familie eigentlich schon im Kontakt?“ „Ja. Ich komm ab und zu mal die anderen besuchen und leiste auch Frederica Gesellschaft, die ja momentan recht alleine ist, solange L und Beyond noch auf Reisen sind. Momentan unterstütze ich Rumiko zusammen mit Frederica mit den Kindern, aber ehrlich gesagt suche ich immer noch so ein bisschen. Ich hab irgendwie das Gefühl, als müsse ich noch nach dem Ort suchen, wo ich wirklich hingehöre und das ist nicht gerade einfach. Außerdem ist die Umgewöhnung an die neue Situation schwer für mich. Immerhin haben Liam und ich uns endlich ausgesprochen und ich muss keine Angst mehr um seine Sicherheit haben. Nachdem auch die Verschwörung restlos aufgeklärt wurde und die Drahtzieher allesamt verurteilt worden sind, wird es auch viele Begnadigungen geben. So wie es aussieht, wird auch mein Bruder begnadigt und Samajim muss ihn nicht mehr bewachen. Und auch die Asylanten werden bald nach Hause zurückkehren.“ „Naja, ein paar wollen noch bleiben. Nakash zum Beispiel.“ Eva stellte nun ihre Tasse ab, nachdem sie ihren Kaffee ausgetrunken hatte und mit einem prüfenden Blick betrachtete sie Nabi, so als versuche sie zu erkennen, was wohl in seinem Kopf vor sich ging. Und schließlich stellte sie auch die Frage, von er schon fast befürchtet hatte, dass sie sie stellen würde. „Und du? Würdest du auch gerne wieder nach Hause zurückkehren und frei sein?“ Unsicher zuckte er mit den Achseln und erklärte schließlich „Mein Zuhause ist bei Meister Samajim. Ich meine… ich hab sonst keinen Ort, wo ich hingehen kann. Ich war nie wirklich alleine, weil ich zuerst meinem alten Meister gedient habe und dann bin ich in Meister Samajims Diene getreten. Aber ich finde das nicht schlimm. Ich fühl mich wohl mit diesem Leben, aber irgendwie versteht das niemand, weil alle Asylanten sich nach der absoluten Freiheit sehnen.“ „Also ich kann dich gut verstehen, Nabi. Die einen fühlen sich wohl, wenn sie frei und unabhängig sind, die anderen fühlen sich wohl, wenn sie jemanden haben, der ihnen die Richtung vorgibt. So ungewöhnlich ist das nicht. Es zählt doch nur, dass du glücklich bist, aber… das scheint ja momentan nicht ganz der Fall zu sein, da du ja mit Samajim deine Schwierigkeiten hast. Sag mal, wo ist er denn eigentlich? Schläft er?“ „Nein, er ist in der Grundschule, um den Kindern was beizubringen. Aber… wenn ich so auf die Uhr sehe… dann ist er eigentlich bald wieder zurück. Am besten beeile ich mich schon mal mit dem Mittagessen, danach wasche ich die Wäsche und…“ Doch da unterbrach Eva ihn auch sogleich, indem sie eine Hand hob. „Warum teilen wir uns nicht die Arbeit? Dann geht es schneller. Du machst eben die Wäsche und ich koche was. Und wag es ja nicht, dieses Angebot abzulehnen. Immerhin schulde ich euch beiden so einiges für das, was ihr für mich und meine Familie getan habt.“ Da Eva in solchen Sachen eindeutig den längeren Atem hatte, willigte Nabi ein und ging mit dem Korb Schmutzwäsche nach unten. Als er nach dem Sortieren der Wäsche die erste Fuhre in die Maschine befördern wollte, hielt er eines von Samajims Hemden in den Händen. Tief sog er den Geruch ein, der an dem Stoff haftete. Der Geruch der Zigaretten, die Samajim ständig rauchte und des Aftershaves, das er benutzte. Wieder hörte er im Hinterkopf die Worte seines Freundes Nakash, als er ihm eher versehentlich hiervon erzählt hatte und wie dieser wie schon so oft gesagt hatte „Ach Nabi, das ist doch wirklich langsam traurig, was du da machst. Findest du nicht?“ Natürlich ist das traurig und vor allem erbärmlich. Ich mutier hier langsam zu einer hemdenschnüffelnden Obernanny, die sich morgens in der Dusche einen runterholt, weil sie weiß der Henker nach dem wievielten Sextraum mit einer Morgenlatte aufwachen musste. Super, mein Leben hat einen neuen Tiefpunkt erreicht. Jippieh… als wäre es nicht schon beschissen genug. Nabi wusste, dass das hier eigentlich doch echt erbärmlich war. Aber er konnte auch nicht anders. Sein Wunsch, Samajim nah zu sein und ihm zu zeigen, wie sehr er ihn liebte, würde für immer in unerreichbarer Ferne bleiben, so sah die Realität nun mal aus. Stattdessen würde es so weiterlaufen wie bisher und er konnte den letzten Rest seiner Selbstachtung endgültig begraben, die er sich noch hatte bewahren können. Eigentlich war es ein Wunder, dass er sich noch selbst im Spiegel ansehen konnte. Plötzlich riss ihn ein Klingeln in seiner Hosentasche aus seinen Gedanken. Anscheinend bekam er einen Anruf auf seinem Handy und als er auf das Display sah, erkannte er, dass es Nakash war. Was wollte der denn? Sofort ging Nabi ran. „Hey, was gibt’s?“ „Ich wollte mal hören, ob bei dir alles in Ordnung ist. Sag mal, was machst du gerade?“ „Na was wohl? Die Wäsche eben.“ „Oh, ich sehe schon was los ist… Nabi, jetzt mal im Ernst. Wie lange willst du diesen Unsinn noch machen? Wohin soll das noch ausarten? Als nächstes benutzt du noch heimlich seine Zahnbürste.“ Ein kurzes Schweigen herrschte und obwohl Nabi wusste, dass Nakash ihn übers Telefon nicht sehen konnte, senkte er dennoch beschämt den Blick und seufzte niedergeschlagen. „Ich weiß, ich bin das Letzte“, jammerte er und stellte die Waschmaschine an. „Und ich weiß doch selbst, dass das so nicht weitergehen kann.“ „Nicht weitergehen ist gut, Mann. Was willst du denn noch machen? Anfangen, seine Sachen zu horten, nur damit du wenigstens etwas von ihm für dich hast? Nabi, du sollest dir wenigstens ein kleines bisschen deiner Selbstachtung bewahren und mit diesem Blödsinn endlich aufhören. Hey, wieso kommst du nicht heute Abend wieder in der Bar vorbei und wir reden mal vernünftig miteinander? Vielleicht finden wir ja eine gemeinsame Lösung für dein Problem.“ „Das ist nett. Ich schau mal, wie viel ich heute noch zu tun kriege. Immerhin ist Eva auch noch zu Besuch. Ist sonst noch etwas, oder rufst du einfach nur so an?“ „Ich war nur besorgt. Auf einmal hatte ich da so ein Gefühl, als wäre was passiert und da hab ich mir Sorgen um dich gemacht.“ „Ach, das ist nichts Ernstes gewesen. Nur ein kleiner Unfall während der Dachreparatur.“ „Hat die alte Kalkleiste etwas schon wieder versucht, mit Kanonen auf Spatzen zu schießen? Ernsthaft, so langsam hab ich das Gefühl, der Alte hat den Schuss nicht gehört…“ Nabi versprach, wieder in der Bar vorbeizuschauen und legte auf. Dass Nakash sich Sorgen machte, war ja schön und gut und dass das mit der Dusche oder dem Hemd eigentlich echt traurig war, wusste er. Er bekam es ja oft genug zu hören und er würde es ja auch selber gerne abstellen, aber das war nun mal nicht so einfach. Ständig hatte er Samajim um sich herum und dennoch blieb dieser einfach unerreichbar für ihn. Und solange sie aufeinanderhockten, würden auch diese ganzen Träume nicht weggehen und solange würde sein anderes Problem auch noch bestehen. Ach verdammt, dachte Nabi und hatte immer noch das Hemd in der Hand. Ich werde wohl den Rest meiner Tage damit verbringen, an seiner Wäsche zu riechen, mir gut jeden Morgen in der Dusche einen runterzuholen und dann auch noch heimlich seine Zahnbürste auszutauschen und dann an seiner alten herumzukauen. Mal ernsthaft. Wenn ich nicht sein Diener wäre und sowieso schon bei ihm wohnen würde, dann wäre ich mit Sicherheit ein durchgeknallter Stalker geworden. Inzwischen hatten Nabis Marotten ja ein Maß angenommen, welches man noch unmöglich als gesund bezeichnen konnte. Manchmal hob er sogar die Handtücher auf, die Samajim nach dem Duschen benutzt hatte und wenn sich nicht endlich etwas tat, dann würde es nicht mehr lange dauern, bis er sogar noch Samajims benutztes Besteck aufbewahrte. Wenn das nicht krank war, dann gute Nacht. Gut, dass Nakash solche Sachen für sich behielt, sonst würden sich die anderen Asylanten noch über ihn lustig machen. Immerhin besaßen die Sefirot und Seraphim genug Stolz und Würde, um nicht einmal an so etwas zu denken. Aber Nabi hatte das auch nicht abhalten können. Oh Mann, dachte er und seufzte. Ich muss echt Notstand haben, wenn ich hier solch abartige Dinge tue. Bei mir ist das ja schon fast zwanghaft, könnte man meinen. Offenbar hatte Nakash Recht: ich bin wie ein kleines Hündchen und selbst die haben mehr Selbstachtung… Die Liebe ist manchmal echt eine Bitch, da haben die Menschen mal ausnahmsweise Recht. „Hey Nabi, was machst du da?“ Als er Samajims Stimme hörte, erschrak er fast und bemerkte mit Entsetzen, dass er immer noch das Hemd in der Hand hielt. Scheiße, hoffentlich hat er mich jetzt nicht dabei erwischt, wie ich an seinen Hemden herumschnüffle. Da kann ich mir gleich das nächste Erdloch suchen, in das ich mich verkriechen kann. Doch zum Glück konnte er sich zusammenreißen und erklärte „Ich mach gerade die Wäsche. Wenn Eure Hemden fertig sind, hänge ich sie auf. Ähm… die Löcher im Dach sind auch repariert und Eva ist auch schon da. Sie hat sich die Freiheit genommen, etwas zu kochen. Und wie war es bei den Kindern?“ „Ach hör mir mit denen auf. Es ist mir ein Rätsel, wie Menschen nur so etwas freiwillig in die Welt setzen. Sie schreien, sie machen Chaos und ich wette mir dir, dass drei von denen nicht mal stubenrein waren. Die ganze Zeit haben sie mich mit Fragen genervt und ich durfte noch nicht mal rauchen. Furchtbar…“ Damit zündete sich Samajim sogleich eine Zigarette an, aber so wie Nabi ihn kannte, hatte er schon kurz davor bereits eine gehabt. Der androgyne Schwarzhaarige legte das Hemd weg und ging zusammen mit Samajim wieder hoch nach oben und sogleich hatte der Pfarrer auch schon einen Auftrag für ihn. „Sei so nett und bring das mal eben zur Post für mich. Das hab ich völlig vergessen.“ Damit drückte er ihm einen Umschlag in die Hand und sogleich machte sich Nabi auf den Weg. Samajim seinerseits ging in die Küche und begrüßte Eva mit einer freundschaftlichen Umarmung. „Du siehst gut aus, Eva. Das blühende Leben im Gegensatz zu vorher“, bemerkte er, als er sie so musterte. „Dankeschön. Mir geht es auch wirklich wunderbar und meiner Familie könnte es auch kaum besser gehen. Und wie steht es bei dir und Nabi?“ „Nun, ich bin immer noch mit meinem kleinen Spielchen dran, aber es wird wohl noch etwas dauern, bis ich ihn endlich soweit habe. Das Kerlchen ist hartnäckiger als gedacht.“ Eva schüttelte den Kopf, als sie das hörte und hatte nicht sonderlich viel Verständnis für Samajims Spielchen. Naja, für ihn war es auch ein Mittel, um die Langeweile zu vertreiben, die das Leben in der Menschenwelt so manchmal mit sich brachte. „Hast du überhaupt eine Ahnung, wie es Nabi momentan geht? Sag mal, was sollte das denn eigentlich mit deinem Vorschlag, dass du ihn mit einem dieser Mädchen verkuppeln willst? War das wieder nur eine deiner Sticheleien, oder willst du ihn unbedingt loswerden?“ „Er hat dir also sein Herz ausgeschüttet“, stellte Samajim fest und blies den Nikotinqualm aus. Ein listiges Lächeln spielte sich auf seine Lippen und wieder war sie zurück, diese erhabene und geheimnisvolle Aura, die Weisheit und Überlegenheit ausstrahlte. „Nun, ich wollte ihn ein wenig provozieren, aber so wie es scheint, muss ich mir vielleicht etwas Neues einfallen lassen, um ihn weichzukochen.“ Nun wandte sich Eva ihm zu und verschränkte die Arme. „Ist dir eigentlich klar, dass er so durcheinander ist, dass er bei der Dachreparatur hinuntergestürzt ist und es nicht einmal geschafft hat, seinen Sturz abzubremsen? Ich hab ihn bewusstlos und schwer verletzt auf dem Boden liegend vorgefunden und ich weiß ja nicht, was du dir da in deinem Kopf zusammenspinnst. Aber du solltest mal überdenken, ob das wirklich so in Ordnung ist, was du da machst. Wenn du andere als deine Spielfiguren benutzt, um deine Pläne auszuführen, dann bitte. Da stehe ich dir auch nicht im Weg. Aber dass du mit den Gefühlen anderer spielst, das geht zu weit.“ „Glaubst du etwa, ich weiß nicht schon längst, was ihm durch den Kopf geht und was er für Gefühle für mich hegt? Eva, inzwischen müsstest du mich gut genug kennen um zu wissen, dass ich so etwas recht schnell merke.“ „Wenn du weißt, dass er dich liebt, warum machst du diesen Blödsinn überhaupt? Erklär mir das mal. Wenn es etwas gibt, was ich überhaupt nicht leiden kann, dann ist es, wenn man mit der Liebe anderer spielt. Du weißt, dass ich da sehr empfindlich darauf reagiere und wenn du meinst, du könntest Nabis Gefühle dazu benutzen, um deine Langeweile zu vertreiben, dann werde ich ihm das auch sagen. Du weißt, ich halte als Freundin zu dir und vertraue dir auch, aber es gibt auch bei mir klare Grenzen.“ Eva wurde schon fast sauer deswegen, doch Samajim blieb wie immer die Ruhe selbst und schien sich nicht sonderlich um ihre Worte zu sorgen. Stattdessen behielt er sein überlegenes Lächeln und erklärte schließlich „Ziel meines Spiels ist es, Nabi dazu zu bringen, dass er mir seine Liebe gesteht.“ „Was?“ Nun war die weißhaarige Sefira erst mal sprachlos und konnte nicht so wirklich glauben, was ihr alter Freund und Mentor da sagte. Er wollte Nabi dazu bringen, ihm seine Gefühle zu gestehen? Dazu war diese ganze Scharade und diese ganzen Sticheleien da? Oh Mann, dachte Eva und schüttelte den Kopf. So etwas ist doch mal wieder typisch für Samajim. So etwas würde aber auch nur ihm einfallen. „Warum ist dir das so wichtig?“ „Na weil ich auch mal will, dass er über sich hinauswächst und über seinen Schatten springt. Und ich schupse ihn ein bisschen in die richtige Richtung. Es war nie mein Ziel gewesen, ihn mit einer dieser Menschenfrauen zu verkuppeln. Ich wollte ihn nur provozieren.“ „Das hast du ja toll hingekriegt. Stattdessen ist er jetzt so verunsichert, dass er gar nicht mehr weiß, was er noch tun soll.“ „Nun, dass er sich ernsthaft verletzt, war gewiss nicht von mir beabsichtigt. Aber ich wollte ihn ein bisschen provozieren, damit er endlich mal die Initiative ergreift, sich ein Herz fasst und mir seine Gefühle gesteht. Ich warte schon viel zu lange darauf.“ Eva beschloss für sich, lieber nicht weiter nachzufragen oder überhaupt zu verstehen, was sich Samajim davon versprach und wieso er unbedingt von Nabi ein Liebesgeständnis haben wollte. Aber wenn sie sich so anhörte, was ihr alter Mentor sagte, da begann sie nachdenklich zu werden. „Soll das heißen, du liebst ihn?“ „Ist das denn nicht offensichtlich?“ stellte Samajim sogleich als Gegenfrage und setzte sich an den Tisch, während Eva sich wieder auf die Arbeit am Herd konzentrierte. „Aber du sagst Nabi kein Wort von dem, was wir besprochen haben. Das bleibt unter uns.“ „Wie du meinst“, seufzte die Weißhaarige geschlagen und stellte nun die Töpfe auf den Tisch ab. „Aber hab ein bisschen mehr Rücksicht auf ihn. Und vielleicht solltest du mal deine Strategie ernsthaft überdenken.“ Kapitel 5: Verunsicherung ------------------------- Als Nabi wieder zurück von der Post war, saßen sie gemeinsam am Mittagstisch, unterhielten sich und lachten miteinander. Und es gab auch wieder eine kleine Auseinandersetzung, als Samajim einen Mittagsschlaf halten wollte, was Nabi aber nicht zuließ. „Nichts da!“ rief er und baute sich vor seinem Herrn auf wie ein Feldwebel, der die neuen Rekruten zusammenstampfen wollte. „Ihr haltet morgen den Gottesdienst im Krankenhaus und müsst Eure Predigt vorbereiten.“ „Nicht ohne meine Twinkies. Ich brauch Zucker zum Arbeiten.“ „Nichts da! Die gibt es erst, wenn Ihr fertig seid. Ich kenne Eure Spielchen schon zur genüge und weiß, dass Ihr Euch erst recht drückt, wenn ich Eurer Bitte nachkomme. Und deshalb nein! Ihr bekommt erst was Süßes, wenn Ihr die Predigt vorbereitet habt.“ Und mit einem betonten Schmollen ging Samajim in sein Arbeitszimmer. Eva verabschiedete sich vorerst, da sie noch ein wenig von London sehen und auch ein paar der Asylanten besuchen gehen wollte. Als sie gehen wollte, hielt Nabi sie kurz auf, sah sich kurz um und fragte „Hast du schon mit ihm gesprochen?“ Nun, natürlich hatte sie schon mit Samajim gesprochen. Aber dummerweise durfte sie nichts sagen. Das konnte etwas problematisch werden. Sie überlegte kurz, wie sie seine Frage beantworten konnte und erklärte schließlich „Ja. Also das mit den Frauen war nicht wirklich so gemeint von ihm. Er will dich nicht loswerden oder dich verkuppeln. Er wollte dich nur ein wenig provozieren, das war alles. Mach dir mal nicht so viele Gedanken. Und wenn ich dir einen guten Rat geben darf, Nabi: hör nicht immer auf das, was sein Kopf dir sagt. Hör auch mal zur Abwechslung auf dein Herz und wag mal den Versuch. Was hast du denn schon zu verlieren? Die einzige Person, die dir im Weg steht, bist du selbst.“ Damit verabschiedete sich Eva vorerst von ihm und ging. Nachdem Nabi den Abwasch erledigt hatte, ging er wieder hinunter in den Keller, um die Wäsche aufzuhängen und die nächste Ladung in die Maschine zu werfen. Tja, dachte er und stand nun wieder mit einem Hemd von Samajim in den Händen da. So wie es aussieht, habe ich mich nur in irgendetwas reingesteigert. Aber… das hilft mir immer noch nicht so wirklich bei meinem Problem weiter. Wenn Meister Samajim das mit den Frauen wirklich nur als Provokation gedacht hat, dann muss ich mir jetzt mal ernsthaft überlegen, was ich tun soll. Am besten spreche ich heute Abend mal mit Nakash darüber. Vielleicht hat der ja eine Ahnung, was ich tun soll. Aber erst mal sollte ich mich besser auf die Arbeit konzentrieren. Um sich ein wenig von seinen Gedanken abzulenken, holte Nabi sein Handy hervor, stöpselte die Kopfhörer an und schaltete die Musik ein. Im Gegensatz zu Samajim bemühte er sich schon, sich auf dem neuesten Stand der Technik zu halten und hatte auch Gefallen an diesen kleinen Spielereien gefunden. Sie waren schon sehr praktisch und so passte man sich ja auch wunderbar an. Nakash pflegte ja immer zu sagen „Die Menschen sind zwar kurzlebig und beschränkt, aber kreativ sind sie alle Male.“ Und im Grunde hatte er ja auch Recht. Dafür, dass die Menschen nicht mal im Geringsten ahnten, was sich außerhalb ihrer kleinen und einfachen Welt befand, so hatten sie dennoch eine blühende Fantasie und ein enormes Ideenreichtum, was zum Beispiel ihre Erfindungen betraf. Und dafür verdienten die Menschen schon Anerkennung. Schließlich fand Nabi sein Lieblingslied „Shake it“ von Rediscover und schaltete die Lautstärke höher, während er die Waschmaschine in Gang setzte und wieder nach oben ging. Zwischendurch schaute er bei Samajim vorbei um sicherzugehen, dass er auch wirklich arbeitete, aber tatsächlich saß sein Meister brav am Schreibtisch und bereitete die Predigt vor. Die Musik besserte Nabis Stimmung deutlich und als dann auch noch „Happy“ von Pharrell Williams zu spielen begann, da war er in einer so guten Laune, dass er einfach nicht widerstehen konnte und sich eine kleine Tanzeinlage erlaubte, als er noch ein wenig aufräumte. Und der Song riss ihn letztendlich so mit, dass er erst viel zu spät bemerkte, dass Samajim sich am Türrahmen anlehnte und ihn mit einem amüsierten Grinsen beobachtete. „Wenn du dir so etwas vor 500 Jahren erlaubt hättest, dann wärst du ein Fall für die Inquisition geworden. Was wird das denn, wenn’s fertig ist?“ „Ich hör Musik.“ „Mit deinem Handy? Wie geht das denn?“ „Das ist die neueste Technik der Menschen. So was nennt sich Smartphone. Damit kann man auch ins Internet gehen und sich praktische Programme herunterladen… und welche, die eigentlich komplett überflüssig sind und die kein Mensch braucht. Ganz zu schweigen von unseresgleichen.“ Verständnislos schüttelte Samajim den Kopf, als er das Handy sah. Er hatte ja noch nie sonderlich viel mit Technik anfangen können und konnte nicht einmal einen Computer vernünftig gegeben und pflegte dann immer zu sagen „So was haben wir früher nicht gebraucht, warum also heute?“ In der Hinsicht war er wirklich wie ein alter Mann, was Nabi auch des Öfteren mal ansprach, wenn sie solche Diskussionen führten. „Früher waren die Handys so groß, dass sie nicht von einem Telefon zu unterscheiden waren, dann wurden sie immer kleiner, dass man sie fast verschluckt hätte und jetzt sehen sie aus, als hätte man sie mit dem Nudelholz plattgewalzt.“ „Seid doch froh, dass sie wieder größer werden. Immerhin habt Ihr Euer letztes Handy tatsächlich verschluckt.“ „Und anstatt mir zu helfen, musstest du mich natürlich anrufen, nur weil du wissen wolltest, ob mein Magen anfängt zu vibrieren!“ Nabi musste kichern, als er daran zurückdachte. Das war einer der witzigsten Momente der letzten Jahre gewesen, wenn man mal ganz von der Tatsache absah, als Samajim doch tatsächlich während des zweiten Weltkriegs einen Bombenangriff verschlafen hatte und nichts mitbekommen hatte, während in ganz London Panik herrschte. „Wer ist denn auch schon so bescheuert und verschluckt ein Handy? Ach ja, ich vergaß… es gibt solche Leute… Nicht wahr, Meister?“ Samajim seufzte und schüttelte nur den Kopf. War ja klar, dass dieser Frechdachs mal wieder diese peinliche Geschichte hervorkramte und ihn damit aufzog. Immerhin hatte er sich das Scheißding wieder herausoperieren lassen müssen und er war die absolute Lachnummer im Krankenhaus gewesen. Gleich neben dem Typ, der sich eine Glühbirne in den Hintern geschoben hatte. Er kam wieder auf Nabis Handy zu sprechen. „Und überhaupt: wie soll man so was bedienen, wenn es nicht mal Tasten hat?“ „Das nennt sich Touchscreen, Meister. Die Menschen haben es so entwickelt, dass man nur den Bildschirm berühren muss und die ganzen Tasten deshalb überflüssig geworden sind.“ „Ach hör mir bloß mit der Menschentechnik auf. Ich blick da sowieso nicht durch. Genauso wenig, wieso alle auf eine Marke abfahren, die im Grunde nicht mehr und nicht weniger ist, als angebissenes Obst. In ein paar Jahren kommen sie mit dem nächsten Schwachsinn. Wenn es kein Apfel ist, dann wahrscheinlich eine Ananas.“ „Aha…Von Apple zu Pineapple also? Sehr kreativ, Meister…“, kommentierte Nabi in seinem gewohnt sarkastischen Ton und steckte sein Handy wieder ein. „Mir doch egal“, gab Samajim kurzerhand zurück. „Jedenfalls lohnt es sich eh nicht, sich diese ganzen Spielzeuge zuzulegen. Später will die keiner mehr haben.“ „Ach ich finde das praktisch und außerdem profitiert Ihr ja auch davon mit Eurem 48 Zoll Full HD LCD Fernseher, wo Ihr Eure Shows gucken könnt. Also tut nicht so, als ginge Euch das komplett am Arsch vorbei. Wie weit seid Ihr denn eigentlich mit Eurer Predigt? Oder soll das hier nur wieder einer Eurer Versuche werden, Euch vor der Arbeit zu drücken?“ „Fertig. Also? Wo bleiben meine Twinkies?“ Nabi ging ins Wohnzimmer und holte aus dem Schrank zwei Twinkies und gab sie Samajim. In solchen Momenten fragte er sich wirklich ernsthaft, wer hier denn der Diener und wer der Meister war. Aber es war eben nicht nur seine Pflicht, die Aufgaben zu erledigen, die Samajim ihm auftrug, sondern es war ebenso seine Pflicht, dafür zu sorgen, dass dieser seinen Pflichten nachkam. „Meister, habt Ihr sonst noch Aufgaben für mich?“ „Im Moment nicht. Bist du heute Abend etwa verplant?“ „Ich wollte in den Pub und mit Nakash reden.“ Hier war deutlich in Samajims Blick zu sehen, dass es ihm ganz und gar nicht gefiel, dass Nabi wieder zu seinem besten Freund ging. Warum das so war, konnte sich der Schwarzhaarige nicht erklären. Vielleicht, weil einfach die Chemie zwischen den beiden nicht stimmte? Dabei war Nakash doch eigentlich ein anständiger Kerl und es konnte jedenfalls nicht daran liegen, dass er „nur“ ein Seraph war. Samajim gehörte zwar zu den großen Alten, aber er machte bei solchen Sachen keine Unterschiede. Naja, es konnte ihm ja auch eigentlich egal sein, denn Nakash war es sowieso egal, was man von ihm dachte. Solange er seinen irischen Pub hatte, war er zufrieden und brauchte auch sonst nichts. Schließlich fand Samajim aber sein Lächeln wieder. „Dann pass aber dieses Mal auf, dass du nicht allzu viel trinkst wie gestern, ja? Aber sag mal, du bist in der letzten Zeit recht häufig im McKerrigan’s. Ist es wegen dem Alkohol, oder hat der Blindfisch Amor dich doch endlich mit seinem Pfeil erwischt?“ „Das hättet Ihr wohl gerne, was? Nein, da muss ich Euch leider enttäuschen. Nakash ist mein bester Freund und wir reden gerne miteinander. Das ist alles.“ „Ja… es bleibt natürlich nur beim Reden.“ „Ihr mit Euren perversen Gedanken denkt aber immer auch immer nur an das Eine. Es ist mir echt ein Rätsel, dass die Leute noch zu Euch aufschauen können.“ „Ich weiß mich eben anzupassen.“ „Ihr seid ein guter Schauspieler, das ist es. So und jetzt entschuldigt mich. Ich wollte noch eben die neuen Mausefallen aufstellen und das Rattengift auslegen.“ Damit ging Nabi an Samajim vorbei und wollte mit seiner Arbeit weitermachen, aber da hielt der Blondhaarige ihn plötzlich am Arm fest. Nabi blieb abrupt stehen und sah ihn überrascht an, denn normalerweise hielt Samajim ihn nie fest. Überhaupt war er eher jemand, der eine gewisse Distanz zu anderen bewahrte. „Was gibt’s?“ fragte er und sah ihn etwas verunsichert an. „Ich habe gehört, dass es einen kleinen Unfall auf dem Dach gab.“ Insgeheim schon erleichtert atmete Nabi aus und lachte. „Ach das. Ich bin abgerutscht und war so mit meinen Gedanken woanders, dass ich den Sturz nicht rechtzeitig abbremsen konnte. Eva hat mich gefunden und meinen Körper zurückgesetzt.“ „Du bist schon den ganzen Tag so merkwürdig drauf. Beschäftigt dich irgendetwas?“ Nabi dachte nach. Vielleicht wäre ja jetzt der passende Zeitpunkt, um Samajim die Wahrheit zu sagen und ihm endlich reinen Wein einzuschenken. Tatsächlich stand Nabi kurz davor, ihm endlich zu sagen, was wirklich los war und was ihn so sehr beschäftigte. Aber dann war die Angst doch wieder größer und er schüttelte nur den Kopf. „Mich beschäftigt es nur, dass bald viele meiner alten Freunde für immer fortgehen werden. Zwar wird Nakash wohl bleiben, aber Nogah, Mayim, Ayil, Girit, Katha, Gavisha, Agam und die anderen werden wahrscheinlich nach Hause zurückkehren. Und das stimmt mich eben ziemlich traurig.“ Hierauf ließ Samajim ihn los und blickte ihn prüfend an. Nabi wurde unruhig und fragte sich, wieso sich sein Meister so merkwürdig verhielt. „Würdest du auch gerne gehen?“ Mit dieser Frage hatte der Schwarzhaarige jetzt nicht gerechnet und sie entwaffnete ihn auch ein Stück weit. Warum nur stellte sein Meister ihm auf einmal solch eine Frage? Er spüre, wie ihm etwas die Brust zuschnürte und es tat ihm einfach nur weh, dass Samajim ihn so etwas fragte. War das etwa schon wieder ein Test, oder wollte sein Meister ihn loswerden? „Wieso fragt Ihr das? Mein Platz ist doch bei Euch. Ich habe Euch immerhin geschworen, bis zu meinem Tod an Eurer Seite zu bleiben.“ „Und wenn ich dich von diesem Schwur entbinden würde?“ „Was… was soll diese Frage?“ Nun war er komplett verunsichert. So etwas hatte Samajim ihn noch nie gefragt und in diesem Moment bekam er Angst. Angst davor, dass sein Meister ihn tatsächlich lossprechen würde. Was sollte er dann sagen? Was sollte er dann tun? Der Schmerz in Nabis Brust nahm immer mehr zu. Er schaffte es kaum ein Wort hervorzubringen und in seinem Kopf war alles ein einziges Chaos. Und er schaffte es in dem Moment auch nicht, seine Gefühle unter Kontrolle zu halten, was auch Samajim nicht entging. Er hob Nabis Kinn an, um ihm in die Augen zu sehen und bemerkte dann, dass sich Tränen in diesen türkisfarbenen Augen sammelten. „Weinst du etwa?“ Sofort löste sich der Schwarzhaarige von ihm und schüttelte hastig den Kopf. „Ich… ich glaub, ich hab nur etwas Staub ins Auge gekriegt. Das geht schon.“ „Nabi“, sagte Samajim fest und verschränkte die Arme. „Jetzt mal ganz ehrlich: was ist los?“ Beschämt senkte der Sefira den Blick und wirkte in dem Moment, als wolle er gleich endgültig in Tränen ausbrechen. Er war völlig verkrampft und unsicher und das passte eigentlich nicht zu ihm. „Seid… seid Ihr etwa unzufrieden mit mir, Meister? Habe ich irgendwelche Fehler gemacht oder Euren Unmut auf mich gezogen, dass Ihr mich deshalb nicht mehr bei Euch haben wollt?“ „Wie kommst du jetzt auf so einen Unsinn?“ Es kostete Nabi eine unglaubliche Kraft, sich zusammenzureißen und seine Verunsicherung zu verbergen. Stattdessen lachte er nur und winkte mit der Hand ab. „Naja. Wenn man so auf unser bisheriges Leben zurückblickt… da haben wir uns ja ziemlich häufig in die Haare gekriegt und ich gebe ja zu, dass ich mich mit meinem Sarkasmus auch selten zurückhalten kann und ich mach mich damit auch nicht immer wirklich beliebt. Hätte ja sein können, dass Euch meine Art auf die Nerven geht, oder so. Wenn Ihr mich nicht mehr bei Euch haben wollt, dann ist es ja allein Eure Entscheidung, was Ihr mit mir machen wollt. Und ich werde mich dann auch nach Eurem Wunsch richten. Aber jetzt entschuldigt mich bitte, aber mir ist noch eingefallen, dass ich noch eben schnell was einkaufen gehen wollte. Sonst kann ich nichts für morgen kochen.“ Damit entfernte Nabi sich von ihm, eilte schon fast auf den Flur, schnappte sich seine Jacke und ging davon. Zuerst überlegte Samajim, ob er ihm eventuell folgen sollte, aber er entschied sich dann doch dagegen. Er kam auch sowieso nicht mehr dazu, denn da kam auch schon Eva zur Tür rein. Und die verstand nun rein gar nichts mehr und wusste diese Situation auch nicht wirklich einzuschätzen. Aber sie dachte sich schon, dass irgendetwas vorgefallen sein musste. „Was war denn mit Nabi los? Der war völlig durch den Wind und hatte Tränen in den Augen. Na sag schon. Was hast du jetzt schon wieder mit ihm gemacht?“ fragte sie vorwurfsvoll und stemmte die Fäuste in die Seiten wie eine Mutter, die gleich ihrem Sohn eine Standpauke hielt. Samajim seinerseits beließ es bei verschränkten Armen und er lehnte sich mit dem Rücken zur Wand, während er die Ruhe selbst blieb. „Wir kamen auf das Thema Begnadigung zu sprechen. Und da habe ich ihn eben gefragt, ob es ihm lieber wäre, wenn ich ihn lossprechen würde.“ Als die Weißhaarige das hörte, schlug sie sich die Hand gegen die Stirn und schüttelte fassungslos den Kopf. „Manchmal bist du aber auch echt ein Trampeltier. Als ich sagte, du solltest deine Strategie ändern, da hatte ich nicht damit gemeint, das du ihn gleich zum Heulen bringst. Ich bin ja eigentlich nur vorbeigekommen, weil ich mein Handy vergessen habe, aber so wie es aussieht, müssen wir beide noch mal vernünftig miteinander reden. Denn so wie es aussieht, muss ich dir noch mal ordentlich den Kopf zurechtrücken und dir klar machen, dass das absolut bescheuert ist, was du tust. Du kannst deine Spielchen spielen, wenn dabei niemand zu Schaden kommt. Aber dass du anfängst, mit Nabis Gefühlen zu spielen, nur um deinen Willen zu kriegen, ist nicht in Ordnung. Was glaubst du wohl, was er tun wird? Er wird sich erst mal irgendwo die Augen ausheulen und weiß dann überhaupt nicht weiter.“ „Mit anderen Worten also: er geht zu Nakash…“ „So sieht es aus.“ Hieraufhin verfinsterte sich Samajims Blick. Das hätte er sich ja gleich denken können. Na großartig, dachte er und kämpfte innerlich gegen seinen Ärger. Und der wird ihn natürlich trösten und dann schön nach allen Regeln der Kunst um den Finger wickeln, diese falsche Schlange… Es wurde langsam dunkel und Nabi war mit dem Bus zur City of London gefahren und stand wenig später vor dem McKerrigan’s, welches seit einer Stunde geöffnet hatte. Aber wahrscheinlich würde es noch nicht ganz so voll sein. Kaum, dass er drin war, hörte er schon die Musik spielen und ein paar der Gäste saßen bereits an Tischen und Nakash stand wie immer hinterm Tresen. Als er aber Nabi sah und in welcher Verfassung sich dieser befand, da kam er direkt zu ihm herüber und legte einen Arm um seine Schultern. „Hey, was ist denn mit dir los?“ „Ich… ich…“ Nabi konnte nicht weitersprechen, denn da brachen endgültig die Emotionen hervor und er begann zu weinen. Selten hatte Nakash ihn einem solchen Zustand gesehen. Vor allem, wenn sein bester Freund auch noch nüchtern war. Das Beste war, wenn er sich erst mal um ihn kümmerte und in aller Ruhe mit ihm redete. Was Nabi jetzt gut gebrauchen konnte, war ein guter Freund. Er brachte ihn erst einmal in sein Büro und wies seine Angestellte Dvora an, solange für ihn zu übernehmen. Als sie sich gesetzt hatten, schenkte Nakash seinem besten Freund und sich erst mal einen Whiskey ein und fragte ihn direkt, was denn los sei. Nachdem Nabi sein Glas in einem Zug gelehrt hatte, begann er ihn von seinem Gespräch mit Samajim zu erzählen und auch von seiner seltsamen Frage. Schlussendlich seufzte er niedergeschlagen und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. „Ich weiß einfach nicht, wie ich weitermachen soll, Nakash. Wirklich alles wird schlimmer und ich halte das kaum noch aus. Bis jetzt war ja alles noch in Ordnung gewesen, so dachte ich zumindest. Aber… inzwischen macht mich das echt fertig. Vor allem die Frage, ob ich nicht doch lieber in unsere Heimat zurückkehren will, wenn ich von meinem Schwur losgesprochen werde. Was wenn Meister Samajim mich tatsächlich gehen lässt und wieder allein sein will? Was, wenn ich für ihn nur eine Last bin?“ In der Hinsicht konnte Nakash ihn beruhigen und schenkte ihm sogleich ein Glas nach. Er selbst stürzte seines ebenfalls in einem Zug runter und schenkte sich selbst wieder nach. „Nun werde mal nicht gleich hysterisch, Nabi. Jetzt mal im Ernst: du machst doch wirklich alles für ihn. Du wäschst, du kochst, du führst die Reparaturen durch, du treibst ihn zur Arbeit an und noch vieles mehr. Ohne dich wird der Alte doch nicht auskommen und welchen Grund sollte er denn haben, dich wegzuschicken? Du machst doch wirklich alles für ihn und einen loyaleren Diener als dich wird er nirgendwo sonst finden. Das kann ich dir versichern. Krieg dich mal wieder ein und versuch dich etwas zu beruhigen. Wahrscheinlich hast du nur überreagiert und mal wieder die Probleme größer gemacht, als sie in Wahrheit sind. Oder wie die Menschen auch sagen: aus einer Mücke einen Elefanten machen.“ Eigentlich hat Nakash ja Recht. Ich mach wieder eine Riesenwelle aus der ganzen Sache, dabei ist das doch überhaupt nicht meine Art. Irgendwie macht mich das Ganze richtig fertig. Eine Weile lang schwieg der Barbesitzer, bevor er sich dann eine Zigarette anzündete und sich in seinem Stuhl zurücklehnte und nachdachte. Immer, wenn Nabi oder einer der anderen Asylanten ein Problem hatte, hörte er sich gerne mal das Problem an und gab Ratschläge. Er sah alles oft aus einer ganz anderen Perspektive und blieb ruhig und sachlich. Nicht umsonst wurde er „Nakash der Besonnene“ genannt. „Du weißt, wie ich zu der Sache stehe, mein Freund. Solange du nicht endlich mal die Karten offen auf den Tisch legst und das Risiko eingehst, wirst du immer in diesem Zwiespalt gefangen sein und irgendwann noch komplett vor die Hunde gehen. Das, was du da machst, ist doch nicht mehr gesund. Jetzt hör mal: sag dem Alten einfach, dass du bei ihm bleiben willst. Außerdem weißt du ja nicht, ob er nicht vielleicht wirklich etwas für dich fühlt. In dem Fall bleibt dir also nur die Option, dich zu vergewissern, was denn nun zutrifft. Versuch ihn mal genauer zu beobachten und vielleicht findest du ja auf diese Weise heraus, ob er nicht auch diese Gefühle für dich hat. Immerhin spricht ja allein schon die Tatsache dafür, weil er sich wirklich alles von dir gefallen lässt, egal wie oft du ihn ausschimpfst oder frech wirst. Glaub mir, die anderen großen Alten hätten dich dafür schon längst einen Kopf kürzer gemacht. Die lassen nicht mit sich spaßen und niemand sonst würde es wagen, dem Alten mit so was zu kommen wie du zum Beispiel. Deshalb sag ich dir nur: da steckt vielleicht mehr dahinter als nur Freundschaft.“ „Mag sein. Aber Eva behandelt ihn manchmal auch nicht anders und… naja… Wenn er sich wirklich nur von jenen so behandeln lässt, die er liebt, was ist dann mit Eva? Sie ist bildschön, hat einen aufrichtigen Charakter und ist freundlich und hilfsbereit. Eigentlich die absolute Traumfrau und wer würde denn nicht gerne mit ihr zusammen sein?“ „Da hast du Recht“, gab Nakash zu und nahm noch einen tiefen Zug von seiner Zigarette. Es war dieselbe Marke, die Samajim zu rauchen pflegte und unwillkürlich musste Nabi wieder an ihn denken. An seinen Meister, seinen Lebensretter, seinen guten Freund und seinen Beschützer. „Ich habe Eva auch schon Avancen gemacht, aber die hat sie leider zurückgewiesen. Tja, aber so wie ich höre, hat sie bisher jeden abgewiesen. Wahrscheinlich ist sie genauso eine eiserne Jungfrau wie du.“ „Danke, dass du noch zusätzlich Salz in meine Wunde streust… Ich bin aber auch selbst schuld, weil ich mich in den falschen Kerl verlieben musste. Hätte ich mich in Khalyl, Arnavet oder in Kaic verliebt, dann wäre es vielleicht viel einfacher geworden.“ „Ach jetzt mach dir mal nicht das Leben noch schwerer und lass den Kopf nicht hängen. Man sagt ja ohnehin: lass nie den Kopf hängen, wenn du bis zum Hals in der Scheiße steckst. Jetzt komm erst mal runter, dann komm mit und wir vergessen diesen Mist für heute Abend, ja?“ Tja, da hatte Nakash sein Machtwort gesprochen und dem Fall war es wohl das Beste, heute Abend erst mal das alles hier zu vergessen und wenigstens etwas Spaß zu haben. Kapitel 6: Ein verzweifeltes Geständnis --------------------------------------- In den nächsten Tagen war das Verhältnis zwischen Samajim und Nabi deutlich distanzierter als sonst. Nun, streng genommen war es eher einseitig, denn hauptsächlich war es Nabi, der deutlich auf Abstand ging. Zwar redeten sie genauso miteinander wie sonst auch immer, aber es lief unterschwellig ab und obwohl sie genauso zankten wie sonst, so blieb es nicht verborgen, dass Nabi sich immer mehr von ihm entfernte. Meist, wenn Samajim ihm zu nah kam, wich er vor ihm zurück oder suchte irgendwelche Ausreden, um schnell irgendwo hinzugehen. Er wirkte noch nervöser als sonst und als Samajim mal ganz nebenbei seinen Arm um Nabis Schultern legte, zuckte dieser zusammen, sagte so etwas wie „Entschuldigt mich bitte, Meister. Ich glaub, die Wäsche ist fertig…“, woraufhin er sofort wieder ging. Als Nabi schließlich wieder unterwegs war, war Samajim mit Eva in der Küche und rauchte wohl die dutzendste Zigarette des Tages. Die Weißhaarige saß mit einer Tasse Kaffee am Tisch und wirkte nicht gerade glücklich. Aber das lag auch daran, weil sie immer ein wenig verstimmt war wegen dem Unsinn, den sich ihr Mentor da leistete. Und als er tief den Nikotinqualm ausatmete und schließlich nach einer Weile sagte „Er geht mir schon seit Tagen aus dem Weg“, da verzog sie schwach die Mundwinkel und fragte mit einem leichten Vorwurf im Unterton „Wundert dich das nach dem, was du ihm gesagt hast?“, wobei sie ihn nicht mal ansah. „Bist du jetzt sauer auf mich, Eva?“ „Natürlich. Immerhin spielst du hier mit Nabis Gefühlen herum, nur weil du mal wieder deinen Dickkopf durchsetzen und dein Spiel gewinnen musst. Und dass er auf Abstand geht, ist doch ganz natürlich! Nachdem du ihn gefragt hast, ob er nicht lieber in seine Heimat zurückkehren würde, ist er vollkommen verunsichert und hat Angst, dass du ihn tatsächlich fortschicken wirst. Und da ist es doch natürlich, dass er sich völlig zurückzieht und dir aus dem Weg geht.“ „Und dabei dachte ich, er würde endlich mit der Sprache rausrücken und mir seine Liebe gestehen.“ „Wann begreifst du es endlich?“ fragte Eva nun und seufzte leicht genervt. „Du kannst nicht alle um dich herum so lenken wie du es willst. Nicht alles ist gänzlich planbar und was glaubst du wohl, wie Nabi reagieren wird wenn er erfährt, was du mit ihm machst? Wenn du nicht endlich mit diesen Spielchen aufhörst, wirst du ihn verlieren. Das kann ich dir versprechen.“ Samajim stand vor einem absoluten Rätsel. Eigentlich war er sich sicher gewesen, dass er mit seiner einen Frage Nabi endlich weichkochen würde. Aber so wie es aussah, hatte er genau das Gegenteil erreicht. Anstatt, dass es zu einer Annäherung kam, distanzierte Nabi sich von ihm und das war ihm ein Rätsel. Normalerweise lag er mit seinen Berechnungen und Planungen nie daneben. Er war ein absoluter Stratege und wusste immer, was er tat und wie er sein Ziel erreichen konnte. Aber hier schien er irgendwo einen Fehler gemacht zu haben. Wie auch sonst war es möglich, dass Nabi sich nicht so verhielt, wie er es geplant hatte? Als Eva sah, wie er grübelte, seufzte sie erneut und erklärte „Nicht alle lassen sich so manipulieren und steuern, wie du es gerne hättest. Über manche Dinge kann man keine Kontrolle ausüben. Das musst auch du irgendwann begreifen. Ich mag zwar jünger sein als du, aber ich weiß, wovon ich spreche, wenn es um Liebe geht. Und ich sage dir eines: du solltest mal ernsthaft überlegen, was dir nun wichtiger ist: deine Spielchen oder Nabis Gefühle für dich.“ Die Tatsache, dass Samajim es nicht schaffte, Nabi genau dorthin zu bekommen, wo er ihn haben wollte, ließ ihn einfach nicht los und beschäftigte ihn ohnehin schon seit einer ganzen Weile. Bisher hatte er selbst das Unmögliche durch gute Planung schaffen können. Dank seiner strategischen Fähigkeiten hatte er es nicht nur geschafft, seinen alten Freund zurückzuholen und dessen dunkle Seite zu vernichten, sondern auch Eva und Liam miteinander zu versöhnen. Wirklich alles hatte er durch gezielte Planung erreichen können, aber wieso scheiterte es ausgerechnet bei Nabi? War dieser etwa so unberechenbar und eigensinnig in dem Sinne, dass es dem größten Strategen nicht möglich war, ihn in die Richtung zu lenken, die er vorgesehen hatte? Das konnte doch unmöglich sein. Oder hatte Eva etwa Recht, dass nicht alle Lebewesen so leicht zu manipulieren waren wie er immer dachte? Nun, eigentlich hätte er sich das ja auch denken können. Immerhin hatte sich Nabi doch jedes Mal seiner Kontrolle entziehen können und ließ sich von ihm nicht so leicht um den Finger wickeln. Egal ob es um die Arbeit ging, oder um andere Kleinigkeiten. Aber wieso scheiterten seine ganzen Bemühungen bei ihm und was konnte er daran ändern? Es war frustrierend. Wie gerne hätte er es doch, wenn er Nabi dazu bringen konnte, genau das zu tun, was er wollte. Aber irgendwie gelang ihm das nie so wirklich. Aus welchem Grund auch immer. „Und was schlägst du vor, soll ich tun?“ „Mit dem ganzen Quatsch aufzuhören und endlich von diesem Trip herunterzukommen, dass du mit Nabis Gefühlen spielst, nur um zu erreichen, dass du mal wieder deinen Willen kriegst. Was du da machst, ist rücksichtslos und egoistisch. Und es wird weder dir noch Nabi großartig weiterhelfen. Es wird nur alles kaputt machen und dann wird es nie etwas zwischen euch beiden werden.“ Nun, vielleicht hatte sie ja Recht und er sollte endlich mal aufhören, ständig nur seinen eigenen Willen mit allen Mitteln durchsetzen zu wollen. Er wollte ja auch nicht, dass Nabi sich endgültig von ihm abkapselte und stattdessen noch was mit Nakash anfing. Zwar hatte sein Diener immer betont, sie beide seien bloß gute Freunde, aber Samajim traute diesem Kerl einfach nicht über den Weg und es machte ihn jedes Mal wütend, die beiden so vertraut miteinander zu sehen und zu wissen, dass Nabi immer öfter zu ihm hinfuhr und dann auch noch zurückgebracht wurde, wenn er zu viel getrunken hatte, war für ihn ein absoluter Dorn im Auge. Er konnte sich nicht helfen, aber er traute Nakash nicht über den Weg und er sah es überhaupt nicht gerne, wenn sich die beiden miteinander trafen. Eva hatte ihn zwar schon darauf angesprochen, aber er hatte es abgestritten und einfach gesagt, er könne den Kerl allgemein nicht ausstehen. Aber so ganz kaufte Eva ihm das nicht ab. Sie blieb bei ihrer Meinung, dass Samajim eifersüchtig war. Nachdem eine Weile lang Schweigen geherrscht hatte, atmete die Weißhaarige laut aus und trank ihren Kaffee aus. „Nimm ihn doch erst mal ins Gespräch und klär das, wenn er wieder zurück ist. Ich kann dir da auch nicht viel weiterhelfen. Das ist dein Job und nicht meiner. Ich wollte auch gleich bei Kaic vorbeischauen und mit ihm reden. Ach ja, ich bin auch noch hier, weil ich dir von Elohim etwas ausrichten soll: Wenn er seinen Sohn besucht hat, kommt er nach England und will zusammen mit Ain persönlich mit den Asylanten sprechen. Deshalb hätte er es gerne, wenn du sie dann in St. Michael versammelst.“ „Ist gut. Sag mir nur vorher Bescheid und ich werde mich darum kümmern.“ „Mach ich. Und wenn Elohim Nabi kontaktiert, wird er es dir ja sagen. Was ich dir noch sagen wollte, bevor ich es vergesse: ich kann dir genau erklären, warum Nabi es nicht fertig bringt, dir seine Gefühle zu gestehen. Er hat Angst davor, dass seine Gefühle nicht erwidert werden und es euer gutes Verhältnis zueinander zerstören würde. Dieses Phänomen kannst du bei Menschen unter dem Begriff „Friendzone“ gut beobachten. Nicht selten kommt es bei engen Freunden zu mehr Gefühlen. Wenn diese aber nicht erwidert werden, zerbricht oft die Freundschaft daran. Deshalb trauen sie sich oft nicht, überhaupt ihre Gefühle offen auszudrücken. Wenn du also dennoch an deinem Vorhaben festhalten willst, dann solltest du aufhören, Nabi in Unsicherheit zu bringen und ihn in solch eine Bedrängnis zu bringen. Versuch es doch stattdessen damit, ihm mehr positive Signale zu geben. Damit gewinnt er mehr Sicherheit und findet vielleicht so den Mut, über seine Gefühle zu sprechen. Fakt ist auch, dass zwischen euch beiden etwas herrscht, dass man hier Klassenunterschied nennt. Obwohl ihr beide euch so gut versteht, ändert es nichts an der Tatsache, dass er dein Diener ist. Und auch wenn Nabi recht frech und herrisch dir gegenüber sein kann, ist er dennoch absolut loyal und sich seiner Position sehr wohl bewusst. Du gehörst zu den großen Alten und bist der zweitmächtigste von ihnen, außerdem bist du jetzt Elohims engster Berater und genießt selbst nach der großen Reformation hohes Ansehen und dir hat er sein Leben zu verdanken. Aus diesem Grund verbietet er sich selbst diese Gefühle und denkt, dass es ihm als Diener nicht erlaubt ist, dich zu lieben.“ „Das ist doch völliger Blödsinn. Mir ist es vollkommen egal, wer oder was er ist und das hab ich ihm doch mehr als oft gezeigt.“ „Das mag ja sein, aber zeigen und sagen sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Solange du es ihm nicht selbst direkt sagst, wird Nabi für immer in diesem Denken gefangen sein und sich selbst blockieren. Deshalb sage ich ja: klär erstens das mit der Lossprechung, dann sieh zu, dass du ihm deutlich mehr positive Signale sendest. Echt… was Kriegsführung angeht, bist du zwar ein hervorragender Stratege, aber in solchen Sachen bist du einfach unmöglich…“ Tja, Eva wusste eben, wovon sie sprach. Samajim drückte schließlich seine Zigarette im Aschenbecher aus und wollte sich eigentlich zu Eva setzen, aber in dem Moment klingelte es an der Tür und das schon fast hektisch. Da stimmte irgendetwas nicht. „Entschuldige mich, ich geh mal kurz nachsehen.“ „Schon gut, ich bin eh jetzt weg.“ Damit erhoben sich die beiden Sefirot und gingen zur Tür. Zuerst dachte Samajim noch, es wäre einer der Asylanten, die ein Problem hatten, doch es war Judy Mitchell, eine 17-jährige Schülerin, die öfter im Jugendzentrum war. Sie war völlig verweint und aufgelöst. Na super, dachte er. Zuerst der Ärger mit Nabi und jetzt kommt auch noch Arbeit auf mich zu. Die Menschen haben wirklich ein großartiges Timing für Depressionen und dergleichen. Können die nicht damit warten, bis ich mit meinem Problem fertig bin? Eva verabschiedete sich kurz und machte sich auf den Weg, um ihn mit seiner Arbeit allein zu lassen. Samajim wandte sich dem verweinten Mädchen zu. „Judy, was kann ich für dich tun?“ „Es ist alles vorbei“, schluchzte sie und wischte sich die Tränen mit einem Taschentuch weg. „Mein Leben hat keinen Sinn mehr.“ Großartig, jetzt darf ich auch noch einen Selbstmord verhindern. Mal ehrlich: haben die Menschen nichts Besseres zu tun? Er schluckte seinen Ärger runter und versuchte das Mädchen zu beruhigen, welches völlig aufgelöst war und nicht aufhören wollte zu weinen. Wie sich herausstellte, war es nichts allzu ernstes. Judys Freund hatte sie nach dem Sex einfach sitzen gelassen und sich stattdessen mit ihrer besten Freundin vergnügt. Samajim schaffte es, sie zu trösten und sie wieder auf die richtige Spur zu bringen, was ihm insbesondere mit seiner Redegewandtheit gelang. Als das Mädchen ihn dann umarmte und sagte „Danke, Reverend. Sie sind wirklich ein Engel“, da ließ er sich diese Umarmung natürlich gefallen. Was sprach denn da auch dagegen? Aber dummerweise kam in dem Moment Nabi zurück. „Bin wieder da, Meister.“ Als er dann aber die beiden sah, da verlor er binnen Sekunden sämtliche Farbe im Gesicht und war schon fast entsetzt. Seine Augen weiteten sich und diesen verletzten Ausdruck in den Augen würde Samajim wohl nicht so schnell vergessen. Er sah wirklich danach aus, als wolle er weinen und das tat ihm selbst am allermeisten weh. Zugegeben, er hatte schon mal mit dem Gedanken gespielt, mit dieser Methode Nabis Eifersucht zu wecken und ihn so dazu zu bringen, endlich mit seinem Liebesgeständnis rauszurücken. Aber das hier war nicht geplant gewesen und diese Reaktion kam für Samajim auch ziemlich unerwartet. Offenbar hatte Eva tatsächlich ein deutlich besseres Auge dafür als er. Sie hatte es richtig erkannt, als sie sagte, dass Nabi jemand war, der sich eher zurückziehen würde, als direkt nach vorne zu preschen. Und tatsächlich war dieser Fall jetzt nun eingetreten. Judy verabschiedete sich schließlich und ging, wobei sie sich noch mal bei Samajim bedankte. Dieser schenkte ihr in dieser Situation aber eher wenig Beachtung. Schließlich aber, als sie ging, kam Nabi mit den Einkäufen herein und hatte seine typische Art wiedergefunden, wobei Samajim aber sofort erkannte, dass dies nur aufgesetzt war. „Ihr seid ja echt unverbesserlich, Meister“, sagte sein Diener vorwurfsvoll und brachte die Einkäufe in die Küche. „Kaum bin ich aus dem Haus, schon gehen hier die Frauen ein und aus. Und so etwas schimpft sich Pfarrer.“ „Nabi…“ „Meint Ihr nicht auch, dass sie vielleicht einen Tick zu jung war? Ich meine ja nur. Nicht, dass die Leute über Euch noch zu reden beginnen.“ Nabi redete immer weiter und weiter und das war für Samajim eigentlich das Zeichen, dass sein Diener nun endgültig davor stand, gleich endgültig die Kontrolle über seine Gefühle zu verlieren. „Nabi, was ist los mit dir?“ „Nichts, gar nichts ist los!“ log der Schwarzhaarige und begann die Einkäufe auszupacken. Dabei ging er aber sehr hektisch vor und ließ immer wieder etwas aus der Hand fallen. Schließlich wurde es genug für Samajim und er hielt Nabi am Handgelenk fest. „Jetzt lüg mich nicht an“, sagte er mit deutlichem Nachdruck in der Stimme. „Nun sag schon, was du hast. Judy war nur bei mir, weil sie sich ausheulen wollte, weil sie meinen Rat als Pfarrer haben wollte. Das ist mein Job.“ „Was spielt es denn für eine Rolle, was ich denke oder nicht oder was mit mir los ist? Ich bin bloß Euer Diener, also ist es doch egal. Ich meine…“ Nabi wich seinem Blick aus und Tränen sammelten sich in seinen Augen. Er begann zu zittern und kämpfte mit sich. „Verzeiht, Meister“, brachte er mit Mühe hervor und versuchte sich zu beruhigen, doch das fiel ihm immer schwerer und bald würde es gar nicht mehr gehen, das wusste er jetzt schon. „Ich mache wirklich nichts als Ärger. Ich weiß ja selbst, dass ich anstrengend bin und mich mit meinen Worten auch nicht sonderlich zurückhalten kann. Da kann ich es schon verstehen, wenn Ihr mich nicht mehr bei Euch haben wollt und ich Euch unangenehm bin. Aber… ich kann nichts dafür. Ich hab es doch versucht!“ „Was hast du versucht?“ „Diese verdammten Gefühle abzustellen, aber es geht nicht! Ich habe wirklich mein Bestes gegeben, weil ich bei Euch bleiben wollte. Aber ich kann nichts dagegen tun, dass ich diese Gefühle für Euch habe. Ich liebe Euch, obwohl ich weiß, dass ich das nicht darf. Ich bin nur ein Diener und Ihr? Ihr gehört zu den großen Alten und seid auch noch Elohims Berater. Es kann einfach nicht gehen und ich weiß das ja auch. Deshalb hab ich mich ja so bemüht, diese Gefühle abzustellen, aber ich liebe Euch und kann Euch nicht aus meinem Kopf streichen, egal wie sehr ich es auch versuche. Bitte verzeiht mir, aber… ich hab es wirklich versucht, doch es geht nicht. Vielleicht ist es das einzig Richtige, wenn Ihr einen Diener sucht, der Euch besser dienen kann als ich.“ Damit drängte sich Nabi an ihm vorbei und lief aus dem Haus. Samajim versuchte zwar noch, ihn aufzuhalten, aber Nabi war einfach zu schnell und war dann auch schon verschwunden. Ratlos blieb der Pfarrer zurück und fühlte sich irgendwie ziemlich miserabel. Nun, jetzt hatte er endlich das erreicht, was er wollte. Nabi hatte ihm seine Liebe gestanden. Aber zu welchem Preis? Er war weinend davongerannt und völlig am Ende mit den Nerven. So wollte er es sicherlich nicht haben. Es war genauso eingetroffen, wie Eva es prophezeit hatte: Nabi würde die Flucht ergreifen und sich immer weiter zurückziehen. Aber wieso war es nicht so gelaufen, wie er es geplant hatte und wieso war es Eva, die Nabi besser einzuschätzen wusste als er? Geschlagen seufzte er und ging zurück ins Haus. Zuerst spielte er mit dem Gedanken, sie anzurufen, aber da er mit Telefonen und Handys sowieso nicht wirklich umzugehen vermochte, entschied er sich für den leichteren Weg und kommunizierte er über den üblichen Weg, nämlich über die Seelenverbindung, wodurch auch problemlos ein Gedankenaustausch klappen konnte. „Eva, ich hab ein Problem.“ „Oh je, ich ahne es schon. Was ist denn nun wieder zwischen dir und Nabi los? Kaum bin ich wieder weg, schon gibt es die nächsten Schwierigkeiten zwischen euch beiden. Erzähl schon, was ist los?“ Samajim berichtete ihr, was vorgefallen war und dass Nabi weggerannt war. Schließlich fügte er noch hinzu „Das mit dem Mädchen war wirklich ein ungünstiger Moment gewesen, aber ich hätte sie als Pfarrer ja auch schlecht abwimmeln können. Besonders nicht, wenn sie damit kommt, dass sie sich noch umbringen will.“ „Ja, das Timing war wirklich mehr als ungünstig. Aber was hattest du denn erwartet, wie er reagiert, nachdem er eh schon so verunsichert war? Verdammt noch mal Samajim, lauf ihm nach und klär das endlich und dann sag ihm auch mal, dass du ihn ebenfalls liebst. Sonst wird das noch in eine absolute Katastrophe laufen. Wahrscheinlich wird er wieder mal im „McKerrigans“ sein und sich bei Nakash die Augen ausweinen.“ Nakash… na das hätte er sich doch gleich denken können. Dieser widerliche Kerl würde sicherlich die Situation ausnutzen, um sich an Nabi heranzumachen. Aber das würde er ganz gewiss nicht zulassen. Nicht, solange er noch ein Wörtchen mitzureden hatte. Nabi gehörte ihm und sonst niemandem. „War ja klar. Na warte, diesem Nakash werde ich noch die Flötentöne beibringen, wenn der sich an Nabi ranmacht.“ „Ach Samajim. Wann kriegst du es denn endlich in deinen Schädel rein, dass Nakash nur ein guter Freund für Nabi ist und zwischen den beiden wird nie etwas laufen. Nakash hat Spaß mit den Menschenfrauen und das ist auch alles. Also lass deine Eifersüchteleien mal da raus und konzentrier dich einzig und allein auf Nabi. Das ist jetzt das Allerwichtigste im Moment. Ich hab sowieso von Kaic gehört, dass Akrav der Grausame sich in der Nähe von London aufhalten soll und ich hab bei der ganzen Sache kein gutes Gefühl.“ Akrav? Na super, der hatte gerade noch gefehlt. Zwar gehörte dieser nicht zu den großen Alten, aber dafür zur Gruppe der so genannten Head Hunter, was nicht weniger schlimm war. Dabei handelte es sich um eine Reihe von Jägern, die auf Bezahlung nach gefährlichen Unvergänglichen suchte und sie entweder festnahm oder sie gleich tötete. Sie galten als absolut gnadenlos, verfolgten ihre Opfer ohne Rücksicht und ohne Rast, spürten sie auf und überwältigten sie dann. Einige waren extrem gefährlich und brutal und mit denen war nicht zu spaßen. Zu den gefährlichsten unter ihnen zählten Akrav der Grausame, Sereas der Jäger und Arye die Kaltblütige. Dass sich einer von ihnen in der Nähe von London aufhielt, konnte nichts Gutes bedeuten. Zwar wussten die Head Hunter von dem Abkommen mit Ajin Gamur und wagten es deshalb auch nicht, in London Jagd auf Asylanten zu machen, aber wahrscheinlich warteten sie darauf, dass einer von ihnen die Stadt verlassen und ihnen in die Falle laufen würde. Sonderlich verwundern würde es Samajim jedenfalls nicht. Na, er würde sich später noch Gedanken darum machen. Erst einmal war es wichtig, dass er Nabi fand und die ganze Sache in Ordnung brachte. Immerhin hatte er den Karren ja erst so dermaßen in den Dreck gefahren, da war es auch an ihm, das wieder zu klären. Mit Akrav konnte er sich später noch befassen. „Okay, ich mach mich dann mal auf den Weg.“ „Und wehe, du machst wieder den nächsten Blödsinn. Dann bin ich es dieses Mal, die dir die Leviten lesen wird!“ „Hey, ich lass mir einiges gefallen, aber auch ich habe meine Geduldsgrenzen mit anderen.“ Damit schnappte sich Samajim seine Jacke und machte sich auf den Weg. Da er mit Autos nicht viel anfangen konnte, fuhr er mit dem Bus zur City of London, wo sich das McKerrigan’s befand. Da es schon Abend war, herrschte bereits Hochbetrieb und zielstrebig ging der Sefira zum Tresen, wo Nakash dabei war, Bier zu zapfen und Gläser zu wischen. Als er seinen Gast sah, hob er erstaunt die Augenbrauen. „Oh, was führt Euch denn hierher? Seid Ihr auf der Suche nach Eurem Diener?“ „In der Tat“, antwortete Samajim kühl und verschränkte die Arme. „Also sag schon, wo ist Nabi?“ „Der kam völlig verheult hier rein und hat sich mein Motorrad geborgt. Er sagte nur, er wolle den Kopf frei kriegen und da hab ich ihm die Schlüssel gegeben. Was ist denn mit ihm?“ „Hat er dir nichts gesagt?“ „Nein“, antwortete Nakash und schüttelte den Kopf. „Er hat mir überhaupt nichts gesagt, sondern ist direkt wieder abgehauen. Aber so wie er gewirkt hat, ist er völlig fertig.“ Er ist mit Nakashs Motorrad unterwegs? Wo will er denn hin? Tja, da blieb ihm wohl nichts anderes übrig, als Nabi aufzuspüren und ihn abzufangen. Es würde zwar nicht einfach werden, ihn einzuholen, aber wenn er seine Kräfte einsetzte, dürfte es eigentlich klappen. Na hoffentlich machte der Kerl jetzt bloß keinen Blödsinn. Kapitel 7: Aussprache --------------------- Nabi fuhr die Straßen von London entlang und beschleunigte das Tempo noch weiter. Er spürte den kühlen Fahrtwind und wie der Wind sein Gesicht kühlte. Eine wahre Wohltat und das beste Mittel, diesen ganzen Scheiß zu vergessen und wieder runterzukommen. Aber sein Entschluss stand dennoch felsenfest. Er konnte nicht mehr bei Samajim bleiben, dafür war es endgültig zu spät. Er würde London verlassen und Ain Soph bitten, ihn von seinem Schwur zu entbinden. Das war das Beste für alle Beteiligten, da er ja sowieso als Diener auf ganzer Linie versagt hatte. Er hatte Gefühle für seinen Meister und das durfte einfach nicht sein. So etwas war verboten und hätte ohnehin keine Zukunft. Herr und Diener, so etwas gab es nicht und das auch aus gutem Grund. Das waren so verschiedene Welten, die einfach nicht zusammenpassten und nicht einmal im Märchen gab es so etwas. Und selbst wenn, es waren ja auch nur Märchen. Samajim verdiente etwas viel Besseres als ihn. Jemanden, der nicht so frech, sarkastisch und herrisch in dem Sinne war, dass dieser seinen eigenen Herrn anfing herumzukommandieren. Es war ja schon ein Wunder, dass Samajim es überhaupt so lange mit ihm ausgehalten hatte. Was konnte er ihm schon großartig bieten? Nun, im Grunde eigentlich gar nichts. Er war weder mächtig noch reich. Besitztümer spielten für die Unvergänglichen zwar ohnehin keine große Rolle, aber er war nicht so stark und vor allem war er kein Kämpfer. Selbst während des Krieges hatte er sich nicht ins Kampfgetümmel gemischt und sein Leben auf dem Schlachtfeld riskiert. Auch sonst war er niemand, der gerne kämpfte, sondern würde eher die Flucht ergreifen. Samajim war da ganz anders als er. Und da er es beim besten Willen nicht schaffte, seine Gefühle für ihn zu begraben, war er es nicht mehr länger würdig, sein Diener zu sein. Als es um eine enge Kurve ging, drosselte Nabi ein wenig das Tempo und bog schließlich auf die Landstraße ab, die direkt aus London rausführte. Vor ihm erstreckten sich riesige Wälder und so langsam begann das tiefe Rot der Abenddämmerung immer mehr dem tiefen blau zu weichen, um dann schließlich in einem dunklen Schwarz zu enden, welches den letzten Rest des Tageslichts verschlucken würde. Und für Nabi besiegelte es sogleich nicht nur das Ende des Tages, sondern auch das Ende der Gemeinschaft mit seinem Meister. Jetzt, nachdem er Samajim seine Gefühle gestanden hatte, war es eh zu spät. Er konnte nicht mehr zu ihm zurückkehren und es würde nie wieder so sein wie früher. Bei dem Gedanken schnürte sich seine Brust zu und ihm war wieder einfach nur zum Weinen zumute. Warum nur musste das Leben manchmal so gemein sein und mit seinen Gefühlen spielen? Er wusste selbst, dass er zu viel verlangte. Er sollte dankbar dafür sein, dass er überhaupt am Leben war und Samajim so gut zu ihm war. Aber selbst das war ihm offenbar nicht genug. Stattdessen wollte er mehr, nämlich seine Liebe. Und das war einfach zu viel verlangt. Es war völlig unmöglich. Die Nacht brach herein und eine friedliche Stille lag über England. Der Himmel war nun in ein tiefes violett gehüllt, als sich das Rot der letzten Sonnenstrahlen mit dem Blau der Nacht vermischte und die letzte Grenze zwischen Tag und Nacht besiegelte. Selbst die Wolken wurden zu einem Teil dieses Farbenspiels der Dämmerung und boten ein wunderschönes Bild. Am Himmel waren schon die ersten Sterne zu sehen und auch der Mond leuchtete bereits. Nicht mehr lange würde es dauern, bis diese schöne und auch romantische Abenddämmerung der tiefschwarzen Nacht wich und den letzten Rest der Sonnenstrahlen gänzlich verbannte. Nur ein paar Minuten, bis diese Endgültigkeit dieses Tages besiegelt war und die Sonne endgültig untergegangen war. Die Menschen fürchteten die Dunkelheit für gewöhnlich, aber nicht Nabi oder die anderen Unvergänglichen. Für sie waren Tag und Nacht bloß sich stets wechselnde Tageszeiten, nicht mehr und nicht weniger und deswegen nichts Schlimmes oder Bedrohliches. Sie sahen die Welt mit anderen Augen als die Menschen und empfanden vor der Nacht selbst keinerlei Furcht. Nabi trug keinen Helm, als er so durch die Nacht fuhr. Er brauchte auch keinen, denn durch seine Fähigkeiten konnte er seinen Körper vor Unfällen schützen. Und auf die Weise konnte er sich auch ein wenig abkühlen und seine Gedanken halbwegs sortieren. Am liebsten wäre er ewig so gefahren. Er wollte weit weg fahren, weg von Samajim und diesem ganzen Liebesdrama, welches ihn noch fast zum nervlichen Wrack gemacht hatte, weil er sich selbst so lange Zeit so dermaßen quälen musste. Doch er spürte viel zu spät, dass sich da eine verdächtige Aura näherte und ihn ins Visier genommen hatte. Dafür war er viel zu sehr durch seine Gedanken abgelenkt. Und gleich schon im nächsten Moment schlang sich eine Kette um seinen Hals und schon wurde er mit immenser Kraft vom Motorrad gerissen und schaffte es in allerletzter Sekunde noch, seinen Körper vor schwereren Schäden zu schützen, bevor er auf dem Asphalt aufschlug. Unerbittlich schlang sich die kalte Metallkette um seine Kehle und schnürte ihn die Luftzufuhr ab und schleifte ihn über den Boden in Richtung des Waldes. Er schaffte es nicht, schnell genug zu reagieren und sich aus diesem eisernen Galgenstrick zu befreien, der ihm gnadenlos die Luftzufuhr abschnitt und drohte, ihn zu erwürgen. Auch schaffte er es nicht, um Hilfe zu rufen. Doch auf der verlassenen Landstraße hätte ihn sowieso niemand gehört. Unerbittlich wurde er über den Boden geschleift und schaffte es nicht, sich dagegen zu wehren. Verzweifelt versuchte er stattdessen, seinen Kopf irgendwie aus dieser beengenden Schlinge zu befreien, doch es brachte nichts. Und gleich schon darauf, als sich der Zug an der Kette etwas lockerte und er wieder halbwegs Luft bekam, da trat ihm jemand in den Bauch und drückte seine Hände auf den Boden. Das Nächste, was Nabi spürte, war ein heftiger Schmerz, als eine Klinge seine Handflächen durchbohrte und ihn auf dem Boden festnagelte. Er schrie auf und dann wurde er sogleich grob an den Haaren gepackt, was den Schmerz seiner durchbohrten Handflächen nur noch übertraf. Und durch diesen heftigen Schmerz war er nicht mehr fähig, einen klaren Gedanken zu fassen und sich zu befreien. Er saß endgültig in der Falle. „Sieh an, sieh an“, hörte er eine Stimme sprechen und sah ein Gesicht, welches durch eine Schutzbrille und einer Art Gashalbmaske verdeckt wurde. „Hat sich da ein kleines Schäfchen zu weit von seiner Herde getrennt? Und dann geht mir auch noch ein echt dicker Fisch ins Netz. Auf deinen Kopf ist eine ziemlich hohe Summe ausgesetzt, mein Freund. Die großen Alten brennen ja richtig darauf, deinen Kopf in ihrem persönlichen Sammelregal zu sehen, genauso wie die deiner anderen Freunde, die der Massenhinrichtung nicht entkommen konnten, oder die so dumm waren, ihren sicheren Ort zu verlassen.“ Nabis Augen weiteten sich vor Entsetzen als er erkannte, wer da vor ihm stand und ihn an den Haaren gepackt hielt. Das war ein Head Hunter. Oh nein… was macht denn ein Head Hunter hier in dieser Welt? Ist er… ist er wegen mir hier? Die Angst überkam den Sefira und vermischte sich mit dem quälenden Schmerz. Wirklich alles musste aber auch heute schief laufen. Erst das mit Samajim und jetzt auch noch ein Head Hunter, der ihn gleich umbringen würde, weil er sich aus London herausgewagt und damit den einzig sicheren Ort für Asylanten verlassen hatte. Und dann war dieser Head Hunter auch noch Akrav der Grausame, der als der brutalste aller Head Hunter bekannt war. Was für ein Alptraum. „Nein… bitte…“, flehte Nabi und hätte sich normalerweise zur Wehr gesetzt, doch die Schmerzen machten es ihm unmöglich, seine Kräfte einzusetzen und das wusste auch Akrav. Das war eben die effektivste Methode, um einen Unvergänglichen wehrlos zu machen. Der Head Hunter selbst lachte amüsiert darüber, als er sein wehrloses Opfer auf dem Boden liegen sah. Es war kein Geheimnis, dass er ein absoluter Bilderbuchsadist war, der seine Opfer zerfleischte und folterte, bevor er sie umbrachte. Niemals ließ er eines davon je am Leben. Er machte keine Gefangenen. „Du hörst dich echt verdammt süß an, wenn du schreist. Hey, ich hab gehört, dass dich bislang noch keiner angerührt hat, ist das wirklich so?“ Ein eisiger Schreck durchfuhr den wehrlosen Sefira, als er das hörte und er stand kurz vor einer Panik. Und als Akrav ihm auch noch zwischen die Beine fasste, da wurde er in seiner schlimmsten Befürchtung bestätigt. „Ich glaub, ich hol mir erst mal meinen Spaß mit dir, bevor ich dir den Kopf abschneide und ihn mitnehme. Wäre ja langweilig, dich einfach nur umzubringen und dann die Belohnung zu kassieren. Hat ja auch für dich den schönen Vorteil, dass du nicht als Jungfrau sterben musst, mein Guter. Und halt dich bloß nicht zurück und lass mich mehr von deinem süßen Stimmchen hören. Ich mag es nämlich, wenn meine Opfer auch schön laut schreien.“ „Nein, fass mich nicht an“, schrie Nabi und versuchte den Head Hunter wegzutreten, doch da packte Akrav ihn wieder grob an den Haaren und schlug ihm ins Gesicht. „Ein bisschen widerspenstig, hm? Ja, das mag ich. Sonst würde das Ganze ja auch keinen Spaß machen. Na dann wollen wir mal loslegen. Eine kopflose Leiche zu ficken ist bei weitem nicht so heiß, wenn man nicht mal etwas Geschrei dabei hören kann.“ Damit begann Akrav nun, Nabis Shirt hochzuschieben und zog sogleich mit einem Messer einen langen Schnitt quer über die Brust seines Opfers. Nabi presste die Zähne zusammen und versuchte, nicht zu schreien. Er hatte Angst, dass noch viel Schlimmeres passieren würde, wenn er es tat. „Na, stehst du auf Schmerzen? Dann werde ich dich gleich garantiert um den Verstand bringen, bevor ich dich umbringe.“ Nabi wusste, dass er in dieser Verfassung keine Chance gegen diesen Killer hatte und hatte einfach nur Angst. Ihm war bewusst, dass er nicht so schnell sterben würde. Nein, vorher würde Akrav wie ein Raubtier über ihn herfallen und ihn zerfleischen. Es musste aber auch wirklich alles schief laufen… Vor Angst und Schmerzen zitternd schloss er die Augen und bereitete sich auf das Schlimmste vor. Doch gerade, als Nabi schon befürchtete, dass Akrav gleich über ihn herfallen würde, da hörte er plötzlich einen Schrei. Zögernd öffnete er die Augen und sah, dass da Samajim hinter Akrav stand und ihn am Schopf gepackt hatte und ihn gewaltsam hochzerrte. Er stieß den maskierten Head Hunter gegen den Baum und noch nie hatte man ihn wütender gesehen als in diesem Moment. Abgrundtiefer Hass und Verachtung lagen in seinem Blick und es sah wirklich danach aus, als wolle er den Head Hunter umbringen. Zwar war Samajim für gewöhnlich friedfertig und vermied überflüssige Gewalt, aber wehe, jemand tat einem Schutzbefohlenen oder seinen Freunden etwas zuleide. Dann vergaß er sich endgültig. Sein eiskalter und hasserfüllter Blick jagte selbst Akrav in diesem Moment einen Schreck ein. „Lass deine dreckigen Finger von Nabi, du widerlicher kleiner Kopfjäger, oder ich vergesse mich gleich. Der Junge steht unter meinem persönlichen Schutz und wenn du ihm auch nur ein einziges Mal zu nahe kommst, dann schwöre ich bei Ain Soph und Ajin Gamur: es wird das Letzte sein, was du tun wirst. Dann wird es dein Kopf sein, der bald ein Regal zieren wird.“ Damit stieß Samajim ihn zu Boden und zog vorsichtig das Schwert aus dem Boden, welches Nabis Hände festgenagelt hatte und stieß es in Akravs Schulter und schnitt ihm die Maske und die Schutzbrille vom Gesicht, woraufhin sich eine blutige Schnittwunde quer über dessen Gesicht abzuzeichnen begann. „Verschwinde von hier und lass dich nie wieder in der Menschenwelt blicken. Dieses Mal werde ich dein Leben noch verschonen, aber nur, weil ich Nabi diesen Anblick ersparen will. Aber sollte ich merken, dass du noch ein einziges Mal einen Fuß in diese Welt setzt, dann werde ich dir höchstpersönlich zeigen, wie deine Opfer zu leiden hatten. So viel kann ich dir versprechen.“ Damit ergriff Akrav die Flucht und verschwand. Samajim sah erst noch danach aus, als wolle er ihm nachsetzen, doch er ließ es. Stattdessen wandte er sich Nabi zu, um bei ihm nach dem Rechten zu schauen. Dieser lag auf dem Boden und war völlig am Ende mit den Nerven. Er zitterte am ganzen Körper und hatte Tränen in den Augen. Außerdem bluteten seine Wunden schlimm. Zwar ließ sich die Verletzung auf seinem Brustkorb leicht zurückzusetzen, doch mit seinen Handflächen sah es nicht gut aus. Diese waren mit einer Sefiraklinge verursacht worden und solche Waffen verursachten einen weitaus größeren Schaden als von Menschen geschmiedete Waffen. Es würde dauern, bis sie verheilt waren und einen großen Kraftaufwand bedeutete es auch. Sefira-Waffen waren die gefährlichsten Waffen, die es gab, da sie einen Unvergänglichen tatsächlich zu töten vermochten. Samajim ging zu dem Verletzten hin und wollte ihn trösten, doch Nabi ging sofort wieder auf Abstand und senkte reumütig und beschämt den Blick. „Tut mir Leid, dass ich weggelaufen bin. Ich… ich mache auch nichts als Ärger…“ „Ach sag so etwas nicht. Als dein Meister ist es auch meine Aufgabe, dich zu beschützen. Na komm, lass uns nach Hause gehen.“ Damit wollte er ihn auf den Arm nehmen, doch das wollte Nabi nicht zulassen und rief sofort „Nein, Meister. Ich bin voller Blut und Ihr werdet Euch nur schmutzig machen.“ „Jetzt hör schon auf mit dem Unsinn. Als ob mich so was in so einer Situation kümmert. Du bist verletzt und brauchst Hilfe, also stell dich nicht so an. Na komm.“ Damit hob er ihn hoch und setzte sogleich seine Kraft ein, um ihre Position zurückzusetzen. Das war bei weitem kraftaufwendiger, aber so ging es deutlich schneller als wenn sie mit dem Motorrad fahren würden. Die Zurücksetzung der Position verhielt sich ähnlich wie mit der Zurücksetzung der Verletzungen, allerdings war es bei weitem komplizierter und nur erfahrene Unvergängliche vermochten sie anzuwenden. Es ermöglichte ihnen, sich ganz einfach an den Ort zurückzusetzen, wo sie schon mal gewesen waren, also ähnlich wie eine Teleportation. Nur gab es da leider das Problem, dass man diese Technik nicht in der Menschenwelt anwenden konnte, da man Gefahr lief, sofort gesehen zu werden und dann würden die Menschen nur misstrauisch werden. Deshalb verzichteten die Unvergänglichen freiwillig auf den Einsatz dieser Fähigkeit, auch wenn dies enorme Umstände bedeutete. Und den Asylanten war dies ohnehin verboten worden. Kaum, dass sie also wieder im Pfarrhaus zurück waren, brachte Samajim Nabi erst einmal in sein Zimmer und begann damit, seine Wunden zu verarzten. Der Ärmste war immer noch vollkommen aufgelöst und konnte nicht aufhören zu zittern. Dieser Zwischenfall mit Akrav musste wirklich zu viel für ihn gewesen sein, genauso wie die Geschichte mit dem Geständnis. Samajim überkam wirklich das schlechte Gewissen, als er seinen Diener so sah. Und wieder sagte Nabi nur „Es tut mir leid. Ich mache Euch wirklich nur Ärger.“ Nein, dachte Samajim, während er Nabis Handflächen verband. Der Einzige, der hier Ärger gemacht hat, war ich. Du bist der Letzte, der etwas für diese Situation kann. „Der Einzige, der sich hier entschuldigen muss, das bin ich. Hätte ich das Ganze nicht so auf die Spitze getrieben, dann wäre das nicht passiert. Ich wollte nicht, dass es so eskaliert und du so verletzt wirst. Weder körperlich noch seelisch. Wirklich alles ist schief gelaufen, obwohl mir das noch nie im Leben passiert ist. Weißt du Nabi, es gibt einen bestimmten Grund, warum ich damals beschlossen habe, dich zu meinem Diener zu machen. Ich wollte dich bei mir haben und dich beschützen. Dabei spielte es für mich gar keine Rolle, wer oder was du bist. Du sagst, du bist nicht einfach… Der Einzige, der hier nicht einfach ist, das bin ich. Ich bin nicht gerade der Fleißigste, ich bin absolut launisch, hab Spaß daran, dich zu ärgern und ich halse gerne anderen die Arbeit auf. Und ich kann es einfach nicht lassen, meine Spielchen mit anderen Leuten zu spielen. Du hast hier gar nichts falsch gemacht und du brauchst dich auch nicht für die Gefühle zu schämen, die du hast. Für seine Gefühle kann man nichts und man kann sie auch nicht so einfach abstellen. Ich weiß das sehr gut aus eigener Erfahrung.“ „Wie… wie meint Ihr…“ Nabi konnte die Frage nicht zu Ende aussprechen, denn da küsste Samajim ihn auch schon und unterbrach ihn auch schon sogleich. Nabis Augen weiteten sich und Samajim wieder langsam seine Lippen von ihm löste, da brachen die letzten Dämme bei seinem Diener. Ungehindert flossen seine Tränen und er konnte nicht mehr aufhören zu weinen. „M-Meister… was…“ Sanft strich Samajim ihm seine Tränen weg und sah in seine türkisfarbenen Augen. „Verzeihst du einem dummen alten Mann, der so dermaßen stur war und dich so lange hat warten lassen?“ „Wie meint Ihr das?“ „Dass es mir leid tut, dass ich dich in so eine Lage gebracht habe. Ich liebe dich ebenso, Nabi. Ich habe dich schon geliebt, seit ich dich das erste Mal gesehen habe und ich habe dich deshalb zu meinem Diener gemacht, weil ich dich an meiner Seite haben und dich beschützen wollte. Aber ich war so darauf versessen, von dir zuerst ein Liebesgeständnis zu hören, dass ich es viel zu weit getrieben habe. Zuerst dachte ich, du würdest allerhöchstens Dankbarkeit empfinden und es genügte mir zuerst, dich bei mir zu haben. Aber als ich dann erkannte, dass du mich ebenso liebst, da hatte ich mich in diese völlig verrückte Idee verrannt und dachte, ich könnte dich genauso leicht lenken wie all die anderen. Aber es ist alles in die völlig falsche Richtung verlaufen und als ich erkannt habe, was ich für einen Riesenmist verzapft habe, da warst du auch schon weg und so bin ich dich suchen gegangen. Du hast nichts falsch gemacht. Ich bin es, der hier einen Haufen Fehler gemacht hat und es tut mir wirklich sehr leid. Nun frage ich dich nicht als dein Meister: willst du bei mir bleiben, auch wenn ich ein kindischer, ichbezogener, arbeitsfauler Trotzkopf bin?“ Und daraufhin umarmte Nabi ihn. Er klammerte sich regelrecht an ihn und schluchzte heftig, wobei er sein Gesicht in Samajims Schulter vergrub. Es fiel ihm umso schwerer, jetzt noch in diesem Zustand überhaupt zu sprechen. Aber dann gelang es ihm mit einiger Mühe. „Bitte lasst mich bei Euch bleiben, Meister. Mir ist es egal, ob Ihr schwierig seid oder nicht. Ich liebe Euch und ich bin auch glücklich bei Euch. Auch wenn es egoistisch von mir klingt und ich zu viel verlange, aber ich will bei Euch bleiben, wenn Ihr mich auch bei Euch haben wollt…“ „Natürlich will ich das“, sagte Samajim ruhig und erwiderte die Umarmung. „Ich würde dich am liebsten für immer an meiner Seite haben, aber ich will dich nicht länger dazu zwingen. Ich will dich nicht mit irgendeiner Verpflichtung an mich binden. Nicht mehr. Wenn es dein Wunsch ist, kann ich dich von deinem Versprechen lossagen und du kannst frei sein und gehen wohin du willst. Keine Verpflichtungen mehr, keine Spielchen.“ „Aber das ist für mich doch nicht wichtig“, rief Nabi und klammerte sich noch fester an ihn. „Ich bin gerne Euer Diener und ich brauche diese Freiheit nicht. Sie ist für mich nicht so wichtig wie Ihr. Ich bin schon glücklich genug, wenn ich weiter bei Euch bleiben darf. Aber… Ihr müsst das nicht aus Mitleid für mich tun.“ „Wer redet hier von Mitleid?“ fragte Samajim und löste sich von Nabi. Am liebsten hätte er ihm eine Kopfnuss gegeben, aber er ließ es doch lieber. Nicht, wenn der Ärmste in so einem Zustand war. „Aus Mitleid würde ich nie solche Worte zu dir sagen. Nabi, ich liebe dich wirklich und daran wird sich auch nichts ändern.“ Damit nahm er ihn wieder in den Arm, um ihn zu beruhigen. Es hätte alles nicht so lange andauern müssen und vor allem hätte es gar nicht erst so eskalieren brauchen. Insgeheim ärgerte sich Samajim über seine eigene Art, dass er es einfach nicht lassen konnte, andere für seine eigenen Pläne wie Spielfiguren zu benutzen. Erst damit hatte er Nabi in diese Situation gebracht. Aber für ihn stand nun endgültig fest, dass er es nie wieder so machen würde. „Und eines verspreche ich dir, Nabi. Es wird keine Tricks mehr geben und keine Spielchen. Nur die üblichen.“ Der Schwarzhaarige konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen und nickte. „Damit kann ich gut leben.“ Kapitel 8: Zurück zur Normalität -------------------------------- Nach den ganzen Strapazen war Nabi in einen langen und tiefen Schlaf gefallen und hätte wahrscheinlich noch länger geschlafen, wenn ihn nicht irgendetwas geweckt hätte. Nämlich das laute Geräusch des Rauchmelders. Ach herrje, was war denn nun schon wieder los? War Samajim etwa schon wieder mit einer brennenden Zigarette eingeschlafen, so wie vor 10 Jahren? Dieser Idiot! Der fackelt ja noch die ganze Bude ab mit seinem Leichtsinn. Sofort sprang Nabi aus dem Bett auf und sah auch schon den Rauch, der aus der Küche kam. Schnell eilte er zum Fenster und öffnete es, bevor sich der ganze Rauch im Haus verteilen konnte und damit er wenigstens wieder vernünftig etwas sehen konnte. Und das Bild, was sich ihm bot, war gänzlich anders als zunächst erwartet. Samajim stand am Herd und hatte offenbar einen Selbstversuch gestartet, etwas zu kochen. Da er aber keine Erfahrungen darin besaß, war es deshalb mächtig in die Hose gegangen. „Meister, was hat das zu bedeuten? Wollt Ihr die ganze Küche abbrennen lassen?“ „Oh Nabi, schon wieder wach?“ bemerkte dieser erstaunt und wich zur Seite, als sein Diener sich an den Herd drängte und die verkohlten Überreste dessen, was irgendwann mal etwas Essbares gewesen war, in den Müll entsorgte. Doch gleich schon, als er die Pfanne zu fest packte, da durchfuhr ein stechender Schmerz seine Hände und er ließ sie fast fallen. Er sah seine bandagierten Handflächen und erinnerte sich an das, was gestern gewesen war. Seine Flucht, Akravs Angriff, Samajim, die Aussprache… Ja, er hatte Samajim seine Liebe gestanden und sie wurde erwidert. Gegen aller Erwartungen und Befürchtungen hatte sein Meister ihn nicht von sich gestoßen, sondern ihn um Verzeihung gebeten und ihn getröstet. Das war alles so unglaublich gewesen, dass Nabi echt hätte schwören können, dass er das alles nur geträumt hatte. Und als Samajim seine Hände nahm und sie besorgt betrachtete, da begann sein Herz wie verrückt zu schlagen und er errötete, wobei er verlegen dem Blick seines Herrn auswich. „Wie geht es denn eigentlich deinen Händen? Tut es noch sehr weh?“ „Es geht. Aber sagt mal, was habt Ihr Euch bei dieser Aktion nur gedacht? Wenn Ihr etwas essen wollt, dann hättet Ihr mich wecken können.“ „Du hast so tief und fest geschlafen und nach der ganzen Aufregung dachte ich, das tut dir auch mal gut.“ „Ach Meister, ich bin immer noch Euer Diener und daran wird sich auch nicht so schnell etwas ändern. Deshalb ist es auch meine Aufgabe, für Euch zu kochen und mich um alles andere zu kümmern. Und jetzt setzt Euch erst mal hin und esst meinetwegen einen Twinkie, wenn Ihr nicht warten könnt. Ich koch uns eben schnell etwas.“ „Zu spät, die sind schon alle leer.“ „Wie bitte?“ rief Nabi und sah ihn fassungslos an. „Ich habe erst vorgestern ein ganzes Paket geholt! Wie verfressen seid Ihr eigentlich?“ „Lass mich doch, ich hatte eben Hunger.“ Der Schwarzhaarige schüttelte den Kopf und konnte nicht glauben, dass das wirklich Samajims Ernst sein sollte. Aber andererseits war das ja auch mal wieder so was von typisch für ihn. Bei dem Kerl wunderte ihn überhaupt nichts mehr. Schließlich, als er damit begann, das Gemüse zu schneiden, da legte Samajim seine Arme um ihn und diese direkte Umarmung von hinten brachte ihn nun endgültig aus dem Konzept. Er erstarrte regelrecht und ihm war, als würde ihm gleich das Herz zerspringen. Diese Situation war so dermaßen ungewohnt für ihn und fühlte sich fast wie ein Traum an. Für Nabi war das alles zu viel und er wusste nicht, wie er damit umgehen sollte. Das war alles so neu für ihn… So lange Zeit herrschte trotz Freundschaft immer eine gewisse Distanz zwischen ihnen, weil sie in einem Herr-und-Diener-Verhältnis zueinander standen. Und nun hatte sich so einiges geändert. Er und Samajim hatten sich einander zu ihren Gefühlen bekannt und damit war diese Distanz nun endgültig verschwunden. Und das konnte Nabi noch nicht so wirklich einordnen und war damit auch erst mal überfordert. „Soll ich dir vielleicht irgendwo zur Hand gehen?“ „N-nein, schon in Ordnung. Ü-überlasst d-d-das ruhig mir.“ Nabi hatte sichtlich Mühe, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren und selbst als sich Samajim wieder von ihm löste, wurde es nicht besser. Er wusste auch überhaupt nicht, wie er sich denn jetzt ihm gegenüber verhalten sollte. Sollte er sich ganz normal so wie sonst verhalten oder sollte er diese Annäherung erwidern? Irgendwie war er da völlig ratlos und wurde nur noch nervöser und verkrampfter. Und das entging auch Samajim nicht, der sich nun ein klein wenig über diese Reaktion wunderte. „Gibt es noch irgendetwas, oder ist alles in Ordnung bei dir?“ „Alles bestens“, versicherte Nabi und begann nun, das Gemüse in der Pfanne anzubraten. „Ich… äh… also es ist so, dass… ähm…“ Jetzt verlor er endgültig den roten Faden und wusste nicht mehr, was er sagen wollte. Samajim beobachtete ihn neugierig und sagte schließlich nach einer Weile „Jetzt sag schon, was dich beschäftigt. Ich dachte, zwischen uns beiden wäre alles geklärt.“ „Ist es ja auch“, rief Nabi schon fast und versuchte seine Stimme wieder zu senken. „Aber das ist noch alles so neu für mich. Die ganze Zeit war ich nur Euer Diener und jetzt… jetzt ist es irgendwie nicht mehr das gleiche Verhältnis zwischen uns beiden. Nicht, dass es mich stören würde. Das ist es nicht! Aber ich weiß irgendwie nicht so wirklich, wie ich mich Euch gegenüber verhalten soll.“ „Das ist dir überlassen. Mach, was du für richtig hältst und womit du am glücklichsten bist. Und wenn du eine Zeit lang brauchst, um dich daran zu gewöhnen, dann nimm dir ruhig die Zeit. Sei nicht so verkrampft, sondern geh es ganz gelassen und entspannt an.“ Das ist leichter gesagt, als getan, dachte sich der Sefira und setzte nun das Wasser für die Nudeln auf. Immerhin bin ich dieses alte Verhältnis zwischen uns schon so sehr gewöhnt, dass es für mich fast schon zu viel ist, wenn Ihr mir zu nahe kommt. „Stört es Euch, wenn ich Euch noch weiterhin mit „Meister“ anspreche?“ „Überhaupt nicht“, antwortete Samajim und konnte sich ein verschlagenes Grinsen nicht verkneifen. „Du kannst mich meinetwegen auch mit „Gebieter“ ansprechen.“ „Auf Eure alten Tage auch noch übergeschnappt werden, oder was? Das hättet Ihr wohl gerne!“ rief Nabi und war damit wieder ganz der Alte, als er ihm wieder eine Standpauke hielt. „Also das schlägt dem Fass nun wirklich den Boden aus. Und grinst nicht so, das ist mein Ernst! Und was Eure Verfressenheit angeht: für den Rest der Woche gibt es keine Twinkies mehr!“ „Egal, es ist eh Samstag.“ „Wie jetzt? Ja aber… es ist doch erst Dienstag.“ Nun war er endgültig verwirrt. Er sah auf die Uhr, die auch eine Datumsanzeige hatte und tatsächlich sah er, dass es nicht Dienstag, sondern Samstag war. Sollte das etwa heißen, dass er vier Tage durchgeschlafen hatte? Und dieser Vollidiot hatte ihn nicht einmal geweckt? „Meister, jetzt mal im Ernst: wie habt Ihr vier Tage ohne mich überhaupt überleben können?“ „Eva hat ein wenig geholfen und nach dem Rechten gesehen. Sie ist aber heute wieder abgereist und lässt schöne Grüße ausrichten.“ Aha, das erklärte so einiges. Es hätte Nabi aber auch sehr verwundert, wenn Samajim sich ganz alleine zurechtgefunden hätte. Nicht, dass er dumm war, aber mit menschlicher Technik war er doch gänzlich überfordert. Und seit er in den Genuss eines eigenen Dieners gekommen war, entwickelte er sich immer mehr zur unselbstständigsten Person der Welt. „Oh Mann, warum habt Ihr mich denn so dermaßen lange schlafen lassen? Da wartet doch ein Haufen Arbeit auf mich, der erledigt werden muss.“ „Das hat Eva schon erledigt, also entspann dich mal ein wenig.“ Nabi sagte nichts und als er schließlich mit dem Kochen fertig war, wollte er den Topf und die Pfanne auf den Tisch stellen, doch da machten sich die Schmerzen in seinen Händen wieder bemerkbar und er hielt inne. „Lass mich das machen“, sagte Samajim nur und erledigte das schnell. „Wie lange dauert so etwas, bis es gänzlich verheilt ist? Es ist schon so lange her, dass ich von einer Sefira-Waffe verletzt wurde…“ „Nun, eigentlich müssten sie wieder verheilt sein. Womöglich dauert es bei dir etwas länger als gewöhnlich.“ „Scheint so“, murmelte der Schwarzhaarige nachdenklich und betrachtete seine bandagierten Handflächen. „Bei Schnittverletzungen geht es wesentlich schneller. Aber die Wunden scheinen sich schon bereits geschlossen zu haben. Wahrscheinlich ist es wirklich nur der Schmerz, der noch nachwirkt.“ „Nun, in dem Fall haben die Menschen ja diese praktischen kleinen Pillen erfunden, die dagegen helfen.“ Damit ging Samajim zu einem der Schränke und holte ein kleines Päckchen mit Tabletten raus und gab es dem Verletzten. Dieser brauchte nur einen kurzen Blick darauf zu werfen, um zu erkennen, dass das keine Schmerzmittel waren. Und als er las, was das für Dinger waren, sah er den Blondhaarigen ungläubig an. „Meister, das sind keine Schmerztabletten, das ist Viagra!“ „Nun, das erklärt, warum meine Kopfschmerzen nicht weggegangen sind und ich plötzlich einen Ständer hatte…“ Nabi klatschte sich die Hand gegen die Stirn und konnte nicht glauben, dass jemand sich tatsächlich so blöd anstellen konnte. „Meister, das kann doch wohl nicht Euer Ernst sein!“ „Gib nicht mir die Schuld. Was kann ich denn dafür, wenn die Menschen ihren Medikamenten so seltsame Namen geben, dass man nicht mehr weiß, was jetzt wofür ist? Und dann gibt es auch noch hunderttausende von Schmerzmitteln mit den unmöglichsten Namen. Wie soll ich das denn bitteschön auseinander halten?“ „Vielleicht fragt Ihr mich besser, bevor Ihr Euch so einen Schwachsinn andrehen lasst. Was habt Ihr denn noch für Mittelchen gekauft, von denen ich nichts weiß? Her damit, aber schnell, bevor noch ein Unglück passiert.“ Und damit holte Samajim alle Medikamente aus dem Schrank, die er eingekauft hatte. Wie sich herausstellte, war wirklich alles dabei. Schmerzmittel, irgendwelche kurierenden Sachen wie zum Beispiel für Herz und Nieren, aber dann auch etwas, das verdächtig nach LSD aussah. „Wo habt Ihr das denn her?“ „Von so einem Typen in der Hintergasse. Er sagte, es wäre guter Stoff.“ „Und da ist Euch nicht vielleicht in den Sinn gekommen, dass das eventuell ein Drogendealer sein könnte?“ „Nun, ich hab mich schon gewundert, aber normalerweise werden Drogen doch als Pulver oder Gras verkauft.“ „Nein, es gibt sie auch in Pillenform. Und für die Zukunft: kauft keine Medikamente außerhalb der Apotheke, klar? Echt, manchmal habe ich wirklich das Gefühl, ich hätte es hier mit einem Kleinkind zu tun.“ Nachdem das LSD entsorgt war und Nabi zwei Schmerztabletten eingenommen hatte, saßen sie gemeinsam am Tisch und aßen erst einmal etwas. Die Nervosität und Anspannung waren längst wieder der gewohnten Alltagsatmosphäre gewichen und sie unterhielten sich über alles Mögliche. Es war so, als wäre es zwischen ihnen beiden nie anders gewesen und sie lachten auch zusammen. Schließlich aber hatte Samajim etwas Wichtiges zu erzählen. „Heute Abend findet in der Kirche eine Besprechung statt. Alle Asylanten versammeln sich dort und es wird auch geklärt werden, was mit euch allen passieren wird. Elohim und Ain werden auch gleich hier sein.“ „Wie bitte?“ rief Nabi und sprang auf. „Und das sagt Ihr mir erst jetzt?“ „Du bist ja auch gerade erst wach.“ „Ihr habt vielleicht Nerven, Meister. Da kommen Meister Elohim und Ain Soph und ich erfahre es erst jetzt…“ „Nun fahr doch nicht gleich aus der Haut. Die beiden sind doch nicht die Queen.“ „Als ob das eine Rolle spielt! So langsam habe ich echt das Gefühl, Ihr macht das mit Absicht. Nur um mich in den Wahnsinn zu treiben.“ Kaum, dass sie mit dem Essen fertig waren, begann Nabi sogleich mit dem Aufräumen und war nun noch hektischer als sonst. Samajim kannte ihn schon lange genug, um zu wissen, dass Nabi der absolute Ordnungstyp war. Chaos oder Schmutz waren nun mal etwas, das er gar nicht ausstehen konnte und es war für ihn erst sauber und aufgeräumt, wenn er es selbst machte. In der Hinsicht ließ er sich auch nur sehr ungern Arbeit abnehmen. „Verdammt. Ich muss noch die Bänke und die Böden wischen, die Fenster putzen, die Heiligenstatuen entstauben, die Kerzen auswechseln…“ „Nabi, es wird niemandem auffallen, wenn es irgendwo ein klitzekleines bisschen staubig ist. Jetzt mal im Ernst: du bringst fast jeden Tag alles auf Hochglanz und alle wissen, was mit dir passiert ist. Da wird auch keiner wirklich daran denken, dir den Hals umzudrehen, nur weil man sich nicht gerade im Fußboden spiegelt. Also dreh nicht gleich so ab.“ Und um ihn zu beruhigen, umarmte Samajim ihn. Irgendwie ist er schon süß, dachte er sich dabei. Bei ihm kann man sich ja nur verlieben. „Ich weiß nicht“, sagte Nabi schließlich. „Findet Ihr nicht, ich sollte wenigstens ein bisschen…“ „Es ist alles in bester Ordnung“, versicherte ihn Samajim und gab ihm einen Kuss. Und so beruhigte sich sein Diener wieder so langsam und erledigte noch den Abwasch, bevor er sich umzog. „Ich bin ja mal gespannt, was Meister Elohim und Ain Soph für die Asylanten geplant haben. Es sind zwar viele Gerüchte im Umlauf, aber trotzdem weiß keiner so wirklich, was denn jetzt passieren wird. Wie ist die große Mutter denn so?“ Ain Soph wurde, obwohl kaum jemand sie schon persönlich getroffen hatte, auch die große Mutter genannt. Denn aus ihr war alles Lebende entstanden, auch die Sefirot. Elohim selbst wurde von fast allen als Meister Elohim angesprochen, oder auch als „ehrwürdiger Meister Elohim“ betitelt, bis er darauf bestanden hatte, wenigstens das ehrwürdige wegzustreichen. Man könne es ja auch mit der Respekterweisung übertreiben und er wolle sich ja auch nicht allzu stark abheben. „Nun“, sagte Samajim gedehnt und überlegte sich die passenden Worte. „Um sie mit einem Wort zu beschreiben: sie ist natürlich.“ „Toll, damit kann ich auch wunderbar etwas anfangen“, entgegnete Nabi in seinem gewohnten Sarkasmus und begann nun ein Hemd und ein dazu passendes Jackett anzuziehen. Wenigstens wollte er ordentlich aussehen, wenn schon so hoher Besuch kam. „Meint Ihr, ich kann das so anziehen?“ „Du kannst auch meinetwegen ein Kleid anziehen.“ „So habe ich das nicht gemeint!“ „Warum nicht? Würde dir bei deiner androgynen Figur auch sehr gut stehen.“ „Sehr witzig…“ Nun hatte Nabi sich fertig angezogen und betrachtete sich nachdenklich im Spiegel. Schlecht sah er ja nicht aus. Nur leider mit seinem feinen Gesicht und seinen Haaren und der zierlichen Figur eben auch sehr androgyn. Doch das schien Samajim nicht sonderlich zu stören. „Das sieht doch ganz gut aus. Aber übertreib es nicht gleich, ja? Wir gehen immerhin auf kein Staatsbankett.“ Na der hat ja mal wieder die Ruhe weg, dachte sich Nabi, sagte aber nichts. Samajim, der das alles deutlich entspannter sah, sagte schließlich „Um auf deine Frage bezüglich Ain zurückzukommen: sie wirkt vielleicht auf dem ersten Blick etwas undurchschaubar, aber sie hat ein großes Herz und sie ist vor allem gerecht. Außerdem ist sie unvoreingenommen gegenüber jeden und sie lacht sehr gerne.“ Nun, das klang doch bisher ganz gut. Trotzdem war Nabi sichtlich nervös. „Es gibt keinen Grund, aufgeregt zu sein. Elohim ist mein bester Freund und er mag es sowieso nicht, wenn man ihn übertrieben respektvoll behandelt und Ain genauso wenig. Aber die beiden haben eine Schwäche für Süßes. Ähm Nabi, könntest du da vielleicht…“ „Ich weiß, worauf Ihr hinaus wollt, Meister. Netter Versuch übrigens, aber ich bleibe dabei: es gibt keine Twinkies mehr für diese Woche. Und überhaupt: wenn Ihr schon das Rauchen nicht lassen könnt, dann öffnet wenigstens das Fenster und nehmt einen Aschenbecher.“ Samajim, der sich gerade wieder eine Zigarette anzündete, verzog leicht beleidigt die Miene, öffnete dann aber ein Fenster. Schließlich nahm Nabi die Bandagen ab, um die Verletzungen zu sehen. Nun, vollständig geschlossen hatten sie sich noch nicht und es tat ziemlich weh. Von einem solchen Angriff erholte man sich leider nicht so schnell. Besonders dann nicht, wenn man von einer Sefira-Waffe verletzt wurde. „Minha hat mir ein sehr gutes Mittel gegeben, was die Wundheilung bei solchen Verletzungen zusätzlich beschleunigt. Warte kurz, ich komm gleich wieder.“ „Nein, Meister. Macht Euch nur keine Umstände. Ich kann das auch.“ Doch das ließ sich Samajim nicht ausreden. „Erstens ist es meine Pflicht als dein Herr, mich auch gut um dich zu sorgen und mich deshalb auch um solche Sachen zu kümmern. Und außerdem hättest du diese Verletzungen nicht, wenn ich nicht schon viel früher eingelenkt hätte. Außerdem machen das Verliebte doch so, wenn ich mich recht entsinne: sie kümmern sich umeinander.“ Diese letzten Worte hatten Nabi komplett entwaffnet und so ließ er bereitwillig seine Wunden behandeln. Er beobachtete Samajim dabei und bemerkte, dass er sich dabei nicht so unbedingt ungeschickt anstellte, so wie er zuerst angenommen hatte. Aber so manchmal hatte er eben das Gefühl, dass Samajim sich manchmal absichtlich so dumm anstellte, weil dieser gerissene Fuchs wusste, dass dies der beste Weg war, um seinem Diener die ganzen Sorgen, Ängste und negativen Gedanken zu nehmen. Auch wenn dieser Faulpelz von Pfarrer oft so wirkte, als würde er nur an sich selbst denken und einen Heidenspaß daran haben, seinen Diener zu ärgern und durch die Gegend zu scheuchen, so wusste er genau, wie er ihn am besten wieder aufmuntern konnte. Nämlich, indem er ihm einen guten Anlass gab, seinen Meister zurechtzuweisen. Samajim betrachtete Nabis verletzte Hände und es war so etwas wie Schuld in seinem Blick zu sehen. Und das mochte Nabi überhaupt nicht. Überhaupt seinen geliebten Meister unglücklich zu sehen, war für ihn das Schlimmste, was es geben konnte und so legte er seine fertig bandagierte Hand auf Samajims. „Ihr müsst wegen mir kein schlechtes Gewissen haben, Meister. Was passiert ist, das ist passiert und es ist ja zum Glück noch alles gut gegangen. Ich lebe noch und diese Verletzungen verheilen ja auch wieder.“ „Das mag vielleicht so sein. Aber wenn ich nicht schon viel früher gekommen wäre, dann hätte Akrav dir das nicht angetan. Wäre ich nur einen Augenblick später gekommen, dann hätte er dich…“ Dieses Mal war es Nabi, der ihm die Worte durch einen Kuss abschnitt und ihn somit zum Schweigen brachte. „Ich bin selbst Schuld, weil ich London verlassen und damit die neutrale Zone verlassen habe. Hätte ich es nicht getan, dann wäre ich auch nicht an Akrav geraten. Ich bin ja schon froh, dass Ihr rechtzeitig da gewesen ward, um mich da rauszuholen. Und…“ Bevor er weitersprechen konnte, klingelte es auch schon an der Haustür und Nabi ging hin, um zu öffnen. Vor ihm stand ein großer Mann und platinblonden Haaren und strahlend blauen Augen, der etwas sehr Ehrwürdiges und Erhabenes ausstrahlte. Bei ihm war eine Frau, deren Haare schon fast weiß waren. Ihre Augen hatten das Grün eines frisch ergrünten Blattes und besaß etwas Undurchschaubares. Dennoch hatte sie etwas Warmherziges und Ruhiges. Ihm fielen fast die Augen raus und für einen Moment war er komplett sprachlos. „Meister Elohim, ehrwürdige Mutter Ain Soph.“ Kapitel 9: Ain Soph und Elohim ------------------------------ Nabi hatte für einen kurzen Augenblick den Faden verloren, konnte sich dann aber doch wieder zusammenreißen und ließ die beiden Gäste hereintreten. Zum allerersten Mal begegnete er Ain Soph, der Mutter aller Unvergänglichen. Sein Herz schlug wie verrückt vor Aufregung und er wusste gar nicht, was er sagen und wie er sich verhalten sollte. Samajim kam schließlich hinzu und grüßte seinen besten Freund herzlich. „El, schön dass du hier bist. Das Gleiche gilt auch für Euch, ehrwürdige Mutter.“ „Ach bitte, nennt mich doch Ain. Ehrwürdige Mutter klingt irgendwie so formell und fremd. Und dann komm ich mir gleich wie eine alte Frau vor.“ Sie lachte herzlich und gab auch Samajim eine sehr freundschaftliche Umarmung. Dann ließ sie ihre strahlend grünen Augen zu Nabi schweifen und ein freundliches und sehr fröhlich wirkendes Lächeln spielte sich auf ihre Lippen. Sie wirkte, als würde sie nichts als Licht und Leichtherzigkeit in sich tragen. „Du bist also Nabi der Prophet? Soweit ich weiß, ist es dir zu verdanken, dass damals der Krieg beendet werden konnte.“ Verlegen senkte Nabi den Blick und wagte es kaum, ihr in diese Augen zu sehen, in denen sich die Unendlichkeit zu spiegeln schien. „Ich habe das getan, was richtig war, sonst nichts. Aber es ändert nichts daran, dass auch an meinen Händen Blut klebt.“ „Jeder macht Fehler. Und das ist auch wichtig, denn nur so können wir lernen. Und man darf sich niemals dafür schämen, das Richtige zu tun. Und so wie ich gehört habe, kümmerst du dich gut um deinen Meister?“ „Ja, ehrw… ähm… ich meine: ja, Ain. Ich gebe mein Bestes, um ihn auf die richtige Spur zu bringen. Auch wenn es nicht immer einfach mit ihm ist.“ „Das kann ich mir vorstellen“, bekräftigte Elohim mit einem Lachen und klopfte seinem besten Freund auf die Schulter. „Ich hab auch schon gesehen, dass da Löcher im Dach sind. Ist da irgendetwas passiert?“ Als Nabi das hörte, vergaß er sich endgültig. Er wandte sich mit einem hochroten Gesicht zu Samajim um und packte ihn am Kragen. „Wie war das mit „es ist alles in bester Ordnung“? Wie oft habe ich Euch schon eingetrichtert, Ihr sollt mit der Schießerei aufhören und die Waffen im Keller lassen?“ „Sind sie ja auch“, versicherte Samajim und hob beschwichtigend die Hände. „Ich hab mit einer MG4 geschossen.“ „Wo habt Ihr die denn schon wieder? Beim deutschen Militär geklaut?“ „Nö, Sakin hat sie mir besorgt. Er hat ja seine Kontakte.“ „Ich glaub’s ja nicht. Und was wollt Ihr bitteschön mit all den Sturmgewehren anstellen als Pfarrer? Eure Gläubigen ins Kreuzfeuer nehmen, oder wie?“ Elohim und Ain lachten bei dem Streit und beobachteten die beiden, wie sie sich zankten. Schließlich warf die Unvergängliche ihrem Mann einen kurzen Blick zu und nahm seine Hand. „Die beiden sind wirklich ein süßes Paar, nicht wahr?“ „Ja, das stimmt. Ich hab selten erlebt, dass Samajim sich so locker anderen gegenüber gibt. Normalerweise tut er das nur bei mir und Hajjim.“ „Vor allem finde ich es schön, dass Nabi sich gegen ihn durchsetzen kann. Das ist bei Samajim ja nicht gerade einfach.“ „Da hast du Recht.“ „Hey, was plaudert ihr Turteltäubchen da, während wir streiten?“ Schließlich wurde diese kleine Kabbelei beendet und sie machten sich auf zur Kirche St. Michael, wo bereits eine große Zahl an Asylanten eingetroffen war. Da es noch recht früh war, würde es noch dauern, bis alle versammelt waren. Dass ausnahmslos alle kommen würden, bezweifelte niemand. Denn da es um ihre Zukunft und um ihren weiteren Verbleib ging, war es für alle selbstverständlich, pünktlich zu erscheinen. Nachdem Samajim die Tür aufgeschlossen hatte, traten sie alle nach und nach ein und suchten sich schließlich einen Sitzplatz. „Hey Nabi!“ Kaum, dass der Schwarzhaarige nachsehen wollte, wer da nach ihm gerufen hatte, da legte sich auch schon ein Arm um seine Schultern und er sah, dass es Nakash war. „Na? Endlich aus deinem Dornröschenschlaf erwacht, oder musste der Prinz dich erst wach küssen?“ „Wenn’s das nur wäre. Am Ende war es nur der Rauchmelder, weil Meister Samajim mit seiner Kochkunst fast das Pfarrhaus abgefackelt hätte.“ Der Seraph lachte und wirkte ziemlich gut gelaunt. Offenbar hatte er mal wieder irgendwelche Frauengeschichten gehabt und wahrscheinlich ging es ihm deshalb so blendend. „Wie sieht es denn jetzt zwischen euch beiden eigentlich aus? Hat sich da was getan?“ „Wir haben alles geklärt“, antwortete Nabi und lächelte etwas verlegen. „Und es hat sich schließlich alles zum Guten gewandt.“ „Masel tov!“ rief Nakash und klopfte ihm auf die Schulter. „Das müssen wir auf jeden Fall feiern.“ Gerade wollte er noch etwas sagen, doch da räusperte sich auch schon Samajim, der sich nun langsam dazwischendrängte. „Ich glaube, du solltest dir besser einen Platz suchen gehen, bevor die besten noch belegt sind. Findest du nicht auch?“ Er blieb höflich, aber die Antipathie war dennoch deutlich spürbar. Doch Nakash reagierte wie immer gelassen. Und so verabschiedete er sich vorerst von seinem besten Freund und suchte sich dann einen Platz. Nach und nach trafen noch weitere Asylanten ein, bis schließlich ausnahmslos alle in der Kirche versammelt waren. Es war brechend voll, dennoch ging es erstaunlich strukturiert und geordnet zu. Schließlich traten Ain und Elohim gemeinsam an ein Rednerpult vor, welches zuvor aufgestellt worden war und begrüßten die Anwesenden. Es folgte eine kleine Eröffnungsrede und dann kamen sie auf das wichtigste Thema zu sprechen. Nämlich die Zukunft der Asylanten. Gemeinsam verkündeten die beiden, dass sie beschlossen hatten, ausnahmslos alle Asylanten zu begnadigen. Jeder von ihnen wäre frei und dürfe bedenkenlos in seine Heimat zurückkehren, ohne fürchten zu müssen, er könne für seine Verbrechen von damals belangt werden. Ein tosender Beifall folgte als Resonanz. Alle sprangen begeistert von ihren Plätzen auf, jubelten und umarmten einander überglücklich. Sie konnten sich kaum noch beruhigen und so warteten Ain und Elohim geduldig, bis sich der Jubelsturm etwas gelegt hatte, bevor sie weiter redeten. Zum Schluss versprachen sie den Asylanten, immer ein offenes Ohr für Fragen oder Bedenken zu haben und sie zu unterstützen, wo Unterstützung nötig war. Zu guter Letzt aber wurde Nabi direkt angesprochen. Auf Ains Bitte kamen er und Samajim nach vorn und dem Schwarzhaarigen klopfte in dem Moment das Herz wie verrückt in der Brust. Was Ain wohl von ihnen wollte? Wahrscheinlich ging es um seinen Schwur, den er geleistet hatte und der ihn von seiner Freiheit trennte. Und als sie vor der versammelten Gemeinde standen, kam sich Nabi in dem Moment irgendwie vor wie bei einer Trauung. Wie er jetzt auf den Vergleich kam, konnte er sich selbst nicht erklären. Wahrscheinlich, weil alle feierlichen Anlässe einer Trauung ähnelten? Gut möglich… Ain sah ihm seine Nervosität an, lächelte aber so herzlich, dass die Aufregung ein wenig wich. „Nabi, aufgrund deiner Gabe und der dadurch verursachten Opfer wurde dir das Asyl verwehrt und du bist daraufhin in die Dienste von Samajim den Alten getreten und hast ihm den Treueschwur bis zum Tod geleistet. Nun bitte ich dich, frei heraus und ehrlich zu antworten. Willst du von deinem Schwur entbunden werden und damit deine Freiheit zurückerlangen und damit hingehen können, wohin du willst?“ Nabi ergriff in diesem Moment Samajims Hand und hielt sie fest. Entschlossen sah er Ain an und antwortete „Nein. Ich will mich an meinem Schwur halten und an der Seite meines Meisters bleiben und ihm folgen, wohin er geht und seinen Wünschen Folge zu leisten. Ebenso will ich die Aufgaben erfüllen, die er mir auferlegt und ihm weiterhin treu dienen bis zu meinem Tode.“ Damit wandte sich Ain nun Samajim zu und fragte auch ihn. „Und willst du Nabi weiterhin in deinen Diensten behalten?“ „Ja, das will ich.“ „Gut. Dann ist es von beiden Seiten einvernehmlich beschlossen. Nabi der Prophet wird weiterhin in Samajims Diensten bleiben und ihm bis zu seinem Tod als Diener zur Seite stehen. Des Weiteren beschließe ich, dass Nabi von seiner alten Schuld losgesprochen wird und er nicht mehr verfolgt werden darf. Er wird von seinen alten Verbrechen ebenso begnadigt wie jeder Asylant und es steht ihm frei, in seine Heimat zurückzukehren, solange sein Herr es ihm erlaubt.“ Ain erklärte noch ein paar einzelne Punkte, danach war alles Wichtige gesagt und so hatten die Asylanten die Möglichkeit, entweder zu gehen, oder zu bleiben und noch Fragen zu stellen. Es kam recht schnell zu einem großen Andrang, der erst mal bewältigt werden musste. Nabi wandte sich schließlich an Samajim. „Meister, ich würde gerne mit den Asylanten im McKerrigan’s feiern gehen, wenn es Euch recht ist.“ „Ich wüsste nicht, was dagegen spricht. Feier du ruhig mit den anderen und amüsiere dich. Ich kümmere mich um unsere Gäste.“ Damit ging Nabi zusammen mit einer Gruppe Asylanten weg und bei ihnen war auch Nakash, wie nicht anders zu erwarten war. Und das sorgte nicht gerade dafür, dass Samajims Laune sich besserte. Eher im Gegenteil, aber er sagte nichts. Stattdessen wartete er geduldig, bis Ain und Elohim sich um alle Belange der Asylanten gekümmert hatten und die Angelegenheiten geklärt waren. Als alle gegangen waren, kam das glückliche Paar zu ihm, atmete aus und lachte dann zufrieden. „So, damit wäre der Pflichtteil unseres Englandbesuchs erledigt. Wollen wir noch ein wenig miteinander reden, wenn wir schon mal hier sind und für heute sowieso nichts Besseres vorhaben?“ Das Angebot nahm Samajim gerne an und so gingen sie zurück ins Pfarrhaus. Aus einem Schrank holte er zum Anlass des Tages einen alten und teuren Wein und schenkte sich und seinen Gästen ein. „Und? Wie stehen die Dinge so bis jetzt?“ „Ganz gut bisher. Es wird aber noch eine Weile dauern, bis alle gänzlich begriffen haben, dass die Zeit des alten Regimes vorbei sind und keiner mehr Angst haben muss, seine Meinung laut auszusprechen.“ Ja, das war die Schwierigkeit an der ganzen Sache. Immerhin hatten sie alle nichts anderes gekannt als die Angst vor den großen Alten und deren grausame Willkür, die so vielen Unschuldigen das Leben gekostet hatte. Und nun war eine neue Zeit angebrochen. Die Herrschaft der großen Entitäten, die endlich den Frieden in diese von Krieg, Angst und Terror zerrüttete Welt bringen konnten. Es würde nicht leicht werden, das wussten sie alle. Aber es lohnte sich trotzdem zu kämpfen. „Insbesondere unsere ersten Reden waren nicht leicht gewesen, weil die Sefirot und Seraphim immer noch in Angst leben. Aber als Ain dann während ihrer Rede plötzlich lachen musste und sich nicht mehr einkriegen konnte, da schien das Eis gebrochen zu sein. Und ich konnte mich da auch nicht mehr zusammenreißen.“ „Nun, ein Lachen vermag zwar nicht die Welt zu verbessern, aber es macht andere glücklich. Und manchmal genügt schon ein herzliches Lachen, um Tränen zu trocknen und verletzte Herzen zu heilen.“ Ja, das stimmte wohl. Ain war eben jemand, der gerne lachte und dem das Lachen auch sehr am Herzen lag. Sie hatte eine ganz andere Philosophie als die großen Alten, die mit Ernst und Strenge an die Sache herangingen. Überhaupt liebte sie es, mit anderen gemeinsam zu lachen und sie lachte auch viel. Und sie besaß diese einzigartige Gabe, andere mit ihrem Lachen sofort anzustecken und ihnen so ihren Kummer zu nehmen. Auch sonst hatte sie nichts von der Strenge und dem Hierarchiebewusstsein, das die großen Alten besaßen, ebenso wenig wie Elohim. Und sie wusste genau, wovon sie sprach, als sie ihre Meinung kundtat, dass der wahre Schlüssel zum Frieden im Glücklichsein läge. „Neid, Hass, Traurigkeit und andere negative Gefühle kommen einfach daher, dass man nicht glücklich ist. Würde aber jeder sein wahres Glück finden und es mit anderen teilen, dann gäbe es auch keinen Grund mehr, Gewalt anzuwenden oder so etwas wie Neid und Habgier zu empfinden.“ Und das war auch der Grund, warum es zur Zeit der großen Entitäten auch keine Kriege gab: sie waren glücklich mit sich und dem, was sie hatten. Es mochte naiv klingen, wenn Ain zu anderen sagte „Ein Lachen führt am schnellsten zum Frieden“, aber im Grunde hatte sie Recht und sie wusste auch, wovon sie sprach. Und weil sie ihre Freude und ihr Glück nach außen trug und bereit war, es mit jedem zu teilen, da war es ihr auch recht schnell gelungen, die angespannte Lage in der Welt der Unvergänglichen zu beruhigen und Ordnung reinzubringen. Elohim stand ihr zur Seite und unterstützte sie, wo er konnte. Samajim ließ sich von den beiden erzählen, was für Veränderungen von Nöten gewesen waren, wie der Wiederaufbau ihrer Welt aussehen würde und vor allem wie es weitergehen sollte. Schließlich, als sie mit ihrem Bericht fertig waren, erlaubte er sich die Frage „Und wie sieht es bei euch familientechnisch aus?“ Kurz tauschten sie Blicke aus, als wollten sie sich stumm einig werden und erklärten „Wir wollen schon gerne wieder eine Familie gründen, nachdem sechs unserer Kinder tot sind. Nivkha wird vorerst in der Menschenwelt bleiben, solange seine Beziehung zu Nastasja Kasakowa noch recht frisch ist und die Frage nicht geklärt ist, wie es mit ihnen weitergehen soll. Und wir lieben Kinder. Wir wünschen uns eine große Familie.“ „Ja“, pflichtete Ain bei und nickte. „So fünf oder sechs Kinder wären doch schön.“ „Ihr zwei macht aber auch keine halben Sachen. Na dann, auf eine bessere Zukunft.“ Damit erhoben sie ihre Gläser und stießen an. Es wurde eine sehr fröhliche Runde und vor allem wurde viel gelacht und gespaßt. Samajim erzählte ihnen von den Ereignissen der letzten Tage und wie es zwischen ihm und Nabi abgelaufen war. Auch den Vorfall mit Akrav ließ er nicht aus. Hierauf wurden Elohim und Ain ernster und sahen einander unsicher an. „Anscheinend machen die Head Hunter große Probleme, oder?“ „Nun ja, ich hab Akrav zwar laufen lassen und ich denke auch nicht, dass er so schnell wieder zurückkommen wird, aber ich mache mir trotzdem Sorgen um die Asylanten. Zwar habt ihr sie begnadigt, dennoch könnte es vorkommen, dass die Head Hunter Jagd auf sie machen.“ „Darum werden wir uns definitiv kümmern, mach dir da mal keine Sorgen. Akravs brutale und rücksichtslose Vorgehensweise sorgt ja auch für große Unruhe und wir wollen ja auch, dass diese ganzen Verfolgungen ein Ende haben. Zum Glück bildet Akrav die Ausnahme. Sereas ist zwar der stärkste Head Hunter, aber er hat bisher noch nie eines seiner Zielobjekte getötet und was Arye angeht, so werden wir auch noch mit ihr ein ernstes Wort reden. Und was wirst du tun, mein Freund? Wirst du nach Hause zurückkehren?“ Samajim überlegte und trank noch einen Schluck Wein dabei. Zugegeben, es wäre vielleicht gar nicht mal so schlecht, nach all der Zeit wieder nach Hause zurückzukehren. Aber andererseits hatte er hier schon so viel Zeit verbracht und mit dieser Welt verband er auch so viele Erinnerungen mit Nabi. Außerdem hatte er ja noch etwas Wichtiges zu tun. „Ich denke, dass ich erst einmal hier bleiben werde. Solange die anderen Sefirot und Seraphim hier bleiben, werden sie sicherlich jemanden brauchen, den sie um Rat fragen können. Außerdem werde ich weiterhin ein Auge auf euren Sohn Nivkha haben. Nur für den Fall der Fälle.“ „Vielen Dank für deine Hilfe“, sagte Ain schließlich und ergriff seine Hand. Es war eine sehr herzliche und dankbare Geste. „Trotz allem, was passiert ist, hast du Nivkha beschützt und dank deiner Unterstützung konnte nicht nur Elohim zurückkehren, sondern auch ich. Wir können jetzt endlich wieder eine Familie sein und dafür können wir nicht dankbar genug sein.“ Doch Samajim winkte nur lächelnd ab und erklärte „Das war nicht allein mein Verdienst gewesen. Den Stein haben zwei Menschen ins Rollen gebracht und ich habe lediglich dafür gesorgt, dass alles in die richtige Richtung gelenkt wird. Nicht mehr und nicht weniger. Die meiste Arbeit war eigentlich Joseph Brown, Alice Wammy, Lacie Dravis und Evas Familie zu verdanken. Und außerdem hatte ich die Hoffnung nicht aufgegeben, eines Tages wieder so mit meinem besten Freund lachen zu können wie früher, als wir zusammen mit Hajjim noch das gute alte Trio waren. Nun, leider ist er nicht mehr unter uns, aber dafür brauchst du dich nicht mehr länger vor den anderen verstecken oder Angst um deine Familie zu haben. Du hast deinen rechtmäßigen Platz eingenommen zusammen mit deiner Frau und das ist auch gut so. Denn ich bin mir sicher, dass ihr einen deutlich besseren Job machen werdet als wir.“ „Na komm. Du würdest das auch ganz gut schaffen, wenn du nur nicht so arbeitsscheu wärst.“ Dem konnte Samajim nicht widersprechen und wieder lachten sie. Aber es blieb insbesondere Ain nicht verborgen, dass Samajim etwas beschäftigte und so sprach sie ihn direkt darauf an. „Jetzt sag schon: was liegt dir auf dem Herzen? Du weißt ja, dass einem nur geholfen werden kann, wenn man darüber spricht.“ Da Samajim wusste, dass die beiden hartnäckig bleiben würden, erzählte er ihnen von seinem Verdacht, dass Nabis bester Freund Nakash vielleicht etwas im Schilde führen und ihm Nabi vielleicht noch ausspannen könnte. Immerhin redeten die beiden über alles Mögliche miteinander und Nabi war fast jeden Abend im McKerrigan’s. Schließlich schüttelte Ain den Kopf und fragte direkt „Hast du so wenig Vertrauen in Nabi?“ „Nein, ganz und gar nicht“, stritt Samajim sogleich ab und machte dabei abwehrende Gesten. „Es ist nur Nakash, dem ich nicht vertraue. Das ist alles.“ Aber Ain ließ sich davon auch nicht beirren und erklärte „Ja aber Eifersucht hat ihre Wurzel im mangelnden Vertrauen. Und eine Beziehung kann nur funktionieren, wenn man einander vertraut. Und eines solltest du dir im Hinterkopf bewahren: Nabi hat bereitwillig seine Freiheit aufgegeben, weil du ihm viel wichtiger bist. Und wenn jemand so ein großes Opfer bringt und für jemandem für immer auf seine eigene Freiheit verzichtet, dann ist das wirklich aufrichtige Liebe und die solltest du in Ehren halten. Elohim und ich werden sowieso noch eine Weile in der Menschenwelt bleiben und du weißt ja, wir helfen immer gerne.“ „Ach, ihr bleibt hier? Habt ihr etwa noch mehr zu tun?“ „Das nicht, aber ich wollte mir einfach mal mehr von der Menschenwelt ansehen. Sie ist wirklich interessant und immerhin ist es die Welt, in der unser Sohn aufgewachsen ist. Außerdem ist morgen Abend eine Veranstaltung, die wir uns ansehen wollten. Es soll sich Stand-up-Comedy nennen.“ Als Samajim das hörte, konnte er nicht anders, als darüber zu schmunzeln. Das war ja so typisch Ain. Wenn es etwas gab, was sie genauso sehr liebte wie ihre Familie, dann war es Humor. Und vor allem wertschätzte sie Leute, die andere zum Lachen bringen konnten und sie pflegte immer zu sagen „Komödianten sind die wahren Helden der Geschichte. Denn keiner vermag mehr ein Lächeln auf die Gesichter der Menschen zu zaubern wie sie.“ Und sie lachte über fast alles, solange es nicht allzu niveaulos und anstößig war. Und sie besaß ein so herzliches Lachen, dass sie andere einfach nur damit anstecken konnte. Besonders aber liebte sie Satiren. Und da Samajim das sehr wohl wusste, hatte er auch noch ein Buch für ihre Bibliothek, das er ihr in die Hand drückte. Es trug den Titel „Arche Noah, Touristenklasse“. „Ich glaube, das wird dir gefallen. Ich persönlich halte ja nicht sonderlich viel von Büchern, aber Nabi hat es vor ein paar Jahren mal gelesen und hat sich vor Lachen gar nicht mehr eingekriegt. Und du schätzt ja Satiren sehr, soweit ich weiß.“ „Stimmt“, bestätigte Ain und nahm das Buch dankend an sich. „Satire ist eigentlich die beste Art von Humor, die es gibt. Denn immerhin ist sie die Kunst, ernste Dinge mit Humor zu nehmen. Das muss ich mir definitiv heute Abend durchlesen. Danke noch mal.“ „Kein Problem. Sag mal, wo genau nächtigt ihr eigentlich?“ „In einem Hotel. Während unserer Abwesenheit kümmert sich Vater um alles und er sagte auch, wir können uns ruhig Zeit lassen. Aber ehrlich gesagt mache ich mir schon Sorgen. Seitdem die Verschwörung aufgedeckt wurde, ist er ohnehin schon furchtbar gereizt und streitlustig. Ich bin ja nur äußerst ungern gegangen, weil ich ja weiß, wie Vater manchmal sein kann, wenn er in dieser Verfassung ist.“ Die Rede war hier von Ajin Gamur, den sie im Gegensatz zu allen anderen nicht mit irgendwelchen hohen Titeln ansprach. Sie behandelte ihn nicht so unterwürfig und hatte auch keine Angst vor ihm, sondern sprach ihn ganz einfach als Vater an und sie war auch die Einzige, die sich so ein Recht herausnehmen durfte, weil sie sein persönlicher Augenstern war. Streng genommen war sie ja auch so etwas wie seine Tochter und da war es nur natürlich, dass sie ihn so ansprach. Und wahrscheinlich war sie auch die einzige Person überhaupt, die ihm wichtig war. Sie kannte seine Launen und wusste, dass er nicht boshaft war, aber er war äußerst launisch und wenn er schlecht gelaunt war, dann war ihm alles zuzutrauen und da ließ Ain ihn auch ungern allein. Doch Samajim war da guter Dinge. „Nun, er wird sich wieder einkriegen. Immerhin hat er ja seinen kleinen Liebling wieder und wenn er sich beruhigt hat, dann haben wir auch erst mal nichts zu befürchten.“ Schließlich verabschiedete sich das Paar von Samajim und versprach, wieder vorbeizuschauen. So war er wieder allein im Haus. Und je länger Nabi wegblieb, desto stärker kochte die Eifersucht in ihn. Kapitel 10: Das erste Mal ------------------------- Als Nabi spät abends nach der Party zurückkehrte, war er zwar ordentlich angeheitert, aber zumindest nicht gänzlich sturzbetrunken und war zumindest in der Lage, noch geradeaus zu laufen. Nach seinen letzten Besuchen im McKerrigan’s eine Abwechslung, denn normalerweise war er dann immer von Nakash nach Hause gebracht worden, weil er es selbst nicht mehr zurückschaffte. Aber er hatte auch nicht großartig die Lust gehabt, sich so dermaßen die Kante zu geben, auch wenn es einen guten Anlass gegeben hatte. Immerhin waren die Asylanten frei und konnten nun endlich wieder in ihre Heimat zurück. Sie waren frei von jeder Schuld und einige von ihnen konnten endlich zu ihren Familien zurück. Aber auch für ihn hatte es einen Grund zum Feiern gegeben. Er hatte Samajim seine Gefühle gestanden und dieser hatte sie erwidert. Sie waren zusammen. Und da er Nakash schon so lange Zeit mit seinem Frust genervt hatte, hatte er es nur als richtig erachtet, wenn er das alles auch gemeinsam mit ihm feierte. Mit seinem Meister würde er wahrscheinlich auch noch feiern, wobei er aber eher bezweifelte, dass Samajim wirklich so etwas gerne machen würde. Dieser war ja für gewöhnlich einer von der gemütlichen Sorte, die das große Feiern nicht sonderlich mochte, sondern alles lieber klein und einfach hielt. Aber es würde sich schon eine gute Gelegenheit finden, diese Beziehung ordentlich zu feiern, da war sich Nabi sicher. Schließlich erreichte er die Tür des Pfarrhauses, kramte seinen Schlüssel hervor und fand diesen nach einer Weile. Es war kalt draußen und er war einfach nur froh, endlich wieder ins Warme zu kommen und so trat er ein und schloss die Tür hinter sich. Eigentlich rechnete er ja fest damit, dass sein Meister schon schlief, aber zu seiner Überraschung war er noch wach und schien sogar gewartet zu haben. „Meister, Ihr seid noch nicht im Bett?“ „Es ist bei uns etwas spät geworden. Und? Wie war die Feier?“ „Großartig, aber ich bin echt geschafft. Nakash weiß eben, wie man eine richtige Party schmeißt…“ Damit ging Nabi in sein Zimmer, legte seine Jacke beiseite, zog die Schuhe aus und warf sich aufs Bett. Er war müde und erschöpft und wollte sich am liebsten einfach nur schlafen legen, doch da beugte sich Samajim plötzlich über ihn und ihre Blicke trafen sich. Für einen Moment setzte Nabis Herz vor Aufregung einen Schlag aus und er spürte deutlich, dass gleich etwas kommen würde. Nur war er sich noch nicht gänzlich sicher, was es war. Aber es war definitiv anders als sonst. Allein schon Samajims Blick verriet so einiges über seine Absichten und als sich ihre Lippen berührten und es zu einem zärtlichen aber auch zugleich fordernden Kuss kam, da begann er bereits zu ahnen, was folgen würde. Und als Samajim langsam seine Hand unter das Shirt seines Dieners schob, sah er ihn mit diesem unergründlichen Blick an. „Ich kann nicht mehr warten, Nabi.“ In diesem Augenblick realisierte der Schwarzhaarige, was sein Herr damit meinte. Und auch wenn er es selbst wollte, so wurde er dennoch von einer kurzen Skepsis ergriffen und wollte aufstehen, doch da drückte Samajim seine Hände aufs Bett nieder und hinderte ihn somit an einer Flucht. „Willst du es etwa nicht?“ fragte ihn der Blondhaarige in einem Ton, der deutlich respekteinflößender war als üblich. Irgendetwas war mit ihm los, das erkannte Nabi sofort, aber durch den Alkohol war sein Verstand nicht mehr ganz hundertprozentig auf der Höhe. „Da-das ist es nicht, aber das kommt mir alles etwas zu plötzlich.“ Damit wollte er einen erneuten Versuch starten, sich zu befreien, aber das ließ Samajim gar nicht erst zu. „Willst du dich deinem Meister etwa widersetzen?“ Hier erstarrte der festgenagelte Sefira und sah seinen Herrn schon fast erschrocken an. Es war das erste Mal, dass Samajim so etwas sagte, denn für gewöhnlich legte er nicht sonderlich viel Wert darauf. Aber heute… jetzt in diesem Moment… Wieder beugte sich Samajim zu ihm herunter und küsste ihn. Leidenschaftlich. Intensiv. Beinahe forsch begann er mit Nabis Zunge zu spielen und dieser erwiderte widerstandslos diesen wilden und heißen Kuss und ließ sich vom Moment hinreißen. Seine anfängliche Unsicherheit war längst fort, sein Widerstand dahingeschmolzen und er fühlte sich wieder in seine Träume zurückversetzt, die ihn schon so oft verfolgt hatten. Diese heißen Fantasien, die immer unerfüllt geblieben waren und die nun zur Realität wurden. Es fühlte sich wie in einem Traum an. „Ich werde tun, was Ihr wollt, Meister.“ „Bleib einfach liegen und wag es bloß nicht, abzuhauen.“ Und als Nabi mit einem kurzen Nicken zu verstehen gab, dass er den Befehl verstanden hatte, ließ Samajim ihn los und zog ihm sogleich das Shirt aus. Nabis Aufregung wuchs nur noch mehr und er auch wenn er es mindestens genauso wollte wie sein Meister, so hatte er dennoch ein bisschen Angst. Immerhin würde dies sein erstes Mal werden, so peinlich das auch vielleicht klang. Aber er hatte es sich einfach nicht vorstellen können, es je mit einem anderen zu tun als Samajim. Und er wollte das auch nicht. Natürlich vertraute er ihm, das war nicht das Problem. Aber wahrscheinlich erging es jeder Person in seiner Lage nicht anders. „M-Meister…“ „Du brauchst keine Angst zu haben. Lass dich einfach fallen.“ Und damit begann dieser seinen Hals zu küssen. Nabi versuchte ruhig zu bleiben und seine Nervosität abzulegen, doch das war nicht so einfach wie gedacht und immer noch wollte dieser winzige Teil in ihm sich dieser Situation entziehen und alles abbrechen. Zwar hatte er oft von solchen Momenten geträumt und sie sich auch mehr als oft genug herbeigesehnt, aber es nun selbst zu erleben, war etwas vollkommen anderes. Ihm wurde ganz seltsam zumute, als Samajim zärtlich seinen Hals küsste und mit seiner Hand über seine Brust streichelte. Es war ein ganz anderes Gefühl als in seiner Fantasie. Viel intensiver und genau das machte ihm Angst. Und als Samajim damit begann, mit seiner Zunge Nabis Brustwarzen zu bearbeiten und dabei mit einer Hand hinunter zu dessen Schritt wanderte, da zuckte der Schwarzhaarige kurz zusammen und spürte, wie wild sein Herz schlug. Ihm war, als würde es ihm gleich explodieren und es fiel ihm zusehends schwerer, sich seine Erregung nicht anmerken zu lassen. Er versuchte, seine Atmung irgendwie zu kontrollieren und auf diese Weise seine Stimme zurückzuhalten, doch das fiel ihm mit jeder Minute schwerer. „Wie es scheint, will es dein Körper genauso.“ Nabi wollte etwas sagen, doch als Samajim seine Zähne spielerisch in seine hart gewordene Brustwarze vergrub, da war alles, was er hervorbrachte, ein lautes und lustvolles Stöhnen. Noch fester verkrallte er seine Hände ins Bettlaken, doch da durchfuhr wieder der stechende Schmerz seine verletzten Handflächen, woraufhin er sich auf die Unterlippe biss und zusammenzuckte. Samajim hielt sofort inne, als er das sah und ergriff Nabis Hand. „Tja, da müssen wir uns wohl etwas anderes einfallen lassen, damit du dir nicht wehtust.“ „W-was habt Ihr vor, Meister?“ Doch es kam keine Antwort. Stattdessen löste Samajim nun die Krawatte, die er sich zum Anlass des Tages angezogen hatte und band damit Nabis Handgelenke über dessen Kopf zusammen. Das jagte dem Schwarzhaarigen erst mal Angst ein und er wollte wieder protestieren, aber Samajim ließ das nicht zu und sagte ganz klar „Du bleibst schön liegen. Ich mach das hier nur, damit du dir nicht wieder wehtust.“ „Das ist es nicht…“ Nabi hatte Angst. Nicht, weil er irgendetwas Schlimmes befürchtete, sondern weil er diesen endgültigen Kontrollverlust fürchtete. Was würde mit ihm passieren, wenn er nicht in der Lage war, noch vernünftig denken zu können? Was, wenn er keine Kontrolle mehr über sich selbst oder seine Gefühle hatte? Es war einfach zu beängstigend. „Ich hab… ich hab einfach Angst.“ Und als Samajim sah, wie groß das Gefühlschaos bei Nabi war, da nahm er ihn in den Arm und hielt ihn fest. Offenbar muss ich wohl einen Gang zurückfahren, sonst wird es noch unangenehm für ihn, dachte er sich und spürte, wie sein Diener zitterte. Für gewöhnlich war Nabi forsch, willensstark und ließ sich durch nichts unterkriegen. Aber auch nur solange wie er die Kontrolle über die Situation hatte. Und wenn es um solche Sachen wie etwa um seine Gefühle und Sehnsüchte ging, da war er genau das Gegenteil. Und das musste sich Samajim wohl erst mal verinnerlichen, denn er kannte diese Seite an seinem treuen Diener noch nicht so wirklich. „Ist schon gut. Dann machen wir es eben so: wenn es für dich zu viel wird, dann sag es mir.“ „Tut mir leid, dass ich so viele Schwierigkeiten mache, Meister.“ „Ach was. Ich glaube, ich habe immer noch dieses Bild von einem frechen, vorlauten, selbstbewussten und forschen Diener in Erinnerung, der sich durch nichts verunsichern lässt. Diese unsichere Seite kenne ich an dir noch gar nicht, obwohl wir beide schon so lange zusammen gelebt haben und daran muss ich mich wohl auch erst mal gewöhnen. Deshalb ist es wohl eher an mir, mich zu entschuldigen.“ Nabi lächelte schwach und als er Samajims Nähe spürte, die Wärme seines Körpers, den Schlag seines Herzen und er den so bekannten Geruch seines Aftershaves roch, da schwand augenblicklich diese Angst und er spürte, wie er deutlich ruhiger wurde. Sanft strich Samajim ihm durchs Haar und küsste ihn. Ihm war jetzt klar, dass er wohl tatsächlich ein wenig zu forsch herangegangen und alles ziemlich überstürzt hatte. Aber dass Nabi so reagierte, hatte er auch nicht erwartet. Er hatte wirklich angenommen, dass so etwas für ihn nicht gänzlich unbekannt war und er problemlos damit zurechtkam. Stattdessen verhielt er sich so, als hätte er so etwas noch nie gemacht. Schließlich löste sich Samajim von ihm und fragte deshalb auch „Ist es das erste Mal für dich?“ Beschämt wich Nabi seinem Blick aus und errötete. „Könnt Ihr Euch das denn nicht selbst denken? Ich hab doch oft genug gesagt, dass ich es nur mit der Person tun will, die ich liebe.“ „Ja aber… ich dachte, dass…“ „Was?“ Nun sah Nabi ihn fragend an und seine türkisfarbenen Augen ruhten auf seinem Meister. Er war irritiert und fragte „Was dachtet Ihr?“ Zuerst wollte Samajim die Sache mit Nakash ansprechen, überlegte es sich dann aber anders und schüttelte den Kopf. „Schon gut. Alles in Ordnung.“ Er wollte die Stimmung nicht ruinieren, indem er mit diesem Streitthema ankam. Nicht jetzt, wo es ein so besonders wichtiger Moment in ihrer gemeinsamen Beziehung war. „Ich hatte gedacht, du hättest es nur gesagt, weil du etwas verheimlichen wolltest.“ „Mag sein, dass das etwas komisch von mir klingt, aber… ich wollte mich eben für den Richtigen aufsparen.“ Und tatsächlich konnte sich Samajim ein Schmunzeln nicht verkneifen. „Du redest wirklich wie ein Mädchen.“ Da sich Nabi wieder beruhigt hatte, machte Samajim weiter und zog ihm schließlich die Hose aus. Der Schwarzhaarige wandte beschämt den Blick ab. „Bitte starrt nicht so hin, Meister. Das ist peinlich.“ „Wieso denn peinlich? Du hast einen sehr süßen Körper und dafür brauchst du dich nicht zu schämen. Keine Sorge, du wirst dich schon noch daran gewöhnen.“ „Habt Ihr etwa schon Erfahrung in solchen Sachen?“ „Ja. Aber… es war damals nichts Bedeutsames gewesen. Nichts für die Ewigkeit und im Nachhinein denke ich, dass es vielleicht besser gewesen wäre, es dir gleich zu tun und es mit jemandem zu tun, den man aufrichtig liebt.“ „Na wenigstens hat hier einer von uns Ahnung, was er machen soll.“ „Zumindest hast du deinen bissigen Humor nicht verloren. Das ist doch schon mal was.“ Damit legte Samajim seine Hand um Nabis bestes Stück und begann es langsam zu massieren. Der Schwarzhaarige versuchte mit Mühe, seine Stimme zurückzuhalten und nicht zu stöhnen, aber das war ihm nicht wirklich möglich. Es fühlte sich so gänzlich anders an, als wenn er es selbst tat und es war noch viel besser als in seiner Fantasie. Er spürte, wie seine Erregung sich noch weiter steigerte und wie sein Körper nach mehr verlangte. Der letzte Rest seiner Anspannung wich und ehe er sich versah, hatte er sich vollständig diesem intensiven Gefühl hingegeben und den letzten Rest seiner Kontrolle freiwillig abgegeben. Sein Körper wurde von einem unbeschreiblichen Verlangen ergriffen und er wollte es nun wirklich. Nicht mehr bloß rein körperlich. Er wollte den nächsten Schritt gehen und Samajim in sich spüren. Und als sein Meister das merkte, da ließ er schließlich kurz von ihm ab und sagte nur „Versuch dich zu entspannen. Das könnte sich gleich etwas seltsam anfühlen.“ „Wa-was habt Ihr vor?“ „Ich muss dich etwas vorbereiten, sonst könnte es noch sehr wehtun. Vor allem, weil es dein erstes Mal ist. Und wie gesagt: gib mir einfach Bescheid, wenn es für dich zu viel wird. Ich will ja auch nicht, dass dein erstes Mal eine schlimme Erinnerung für dich wird.“ Nabi nickte und schloss die Augen, um sich auf diese Art und Weise zu beruhigen. Doch es änderte nichts an der Tatsache, dass er nervös war. Auf Samajims Anweisung hin drehte er sich auf den Bauch und stützte sich auf seinen Knien und Ellebogen ab. Diese Position war ihm mehr als peinlich, aber er hatte auch nicht lange Gelegenheit, sich darüber großartig Gedanken zu machen, denn da spürte er etwas Kaltes und Feuchtes, das in ihn eindrang und unwillkürlich verkrampfte er sich wieder, was sich als etwas schmerzhaft gestaltete. „Alles in Ordnung bei dir?“ fragte Samajim sogleich bei dieser Reaktion. „Das ist kalt!“ rief der Schwarzhaarige und vergrub seine Hände ins Kissen. „Versuch es noch ein wenig auszuhalten. Es wird gleich besser werden.“ Nabi atmete tief durch und versuchte sich wieder zu entspannen. Trotzdem war es ein mehr als merkwürdiges Gefühl und sonderlich angenehm war es auch nicht gerade. Nach einer Weile nahm Samajim einen zweiten Finger hinzu. Er ging vorsichtig vor und nahm sich die Zeit, um Nabi gut vorzubereiten. Es bedeutete ihm ja ohnehin schon sehr viel, dass sein Diener tatsächlich nie einen anderen an sich heran gelassen hatte, weil er es nur mit einer einzigen Person tun wollte. Nämlich ihm. Und dabei hatte Samajim schon fast damit gerechnet, dass Nabi vielleicht schon etwas mit Nakash gehabt hätte. Aber offenbar war er so ziemlich auf dem Holzweg gewesen. So lange Zeit hatte er enthaltsam gelebt und das nur für diesen Augenblick. Und das wollte Samajim auch in Ehren halten. Schließlich, nachdem er der Meinung war, es würde genügen, zog er seine Finger heraus und begann nun seine Hose zu öffnen. Sicherheitshalber erkundigte er sich aber noch mal „Alles in Ordnung bei dir?“ „Ja, Meister.“ Die Nervosität war aber dennoch deutlich bei ihm herauszuhören. Tatsächlich war Nabi nach wie vor ziemlich aufgeregt und sein Herz schlug wie verrückt. Wieder war da dieses kleine Stimmchen in seinem Hinterkopf, das ihm nahe legte, schnell die Reißleine zu ziehen, bevor es endgültig zu spät war. Aber sie war nicht stark genug, um sich durchzusetzen. Und da spürte er auch schon diesen wachsenden Druck, als dieses Mal etwas viel Größeres seinen Weg in sein Innerstes suchte. Es tat weh. Viel mehr, als Nabi eigentlich erwartet hatte, aber zugleich spürte er diese unbeschreibliche Hitze, die ihm fast den Atem raubte. „Tut es sehr weh, Nabi?“ „Etwas…“ „Versuch es noch ein wenig auszuhalten. Das lässt wieder nach.“ „Ist gut, Meister. I-ich versuch’s…“ Doch durch den Schmerz verkrampfte sich erneut alles bei ihm und das machte es Samajim fast unmöglich, noch tiefer vorzudringen. „Nabi, du musst dich etwas mehr entspannen.“ „Das ist gerade nicht so einfach, Meister.“ Also entschied sich Samajim für eine andere Vorgehensweise, da es gerade nicht anders ging. Er legte wieder eine Hand um Nabis Penis, der inzwischen hart wie ein Stein war. Wahrscheinlich war Nabi wegen dem Schmerz so verkrampft und vielleicht gelang es ihm ja, diesen Schmerz mit dem Gefühl der Lust erträglicher zu machen und dafür zu sorgen, dass Nabi locker ließ. Und tatsächlich schien es zu funktionieren und so startete er einen erneuten Versuch. Langsam wagte er sich weiter vor, nahm sich Zeit und beugte sich schließlich vor, woraufhin er zärtlich Nabis Rücken küsste. „Sag es mir noch mal“, sagte er mit ruhiger Stimme und küsste den Nacken seines Dieners. „Ich will es noch mal hören.“ „I-ich liebe Euch, Meister. Mehr als alles andere auf der Welt und ich will für immer bei Euch bleiben.“ „Versprichst du es mir?“ „Ich schwöre es. Ich werde niemals von Eurer Seite weichen und niemanden so sehr lieben wie Euch.“ „Das genügt mir.“ Und damit hielt Samajim kurz inne. Er ließ Nabi die Zeit, sich daran zu gewöhnen. Nicht nur an den Schmerz, sondern auch an dieses neue, ihm völlig unbekannte Gefühl. Nabi selbst war in diesem Moment wie in einem Chaos der Gefühle gefangen. Ein reißender Strudel aus Schmerz und Lust hatte ihn gänzlich erfasst und unerbittlich fortgerissen. Es fühlte sich so unbeschreiblich an und selbst wenn er gewollt hätte, so hätte er es nicht in Worte fassen können. Sein Verstand war mit einem Schlag wie eine weiße Leinwand und er war in diesem Moment unrettbar in seinen Gefühlen gefangen. Und als Samajim sich in Bewegung setzte, da riss ihn dieser Strudel aus Lust und Schmerz ihn noch weiter in die Tiefe. Ja es machte es nur noch intensiver und er war wie berauscht. Er wollte mehr, er wollte es noch stärker spüren und bis in die letzte Faser seines Körpers spüren, dass es wirklich passierte und nicht bloß irgendein Traum war, der einfach vergehen würde. Es war mehr als nur ein Traum, es geschah wirklich und es war nicht im Geringsten mit seiner bloßen Fantasie zu vergleichen. Ihm war so heiß zumute, dass ihm schon fast davon schwindelig wurde. Er fühlte sich wie im Fieber und Schweißperlen glänzten auf seiner Stirn. In dem Moment schwanden auch die letzten Ängste und Hemmungen und alles, was er noch hervorzubringen vermochte, war ein von unbeschreiblicher Lust erfülltes Stöhnen. Schließlich aber drehte Samajim ihn um und auch der Knoten der Krawatte löste sich, sodass Nabi seine Hände freibekam. „Nabi…“ Der Schwarzhaarige legte wortlos seine Arme um Samajim und hielt sich an ihm fest. Er schloss seinen Herrn fest in seine Arme, als wollte er ihn nie wieder loslassen… als wollte er diesen wahr gewordenen Traum nicht enden lassen. Und dabei wurde er von einem solchen Chaos der Gefühle überwältigt, dass ihm die Tränen kamen, als sich seine Hände in Samajims Hemd verkrallten, während sein Körper einen gänzlich eigenen Willen entwickelt hatte und sich den immer schneller und stärker werdenden Stößen seines Meisters angepasst hatte. Sein Herz wurde von einem so intensiven Gefühl des Glücks überwältigt, dass er sich selbst nicht mehr unter Kontrolle hatte. Er konnte nicht in Worte fassen, wie stark diese Liebe war, die er für seinen Herrn hegte. Und er war froh, dass er seiner Freiheit entsagt hatte. Zwar hätte er die Möglichkeit gehabt, auch als freier Mann an Samajims Seite zu bleiben, aber das hatte er selbst nicht gewollt. Er wollte, dass es weiterhin so blieb wie es war, auch wenn es vielleicht anstößig auf andere wirken konnte, dass einer der großen Alten sich mit seinem Diener vergnügte und dann auch noch Gefühle mit im Spiel waren. Natürlich war es als unsittlich verschrieen, aber das war ihn in diesem Moment egal. Es kümmerte ihn nicht mehr. Er liebte Samajim mit jeder Faser seines Körpers und seinem Meister erging es da nicht anders. Er war gerne sein Diener, ja er liebte es sogar und da war es ihm egal, wenn es irgendjemandem nicht passte. Inzwischen war der Schmerz gänzlich von dieser überwältigenden Lust verschluckt worden und es existierte nichts anderes mehr als dieses brennende Verlangen nach mehr. Er war wie in einem Rauschzustand, in dem er keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. Ihm war so unbeschreiblich heiß zumute und seinen Meister so intensiv zu spüren, trieb ihn fast zur Ekstase. Das Blut pulsierte mit unvorstellbarer Kraft in seinen Adern und stieg ihm zu Kopf, intensive Schauer der Lust durchfuhren seinen Körper und er spürte, dass er so langsam an seine Grenzen stieß. „M-Meister…“ Samajim sagte nichts. Er war selbst völlig gefangen in diesem Moment und keuchte schwer. Zärtlich strich seine Hand über Nabis Haar und ihm war anzusehen, dass es ihm nicht anders erging als seinem Diener. Er konnte sich nicht länger zurückhalten und er wollte es auch nicht. Diesen Moment wollte er sich mit jeder Faser seines Körpers einprägen und spüren, dass Nabi ihm gehörte. Nur ihm und niemand anderem. Mit einem lauten Keuchen bäumte sich Nabi auf und verkrallte seine Hände in Samajims Hemd, als er zu seinem Orgasmus kam. Kurz darauf kam auch Samajim zu seinem Höhepunkt. Nabi lag im Bett, keuchte leise und wirkte ziemlich erschöpft. Samajim saß neben seinem Diener und strich sanft über seine blasse Wange. „Geht es dir gut, Nabi?“ Ein müdes Lächeln zeichnete sich auf diesem zarten Gesicht ab und sogleich legte der Schwarzhaarige eine Hand auf Samajims, die auf seiner Wange ruhte. „Ja, alles in Ordnung. Meister?“ „Ja?“ „Danke…“ „Wofür?“ „Dass Ihr genauso fühlt wie ich. Und dafür, dass ich bei Euch bleiben darf.“ Kapitel 11: Der Morgen danach ----------------------------- Er schlief tief und fest und es war so schön gemütlich unter seinem Heiztisch. Dieser war ohnehin sein absoluter Lieblingsplatz und am liebsten hätte er noch länger geschlafen. Nabi würde wahrscheinlich eh nicht so früh aufstehen nach der letzten Nacht. Es war so schön friedlich und still und am liebsten wäre Samajim nie aufgewacht. Doch dann weckte ihn ein Geräusch. Ein so nervtötendes Geräusch, welches er überall auf der Welt wiedererkannt hätte und das ihn schlagartig wieder wach werden ließ. Fort war es mit der Gemütlichkeit und dem zufriedenen Schlaf, als er das laute Gurren der Tauben hörte und in diesem Moment war es auch mit der Ruhe vorbei. „Nicht schon wieder diese Drecksviecher“, knurrte er und kroch unter dem Heiztisch hervor und richtete seine Haare. Nun reichte es ihm endgültig. All seine guten Vorsätze, zumindest dieses eine Mal ausnahmsweise auf Nabi zu hören, waren dahin und so ging er zum Schrank hin und holte sein Maschinengewehr heraus. Diese verdammten Tauben. Ständig machten sie nur Dreck und raubten ihm seinen wohl verdienten Schlaf. Jeden Morgen war es das gleiche Theater. Wenn Nabi ihn schon nicht weckte, dann waren es diese verdammten Tauben, die ihm den letzten Nerv raubten. „Warum müssen in dieser Welt immer die falschen Tiere aussterben? Warum nicht diese gottverschissenen Tauben? Wer braucht diese Flugratten denn schon?!“ Nachdem er seine MG4 durchgeladen hatte, zog er seine Schuhe an und ging zum Dachboden rauf. Schon schlimm genug, dass die Menschen meinten, sie müssten sich diese widerlichen Tiere zur Zucht halten oder sie bei Hochzeiten durch die Gegend flattern lassen. Aber dass sie ihn um seinen Schlaf brachten, das ging zu weit und da hörte für ihn auch der Spaß auf. Und offenbar waren diese Viecher zu blöd um zu kapieren, dass sie bei ihm nichts zu suchen hatten. Als wäre seine Kirche ein verdammter Taubenschlag. Da waren ihm sogar die Ratten lieber, denn die machten zumindest weniger Lärm. Er stieg die Treppen und im Anschluss noch eine Leiter rauf und legte schließlich das Gewehr an. „Fahrt zur Hölle, ihr Flugratten.“ Und damit eröffnete er das Feuer. Nur leider kam zu seiner tiefen Abneigung gegen Tauben und seiner Sammelleidenschaft für Waffen auch hinzu, dass er ein absolut miserabler Schütze war. Zumindest was die Tauben anbelangte. Aus diesem Grund kam es auch so gut wie nie vor, dass er mal tatsächlich eine traf. Aufgeschreckt durch den lauten Knall flüchteten die Tauben durch das entstandene Loch im Dach und waren fort. Trotzdem schoss Samajim noch auf die Tauben, die noch ziellos umherschwirrten, in der Hoffnung, wenigstens sie zu treffen. Doch da unterbrach ihn auch schon das wütende Geschrei seines Dieners. „Habt Ihr endgültig den Verstand verloren, oder hat Euch bereits die Altersdemenz erwischt, Meister?“ Damit riss der Schwarzhaarige ihm die MG4 aus der Hand und war stinksauer. „Ich hab das Pfarrhausdach erst letztens wieder repariert. Ganz zu schweigen vom Dach des Glockenturms, das ich auch noch reparieren muss. So langsam reicht es mir. Anstatt damals in den Krieg zu gehen, hätte ich besser Kindergärtner werden sollen. Einen Sack Flöhe zu hüten ist mir manchmal alle Male lieber, als auf Euch aufzupassen und Euch von der nächsten Schnapsidee abzuhalten.“ Nabi wankte ein wenig und wirkte etwas neben der Spur. Außerdem war es allzu deutlich erkennbar, dass er sich kaum bewegen konnte. Nachdem Samajim die Schimpftirade still und brav über sich ergehen ließ, verließen sie den Dachboden und sogleich fragte er auch nach dem Befinden seines Dieners, um das Thema zu wechseln. „Sag mal Nabi, hast du noch irgendwie Schmerzen?“ „Ein wenig, aber es geht. Aber das gehört ja auch dazu, oder? So, ich mach jetzt eben das Frühstück fertig, danach werde ich mich um die Löcher kümmern. Der Bischof kommt heute zu Besuch und will mit Euch sprechen.“ „Was will der denn schon wieder?“ „Womöglich um Eure Angewohnheit, mit Sturmgewehren auf Tauben zu schießen… Es ist mir ohnehin ein Rätsel, dass die Polizei noch kein einziges Mal hier war. Die müssen doch denken, wir wollene einen Kreuzzug beginnen.“ „Der Bischof soll sich mal nicht so aufspielen. Er ist ja nicht der Papst…“ „Der Papst gehört zu den Katholiken.“ „Eben!“ Nabi sagte dazu lieber nichts. Nachdem er die MG4 ebenfalls im Keller eingeschlossen hatte, ging er in die Küche und stärkte sich zusammen mit Samajim bei einer Tasse Kaffee und einem ausgiebigen Frühstück. Über die vergangene Nacht sprachen sie eigentlich gar nicht. Womöglich hätten sie es gerne, aber da war etwas, das sie davon abhielt. Bei Nabi war es ein Stück weit die Scham, über so etwas zu sprechen und Samajim seinerseits war sich nicht sicher, ob es der beste Zeitpunkt war. Aber dann endlich wagte Letzterer dann doch den Versuch und sagte schließlich „Letzte Nacht war es ein wenig überstürzt von mir gewesen. Ich hoffe, es war keine allzu unangenehme Erfahrung für dich.“ „Unsinn“, rief Nabi deutlich und schüttelte den Kopf, während er eine Schmerztablette einnahm und danach noch einen Schluck Kaffee trank. „Zugegeben, dass ich erst ganz schön überrumpelt war. Aber wenn es unangenehm gewesen wäre, dann hätte ich es ganz sicherlich gesagt. Immerhin waren es doch Eure Worte, dass ich sagen soll, wann es zu viel für mich wird. Und solange es mit Euch ist, ist es für mich auch nichts Unangenehmes.“ Nun, das war mal eine offene und ehrliche Antwort und insgeheim war Samajim ja auch recht froh drum. Denn als Nabi kurz danach völlig erschöpft eingeschlafen war, hatte er ziemlich blass ausgesehen und das hatte ihm doch schon ein wenig Sorgen bereitet. Auch jetzt wirkte Nabi ein wenig farblos im Gesicht. Aber so wie es aussah, hatte er sich wohl unnötig Sorgen gemacht. „Du kannst dich gerne heute etwas ausruhen, wenn es dir nicht ganz so gut geht. Ich rufe einfach Nagar an, der kann das auch reparieren. Zwar arbeitet er bloß als Tischler, aber mit Dachschäden kennt er sich ja auch ganz gut aus.“ „Schön wär’s… dann hätte er Euren Dachschaden auch gleich beheben können. Ihr müsst das nicht machen, Meister. Ich schnapp mir gleich den Werkzeuggürtel und erledige das.“ „Vergiss es, du legst dich gleich wieder hin und ruhst dich aus.“ „Ja aber…“ „Nichts aber, das ist ein Befehl.“ Nun, da konnte Nabi wohl nicht viel entgegensetzen, wenn es ein Befehl seines Meisters war. In dem Fall musste er ihm gehorchen, das war ja sein Schwur gewesen. Aber dass Samajim plötzlich mit so etwas ankam, verwunderte ihn nun doch. Für gewöhnlich hatte er fast nie ausdrückliche Befehle gegeben. Höchstens ein Mal, als es mal zu diesem einen schrecklichen Vorfall kam. Es war vor knapp 800 Jahren gewesen, näher gesagt im finstersten Mittelalter von England. Nabi war als Hexenmeister angeklagt und grausam gefoltert worden, da man ein Geständnis von ihm haben wollte. Das Auspeitschen war ja noch das Geringste gewesen, was sie ihm angetan hatten. Samajim war zu der Zeit nicht da gewesen und schließlich war er von Nakash gerettet worden, als man ihm flüssiges Blei in den Hals schütten wollte. Als sein Meister davon erfahren hatte, war dieser ziemlich wütend geworden und hatte ihn auch gefragt, warum er seine Kräfte nicht eingesetzt hatte, um sich zu befreien. Nabis Antwort war einfach gewesen, dass er das nicht dürfe. Da er dieselben Gesetze einzuhalten hatte wie die Asylanten, war es ihm verboten zu kämpfen oder Waffen zu besitzen. Hierauf hatte Samajim ihm den ausdrücklichen Befehl gegeben, sich auch gefälligst zu wehren, wenn er schon in solch eine Situation geriet. Danach hatte es eigentlich keine solchen Befehle mehr gegeben. Zumindest bis jetzt. Und Nabi war nicht blöd. Er merkte so langsam, dass Samajim ihm offenbar nur dann Befehle gab, wenn er der Meinung war, dass es dem Wohl seines Untergebenen diente. Tja, er scheint sich wirklich um mich zu sorgen, auch wenn es nicht direkt den Anschein erweckt, dachte er und begann zu essen. Immer, wenn ich unsicher oder niedergeschlagen bin, leistet er sich irgendeine Dummheit, damit ich mich wieder über ihn aufregen kann und so schafft er es immer, mich aufzumuntern. Wir haben schon ziemlich viel erlebt und lange Zeit war es eine wirklich wunderbare Freundschaft gewesen. Wir haben uns immer aufeinander verlassen können und Meister Samajim hat mich nie schlecht behandelt oder herabgewürdigt. Wenn ich so überlege, was damals alles gewesen war und welche Ereignisse mich zu ihm geführt haben… Ich kann wirklich von Glück reden, dass ich damals den Mut aufgebracht habe, die Seiten zu wechseln und Meister Elohim zu verraten. Es war die beste Entscheidung, die ich treffen konnte. „Meister, ich bin wirklich froh, dass Ihr derjenige seid, in den ich mich verliebt habe. Ich wollte nur, dass Ihr das wisst.“ „Nun nicht gleich übertreiben.“ „Nein, ich meine es ernst. Die anderen großen Alten behandeln ihre Diener wirklich schrecklich. Viele von ihnen werden geschlagen, vergewaltigt, wie Vieh behandelt und getötet, wenn sie nicht mehr gebraucht werden. Als Diener hat man keine Rechte und Freiheiten mehr. Nicht einmal mehr die Freiheit zu entscheiden, ob man leben will oder nicht. Man hat keinen Besitz, eigentlich gar nichts. Man ist der Willkür seines Herrn schutzlos ausgeliefert und wenn man es wagt zu fliehen, wird man bestraft. Obwohl ich wusste, wie das Schicksal eines Dieners aussieht, hatte ich nicht eine Sekunde lang Angst gehabt, weil ich wusste, dass ich Euch vertrauen kann und Ihr mich gut behandeln werdet. Ihr seid so anders als die anderen großen Alten. Und oft habe ich mich gefragt, warum das so ist. Was ist der Grund dafür, dass Ihr nicht so seid?“ Diese Frage kam etwas überraschend für Samajim, auch wenn er insgeheim schon auf den Tag gewartet hatte, an dem man ihm diese Frage stellte. Aber er hatte nie eine zufriedenstellende Antwort darauf gefunden. „Tja“, sagte er schließlich und zündete sich seine morgendliche Zigarette an. „Ich hatte eben andere Ansichten. Ich habe nie wirklich verstanden, warum es den anderen so wichtig war, andere zu unterdrücken und selbst Macht zu besitzen. Der Grund liegt ganz einfach darin, weil ich mir andere Prioritäten setze. Hajjim und ich standen mit unseren Ansichten so ziemlich alleine da. Die anderen wollten Macht so wie Kabod, Miswa und Rakshasa. Und anderen wie zum Beispiel Nazir und Minha war es völlig egal. Wir waren quasi Außenseiter und nur Elohim hat unsere Ansichten geteilt und sie verstanden. Da ist uns klar geworden, dass wir mit dem Erbe Ain Sophs geboren wurden. Nämlich mit dem Grundprinzip, dass Macht, Reichtum und Ansehen nicht von Bedeutung sind. Uns war unsere Machtposition egal und wir haben sie lediglich dazu benutzt, um Miswa und die anderen in die Schranken zu weisen und Elohims Familie zu schützen. Du kannst noch so viel Ansehen, Macht und Reichtum haben. Aber was nützt dir all dies, wenn du nicht mit dir selbst zufrieden bist? Im Grunde ist das Streben nach Macht über andere nur eine Kompensation, weil man mit sich selbst nicht zufrieden ist und man einen Beweis für sich selbst braucht. Die eigene Unzufriedenheit ist es, die das Unglück in die Welt sät. Wer unzufrieden mit sich selbst ist, der entwickelt Neid gegen andere und will sich über sie stellen, um es sich selbst und auch anderen zu beweisen. Was glaubst du wohl, warum die Menschen nach dem Gottsein streben? Sie haben längst den Blick dafür verloren, dass es in erster Linie wichtig ist, mit sich selbst im Reinen zu sein. Anstatt sich um andere zu kümmern, ist es wichtig, zuallererst mit sich selbst zufrieden zu sein. Ich war mir meiner Stärken und Schwächen schon immer durchaus bewusst gewesen, aber ich habe sie akzeptiert und war glücklich mit dem, was ich hatte. Deshalb bestand für mich auch keine Notwendigkeit, nach mehr zu streben. Andere würden es vielleicht als antriebslos, genügsam und faul bezeichnen, aber hier frage ich wiederum: ist es denn so unbedingt wichtig, dass wir Macht über andere ausüben müssen oder anderen die Kontrolle über unser Leben überlassen? Womöglich stimmt es ja und wir brauchen jemanden, der uns führt, weil wir hin und wieder diese Führung brauchen, wenn wir unsicher sind. Aber wenn wir uns in erster Linie auf unser eigenes Glück und unsere wahren Bedürfnisse konzentrieren und eine bessere Selbstwahrnehmung entwickeln, dann brauchen wir so etwas wie Macht und Wohlstand nicht.“ Diese Rede beeindruckte Nabi wirklich und er sah seinen Meister beinahe schon bewundernd an. Diese Sicht der Dinge war für einen großen Alten sehr ungewöhnlich, aber es klang auch irgendwie sehr einleuchtend. Allerdings hatte er noch gewisse Bedenken. „Wenn wir uns nur auf uns selbst konzentrieren würden, dann würde es doch keinen Zusammenhalt untereinander geben, oder?“ „Nun, deshalb sind die großen Entitäten ja auch viel weiter als wir: sie besitzen die Kunst, sich auf ihr persönliches Glück zu konzentrieren und es sich zu bewahren, ohne dass sie dabei andere aus den Augen verlieren. Man kann durchaus beides tun, man muss nur lernen, wie man es tut. Deshalb haben Ain und Elohim ja auch die Herrschaft übernommen. Aber darin liegt ja auch der Schlüssel zu einer besseren und friedlicheren Welt: glücklich zu sein und dennoch zusammenzuhalten. Auf diesen Weg wollen sie uns bringen und weil ich zufrieden mit mir selbst und dem bin, was ich habe, besteht für mich auch keinerlei Grund, mehr zu wollen als das. Jeder definiert sein vollkommenes Glück anders. Für mich liegt es in der Freiheit und Unabhängigkeit und das zu tun, wonach mir ist und jene an meiner Seite zu haben, die mir wichtig sind. Und für dich mag dein vollkommenes Glück darin liegen, an meiner Seite zu sein und diese Freiheit nicht zu besitzen, die wiederum für andere wichtig sein mögen. Das ist auch der Grund, warum diese von Menschen ersinnten Utopien zu Dystopien werden: sie vereinheitlichen das Glück der Menschen und beginnen sie dadurch zu manipulieren und zu willenlosen Marionetten zu machen. Deshalb sage ich ja auch zu allen, die mich nach der Messe fragen, worin der Sinn des Lebens liegt: er liegt im Streben nach dem Glück. Nicht mehr und nicht weniger.“ Nach dem Glück streben. Darin lag also der Sinn für die Existenz der Dinge? Nabi musste daran denken, was Lacie Dravis vor ihrem Tod gesagt hatte. Sie hatte gesagt, dass die Existenzberechtigung aller darin liegen würde, weil sie lebten und weil das Leben ein Geschenk war. Ob sie auch diesen wahren Lebenssinn erkannt hatte und deshalb glücklich sterben konnte? „Und worin liegt der Lebenssinn Eurer Meinung nach, wenn man dieses erstrebte Glück schon hat?“ „Ganz einfach: er liegt darin, um dieses Glück zu kämpfen, damit man es nicht wieder verliert.“ Manchmal vergesse ich wirklich, wie weise Meister Samajim eigentlich ist. Aber er gehört ja zu den großen Alten und die sind die ältesten und zugleich mächtigsten Sefirot. Er ist mächtig genug, um Miswa und die anderen mühelos zu besiegen und gleichzeitig hat er keine ihrer selbstsüchtigen und verabscheuungswürdigen Charaktereigenschaften. Aber… gerade das ist ja auch der Grund, warum ich mich in ihn verliebt habe. „Eine Frage hätte ich aber noch, Meister. Wenn… wenn ich nicht Euer Diener wäre sondern ein anderer, würdet Ihr ihn anders behandeln als mich?“ „Nun, außer mit der Ausnahme, dass ich mir seine Frechheiten nicht so leicht gefallen lassen würde wie bei dir, sähe ich eigentlich keinen Grund, ihn schlechter zu behandeln als andere, die nicht meine Diener sind. Einfach deshalb, weil ich großen Respekt vor dem Leben habe. Ich achte grundsätzlich jedes Leben und was wären wir denn, wenn wir nicht einmal das Leben achten? Eigentlich genau das, was die Menschen schlichtweg als Monster bezeichnen.“ Nach dem Frühstück ruhte sich Nabi noch etwas aus, da er von gestern ziemlich angeschlagen war. Er erledigte aber vorher noch den Abwasch und Samajim rief in der Zwischenzeit Nagar an, der als einer der wenigen Asylanten freiwillig in London geblieben war, nachdem schon die ersten abgereist waren. Dieser versprach, sich um die Schäden an den Dächern zu kümmern. Damit war das schon mal erledigt und eigentlich wollte Samajim sich gleich mit der nächsten Zigarette in sein Arbeitszimmer zurückziehen und die Andacht vorbereiten, da klingelte es an der Haustür. Mit einem etwas genervten Seufzer stand er wieder auf und ging hin um nachzusehen. Als er die Haustür öffnete, erkannte er, dass es der Bischof war. Und in dem Moment fiel ihm auch wieder ein, dass Nabi ja angekündigt hatte, dass dieser vorbeischauen wollte. Aber wenn er ehrlich war, hatte er überhaupt keine Lust auf den Bischof. Er konnte diese ganze Bagage ohnehin nicht sonderlich leiden. In seinen Augen waren das nur scheinheilige Schönredner und Ohrenbläser und an dieser Meinung hatte sich seit dem Mittelalter nicht viel geändert. „Sieh an, der Herr Bischof. Was verschafft mir die Ehre Ihres Besuchs, Hochwürden?“ „Ein klärendes Gespräch, nur ein klärendes Gespräch. Dürfte ich eintreten?“ Samajim ließ ihn herein und ging mit ihm ins Arbeitszimmer. Die christliche Kirche wusste zum größten Teil von seiner wahren Identität, hielt sie aber geheim, da vor langer Zeit ein Abkommen getroffen wurde, welches Samajim, Nabi und den Asylanten ein unbehelligtes Leben gewährleistete und er half der Kirche hier und da mal ein wenig. Seit Martin Luthers Reformation war Samajim aber zur evangelischen Kirche übergewechselt, da er die Katholiken wortwörtlich als ein „widerwärtiges und raffgieriges Rattenpack“ bezeichnete. Außerdem waren ihm die moderneren Auffassungen und Traditionen der Protestanten alle Male lieber. Vor allem mit der Frauenfeindlichkeit und dem Zölibat konnte er rein gar nichts anfangen und diese jüngsten Geschichten mit den Missbräuchen hatten ihn in seiner schlechten Meinung nur bestärkt. Der Bischof wusste auch von seiner wahren Identität, war aber noch recht unerfahren, was den richtigen Umgang mit Samajim anging und deshalb ließ dieser auch in den meisten Fällen Nachsicht walten. Der Kerl war ja auch nur ein Mensch. „Also Hochwürden, wo drückt denn der Schuh? Braucht die Kirche wieder etwas Hilfe meinerseits?“ „Darum geht es nicht“, erklärte der Bischof ruhig und kratzte sich etwas unsicher am Kopf. Dort machten sich bereits erste Anzeichen einer Halbglatze bemerkbar. „Es geht um Euer etwas befremdliches Hobby. Mir ist zu Ohren gekommen, dass Ihr Sturmgewehre im Keller lagert und regelmäßig diese Waffen einsetzt.“ „Das ist nur ein Mittel, weil ich diese blöden Tauben endlich loswerden will, die mich um meinen wohl verdienten Schlaf bringen. Wenn diese Tiere endlich aus dem Dachgebälk verschwinden und mich in Ruhe lassen, dürfte sich das Thema erledigt haben.“ „Nun gut, aber Sie wissen schon, dass es bei uns strenge Gesetze gibt, was den Besitz von derartigen Waffen anbelangt?“ „Ich hab eine gültige Waffenlizenz und ich hab auch nicht vor, auf die Queen zu schießen.“ „Das habe ich auch nicht damit andeuten wollen. Ich möchte Sie nur bitten, sich diesbezüglich etwas zurückzunehmen. Wir sind hier nicht in Afghanistan.“ Samajims Blick lag lauernd auf dem Bischof. Er ahnte, dass dies nicht der einzige Grund war, warum er extra dafür angetanzt war. Insgeheim hatte er schon eine gewisse Ahnung, worum es gehen könnte und so fragte er „Weshalb sind Sie eigentlich hergekommen?“ Der Bischof zögerte noch einen Augenblick, denn er wusste, dass Samajim kein Mensch war, sondern etwas viel Älteres und Mächtigeres. Ein nach menschlichen Ansichten gottähnliches Wesen und in der Tat besaß dieser die Macht, die Welt der Menschen ins Chaos zu stürzen, wenn ihm danach war. Das flößte sehr viel Respekt und Ehrfurcht ein. Aber dennoch wollte er dieses prekäre Thema zur Sprache bringen. „Es geht um Ihren Küster, Nathaniel Hope. Wie war noch gleich sein richtiger Name?“ „Nabi. Und was soll mit ihm sein?“ „Nun“, begann der Bischof und räusperte sich. Samajim zündete sich wieder eine Zigarette an, nachdem er seine alte zu Ende geraucht hatte und man sah ihm an, dass es mit seiner Laune nicht gerade zum Besten stand. Und das spürte auch der Bischof, der nun noch unruhiger wurde. „Es gehen so einige Gerüchte um. Immerhin wohnt er mit Ihnen zusammen im Pfarrhaus und ich mache mir Sorgen, dass… nun, Sie verstehen wahrscheinlich, worauf ich hinaus will.“ „Dass er und ich ein deutlich engeres Verhältnis zueinander haben könnten?“ fragte Samajim und seine Stimme klang auf einmal eisig, was äußerst untypisch für ihn war. Und auch sein Blick war auf einmal so kalt wie Eis. Nun war genau der Punkt erreicht, wo es mit seiner Freundlichkeit endgültig vorbei war. Kapitel 12: Das erste Date -------------------------- Der Bischof zuckte fast zusammen, als er diese kalte Stimme von Samajim hörte und diesen fast schon bedrohlichen Blick sah. Normalerweise war dieser ein friedlicher und umgänglicher Zeitgenosse, den man aber auch mit Respekt zu behandeln hatte. Es kam so gut wie nie vor, dass man ihn anders sah und wenn, dann geschah es auch nur dann, wenn es um jemanden ging, der ihn sehr wichtig war. Und Nabi war da ein ganz empfindlicher Nerv bei ihm und da empfahl es sich, besonders aufzupassen. Und das hatte sich der Bischof wohl noch nicht allzu sehr verinnerlicht. Während Samajim sich innerlich sammelte, nahm er einen tiefen Zug von seiner Zigarette und blies dann den bläulichen Rauch aus, bevor er wieder zum Reden ansetzte. „Ich hoffe, Sie sind sich im Klaren darüber, in welchen Positionen wir uns beide wirklich befinden, Hochwürden. Zwar sind Sie hier der Bischof und ich nur ein Pfarrer, aber Sie sollten dennoch gut aufpassen. Nabi ist mein Diener und als solcher ist es seine Pflicht, stets an meiner Seite zu bleiben. Und selbst wenn er nicht mein Diener wäre, würde es Sie nichts angehen, was mein Privatleben betrifft.“ Dem Bischof kam der kalte Schweiß und er versuchte noch, diese angespannte Situation irgendwie wieder zurechtzubiegen. Er erkannte seinen schrecklichen Fauxpas und hatte wohl selbst nicht gedacht, dass sein Gegenüber so dermaßen feindselig dabei reagierte. Und nun versuchte er sich irgendwie zu erklären, um bloß nicht Samajims Unmut auf sich zu ziehen. „Ich wollte Ihnen ja auch nicht zu nahe treten. Aber es ist so, dass wir als christliche Kirche einige Vorschriften, Traditionen und Lebensweisen haben. Und als solches ist es unsere Pflicht, unserer Gemeinde als Vorbild zu dienen und diese Vorschriften einzuhalten.“ „Ich glaube, Sie haben nicht ganz verstanden, was ich Ihnen sagen wollte“, sagte Samajim, ohne großartig auf die Worte seines eingeschüchterten Gegenübers einzugehen. „Sie sind nicht in der Position, mir oder meinem Diener irgendwelche Vorschriften zu machen. Ich habe sowohl der katholischen als auch der evangelischen Kirche seit ihrem Bestehen geholfen, ihre Macht in Europa zu festigen und wenn sie den Großteil ihrer Macht und ihres Einflusses durch die eigene Unfähigkeit wieder verloren haben, ist das nicht mein Problem. Das war Teil der Vereinbarung. Ich unterstütze Ihren Verein schon seit dem Tag, als sie den armen Kerl festgenagelt haben und Bedingung war dafür, dass die Kirche meine Asylanten in Ruhe lässt. Und selbst daran haben sie sich nicht gehalten, als sie nämlich meinen Diener als vermeintlichen Hexenmeister angeklagt und fast hingerichtet hätten. Ich war dennoch sehr nachsichtig gewesen. Aber das hier geht nun eindeutig zu weit. Ihre Kirche redet von Toleranz und Gemeinschaftssinn und plärrt dann doch herum, wenn eines ihrer Schäfchen aus der Reihe tanzt. Es hat sich doch rein gar nichts geändert. Die Kirche ist nach wie vor so verlogen wie damals und heuchelt den Leuten irgendetwas vor, um sie ruhig zu stellen. Ich kenne die kriminellen Methoden zur Genüge. Viele Geistliche missbrauchen ihre Vertrauensposition, um sich an Schutzbefohlenen zu vergreifen und kommen ungeschoren davon. Die Katholiken haben ihren Papst, der sie in Schutz nimmt und die Protestanten sind auch nicht gerade das, was man unschuldig nennen kann. Sie reden hier von Vorbildsfunktion. Seien Sie doch erst mal mitsamt Ihrer Kirche ein Vorbild, bevor Sie mir auf die Nerven gehen. Wenn Sie schon seit neuestem von Toleranz predigen, dann kann es Ihnen doch egal sein, was für eine Sexualität Ihre Geistlichen oder Ihre Gemeindemitglieder haben. Aber das konnte die Kirche ja schon immer hervorragend: viel reden, aber mehr auch nicht. Lassen Sie sich eines gesagt sein: mein Privatleben und vor allem mein Liebesleben hat nichts mit meinem Beruf zu tun und selbst wenn es so wäre, würde ich daran sowieso nichts ändern. Es geht Sie schlichtweg rein gar nichts an, ob ich einen Mann, eine Frau oder beides liebe. Solange es kein Kind ist, das nicht mal im Ansatz begreift, was da mit ihm gemacht wird, kann es der Welt doch völlig egal sein, mit wem ich mich abgebe. Wenn die Menschen ein Problem mit einem Pfarrer haben, der mit seinem Küster zusammen ist, dann ist es deren Pech. Aber Sie können versichert sein, dass sie es bei weitem besser aufnehmen werden als einer, der sich an kleinen Kindern vergreift. Und reden Sie sich da bloß nicht heraus. Wir wissen beide, dass es stimmt. Und wenn der Gemeinderat Terz machen sollte, können Sie ihm gerne genau das sagen, was ich Ihnen gerade gesagt habe: Sie sind nicht in der Position, mir vorzuschreiben, was ich zu tun und zu lassen habe. Ich habe schon gelebt, bevor es Ihre Kirche gab und da war es allen herzlich egal. Und ich werde noch leben, wenn die Religion nur noch ein antikes Relikt ist, an das sich kaum noch jemand erinnert. Und da wird es auch keinen mehr interessieren, mit wem ich mein Leben teile.“ Diese Worte hatten den Bischof nun endgültig entmachtet und so wagte er es auch nicht mehr, noch irgendetwas dazu zu sagen, womit Samajim auch sein Ziel erreicht hatte. Nachdem er sich dutzende Male entschuldigt hatte, verabschiedete er sich und damit war dieser unangenehme Teil des Tages auch abgehakt. Nabi, der offenbar mitbekommen hatte, dass ein Gast gekommen war, lugte aus seinem Zimmer hervor und fragte etwas verwundert „War das gerade der Bischof? Der sah ja aus, als hätte er einen Geist gesehen. Was habt Ihr mit ihm angestellt, Meister?“ „Nichts Besonderes“, antwortete Samajim nur und tätschelte ihm mit einem amüsierten Lächeln den Kopf. „Ich hab nur ein paar Dinge klar gestellt. Leg dich ruhig wieder ins Bett, ich bin in meinem Arbeitszimmer und bereite die nächste Andacht vor.“ „Wow… so arbeitswütig kennt man Euch ja gar nicht. Was ist denn in Euch gefahren?“ „Hey, so faul bin ich ja nun auch wieder nicht.“ Damit verschwand der Schwarzhaarige wieder in sein Zimmer, während Samajim sich an die Arbeit machte. Bis zum Abend hin blieb es recht ruhig, bis schließlich Nabi wieder soweit erholt war und das Essen vorbereitete. Er war deutlich besserer Laune und wirkte auch wesentlich fitter als heute morgen und hatte sogar wieder Farbe im Gesicht. Auch Samajim war mit seinen Erledigungen fertig und hatte auch schon eine Idee, was sie machen könnten. „Warum gönnen wir uns nicht mal einen schönen Abend und gehen irgendwo hin? Ich hab da von so einer Veranstaltung gehört, zu der auch Ain und Elohim gehen wollen. Irgendwas mit Komödianten oder so. Was meinst du?“ „Soll das etwa eine Art Date werden?“ „Warum nicht? Immerhin sind wir ja jetzt ein Paar und ich hatte auch nicht großartig Lust, den ganzen Tag im Pfarrhaus zu hocken. Und da die Menschen den britischen Humor ja so sehr schätzen, könnte es doch ganz unterhaltsam werden.“ Nabi war sprachlos. Normalerweise war Samajim eher der gemütliche Zeitgenosse und interessierte sich nicht allzu sehr für das Leben der Menschen. Dass er sich jetzt zu solchen Sachen entschloss, war recht ungewöhnlich, aber Nabi freute sich auch sehr darüber. „Sehr gerne, Meister.“ „Gut, nach dem Abendessen haben wir ja noch ein bisschen Zeit und danach können wir uns auf den Weg machen.“ „Was genau ist denn eigentlich das Thema bei dieser Comedy-Veranstaltung?“ „Soweit ich weiß, wollen sie die Kirche auf die Schippe nehmen. Wurde auch langsam mal Zeit. Ich glaub, da werde ich noch meinen Spaß haben.“ „Ja… insbesondere Ihr in Eurer Position als Pfarrer.“ „Ich hab Feierabend, ich darf das.“ Tja, diesem Argument konnte Nabi nicht sonderlich viel entgegensetzen. Aber dass Elohim und Ain auch dorthin gehen würden, überraschte ihn schon, denn eigentlich hatte er gedacht, dass sie wieder abgereist wären. Samajim erklärte ihm „Die beiden wollen etwas mehr von der Welt sehen, wenn sie schon mal hier sind. Und außerdem lässt Ain es sich doch nicht entgehen, wenn ein Komiker auftritt. Sie liebt fast jede Art von Humor. Und wenn du ein paar gute Witze oder lustige Geschichten auf Lager hast, wird sie dich lieben. Das garantiere ich dir.“ „Echt?“ fragte der schwarzhaarige Diener überrascht und begann in der Küche alles vorzubereiten. „Ich hätte nicht gedacht, dass die ehrwürdige Mutter so locker ist.“ „Sie ist eben nicht wie die großen Alten oder wie Ajin Gamur. Und bei deinem trockenen Humor wird sie dich eh lieben. Ich sagte ja, dass sie sehr natürlich ist. Und sie ist eben auch eine, die selbst über die dümmsten Sachen lacht.“ Na dann wird sie bei dem Abend sicherlich Spaß haben. Als sie gegen 19 Uhr den Comedy-Club erreichten, trafen sie tatsächlich Ain und Elohim am Eingang, die beide bester Laune waren und sich schon sehr auf den Abend freuten. Ain sah atemberaubend hübsch aus und hatte ihre Haare kunstvoll hochgesteckt. Sie begrüßte die beiden sehr herzlich und fragte auch direkt „Habt ihr zwei ein Date?“ Und als Nabi etwas verlegen mit einem „ja“ antwortete, da konnte sie nicht anders, als fröhlich zu grinsen und zu bemerken „Ach wie schön. Ihr seid ja auch ein süßes Paar. Und so eine lustige Abendveranstaltung ist ja auch toll. Es muss doch wirklich urkomisch sein, als Pfarrer in eine Comedy-Show zu gehen, wenn dabei die Kirche das Thema ist.“ „Meister Samajim ist doch selbst nicht viel besser“, erklärte Nabi und grinste seinen Meister amüsiert an. „Der absolute Brüller war sowieso erst letztens, als er gefragt wurde, ob er die Hochzeit etwas unterhaltsamer gestalten könnte. Und moderner… Da hat er gleich angefangen, aus irgendwelchen Filmen zu zitieren. Egal ob es passte oder nicht.“ „Wieso auch nicht“, meinte Samajim und zuckte mit den Achseln. „Die Leute sind selbst schuld, wenn sie ihre Hochzeiten zu einer einzigen Show machen wollen, genauso wie ihre Beerdigung. Wenn sie unbedingt eine Show wollen, dann sollen sie sich doch in Las Vegas von einem koreanischen Elvis Presley Double trauen lassen. Ich hab ihnen nur gegeben, was sie haben wollten.“ „Mag sein, aber beim Ringaustausch gleich den Spruch Ein Ring, sie zu knechten, sie alle zu finden, ins Dunkel zu treiben und ewig zu binden rauszuhauen, war nicht gerade die beste Wahl.“ Ain brach in ein prustendes Gelächter aus und konnte sich kaum einkriegen, als sie das hörte. Samajim sah das alles gelassener und meinte nur „Ja und? Wenigstens hatten die Leute genug zu lachen.“ „Alle bis auf das Brautpaar jedenfalls…“ Ain kamen vor Lachen regelrecht die Tränen und sie musste sich bei Elohim festhalten. Und ihr Lachen war so ansteckend, dass keiner von ihnen sich sonderlich dagegen wehren konnte und so amüsierten sie sich alle über diese Anekdote. Das Ehepaar wünschte ihnen schließlich noch viel Spaß und so suchten sich Samajim und Nabi ihre Plätze und machten es sich bequem. Die Comedy-Show entpuppte sich als wahrer Volltreffer, wie sich schnell herausstellte. Sogar Samajim hatte seinen Spaß und musste zugeben, dass die Menschen doch recht lustig sein konnten. Aber während er mit Nabi diesen friedlichen Abend genoss, merkte er dennoch, dass er nach wie vor noch innerlich wegen diesem Bischof kochte und sich ärgerte. Was fiel diesem unverschämten Menschen auch ein, ihm wegen seiner Beziehung zu Nabi irgendetwas reinreden zu wollen? Pah, was kümmerte ihn denn, was andere dachten? Sollten sich diese dämlichen Geistlichen doch mal an die eigene Nase fassen. Die waren doch sowieso keinen Deut besser. Vielleicht sollte er das dem Gemeinderat mal etwas deutlicher zu verstehen geben, dass er sich so etwas von niemandem gefallen ließ. „Meister?“ Jäh wurde er aus seinen Gedanken gerissen, als er Nabis Stimme hörte und wandte sich zu ihm um. „Was ist?“ Sein Diener wirkte ein wenig besorgt und ergriff seine Hand. „Beschäftigt Euch irgendetwas?“ „Ach, es ist nichts Ernstes“, winkte er kurz ab und versuchte, seinen Ärger fürs Erste zu vergessen. „Ich hatte nur etwas Ärger mit dem Bischof gehabt, weil er meinte, er könnte mir Vorschriften machen.“ „Worum ging es?“ Zuerst überlegte er noch, ob er es Nabi wirklich erzählen sollte, denn eigentlich war das ja nicht gerade ein passendes Gespräch für ein erstes richtiges Date. Aber so wie er seinen Diener kannte, würde dieser wer weiß noch was denken und sich irgendetwas zusammenspinnen. Und bevor der Ärmste noch damit begann, sich die schlimmsten Szenarios auszumalen, erklärte es der Sefira ihm. „Er war nicht sonderlich begeistert, dass du bei mir lebst und er macht sich Gedanken, dass die Leute denken, St. Michael hätte einen schwulen Pfarrer. Und daraufhin habe ich ihm auf eine nette Art und Weise zu verstehen gegeben, dass er und sein Verein sich zum Teufel scheren können und ich mir von niemandem erzählen lasse, was ich zu tun und zu lassen habe. Dazu sind sie definitiv nicht in der Position. Aber mach dir deswegen keine Gedanken. Diesen Menschen muss man einfach mal klar machen, dass es auch bei mir Grenzen gibt, die man nicht überschreiten sollte. Und von dir werde ich mich ganz gewiss nicht trennen und da kann der Papst meinetwegen auf dem Petersplatz einen Striptease aufführen. Das kann sich der religiöse Verein schön abschminken.“ „Die Menschen sind schon manchmal ein schwieriges Volk.“ „Ach was. Die sind einfach nur respektlose kleine Bälger und sonst nichts. Nur weil sie in der Lage sind, mit ihrer Wissenschaft ein Pferd mit einem Zebra zu kreuzen, halten sie sich gleich schon für etwas Besseres. Aber lass uns nicht mehr darüber sprechen und uns den Abend verderben. Nicht bei unserem ersten Date.“ Nabis türkisfarbene Augen ruhten noch eine Weile auf Samajims, dann aber spielte sich doch ein glückliches Lächeln auf seine Lippen und er legte seinen Kopf auf der Schulter seines Meisters ab. Im Großen und Ganzen erlebten sie einen wirklich schönen Abend und hatten ihren Spaß. Zwischendurch wanderten ihre Blicke zu Ain und Elohim, die nicht allzu weit entfernt ihre Plätze hatten. Ain war wohl diejenige, die sich am meisten amüsierte und bei der man wirklich ernsthaft Sorgen haben musste, dass sie vor lauter Lachen keine Luft mehr bekam und daran noch tatsächlich gestorben wäre. Als die Show vorbei war, gingen sie in eine Bar, um noch etwas trinken zu gehen, um den Abend abzurunden. Dabei erzählte Samajim einiges aus seiner Vergangenheit und hatte ein paar witzige Anekdoten parat, die er zum Besten gab. Dann aber wollte Nabi es doch endlich wissen und fragte geradeheraus, als er seinen dritten Drink gehabt hatte „Was war eigentlich ausschlaggebend dafür, dass Ihr Euch in mich verliebt habt?“ Bei der Frage musste Samajim schmunzeln und legte einen Arm um Nabis Schultern. „Tja, da haben so einige Faktoren eine Rolle gespielt. Zum einen waren es deine Augen, in die ich mich verliebt habe. Nicht etwa die Farbe, sondern der Blick darin. Dieser aufgeweckte und lebhafte Blick, von dem ich genau wusste, dass er jemandem gehörte, der zu seinen Worten steht und der sich auch nicht scheut, sich durchzusetzen und der mit meiner recht schwierigen Lebensart klar kommt. Zugegeben, dein Aussehen hat vielleicht auch eine gewisse Rolle gespielt, weil ich dich mit deinem androgynen Erscheinungsbild irgendwie niedlich fand. Tja, wie soll ich’s sagen? Es hat einfach „Klick“ gemacht, als ich dich sah. Wahrscheinlich diese berühmte Liebe auf dem ersten Blick, so wie es die Menschen nennen.“ Nabi schmunzelte und wich etwas verlegen dem Blick seines Meisters aus. „Dann war es bei uns beiden so gewesen.“ „Scheint so. Und wenn diese eine Dummheit meinerseits nicht zwischen uns gestanden hätte, dann hätte keiner von uns so lange waren müssen.“ „Was passiert ist, das ist passiert. Ich gebe ja zu, dass ich vielleicht etwas mutiger hätte sein können. Aber ehrlich gesagt war diese Zeit an Eurer Seite auch sehr schön gewesen, auch wenn sie teilweise ziemlich nervenaufreibend war. Und zumindest ist es ja jetzt endlich geklärt und wir haben ja genug Zeit, das alles nachzuholen.“ „Oh ja. Das haben wir.“ Und hierbei spielte sich ein verschlagenes Lächeln auf Samajims Lippen. Ein unheilvolles Lächeln und allein schon der Ton, mit dem er diese fünf Worte sagte, ließ Nabi so einiges erahnen und er löste sich kurz von ihm, woraufhin er ihn skeptisch anblickte. „Meister, irgendwie macht mir Euer Ton Angst…“ „Ach warum denn, Nabi? Wir sind doch ein Paar und wie du schon sagtest: wir haben genug Zeit und es gibt so einiges nachzuholen.“ Irgendwie wurde ihm ganz mulmig zumute, denn er begann zu ahnen, dass sein Meister da wieder irgendwelche Hintergedanken hatte und er das alles mal wieder ausbaden durfte. Und genau davor hatte er leichten Bammel. „Was habt Ihr vor, Meister?“ „Lass dich nur überraschen.“ „Ich glaub, ich will das lieber nicht wissen…“ „Wieso denn nicht?“ „Weil ich Eure Schmuddelheftchen alle schon gesehen habe und mir in so etwa denken kann, was Euch da durch den Kopf schwirrt. Und ich sag ganz klar: nein danke!“ „Ach komm. Als ob du die Unschuld vom Lande wärst. Lutscht du nicht heimlich an meinen alten Zahnbürsten herum, nachdem du sie klammheimlich ausgewechselt hast und schnupperst du nicht an meinen schmutzigen Hemden herum, wenn du die Wäsche waschen willst? Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass du morgens verdächtig lange unter der Dusche stehst?“ Diese Worte trieben Nabi die Schamesröte ins Gesicht und am liebsten wäre er in Grund und Boden versunken. Er hatte sich doch bemüht, das alles geheim zu halten und dabei wusste Samajim schon längst von seinen kleinen „Angewohnheiten“? Großer Gott, war das peinlich. Wie hatte Samajim das überhaupt herausgefunden? Hatte er ihn mal dabei gesehen oder wie? Mit einem wehleidigen Seufzer ließ Nabi den Kopf auf dem Tisch knallen. „Erschießt mich bitte…“ Doch sein Meister lachte da nur und klopfte ihm aufmunternd auf den Rücken. „Ach komm. So schlimm ist das nicht.“ „Seit wann wisst Ihr davon?“ „Ich glaub seit ein paar Jahren.“ „Meister… gebt mir bitte eine Schaufel, damit ich mich selbst begraben kann.“ „Jetzt sei mal kein Jammerlappen.“ „Ist doch wahr. Meine Selbstachtung hat sich gleich zusammen mit meiner Würde verabschiedet und der letzte Rest meiner Männlichkeit hat sich auch gleich den Strick genommen.“ Während Nabi am liebsten vor Scham im Boden versunken wäre, lachte sein Meister nur darüber. „Na wenigstens kannst du darüber noch Scherze machen. Dann kann es ja nicht so schlimm sein.“ Schließlich kehrten sie wieder nach Hause zurück, als es allmählich spät wurde. Zwar schämte sich Nabi immer noch zutiefst, dass Samajim von seinen Angewohnheiten wusste, aber nach dem zigsten Drink war er dann doch viel lockerer geworden. Er hatte ein klein wenig zu tief ins Glas geschaut und Samajim musste ihn ein klein wenig stützen, da es seinem Diener etwas schwer fiel, noch geradeaus zu laufen. Sie hatten sichtlich Spaß und das erste Date war wunderbar gelaufen. Gott sei Dank war nichts schief gelaufen, nachdem schon die Umstände mit dem Liebesgeständnis schon so ungünstig gewesen waren. Als sie schließlich vor der Haustür standen, wollte Samajim gerade die Schlüssel hervorholen, aber dazu kam er nicht, als Nabi nämlich seine Arme um ihn legte und ihn küsste. Sein Atem roch nach Alkohol, aber das störte Samajim nicht sonderlich. Er als Kettenraucher war da auch nicht sonderlich besser und so erwiderte er den Kuss seines Dieners. Als dieser Kuss dann aber sein Ende fand und sich Nabi von ihm ein wenig löste, um ihn anzusehen, lächelte er fröhlich und sagte „Es war wirklich ein schöner Abend. So etwas sollten wir wiederholen. Auch die letzte Nacht.“ „Gut“, sagte Samajim und schloss die Tür auf. „Ich nehme dich beim Wort.“ Kapitel 13: Eifersucht ---------------------- Nabi wachte mit neuer Energie früh auf und war besser gelaunt denn je. Während sein Meister noch schlief, begann er schon mal mit der Hausarbeit und bereitete das Frühstück vor. Selten hatte er sich so wunderbar gefühlt und er hatte irgendwie das Gefühl, als würde das noch ein richtig guter Tag werden. Als er schließlich die Zeitung holen wollte, da sah er Nakash, der offenbar gerade anklopfen wollte. Nabi war überrascht, denn normalerweise war sein bester Freund um die Zeit noch meist im Bett. „Hey Nakash, was verschlägt dich denn hierher?“ Als Antwort hielt der Brünette ihm eine Tüte entgegen und sagte „Ich dachte, ich bring mal Brötchen vom Bäcker mit. Hast du Zeit oder ist dein Herr und Meister schon auf den Beinen?“ „Nein, er schläft noch. Komm doch rein.“ Nakash folgte ihm in die Küche und setzte sich an den Tisch und Nabi begann für ihn mitzudecken. Als er sich und Nakash Kaffee eingeschenkt hatte, setzte er sich ebenfalls und als sein bester Freund sich nach dem neuesten Stand der Dinge erkundigte, erzählte Nabi freudestrahlend von seinem Date. Nakash sagte dazu nur wie üblich „Masel tov!“ und wollte auch sogleich wissen „Habt ihr es danach auch richtig krachen lassen?“ Etwas irritiert blickte ihn sein bester Freund an und schien nicht ganz zu verstehen, was er damit meinte. „Wie jetzt krachen lassen?“ „Du weißt schon, Nabi: habt ihr es danach gemacht oder nicht?“ Bei dieser Frage errötete der Schwarzhaarige und wich verlegen dem Blick seines Freundes aus und geriet fast ins Stottern. Es war ihm irgendwie peinlich, darüber zu sprechen. Insbesondere mit anderen, weil er nicht so wirklich zu der lockeren Sorte gehörte. Nakash war da ganz anders und hatte damit überhaupt kein Problem. Deshalb hatte er auch keine Hemmungen, diese Frage zu stellen. „Nicht wirklich. Wir hatten es die Nacht davor.“ „Wow, gleich das erste Date überspringen und dann in die Kiste gehen? Respekt! Das hätte ich dir nicht zugetraut, mein Freund. War es wenigstens gut?“ Immer noch ziemlich verlegen schwieg Nabi und war peinlich berührt. Er nickte nur und wollte damit das Thema eigentlich beenden, aber Nakash wollte mehr wissen. Immerhin hatte er selbst keinerlei Erfahrung, was Sex mit Männern betraf und da er ja für alles offen war, stellte dieses Thema für ihn auch absolut kein Problem dar. Ganz anders als Nabi, der bei so etwas deutlich mehr Hemmungen hatte und vor allem Schwierigkeiten hatte, mit seinem besten Freund noch darüber zu sprechen. „War es. Es hat zwar etwas wehgetan und ich hatte auch etwas Angst gehabt, aber es war trotzdem sehr schön.“ „Habt ihr Gleitcreme benutzt?“ Nun verschluckte sich Nabi endgültig an seinem Kaffee und musste husten. Also langsam rückte Nakash ihm mit seinen unverblümten Fragen echt auf die Pelle. Was interessierte ihn das denn überhaupt? „Wieso in Ajins Namen stellst du diese Frage denn bitteschön?“ Doch Nakash blieb wie immer ganz gelassen, so wie sonst immer. „Na du bist eben mein bester Freund und ich hab mir schon alles angehört, was dich so beschäftigt. Und da interessiert es mich eben auch, wie das mit euch beiden so abläuft. Ich hab damit kein Problem, wie du ja weißt.“ Trotzdem war es mehr als komisch, mit anderen über so intime Dinge zu sprechen. Nabi trank einen Schluck Kaffee und murmelte dann, als er auf Nakashs letzte Frage zurückkommen wollte „Ich denk schon, dass wir so was benutzt haben. Meister Samajim hat alles gemacht, ich war da irgendwie gänzlich überfordert mit allem, weil ich nicht wusste, was ich tun sollte.“ „Hm… wahrscheinlich wird es besser, je öfter man es macht. Bei Männern ist es offenbar nicht das Gleiche wie bei Frauen. Und du warst dann also der Untere?“ „Ja…“ „Wundert mich nicht. Als Diener hat man immer wortwörtlich die Arschkarte gezogen. Aber solange du zufrieden mit allem bist, ist es ja in Ordnung. Würde mich aber schon interessieren, mit wem es sich besser anfühlt. Mit Frauen oder mit Männern?“ „Finde es selbst heraus, aber verschon mich damit“, sagte Nabi sofort, als er diese Bemerkung hörte. „Ich kann es dir jedenfalls nicht sagen. Ich hab noch nie mit einer Frau geschlafen und ich gedenke auch nicht, daran irgendetwas zu ändern.“ „Schon klar“, sagte Nakash nur und zuckte mit den Achseln, als er seinen Kaffee austrank. „Du hast dich ja treu bis vorgestern aufgespart wie eine eiserne Jungfrau eben. Man hat ja schon bei der Verkündung in der Kirche gesehen, wie nah ihr euch zwei ward. Wie Romeo und Julia. Nur mit dem Unterschied, dass Julia ein Julian und zudem noch das Dienstmädchen von Romeo ist. Pass besser auf, Nabi. So wie ich den Alten einschätze, wird der sicherlich mit irgendeinem Blödsinn daher kommen. Oder was glaubst du, warum er so lange geduldig mit dir war?“ „Was meinst du denn damit?“ fragte der Schwarzhaarige, ahnte aber schon, dass gleich etwas folgen würde, was er wahrscheinlich überhaupt nicht hören wollte. Und tatsächlich erklärte Nakash „Da gibt es einiges. Sado-Maso, Bondage, Rollenspiele, Sexspielzeuge, dann der gute alte Spiegel an der Decke und dann natürlich…“ „ICH WILL’S NICHT WISSEN!“ rief Nabi sofort und wurde hochrot im Gesicht. Wieso musste er auch so dumm sein und nachfragen? Und natürlich hatte er wieder das absolute Kopfkino. Nicht, dass er gänzlich abgeneigt wäre, aber das war für ihn definitiv zu früh. Und wenn er ganz ehrlich war, hatte er sogar schon mal Träume in dieser Richtung gehabt, allerdings nicht einmal Nakash etwas davon gesagt. Aber dass Samajim auf so etwas stand? Das konnte er sich irgendwie nicht so vorstellen, aber er sah seinen Meister auch aus einem anderen Blickwinkel als Nakash. „Meinst du wirklich, er steht auf so etwas?“ „Jede Wette. Oder gab es Anzeichen, die dagegen sprechen?“ Nabi dachte kurz nach und erinnerte sich daran, dass Samajim ihm die Handgelenke festgebunden hatte. Ob das tatsächlich ein Anzeichen war, dass sein Meister irgendwelche Neigungen hatte? „Doch schon“, gab er nach einigem Zögern zu. „Meine Hände hatten wegen Akravs Schwert noch wehgetan und da hat er sie mir zusammengebunden.“ „Meine Güte. Gleich beim ersten Mal schon Fesselspielchen. Ihr beide lasst aber auch wirklich nichts anbrennen. Wie hat es sich denn angefühlt?“ „Es war beängstigend. Irgendwie konnte ich mich nicht so wirklich daran gewöhnen.“ Ist ja auch kein Wunder, dachte sich Nakash, während er sich noch Kaffee nachschenkte. Da hat er sein erstes Mal und schon gleich werden ihm die Hände zusammengebunden. Da ist es doch nur verständlich, wenn er Schiss kriegt. Würde mir an seiner Stelle vielleicht nicht anders ergehen. Und als er sah, dass sich Nabi schon ein wenig dafür schämte, dass er so reagiert hatte, klopfte er ihm auf die Schulter und versuchte, ihn aufzumuntern. „Nimm es nicht so schwer. Anderen ergeht es sogar noch schlimmer. Ich hatte vor gut 80 Jahren mal eine gehabt, die bei ihrem ersten Mal mit mir sogar geheult hat vor Angst.“ „Was hast du denn mit der angestellt?“ „Nichts Weltbewegendes. Sie war nur einfach ein Angsthase.“ „Na wenn du das sagst… Trotzdem ist es mir peinlich. Aber wie du schon sagtest: je öfter man es macht, desto mehr gewöhnt man sich wohl daran. Und wenn Meister Samajim auf so etwas steht, dann werde ich mich auch daran irgendwie gewöhnen. Es ist ja nicht so, dass ich es überhaupt nicht will. Aber sich so etwas in der Fantasie auszumalen ist ja nichts im Vergleich zu dem, wie es in der Realität dann ist.“ Dem konnte der Seraph nur zustimmen und er überlegte, wie er seinem besten Freund helfen konnte. Was der brauchte, war ein wenig mehr Aufklärung. Immerhin war das, was die Menschen heutzutage in ihren vier Wänden trieben, bei weitem nicht mehr mit dem zu vergleichen, was noch vor hundert Jahren so üblich war. Er wollte ja auch, dass sein bester Freund glücklich war, nachdem er so lange Zeit unter dem Frust gelitten hatte, dass er von so vielen Asylanten schon „die eiserne Jungfrau“ genannt wurde. Schließlich aber kam ihm eine Idee. „Wenn du willst, kann ich dir das mal zeigen. Jetzt nicht, dass du dich ausziehen sollst oder so. Aber vielleicht hilft es ja, wenn du einfach mal siehst, was die Menschen heutzutage da alles benutzen.“ „Ich weiß nicht… ist das nicht irgendwie komisch? Ich meine, wir sind Freunde und…“ „Du kannst ja auch meinetwegen gerne irgendjemand anderes fragen. Aber eben weil wir Freunde sind, ist es doch kein Problem. Wir kennen uns doch schon lange genug und ich will dir da bei deiner Beziehung auch gern helfen. Dir fehlt es einfach an Erfahrung und das in allen Bereichen, Nabi. Ich hab in Sachen SM, Bondage und Rollenspielen auch schon Erfahrung gemacht und… ja jetzt brauchst du nicht so blöd zu gucken. Einige Damen stehen eben drauf, wenn ihnen der Arsch versohlt wird, oder wenn sie Besuch vom Postboten kriegen, wenn du verstehst was ich meine. Da lohnt es sich eben, auch offen für alles zu sein. Wie gesagt: es ist nur ein Angebot und wenn du nicht willst, kannst du es ja ruhig sagen.“ Nabi dachte nach und war sich noch ein wenig unsicher. Aber dann dachte er sich bloß „Ach was soll’s“ und nahm dann Nakashs Angebot an. Und dieser versicherte ihm „Wenn du erst mal weißt, wie das alles funktioniert, dann wird es dir garantiert leichter fallen, dich darauf einzulassen. Und keine Bange, ich lass meine Finger auch bei mir.“ Sie lachten beide und ein scherzhafter Fauststoß in Nabis Oberarm folgte. „Dein Meister versteht da ohnehin kein Spaß, was das betrifft. Ich hab gehört, dass Akrav mit eingekniffenem Schwanz nach Hause zurückgekehrt ist, nachdem er eine ordentliche Abreibung gekriegt hat. Frag am besten den Alten mal, ob du dir heute Nachmittag mal frei nehmen kannst. Dann kann ich dir mal ein paar Sachen zeigen.“ Schließlich verabschiedete sich der Seraph noch und als er auf dem Flur hinaustrat, da traf er auch sogleich schon auf Samajim, der gerade erst aus dem Badezimmer gekommen war und noch etwas verschlafen wirkte. Gleich schon als er Nakash sah, funkelte er ihn giftig an und fragte unwirsch „Was willst du hier?“ „Nur Nabi besuchen kommen. Ich bin eh wieder weg. Schönen Tag noch.“ Damit verabschiedete er sich und so blieb Nabi alleine mit Samajim zurück. Und bei dem war die schlechte Laune kaum zu übersehen. Zwar wusste der Schwarzhaarige, dass sein Meister sich nicht sonderlich gut mit Nakash verstand, aber jetzt im Moment schob er es eher auf die Tatsache, dass sein Herr ein Morgenmuffel war und deswegen schlechte Laune hatte. Erst einmal legte er ihm die Morgenzeitung hin und goss ihm eine Tasse Kaffee ein, dann setzte er sich zu ihm. „Weshalb ist Nakash hier gewesen?“ erkundigte sich der Sefira schließlich und überflog kurz die erste Seite, während Nabi sich wie immer durch den Politikteil blätterte, um sich auf dem Laufenden zu halten. „Er hat sich nur erkundigt, wie es bei mir so läuft. Immerhin ist er ja mein bester Freund und ich hab mich ja schon des Öfteren bei ihm ausgeheult. Da hofft er eben auch, dass es bei mir gut läuft.“ „Aha“, gab Samajim tonlos von sich, aber sonderlich überzeugt klang er nicht. Die Stimmung war irgendwie etwas angespannt und so herrschte ein seltsames Schweigen am Tisch. Dann aber fragte Nabi schließlich „Dürfte ich mir den Nachmittag frei nehmen, Meister?“ „Klar, wenn du vorher noch die eine oder andere Aufgabe noch für mich erledigst. Hast du irgendetwas geplant?“ Hier begann sein Diener zu überlegen. Denn zu sagen, dass er sich von Nakash in Sachen Sexspielen einige zeigen lassen wollte, schien vielleicht nicht ganz die beste Idee zu sein. Da konnte man ja auch schnell etwas falsch verstehen. „Ich wollte mich einfach mal mit Nakash außerhalb des Pubs treffen und als Freunde wieder mal was zusammen unternehmen. Da ich ja in der letzten Zeit so viel zu tun hatte, genauso wie Nakash, hatten wir kaum Zeit für so etwas.“ Wieder wurde Samajims Laune weiter in den Keller gezogen, als er das hörte. Nabi… sein Nabi traf sich mit diesem Kerl. Wieder brodelte die Eifersucht in ihm, denn er war sich sicher, dass Nakash Hintergedanken hatte und das nagte auch an ihn. Nabi bemerkte das nicht so wirklich und fragte nach einer Weile „Was habt Ihr denn für Aufgaben für mich, Meister?“ „Zum einen haben wir ja keine Twinkies mehr und des Weiteren muss noch ein Stapel Briefe zur Post, die kann ich dir gleich mitgeben. Und ansonsten müsste sowieso noch eingekauft werden…“ „Kein Problem. Ich mach mich gleich auf den Weg. Bevor ich aber gehe, wollte ich noch eben schnell die schmutzige Wäsche waschen. Wenn Euch noch etwas einfällt, sagt mir Bescheid.“ Ja, ich hätte da wirklich noch was. Nämlich, dass du dich von Nakash fern hältst. Nabi entging nicht, dass sein Meister schlecht gelaunt war und wurde langsam unruhig. „Meister, ist alles in Ordnung? Beschäftigt Euch etwas?“ Samajim schwieg und schien gar nicht gemerkt zu haben, dass Nabi ihn angesprochen hatte. Aber dann kam er aus seinem grübelnden Schweigen heraus und fixierte seinen Diener mit einem forschenden Blick. „Was ist da eigentlich genau zwischen dir und Nakash?“ „Was meint Ihr, Meister? Wir sind beste Freunde und waren es schon immer gewesen. Seid… seid Ihr etwa eifersüchtig?“ „Nein“, antwortete Samajim etwas unwirsch und wandte den Blick ab. Und da merkte er auch nicht, dass es insbesondere Nabi schmerzte. „Meister, da wird nie etwas anderes zwischen mir und Nakash sein. Er will doch auch, dass ich glücklich mit Euch werde und er hat auch kein Interesse an mir. Ihr verrennt Euch da nur in etwas und selbst wenn er tatsächlich irgendwelche Hintergedanken haben sollte, so wird da trotzdem nichts zwischen uns laufen. Ich liebe Euch und daran war auch nie etwas anders.“ „Ich glaube dir ja auch. Aber… ich traue Nakash einfach nicht.“ Nabi blieb einen Moment lang unsicher stehen, dann aber ging er zu seinem Meister hin und küsste ihn. „Dafür gibt es keinen Grund, Meister.“ Schließlich wandte er sich seiner Arbeit zu. Er brachte die dreckige Wäsche runter und ließ sich im Anschluss den Stapel Briefe geben, den er zur Post bringen sollte. Damit machte er sich auf den Weg zur Post und im Anschluss noch zum Supermarkt. Samajim setzte sich derweil mit seiner Zigarette nach draußen in den Garten des Pfarrhauses und betrachtete nachdenklich den Himmel. „Immer, wenn du so aussiehst, geht dir irgendetwas durch den Kopf, mein Freund.“ Samajim brauchte nicht mal hinzusehen, sondern erkannte gleich schon an der Stimme, dass es Elohim war. „Wo hast du denn deine Frau gelassen?“ „Sie hatte noch etwas Wichtiges zu erledigen und da dachte ich, ich schau mal bei dir vorbei. Ich hab ja schon gehört, das du und dein Diener euch schon nähergekommen seid.“ „Dir entgeht aber auch nichts“, stellte Samajim fest und nahm noch einen tiefen Zug von seiner Zigarette. „Es ist nur so, dass Nabi einen guten Freund hat und dem traue ich einfach nicht über den Weg. Und mit dem Kerl trifft er sich heute Nachmittag und wenn es nach mir ginge, würde ich den Kontakt gar nicht erst zulassen.“ „Und was hindert dich daran? Du bist immerhin sein Herr und kannst bestimmen, was er tun darf und was nicht. Nun gut, es würde eh nicht zu deiner Art passen, aber der Hauptgrund ist einfach: du liebst ihn und hast Angst, ihn zu verlieren. Das ist ja auch verständlich. Du hast ihn ja zu deinem Diener gemacht, damit das nicht passiert, aber du kannst nach wie vor sein Herz verlieren. Und Eifersucht ist der Beziehungstöter Nummer eins. Ich habe irgendwie das Gefühl, als würdest du dich in irgendeine Idee verrennen. Und genauso wie bei deinem fragwürdigen Plan, Nabi dazu zu bringen, dir als Erster seine Liebe zu gestehen, wird dieses Misstrauen gegen Nakash nur dazu führen, dass du deiner Beziehung zu Nabi schadest. Und jetzt überlege doch mal: Nabi hat so lange auf diesen Augenblick gewartet, so unwahrscheinlich es in seinen Augen auch gewesen sein mag, dass dieser je eintreffen würde. Er hat für dich alle möglichen Avancen ausgeschlagen und hat nur für dich so enthaltsam gelebt. Und er hat allein für dich auf seine Freiheit verzichtet und ist lieber dein Diener geblieben, als ein freier Mann zu werden. Halte dir das mal vor Augen. Ebenso wie die Frage: hat Nakash je irgendeinen Versuch gestartet, um sich Nabi anzunähern oder bestand jemals begründeter Verdacht?“ Nein, dem war nicht so und da musste er Elohim Recht geben. Soweit er gesehen und gehört hatte, war nie irgendetwas bemerkbar gewesen, das seinen Verdacht begründen würde, dass Nakash etwas von Nabi wollte. Aber er war irgendwie in diesem Denken gefangen „Was nicht ist, kann ja noch werden“ und das war nicht gerade gesund. Das wusste er ja auch und genau das stand ihm auch im Weg. Als er merkte, dass da immer noch eine gewisse innere Unruhe herrschte, klopfte Elohim ihm auf die Schulter, seufzte und schlug schließlich vor „Wie wär’s, wenn du den Tag nutzt und wir beide etwas zusammen unternehmen, so wie in den guten alten Zeiten? Du hockst ja den ganzen Tag mit Nabi zusammen und da wird dir etwas Ablenkung auch ganz gut tun. Auf die Weise kommst du auch auf andere Gedanken.“ „Und du meinst, Ain hat kein Problem damit?“ „Ach was. Sie will ja auch noch das Buch lesen, welches du ihr geschenkt hast. Ich gebe ihr eben Bescheid und dann können wir nachher los. Und denk noch mal in aller Ruhe über alles nach. Eifersucht ist doch eigentlich etwas, was überhaupt nicht zu dir passt.“ Das stimmte schon, aber es gab leider auch ein Problem. Unvergängliche waren nicht wie Menschen. Die Gefühle der Menschen waren sprunghaft und manchmal von kurzer Dauer. Liebe konnte vergehen und Beziehungen enden. Deshalb hatten sie besonders in den jungen Jahren oft wechselnde Beziehungen. Aber die Unvergänglichen hatten eine viel größere Lebensspanne. Sie hatten ein gänzlich anderes Zeitbewusstsein und deshalb konnten ihre Gefühle auch unendlich lange andauern, egal was auch dazwischen stand. Unglückliche Liebe konnte manchmal nie vergehen, genauso wie glückliche, aber auch Misstrauen und Hass konnten die Ewigkeit überdauern. Deshalb starben alte Fehden nicht so schnell aus und so war Samajim auch nicht sonderlich in der Lage, sich gegen die eigene Eifersucht zur Wehr zu setzen. Aber vielleicht hatte Elohim ja Recht und eine kleine Ablenkung würde ganz gut tun. „Mal wieder was unter Freunden zu machen, fehlt mir auch irgendwie ehrlich gesagt. Seit dem Attentat damals haben wir nichts mehr unternommen und ehrlich gesagt hab ich mich auch schon darauf gefreut, mal wieder etwas mit meinem besten Freund zu unternehmen. Es sei denn, du kannst mit einem alten Mann wie mir überhaupt etwas anfangen.“ Hier musste Elohim lachen und er klopfte ihm wieder auf die Schulter. „Hey, ich bin hier immerhin der ältere von uns beiden, mein Lieber. Also komm mir bloß nicht mit alter Mann.“ So saßen sie eine Weile draußen und genossen die warmen Sonnenstrahlen des Frühlings. Es war ein wunderbares Wetter und der Himmel war fast wolkenfrei. Eigentlich ein perfektes Wetter für eine gute Laune. Aber irgendwie kam diese gute Laune nicht gänzlich bei Samajim an. Denn es gelang ihm einfach nicht, die Eifersucht in seinem Inneren zu bekämpfen. Er wollte nicht zulassen, dass Nabi sich mit Nakash traf und ihm am liebsten befehlen, sich von ihm fernzuhalten. Die Macht dazu hatte er, denn Nabi war sein Diener und hatte all seinen Befehlen Folge zu leisten. Aber er konnte es einfach nicht tun. Denn wie Elohim es richtig erkannt hatte: er würde Nabi verlieren, wenn er so etwas tat. Und dabei hatte er immer gedacht, dass ihm so etwas Kindisches nie passieren würde und dass diese Gefühle eher Menschensache waren. Doch so wie es aussah, hatte er sich geirrt und hatte nun selbst damit zu kämpfen. Das Einzige, was er tun konnte war, Vertrauen in Nabis Gefühle zu haben. Ja… Nabi war kein Mensch, er war ein Sefira. Und darum waren seine Gefühle auch anders als die jener vergänglichen und beschränkten Wesen. „Sag mal, wie sieht es denn mit den Head Huntes aus?“ „Gut, dass du darauf ansprichst“, bemerkte Elohim und lehnte sich zurück. „Ich hab Akrav, Arye und Sereas noch mal ganz klar eingeschärft, Nabi und die Asylanten in Frieden zu lassen. Momentan halten sie sich außerhalb der Menschenwelt auf und scheinen wohl anderen Aufträgen nachzugehen. Außerdem habe ich den Head Hunters klar gemacht, dass sie ihre Zielobjekte nicht töten sollen und diese grausamen Methoden auch hart bestraft werden. Allerdings soll sich Sereas momentan hier in dieser Welt herumtreiben.“ „In London?“ „Nein, er ist in Amerika und verfolgt offenbar irgendeine Spur. Aber bei ihm mache ich mir auch keine Sorgen. Bisher hat er noch nie eines seiner Zielobjekte getötet und er besitzt auch keine aggressive Ader. Allerdings wundere ich mich auch, was er in Amerika zu suchen hat. Viel sagte er ja nicht, er meinte nur, es wäre etwas Persönliches.“ „Er ist eben etwas seltsam, aber man muss ihn auch nicht wirklich verstehen. Aber wie du schon sagtest: er ist nicht aggressiv, man kann vernünftig mit ihm reden und er tötet auch nie. Ansonsten muss man ja besonders bei den Head Hunters immer aufpassen. Es kommt ja nicht selten vor, dass jemand auf ihrer schwarzen Liste steht, obwohl er nichts verbrochen hat.“ „Das stimmt. Aber daran arbeiten wir auch, dass das in Zukunft nicht mehr so schnell passiert.“ „Du hast viel zu tun, hm?“ „Natürlich, aber es lohnt sich wenigstens. Es lohnt sich immer, für eine bessere Welt zu kämpfen und dafür zu sorgen, dass es weniger Ungerechtigkeit gibt. Ich will für andere und insbesondere für meine Familie eine Welt schaffen, in der wir nicht mehr länger in Angst leben müssen.“ Bei diesen Worten schmunzelte Samajim und er nahm noch einen letzten Zug von seiner Zigarette. „Das schaffst du schon, mein Freund. Ich habe nie aufgehört, daran zu glauben. Genauso wie Hajjim bis zu seinem Tod daran geglaubt hast, dass du unsere Welt zum Guten verändern wirst.“ Kapitel 14: Unterrichtsstunde ----------------------------- Als Nabi am Nachmittag vor der Tür des McKerrigan’s wartete, war er immer noch skeptisch, ob das wirklich so eine gute Idee war und ob er diese ganze Aktion nicht vielleicht doch besser abblasen sollte. Das alles war doch sowieso bescheuert genug und je länger er darüber nachdachte, desto verrückter klang es auch. Sein bester Freund würde ihn in Sachen Sexspielen aufklären. Welcher normale Mann machte so etwas denn? Naja, was war denn schon normal? Er als Sefira konnte ja ein Lied davon singen. Aber als er schon ernsthaft darüber nachdachte, das alles besser doch nicht zu machen, da war es auch schon zu spät, einen Rückzieher machen. Denn da kam Nakash schon zu ihm herüber und winkte ihm mit einem gut gelaunten Gesicht zu. „Yo Nabi, ich dachte echt, du würdest noch einen Rückzieher machen.“ Der Schwarzhaarige lächelte bitter und erklärte nur „Wollte ich ja auch, aber bedauerlicherweise entspricht meine Reaktionszeit ungefähr der eines Faultieres…“ Nakash lachte und stieß ihm grinsend seinen Ellebogen in die Seite. „Keine Bange. Wenn uns jemand zusammen sieht, wird man eh denken, du wärst meine Freundin. Bei deinem Erscheinungsbild…“ „Wie jetzt? Wo… wo willst du mit mir hin?“ „Na wohin wohl? Ich wollte eh ein paar Sachen besorgen gehen, da kann ich dir alles in Ruhe zeigen.“ Wieder ergriff Nabi die Scham und am liebsten hätte er schleunigst das Weite gesucht und Nakash einfach stehen lassen. Aber sein Körper reagierte mal wieder viel zu langsam dafür und eher er sich versah, hatte sein bester Freund ihn auch schon ins Rotlichtviertel von London geführt. Oje, dachte Nabi, dem augenblicklich das Herz in die Hose rutschte, als er erkannte, worauf das hier alles hinauslief. Wenn mich jemand erkennt, kann ich mich nirgends mehr blicken lassen. Dann kann ich mich gar nicht mehr aus dem Haus wagen! Er fühlte sich in diesem Moment völlig überfordert. Auf was hatte er sich denn da nur eingelassen? Nakash hingegen ging einfach so voran, als wäre es das Normalste auf der Welt und schien nicht die geringsten Hemmungen zu haben. Als sie dann aber schließlich vor einem der Läden standen und Nakash reingehen wollte, blieb Nabi wie angewurzelt stehen und sah seinen besten Freund beinahe fassungslos an. „Du willst doch nicht wirklich da reingehen!“ „Natürlich, deshalb sind wir ja hergekommen.“ „T-tut mir leid, aber das kann ich nicht. Definitiv nicht. Nichts da, niente, nada!“ Doch Nakash blieb bei seinem Entschluss und während Nabi sich weiter aufregte, blieb er selbst ganz gelassen und sah das alles ziemlich locker. „Jetzt hab dich doch nicht so. Die Leute da drin interessiert es herzlich wenig, wer du bist. Das ist im Grunde nichts anderes, als würdest du Unterwäsche für deine Freundin kaufen. Oder wie in deinem Falle: für deinen Freund.“ „Trotzdem!“ Aber es brachte nichts. Letztendlich zog Nabi doch den Kürzeren und folgte Nakash in den Sex-Shop. Dort ließ er sich so einiges zeigen und erklären. Aber allein bei der Vorstellung trieb es ihm die Schamesröte ins Gesicht und er wäre am liebsten sofort abgehauen. Nakash konnte diesbezüglich nur den Kopf schütteln und kommentieren „Daran merkt man, dass du absolut unerfahren bist. Du brauchst dich doch nicht für so was zu schämen. Das ist schon seit Jahrzehnten längst kein Tabuthema mehr für die Menschen und für uns war es das auch noch nie gewesen. Du musst echt mal lernen, etwas lockerer zu werden. Denk einfach immer daran: es geht die anderen einen Scheißdreck an, was du im Bett treibst. Jedem das seine und wir leben eh in einer toleranten Gesellschaft. Außerdem gibt es genug Leute, die auch auf so etwas stehen. Oder was glaubst du, warum die SM-Studios, Swinger Clubs, Nachtclubs, Sex-Shops und Bordelle noch nicht pleite gegangen sind?“ Schließlich holte er etwas hervor und zeigte es Nabi. Es waren Lederfesseln. „Ich glaub, das wäre eher was Passendes für dich. Es sei denn, du stehst auf rosa Plüschhandschellen. Hier kriegt man auch mehr passendes Zubehör wie Lederriemen, Knebel, Masken und so weiter. Seile hab ich zuhause und die kriegt man auch locker im Baumarkt. Allerdings find ich die nicht ganz so der Hit, weil sie sich schnell unangenehm anfühlen können und außerdem sind sie ganz schön kratzig. Zumindest haben mir das meine Ex-Bekanntschaften gesagt. Außerdem sind die Fesselungstechniken mit dem Seil weitaus zeitaufwendiger und komplizierter, da sind die Lederriemen eigentlich viel praktischer und komfortabler.“ „Und wie wird das gemacht?“ „Das zeig ich dir mal nachher. Es muss nicht gleich so exotisch sein, dass du wie ein Rollbraten verschnürt wirst. Außerdem muss man auch mal austesten, wie man das am besten macht und wie man selbst dabei vorgeht. Mir ist nämlich mal der Fehler passiert, dass ich ein paar Knoten falsch gemacht habe und meine Ex dann erst nach gut einer Stunde wieder freigekriegt habe. Es gibt sogar Kurse, wo man so etwas lernt.“ Ungläubig starrte Nabi ihn an und dachte erst, Nakash wolle ihn auf den Arm nehmen. „Wie jetzt? Es gibt Kurse?“ „Klar. Jetzt nicht so Gruppenkurse, wie du sie dir vorstellst. Aber man kann sich das eben von Profis zeigen lassen, wie man das richtig macht. Ob du es glaubst oder nicht, aber so etwas gibt es tatsächlich.“ „Und wo gibt es denn so etwas?“ „Bei Dominas zum Beispiel.“ „War ja klar“, gab Nabi trocken zurück und streifte langsam durch die Gänge und konnte nicht wirklich glauben, auf was für Ideen die Menschen tatsächlich kommen konnten. Naja, dachte er sich nach einer Weile. Nachdem sie sich keine Gedanken mehr ums Überleben machen müssen, kommen sie eben auf die verrücktesten Ideen. Als sie schließlich fertig waren und Nakash seine Einkäufe erledigt hatte, machten sie sich auf den Weg zu seiner Wohnung. Doch Nabi ahnte noch nicht, was sich um ihn herum noch abspielte. Denn dummerweise hatte Samajim ihn bemerkt und obwohl Elohim versucht hatte, seinem besten Freund diesen Quatsch wieder auszureden, war er ihm wohl oder übel gefolgt, als Samajim auf den Trichter kam, die beiden zu beschatten. Sie folgten den beiden schon, seit sie eher zufällig am McKerrigan’s vorbeigegangen waren und Nabi und Nakash zusammen gesehen hatten. Und da war es endgültig vorbei mit der Ruhe für Samajim. „Wo will diese falsche Schlange mit meinem Nabi hin? Na warte, Freundchen…“ „Hey, jetzt mal fair bleiben“, sagte Elohim nur und blieb wesentlich cooler als sein Begleiter. „Für seinen Namen kann der Junge ja nichts und nur weil Nakash „Schlange“ bedeutet, heißt es noch lange nicht, dass er eine ist. Lass die beiden doch. Wahrscheinlich wollen die irgendwo hingehen und sich einen schönen Tag machen. Na komm schon, Sam. Du führst dich auf wie ein Menschenvater, der seiner Tochter hinterher rennt.“ Aber das hielt Samajim auch nicht großartig davon ab und widerwillig folgte Elohim ihm, da er befürchtete, dass er nachher eventuell noch eine Katastrophe verhindern musste. „Du machst dich doch lächerlich“, sagte er und hielt seinen besten Freund am Arm fest. „Jetzt mal im Ernst. Was soll denn da schon großartig laufen? Da treffen sich zwei gute Freunde, nicht mehr und nicht weniger.“ Aber Samajim blieb dabei und folgte den beiden heimlich. Und als er sah, dass der Weg sie ins Rotlichtviertel führte, da platzte ihm fast der Kragen. Wieso zum Henker schleppte diese Schlange Nabi in so ein Milieu? „Ich glaub es hackt! Was haben die denn dort zu suchen?“ „Vielleicht will Nakash irgendetwas kaufen, weil er wieder irgendwelche Frauengeschichten am Laufen hat.“ „Für so etwas haben die Menschen doch das Internet erfunden! Und überhaupt: siehst du denn nicht, dass Nabi das nicht will? Dieser Kerl nötigt ihn doch regelrecht.“ „Du steigerst dich zu sehr rein, mein Freund. Lass sie doch ihr eigenes Ding machen. Sie sind alt genug und außerdem hat Nabi auch neben seiner Tätigkeit als Diener auch ein eigenes Leben.“ Doch Samajim war nicht mehr zu bremsen. Er hatte sich völlig in seine Wahnidee reingesteigert, dass Nakash Nabi mit irgendwelchen Hintergedanken ins Rotlichtviertel geschleift hatte. Und als er auch noch sah, dass Nabi in einen Sex-Shop rein ging, da konnte sein bester Freund ihn nur mit Mühe abhalten, in den Laden zu stürmen und eine Szene zu machen. Stattdessen schleifte er ihn in eine Gasse und stellte ihn zur Rede. „So langsam übertreibst du es aber. Ist dir vielleicht in den Sinn gekommen, dass Nabi freiwillig da reingeht? Meine Güte Samajim, das bist doch nicht du. Normalerweise lässt du dich doch nicht aus der Ruhe bringen. Was ist los mit dir?“ „Was mit dir los ist? Stell dir vor, dein Nivkha geht in ein solches Milieu. Würdest du dir da keine Gedanken machen?“ Nun, diesem Argument konnte Elohim nicht allzu viel entgegensetzen. Er würde sich auch so seine Gedanken machen, aber andererseits… Sein Sohn war alt genug und hatte sein eigenes Leben und da würde er sich zumindest bemühen, ihn seine eigenen Wege gehen zu lassen. Aber er dachte sich auch einfach: es muss ja nicht unbedingt so schlimm sein, wie es aussieht. Er sah es deutlich entspannter. „Jetzt atme tief durch, beruhige dich und dann sieh zu, dass du damit aufhörst, Nabi hinterherzuspionieren und dir was weiß ich noch was zusammenzureimen.“ Samajim seufzte und gab schließlich klein bei. „Ja, vielleicht hast du Recht…“ Nachdem er sich wieder beruhigt hatte, kamen sie aus der Gasse raus und sahen auch schon, dass Nabi und Nakash den Laden inzwischen wieder verlassen hatten und tatsächlich etwas eingekauft hatten. Immer noch sträubte sich Samajim noch, Elohims Rat zu befolgen, doch als er hörte, wie Nabi seinen besten Freund fragte „Und das geht wirklich in Ordnung, dass du mir zeigst, wie es richtig geht?“ und dieser dann antwortete „Klar doch, ich hab es dir doch angeboten. Und ich sagte ja: je öfter du es machst, desto schneller gewöhnst du dich daran“, da fühlte er sich in einem Verdacht endgültig bestätigt. Diese verdammte falsche Schlange hatte Nabi bequatscht und war dabei, ihn um den Finger zu wickeln. Und dieser vermaledeite Idiot merkte das nicht einmal. Nun wandte er sich Elohim zu und funkelte ihn gereizt an. „Wie war das noch mal mit „du übertreibst wahrscheinlich nur“? Wonach klingt das für dich?“ „Du reißt da irgendetwas aus dem Zusammenhang, was alles Mögliche bedeuten könnte. Glaub mir, Nabi würde doch nicht ohne Grund in so einen Laden reingehen. Solange du die Gründe nicht kennst, solltest du auch nicht so vorschnell urteilen.“ Aber Elohim hätte in dieser Situation genauso mit einer Wand reden können, es hätte gar keinen Unterschied gemacht. Und so war es auch vorbei mit Samajims Einsicht. Er ging schnurstracks los und war fest entschlossen, das alles zu beenden und dafür zu sorgen, dass Nakash seine Finger von Nabi ließ. Sie folgten den beiden bis zu Nakashs Wohnung, welche er über dem Pub bewohnte und es gelang Elohim noch, seinen besten Freund zu bremsen, um noch mal ein Machtwort mit ihm zu reden. „Verdammt noch mal, so langsam hab ich die Faxen dicke, Samajim. Kapier doch endlich mal, dass das so nicht geht. Was du da machst, ist doch lächerlich. Hast du so wenig Vertrauen in ihn?“ „Es ist nicht Nabi, sondern diese falsche Schlange Nakash, der ich nicht vertraue. Und jetzt lass mich!“ Doch Elohim packte ihn am Kragen und hielt ihn fest. Und dann gab er ihm eine Ohrfeige. Beinahe fassungslos sah Samajim ihn an, denn Elohim wurde nie handgreiflich. Er verabscheute Gewalt. „Entschuldigung“, sagte sein bester Freund und das schlechte Gewissen in seinem Blick war nicht zu übersehen. „Ich wollte dich nicht schlagen. Aber du lässt mir in dieser Situation kaum eine andere Wahl, weil man sonst nicht mit dir reden kann. Samajim, du steigerst dich in irgendetwas hinein und was wird es dir bringen, wenn du da jetzt reinstürmst und eine Szene machst und mit irgendwelchen Vorwürfen um dich wirfst? Nakash wird es nicht kümmern, weil er über alles drüber steht, aber du wirst Nabi damit verletzen. Ist dir das denn nicht klar? Du wirst alles nur kaputt machen. Wenn es dich so sehr stört, dann sprich vernünftig mit ihm. Womöglich wird sich das klären und du hast dir völlig unnötig Gedanken gemacht.“ „Du verstehst das nicht“, rief Samajim und riss sich von ihm los. „Ich hab Angst, ihn zu verlieren, El.“ „Glaubst du etwa, ich kenne diese Angst nicht? Ich habe sechs meiner Kinder verloren und Hajjim ist ebenfalls meinetwegen gestorben. Natürlich kenne ich diese Verlustangst. Aber man muss auch Vertrauen haben. Wenn ich mich so aufführen würde wie du, dann hätte ich meinen Sohn schon längst nach Hause geschleift und ihn eingeschlossen, damit ihm ja nichts passieren kann. Aber was würde mir das denn bringen? Ich würde nur damit erreichen, dass er mich hasst. Also reiß dich zusammen, Mann!“ Nabi und Nakash hatten derweil rein gar nichts von dem gemerkt, was sich nicht weit von ihnen entfernt alles abspielte und waren stattdessen mit genügend anderen Dingen beschäftigt. Als sie nämlich in der Wohnung waren, holte der Seraph erst mal Getränke und gemeinsam setzten sie sich ins Wohnzimmer. „Wie bist du denn eigentlich darauf gekommen?“ fragte Nabi nach einer Weile und wirkte immer noch etwas unruhig, was aber auch daran liegen mochte, weil er immer noch Probleme hatte, über so etwas zu sprechen. „Naja, ich hab von de Sades gelesen, was der da mit seinen Weibern veranstaltet. Ob du es glaubst oder nicht, aber BDSM gibt es schon seit Jahrhunderten, allerdings bloß aus rein ästhetischen Zwecken. Erst im 18. Jahrhundert kam wirklich die sexuelle Praktik dazu. Man hat nur nicht gerne darüber gesprochen, weil damals so etwas verpönt war und als abartig und pervers galt. Aber in der heutigen Zeit gehört es schon irgendwie zum Alltag dazu und es gibt tatsächlich genügend Menschen, die auf so etwas stehen. Selbst Leute, von denen man nie geglaubt hätte, sie würden darauf abfahren. Geschäftsleute in den Chefetagen zum Beispiel. Tja und da hab ich mich mal ein bisschen näher damit auseinandergesetzt. Hier, so sieht das Ergebnis so ungefähr aus.“ Damit reichte Nakash ihm ein Magazin und Nabi blätterte es sich durch. Und als er diese ganzen gefesselten Leute sah, konnte er im ersten Moment nur den Kopf schütteln. Er hätte echt nicht gedacht, dass sich Nakash wirklich mit solchen Sachen beschäftigte. Er wirkte auch gar nicht danach, aber er war eben auch eines von diesen stillen Wässerchen, die auch durchaus tief sein konnten. Eine Weile betrachtete Nakash ihn und sagte nichts. Er schien wohl zu versuchen, mehr aus Nabis Gesicht herauszulesen und fragte auch nach einer Weile „Und du bist sicher, dass du dir das wirklich vorstellen kannst?“ „Zugegeben, ich hab es mir irgendwie mal vorgestellt. Aber ich dachte, das wäre nur… na ja…“ „Der Notstand bei dir“, ergänzte Nakash und nickte verständnisvoll. „Nun gut. Wenn man so dermaßen enthaltsam lebt und die einzige Freundin im Grunde genommen die eigene Hand ist, dann kommt man eben auch auf irgendwelche Fantasien. Erinnerst du dich noch, als ich sagte, dass du masochistische Neigungen hast?“ „Äh ja… Was genau willst du damit sagen?“ „Na, überleg doch mal: du liebst es doch, der Diener von dem Alten zu sein und gibst freiwillig sogar deine Freiheit auf. Du machst jeden Scheiß für ihn und lässt dich herumkommandieren. Da ist es doch ganz offensichtlich, dass du so gewisse Veranlagungen haben musst. Und deshalb hab ich dir das hier ja auch vorgeschlagen. Ich denke, das wird dir und deinem Meister vielleicht weiterhelfen. Und ich dachte mir auch, dass es dir leichter fällt, wenn wir beide darüber sprechen. Dann muss dir das nicht ganz so peinlich sein.“ „Nakash, du bist echt ein klasse Freund, weißt du das? Ich meine, du tust so viel für mich. Seit Ewigkeiten jammere ich dir mein Elend vor und du hast trotzdem zu mir gehalten. Und nicht nur das. Jetzt willst du mir auch noch helfen. Ernsthaft, womit habe ich nur so einen Freund verdient?“ Nakash schmunzelte und erklärte einfach „Ich helfe eben gerne. Und einen guten Freund brauchst du in deiner Lage ja sowieso. Und außerdem haben wir geschworen, immer füreinander da zu sein. Erinnerst du dich noch, als ich schwer verletzt wurde und nicht mehr weiterkämpfen konnte? Da hast du mich in Sicherheit gebracht und dich um mich gekümmert. Du hast mir damals das Leben gerettet und du hast dich dafür stark gemacht, dass ich bei dem Alten Asyl gewährt bekomme. Ohne dich wäre ich gestorben und das vergesse ich dir nie. Du bist mein bester Freund und in mancher Hinsicht fast wie eine Art Bruder. Und wenn ich dir bei solchen Sachen helfen kann, tu ich es eben gerne und da brauchst du auch kein schlechtes Gewissen haben oder so.“ Nakash war wirklich nicht mit Gold aufzuwiegen. Er stand ihm wirklich in jeder Situation zur Seite und hatte diese alte Schuld von damals schon tausendfach zurückgezahlt. Und wie er schon treffend sagte: sie waren beide fast wie Brüder, die aufeinander aufpassten und sich in Notsituationen halfen. „Ich hab dir doch gesagt, dass du mir nichts schuldest. Aber trotzdem danke, dass du mir helfen willst.“ „Kein großes Ding. Also. Willst du es mal testen?“ „Muss ich dafür irgendetwas machen?“ „Nö, nicht nötig. Mach dich am besten locker. Wir nehmen einfach erst mal Seile. Ich hab spezielle gekauft, die nicht ganz so unangenehm sind. Da ich mich schon etwas besser mit so etwas auskenne, nehme ich einfach mal die Doppelseiltechnik. Die geht relativ schnell und du schaust einfach zu.“ Damit begann Nakash mit seiner Arbeit und erklärte dabei alles ganz cool, als wäre es wirklich das allernormalste auf der Welt. Nabi, der selber überhaupt keine Ahnung hatte, ließ ihn einfach machen und bemerkte, wie professionell sein bester Freund das alles machte. Und dabei konnte er sich auch nicht die Frage verkneifen „Wie lange machst du das denn schon?“ Hier musste der Seraph kurz überlegen. „So knapp 80 Jahre auf jeden Fall. Aber da hab ich es noch nicht so häufig gemacht, sondern nur sporadisch. Aber inzwischen ist das so eine Art kleines Hobby von mir geworden und Interessenten biete ich auch mal eine kleine Unterrichtsstunde an. Wenn man nicht weiß, wie es richtig funktioniert, kann es noch ziemlich unangenehm werden und eventuell zu Verletzungen führen.“ „Wie jetzt Verletzungen?“ rief Nabi, als er das hörte, da wurden ihm auch schon die Arme auf den Rücken festgeschnürt. Nakash machte seelenruhig weiter und erklärte „Jetzt nichts Schlimmes, so wie du denkst. Aber es kann eben passieren, dass die Seile die Haut aufreiben. So was eben halt, also keine Panik.“ Eigentlich rechnete der Sefira damit, dass Nakash jetzt fertig war, aber offenbar ging es doch nicht so schnell wie gedacht, sondern gestaltete sich als recht aufwendig. „Du schnürst mich ja echt wie ein Postpaket zu. Und was ist, wenn ich Panik kriege und ganz schnell da raus will? Was dann?“ „In dem Fall geht es am schnellsten, wenn die Seile durchgeschnitten werden. Für den Fall nimmt man einfach eine Kleiderschere, damit geht es am schnellsten. Ich würde aber, wie gesagt, lieber Leder nehmen. Das führt im Gegensatz zum Seil nicht so schnell zu Verbrennungen, also zu rop burns und ich persönlich finde es damit sowieso viel erotischer. Bei den Fesseln würde ich auch Leder empfehlen, weil Metallfesseln wie etwa Handschellen zwar robust sind, allerdings können sie auch ziemlich wehtun.“ „Ich sehe schon, du hast echt einen Lederfetisch…“ „So ungefähr kann man es nennen.“ Schließlich, als Nakash fertig war, betrachtete er sein Werk und fragte seinen Freund dann letztendlich „Und? Was meinst du?“ Nabi versuchte sich gegen die Fesseln zu stemmen, aber sie saßen ziemlich fest und er konnte sich so gut wie gar nicht bewegen. Halbe Sachen machte sein bester Freund jedenfalls nicht. „Sitzt ziemlich fest, aber es ist jetzt nicht unangenehm oder so…“ „Fehlt nur noch eines, um das alles abzurunden.“ Und damit legte Nakash ihm eine Augenbinde um. Nun konnte Nabi rein gar nichts mehr sehen. Nun gut, es fühlte sich schon recht komisch an, aber es war auch nicht so, dass er Angst bekam. Seltsamerweise kam es ihm nicht mal komisch vor oder so. Und das blieb auch Nakash nicht verborgen. „Du gehst ja echt cool damit um. Ich hab schon Leute erlebt, die das beim allerersten Mal überhaupt nicht packen. Aber das ist ja auch, weil diese Vertrauensbasis da ist. Wenn du mir nicht vertrauen würdest, dann würde das nicht so einfach gehen. Deshalb ist es auch wichtig, dass du deinem Meister das gleiche Vertrauen entgegenbringst. Ich…“ Bevor Nakash weitersprechen konnte, klopfte es plötzlich an der Tür. Nun, was hieß Klopfen? Es klang wie ein ziemlich wütendes Hämmern. „Hm… wer das wohl ist?“ Nabi, der rein gar nichts sah und sich auch sonst nicht wirklich bewegen konnte, wurde etwas unruhig. „Hey, du haust doch nicht einfach ab, oder?“ „Nein, keine Bange. Ich geh kurz nachsehen und komm danach sofort wieder zurück.“ Na super, dachte der Schwarzhaarige und hatte wohl keine andere Wahl, als zu warten. Kapitel 15: Verletzte Gefühle ----------------------------- Als Nakash die Tür öffnete, sah er einen ziemlich gereizten Samajim vor sich stehen und direkt hinter ihm Elohim, der auch nicht gerade bei bester Laune war. Aber bei dem hatte das ja auch einen völlig anderen Grund. „Oh! Samajim und ehrwürdiger Meister Elohim? Was kann ich für die Herrschaften tun?“ „Wo ist Nabi und was hast du mit ihm vor?“ Bevor Nakash dazu kam, auf die Frage zu antworten, da hatte sich Samajim auch schon an ihn vorbeigedrängt und betrat die Wohnung. Nakash war ein klein wenig überrumpelt, blieb aber gelassen wie immer und versuchte die angespannte Situation zu entschärfen. „Wenn Ihr ihn sprechen wollt, dann geduldet Euch bitte einen Augenblick noch.“ „Wieso? Was hast du mit ihm gemacht?“ Nakash merkte deutlich, dass bei Samajim die Eifersucht kochte und er ziemlich schlecht gelaunt war. Und in der Situation konnte er wohl schlecht einfach sagen, dass er Nabi gefesselt im Wohnzimmer zurückgelassen hatte. Das würde diese mehr als angespannte Lage nicht gerade bessern. Er blieb also ruhig und erklärte „Er bat mich nur, ihm etwas zu zeigen und dieser Bitte bin ich nachgekommen. Dürfte ich Euch bitten, noch einen Augenblick zu warten? Ich werde ihn holen gehen.“ „Und wieso kommt er nicht selbst?“ „Das geht leider gerade nicht.“ Bevor Nakash weitererklären konnte, hörte er auch schon Nabi aus dem Wohnzimmer rufen und da war Samajim auch schon an der Tür um nachzusehen, was sein Diener da trieb. Nakash versuchte noch, ihn davon abzuhalten, damit er es wenigstens erklären konnte, aber da war es auch schon zu spät. Kaum, dass Samajim die Tür geöffnet hatte, sah er auch schon Nabi auf dem Boden hocken. Seine Augen waren verbunden worden, sodass er nichts sehen konnte und zudem war er mit Seilen gefesselt worden. Das Ganze sah mehr als verdächtig nach irgendwelchen Sexspielchen aus und er sah sich nun endgültig in seinem Verdacht bestätigt, was dieser Dreckskerl Nakash wirklich im Schilde führte. „Nakash?“ fragte der Ahnungslose, der völlig blind war und nicht wusste, was vor sich ging. „Könntest du mich vielleicht wieder losbinden? So langsam wird es ein kleines bisschen unbequem auf dem Fußboden.“ Wortlos nahm Samajim ihm die Augenbinde ab und sogleich sah der Schwarzhaarige, dass da nicht Nakash, sondern sein Meister da vor ihm stand. „Meister, was macht Ihr denn hier?“ rief er und die Schamesröte stand ihm ins Gesicht geschrieben. „Erklär mir lieber mal, was du hier machst und was das hier zu bedeuten hat.“ Nakash kam nun herein und begann damit, Nabi wieder von seinen Fesseln zu befreien. Dieser versuchte die Situation irgendwie zu erklären, aber dass auch noch Elohim ihn so sah, machte es auch nicht viel besser. Am liebsten wäre er vor Scham im Boden versunken. „Das… das sieht jetzt etwas blöd aus, aber… ähm…“ Da Nakash merkte, dass sein bester Freund nicht in der Lage war, das alles zu erklären, bot er sich an, die Situation aufzuklären, doch Samajim wollte nicht mit sich reden lassen. Er war wütend und enttäuscht. Kaum, dass Nabi von seinen Fesseln befreit war, packte er Nakash am Kragen und stieß ihn gegen die Wand. „Du hältst dich fern von ihm, ist das klar? Wag es auch nur ein Mal in seine Nähe zu kommen und ich werde dir noch persönlich das Fell über die Ohren ziehen.“ „Nein, Meister! Nakash kann doch nichts dafür!“ Nabi versuchte noch dazwischen zu gehen und die beiden voneinander zu trennen, doch gegen Samajim kam er einfach nicht an. „Halt dich da raus, Nabi“, rief dieser nur. „Und für dich gilt das Gleiche wie für ihn: du wirst dich von ihm fernhalten und dich nie wieder mit ihm abgeben.“ Nabi starrte Samajim fassungslos an und konnte nicht glauben, was sein Meister da sagte. Das konnte er doch unmöglich ernst meinen. „Aber… Meister…“ „Kein Aber. Das war ein Befehl. Du gehst zurück nach Hause und bleibst dort. Na los!“ Bei diesen heftigen Worten zuckte der Schwarzhaarige zusammen und traurig und zutiefst verletzt senkte er den Blick. Tonlos murmelte nur „Wie Ihr wünscht, Meister.“ Und damit ging er. Elohim sah ihm besorgt nach und wäre ihm gerne gefolgt, doch er machte sich im Moment viel mehr Sorgen um Nakash. Also kümmerte er sich erst mal darum, dass er Samajim davon abhielt, ihm noch den Hals umzudrehen. Dieser war stinksauer und hätte vielleicht tatsächlich noch die Beherrschung verloren, aber Elohim konnte ihn noch rechtzeitig von Nakash herunterzerren. „Samajim, jetzt beruhige dich endlich. Das bringt doch auch nichts. Meinst du nicht auch, dass du schon genug angerichtet hast? Lass ihn los!“ Nur widerwillig ließ er von Nakash ab, der erst mal Luft holen musste und benommen zu Boden sank und hustete. Normalerweise hätte er sich zur Wehr gesetzt, aber er als einfacher Seraph hatte gegen einen der großen Alten nicht die geringste Chance. Am allerwenigsten gegen Samajim. „Ihr versteht das völlig falsch“, brachte er hervor und schnappte immer noch nach Luft. „Ich hatte nicht vor, Nabi anzurühren. Ich habe ihm bloß etwas mehr über Fesselungstechniken gezeigt, um ihn ein bisschen mehr aufzuklären. Er wollte mehr darüber wissen und auch ein Stück weit seine Angst davor ablegen und da hab ich ihm angeboten, ihm zu zeigen, wie es funktioniert und mehr ist da auch nicht.“ „Und du glaubst echt, ich würde dir diesen Schwachsinn wirklich abkaufen?“ „Warum sollte ich mir so etwas ausdenken? Fragt ihn doch selbst! Er hat sich ein Stück weit dafür interessiert und da ich mich mit so etwas gut auskenne, hab ich ihm angeboten, es ihm zu zeigen, weil ich sein bester Freund bin und er dann weniger Hemmungen hat, über solch ein Thema zu sprechen. Und außerdem braucht er jemanden, zu dem er Vertrauen hat, wenn wir so etwas üben. Wenn ich wirklich etwas von ihm gewollt hätte, dann hätte ich ihm garantiert nicht gesagt, er kann seine Klamotten anlassen. Und außerdem hab ich kein Interesse an ihm in dem Sinne. Ich bin mit den Frauen auch ganz gut bedient und ich will Nabi nur bei seinem Liebesglück helfen und ihn unterstützen, weil er für mich so etwas wie ein Bruder ist.“ Das war die wohl dümmste Ausrede, die Samajim jemals gehört hatte. Aber andererseits… zu einem gewissen Grade hatte Nakash Recht. Wenn er wirklich an Nabi interessiert gewesen wäre, dann hätte er ihm doch zuallererst die Klamotten vom Leib gerissen, oder nicht? Elohim versuchte erst mal zwischen den Fronten zu vermitteln, um die Lage zu beruhigen. „Also damit wir das richtig verstehen: Nabi hat dich darum gebeten, ihn zu fesseln?“ „Nicht direkt“, gab Nakash zu. „Er war etwas zu schüchtern dafür, aber er hat zugegeben, dass er mal so gewisse Fantasien hatte und er wollte mehr darüber wissen und ich hab ihm das Ganze mal näher gebracht, damit er seine Angst davor verliert. Als er mir erzählte, dass er beim ersten Mal gefesselt wurde…“ „Er hat mit dir darüber gesprochen?“ rief Samajim und konnte nicht glauben, dass sein Diener so etwas tatsächlich einfach erzählte. Und er wusste nicht mal, wie er sich selber dabei fühlen sollte. Irgendwie war diese ganze Situation mehr als merkwürdig. Nakash nickte und kam wieder auf die Beine. „Klar, wir reden über alles Mögliche, weil er sich auch schon mal den einen oder anderen Ratschlag holt. Immerhin hat er sich abends bei mir ja auch seinen ganzen Frust von der Seele geredet, bevor Ihr mit ihm so richtig zusammengekommen seid. Für so etwas hat man ja Freunde: damit man denen erzählen kann, was man sonst niemandem erzählen würde. Und als er mir davon erzählte, dachte ich mir, dass ich ihm diese kleine Unterrichtsstunde anbieten könnte, um ihm mit seiner Beziehung weiterzuhelfen, damit er beim nächsten Mal nicht wieder so eine Angst kriegt vor dem Kontrollverlust. Wenn man damit so überrumpelt wird und keine Erfahrung damit hat, dann wird das schnell zu einer echt unangenehmen Sache.“ „Und warum ausgerechnet du?“ „Na weil ich erstens sein bester Freund bin und es ihm auch leichter fällt, offener über seine eigenen Wünsche, Fantasien und Sehnsüchte zu sprechen und zweitens biete ich schon seit knapp 30 Jahren Unterricht an. Ist mein kleines Hobby neben dem Pub und da berate ich auch eben Paare und zeig ihnen, wie Bondage funktioniert.“ Irgendwie wusste Samajim nicht so wirklich, wie er das alles jetzt alles einordnen sollte. Er hatte echt geglaubt, Nakash wollte was von Nabi und hätte in der Wohnung versucht, sich an ihn heranzumachen. Doch stattdessen hatte er ihm bloß Tipps und Ratschläge gegeben und mehr nicht. Ja aber welcher normale Mensch oder Nichtmensch wäre denn auf so eine Schlussfolgerung gekommen? Es sah doch irgendwie danach aus, als wäre das ein Versuch von Nakash gewesen, sich an Nabi heranzumachen. Samajim konnte es nicht fassen, wie bescheuert er sich eigentlich angestellt hatte. Elohim hatte vollkommen Recht gehabt. Er hatte sich in irgendetwas verrannt und sich wie eine wilde Elefantenmeute im Porzellanladen aufgeführt. Und letzten Endes hatte er nur Nabis Gefühle verletzt und ihm den Umgang mit seinem besten Freund verboten. Wie konnte es nur dazu kommen, dass ausgerechnet er sich jemals so dermaßen idiotisch aufführen könnte? „Ich bin echt ein Idiot…“ „Eifersüchtige Partner können manchmal ziemlich heftig reagieren“, meinte Nakash und schien nicht mal sonderlich nachtragend zu sein, obwohl Samajim ihm ganz schön zugesetzt hatte. „Eifersucht ist ja auch ein Zeichen von Liebe, aber leider auch von mangelndem Vertrauen. Und dass Ihr eifersüchtig auf mich seid, war mir schon seit langem klar. Aber damit kann ich gut leben. Ich weiß ja, dass ich nicht wirklich in der Position bin, Euch einen guten Rat zu geben, aber Ihr solltet das mit Nabi echt wieder gut machen. So wie ich ihn einschätze, ist er erst mal ganz schön verletzt.“ Ja stimmt. Ich hab Nabi ganz schön angefahren und dabei wollte er mir doch nur alles erklären. Und ich hab ihn nicht gerade nett behandelt, dabei hat er das alles hier doch extra für mich getan. „Ich sollte mich wirklich bei ihm entschuldigen…“ „Wenn ich mir die Freiheit nehmen dürfte, noch einen Vorschlag zu machen“, sagte Nakash schließlich und legte eine Hand auf Samajims Schulter. „Nabi liebt romantische Ausflüge und hat schon immer mal davon geträumt, das Meer zu sehen. Und da kann man eben auch so einige Wogen glätten.“ „Danke, Nakash“, murmelte Samajim und erwiderte diese Geste. „Ich glaube, ich hab auch dir ziemlich Unrecht getan, nicht wahr?“ „Ach was. Ich steh drüber. Und um mich geht es ja hier auch nicht, sondern um Nabi. Wir wollen doch beide, dass er glücklich wird und wenn ich helfen kann, meine Tür steht offen.“ Damit verließen Samajim und Elohim Nakashs Wohnung und traten nach draußen auf die Straße. Inzwischen war es spürbar kühler geworden und es war windig geworden. Samajim schwieg und wirkte recht niedergeschlagen, während sein bester Freund ihn mit verschränkten Armen mit diesen unverkennbaren „Ich hab’s dir ja gesagt“-Blick ansah. Geschlagen seufzte er und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Hauswand. „Na los, El. Sag es ruhig.“ „Ich hab es dir ja gesagt, aber du wolltest ja nicht hören. Und jetzt hast du den Salat. Also, was wirst du tun?“ „Dafür sorgen, dass ich das wieder geradegebogen bekomme. Und ich werde auch Nakashs Ratschlag beherzigen.“ „Das solltest du tun. Und versuch dich nicht wieder wie ein tollwütiger Elefant aufzuführen.“ Damit traten sie den Rückweg zum Pfarrhaus an und die meiste Zeit schwiegen sie eher. Als sie nach einer Weile endlich zurück waren, klingelte Samajim erst an, doch schnell stellte sich heraus, dass niemand öffnete. Seltsam… war Nabi gar nicht zurück? Aber er hatte ihm doch befohlen, zurück nach Hause zu gehen und bisher hatte dieser sich noch nie seinen Befehlen widersetzt. Na vielleicht hat er sich in seinem Zimmer verbarrikadiert. Nach der Aktion wäre das ja auch verständlich. Also schloss Samajim selbst auf und ging nachsehen. Doch wie sich herausstellte, war das Haus verlassen und Nabi war gar nicht zurückgekehrt. Nun machte sich der Sefira doch ernsthaft Gedanken. Wenn Nabi gar nicht zurück im Pfarrhaus war, wo könnte er denn hingegangen sein? „Ich verstehe das nicht. Wo ist er denn hin? Er… er wird doch nicht etwa schon wieder abgehauen sein!“ Nabi kämpfte mit den Tränen und fühlte sich elend. Er verstand nicht, was Samajims Problem war und wieso er nicht einmal erklären durfte, wieso er das alles gemacht hatte. Er wollte doch nur Erfahrungen sammeln, damit es zwischen ihm und Samajim in Zukunft noch besser laufen konnte und er nicht beim nächsten Sex wieder in Angst verfiel. Aber obwohl er der Ansicht war, nichts Falsches gemacht zu haben, fühlte er sich dennoch mies. Und nun durfte er seinen besten Freund nie wieder sehen und Samajim war sauer auf ihn. Ob das zwischen ihnen überhaupt noch zu retten war? Irgendwie hatte er das Gefühl, als hätte er alles in eine einzige Katastrophe manövriert, obwohl er doch nur versuchen wollte, sich mehr auf die Interessen seines Meisters einzulassen und auch mehr aus sich selbst herauszukommen. Doch stattdessen hatte alles im Desaster geendet. Was für ein Scheiß… „Ach, wenn ich dich so sehe, tut es mir selbst noch im Herzen weh.“ Er blieb stehen und sah Ain, die an einer Bushaltestelle saß und auf ihn gewartet zu haben schien. Wie immer hatte sie ein liebevolles und warmherziges Lächeln und ihre Augen leuchteten so grün wie Frühlingsblätter. Schnell wischte sich Nabi die Tränen aus den Augenwinkeln und versuchte sich seinen Kummer nicht anmerken zu lassen, aber dafür war es auch schon zu spät. „Ain, was… was macht Ihr denn…“ „Ich war heute mal alleine unterwegs und als ich gespürt habe, wie traurig du warst, da wollte ich mal nach dem Rechten sehen. Du kannst mich auch übrigens gerne duzen. Ich brauche diese unterwürfige Behandlung wirklich nicht. Na komm, lass dich mal umarmen.“ Damit stand sie auf und nahm ihn in den Arm. Diese Geste hatte etwas sehr Mütterliches und Liebevolles. Es erfüllte ihn mit einer fast schon überwältigenden Wärme und in dem Augenblick konnte er seine Tränen unmöglich zurückhalten, sondern ließ seinen Gefühlen freien Lauf. Er schämte sich schon fast dafür, dass er sich ausgerechnet bei Ain ausheulen musste, wenn man bedachte, welch hohe Position sie innehatte. Sie stand ja noch weit über Samajim und war quasi Ajin Gamurs Tochter. Aber… in diesem Augenblick war sie nicht die große Herrscherin, sondern wie eine liebevolle Mutter. Und das war ja auch das, was sie wirklich verkörperte. Deshalb fiel es ihm auch wieder leichter, bei ihr seinen Kummer auszuweinen. „Wollen wir nicht irgendwo hingehen und du erzählst mir, was passiert ist?“ „Würde ich gerne, aber ich habe den ausdrücklichen Befehl erhalten, nach Hause zurückzugehen.“ Doch das hielt Ain von ihrem Entschluss auch nicht sonderlich ab und sie erklärte ganz einfach „Nun, dann hebe ich diesen Befehl ganz einfach auf. Soweit ich weiß, darf ich das ja.“ Und da musste sie wieder kichern. Sie hakte sich bei Nabi unter und ging mit ihm in ein kleines gemütlich ausschauendes Restaurant, wo sie es sich einem ruhigen Platz gemütlich machten. „Also erzähl mal, was dich so bekümmert.“ Nabi zögerte, denn irgendwie wäre es ihm mehr als peinlich, Ain wirklich alles zu erzählen, nachdem ihr Mann ihn schon gefesselt im Wohnzimmer gesehen hatte. Wenn sie vielleicht vom Charakter her etwas anders gewesen wäre… nicht so unschuldig vielleicht, dann wäre es vielleicht weniger problematisch. Außerdem war sie immer noch die Herrscherin über die Welt der Unvergänglichen und das konnte man eben nicht so einfach ausblenden. Die großen Alten hatten sich ja ohnehin nie für die Belange der anderen interessiert. Aber sie war da ganz anders. Sie zeigte großes Interesse an den Sorgen und Problemen der anderen, hörte aufmerksam zu und versuchte zu helfen. So etwas hatte er noch nie gekannt. Selbst die Menschen waren nicht so, wenn sie eine so hohe Machtposition innehatten. Sie lebten dann meist in ihrer eigenen Welt und schotteten sich ab, aber Ain war vom Charakter her jemand, der mit offenen Armen auf andere zuging und einfach sagte „Lasst mich an eurer Welt teilhaben“. Ganz egal, wie diese Welt auch aussehen mochte. „Meister Samajim und ich sind ja jetzt ein Paar und… nun ja… Er hat anscheinend gewisse Interessen.“ „Was denn für Interessen? Du kannst es mir ruhig erzählen.“ Etwas verlegen räusperte er sich und erklärte etwas kleinlaut „Offenbar scheint er eine Art Vorliebe dafür zu haben, mich zu fesseln, wenn wir intim werden. Zumindest war es bei diesem einen Mal so, als er mir die Hände zusammengebunden hat. Aber ich war damit ziemlich überfordert und hatte auch Angst. Da hat mir Nakash angeboten, mich näher an dieses Thema heranzubringen und mir zu helfen. Deshalb hatten wir uns heute getroffen. Unter anderem hat er mir dann gezeigt, wie das mit dem Fesseln richtig funktioniert und das dann auch gleich an mir demonstriert. Dann hat es an der Tür geklingelt und Meister Samajim und Meister Elohim standen plötzlich da und dann gab es einen Riesenstreit. Meister Samajim ist wütend geworden und wollte sich auch nichts erklären lassen und hat mich dann auch direkt weggeschickt und mir den Kontakt zu Nakash verboten.“ Als der Kellner kam, bestellte Ain kurzerhand etwas zu essen und als Nabi protestierte, winkte sie einfach nur ab und sagte, dass es für sie eine Freude wäre, ihn einzuladen. Dann, als der Kellner wieder gegangen war, wandte sie sich wieder dem eigentlichen Thema zu. „Das ist natürlich eine mehr als ungünstige Situation gewesen, in der dich dein Herr gesehen hat. Und dass er erst mal wütend war, kann man ihm auch schlecht verdenken. Aber das war auch alles erst mal im Affekt gewesen und er hat auch wirklich überreagiert. Da Elohim bei ihm ist, denke ich, dass er Samajim auch noch mal ein paar Worte sagen wird. Mach dir also keine Sorgen. Mein Mann und dein Meister sind ja enge Freunde und ich glaube, dass Elohim ihn schon wieder zur Vernunft bringen wird. Und wenn Samajim erst einmal erkannt hat, dass du das alles für ihn gemacht hast, dann wird er seinen Fehler einsehen und ihr werdet euch wieder vertragen.“ „Ich hoffe es. Ich hab ehrlich gesagt Angst, dass Meister Samajim mir nicht mehr vertraut und ich ihn zu sehr enttäuscht habe.“ „Ach, da mach dir keine Sorgen. Enttäuscht hättest du ihn doch nur dann, wenn du ihn wirklich hintergangen hättest und das hast du ja nicht getan. Du bist so eine ehrliche und treue Seele. Und wenn Samajim sich das wieder in Erinnerung ruft, dann wird ihn mit großer Gewissheit noch das schlechte Gewissen plagen.“ „Meinst du wirklich?“ „Nabi, ich bin nach Vater das älteste Wesen, das existiert. Glaub mir, ich weiß, wovon ich spreche. Na komm, jetzt lass mal nicht den Kopf hängen. Es wird alles wieder gut werden, das verspreche ich dir.“ Damit nahm sie als bestärkende Geste seine Hand und lächelte zuversichtlich. Und ihr strahlendes Lächeln war so ansteckend, dass er sich nicht dagegen wehren konnte. Ihre Zuversicht und ihr unerschütterlicher Frohsinn ließen ihn seinen Kummer in diesem Augenblick vergessen und er war wirklich froh, dass sie da war und ihn wieder aufbaute. „Danke, Ain. Ich glaub, ich hab diese Aufmunterung jetzt wirklich gebraucht.“ „Wir haben alle unsere schwachen Momente und da ist es auch wichtig, dass wir dann füreinander da sind. Auch Elohim braucht hin und wieder Trost und Kraft. Er hat ein gutes Herz, aber er leidet noch unter der Vergangenheit und all die vorherrschenden Missstände und das Elend gehen nicht spurlos an ihm vorbei. Und da braucht er auch Kraft und Trost, um nicht wieder wie damals in diese Spirale aus Kummer und Verzweiflung zu versinken. Und wenn ich mal eine starke Hand an meiner Seite brauche, ist er genau der Richtige. Wir alle brauchen irgendwann mal jemanden, der uns beisteht und da ist es doch völlig in Ordnung, wenn man sich Hilfe oder Rat bei jemandem sucht. Und wenn ich helfen kann, dann tue ich es auch. Ich weiß ja, dass immer diese Hemmschwelle da ist, weil ich so eine wichtige Position innehalte. Aber… was sagt das über mich selbst aus? Ich habe diese Aufgabe übernommen, weil ich anderen helfen will, ein glückliches Leben zu führen und nicht, um andere zu beherrschen. Das ist auch nicht meine Art. Ihr seid alle ein Teil von mir und deshalb ist es für mich selbstverständlich, dass ich mich auch um euch kümmere und da bin, wenn es Probleme gibt. Und ich glaube, wir beide könnten auch ganz gut Freunde werden, findest du nicht?“ „Ja“, sagte Nabi und nickte lächelnd. „Das wäre wirklich schön.“ Kapitel 16: Unterwerfung ------------------------ Der Abend mit Ain war wirklich eine Wohltat für Nabi, nachdem der Nachmittag eine solch schlimme Wendung erfahren musste. Wäre sie nicht da gewesen, dann hätte er sich in seinem Zimmer verkrochen und sich wahrscheinlich noch die Augen ausgeheult. Nach dem, was passiert war, war es ja auch nicht verwunderlich. Er hatte doch nur versucht gehabt, sich mehr mit den Interessen seines Herrn auseinanderzusetzen und dann musste dieser ihn im ungünstigsten aller Momente sehen und sich irgendetwas denken. Aber zum Glück hatte Ain ihn abgefangen und ihm wieder etwas Mut machen können. Sie hatte ihn mit ihrer fröhlichen Art und ein paar witzigen Anekdoten wieder aufmuntern können und ihn sogar wieder zum Lachen gebracht. Es wäre auch verwunderlich gewesen, wenn ihr dies nicht gelungen wäre, denn ihre Heiterkeit war eben sehr ansteckend. Schließlich begleitete sie ihn auch wieder nach Hause, als es langsam spät wurde und Nabi nicht noch mehr Ärger haben wollte, als er eh schon verursacht hatte. Auch wenn nicht beabsichtigt. Aber Ains aufmerksamen Augen entging nicht, dass Nabi schon ein wenig Angst davor hatte, wieder nach Hause zurückzugehen. Und als sie nachfragte, was ihn denn beschäftigte, da seufzte er niedergeschlagen und fragte „Was, wenn Meister Samajim sauer sein wird, dass ich mich nicht an seinen Befehl gehalten habe?“ „Dann sag ihm einfach, ich hätte dich von diesem Befehl befreit und damit hat sich die Sache. Und wenn er ein Problem damit hat, dann soll er zu mir kommen. Nur Mut, inzwischen hat er sich ja wieder beruhigt und da dürfte nichts mehr schief gehen.“ Als sie nach einer etwas längeren Busfahrt wieder zurück waren und die Kirche St. Michael erreichten, sahen sie schon Elohim neben der großen Statue vom Erzengel Michael stehen. Offenbar hatte er auf die beiden gewartet und kaum, dass sie ihn sahen, eilte Ain auch schon zu ihm und umarmte ihn freudestrahlend. Auch Elohim war anzusehen, wie glücklich er war, sie in den Armen zu halten. Daran sah man auch deutlich, wie sehr die beiden einander wirklich liebten. „Na Schatz, war es sehr anstrengend mit Samajim gewesen?“ „Wenn du wüsstest… und wie war dein Tag?“ Ain strahlte übers ganze Gesicht, dass man wirklich hätte meinen können, sie hätte den schönsten Tag ihres Lebens gehabt. „Wunderbar und ich hab mich dann auch gleich um Nabi gekümmert.“ Damit wandte sie sich dann ihrem Begleiter zu. „Soll ich noch mitkommen oder willst du alleine gehen? Ich kann gerne mitkommen, wenn du dich so sicherer fühlst.“ „Nein, nein!“ rief Nabi sofort und winkte ab. „Du hast schon genug für mich getan und ich schaffe das schon alleine.“ Damit verabschiedete sich Ain auf ihre typische herzliche Art und Weise bei ihm und wünschte ihm noch alles Gute. Dann machte sie sich mit ihrem Mann auf den Weg zurück zu ihrem Hotel, während Nabi zum Pfarrhaus ging. Zwar hatte Ain ihm Mut gemacht, aber trotzdem war er sich sicher, dass Samajim wahrscheinlich noch wütend war. Und als er dann sah, wie ein Kleinbus vor dem Pfarrhaus parkte, wurde er unruhig. Hatte sein Meister etwa gerade Besuch? Nervös und mit pochendem Herzen betrat er das Pfarrhaus und fand Samajim im Wohnzimmer sitzend vor, wo dieser wieder eine Zigarette rauchte. Es war nicht erkennbar, ob er noch wütend war oder nicht. Er wirkte irgendwie distanziert und in Gedanken versunken und das verunsicherte Nabi nur noch mehr. „Meister…“ Samajim drückte wortlos seine Zigarette im Aschenbecher aus und erhob sich. Er sagte nur „Pack deine Sachen“ und immer noch war nicht klar zu erkennen, ob er wütend, oder einfach nur enttäuscht war. Und dass Nabi jetzt auch noch seine Sachen packen musste, verunsicherte ihn nur noch mehr. „W-wieso muss ich meine Sachen packen?“ „Wir verreisen.“ Das war die einzige Antwort darauf und so blieb Nabi nichts anderes übrig, als die Anweisung seines Herrn zu befolgen. Immer noch kreisten Fragen durch seinen Kopf. Fragen wie „Ziehen wir jetzt für immer weg?“ oder „Warum will Meister Samajim überhaupt verreisen?“ Er ging in sein Zimmer und fand auch schon einen Koffer auf seinem Bett, den Samajim ihm schon bereitgestellt hatte. Nach und nach packte er genug Sachen zusammen und fragte sich, ob das vielleicht eine Maßnahme seines Herrn war, damit dieser sichergehen konnte, dass sein Diener auch wirklich nie wieder zu Nakash Kontakt aufnahm. Was, wenn wir wirklich für immer von hier wegziehen und nie wieder hierher zurückkehren werden? Ich werde Nakash und die anderen nie wieder sehen. Wahrscheinlich ist es das, was er damit erreichen will. Er will nicht zulassen, dass ich ihm untreu werden könnte. So ist es doch, oder? Nabi spürte, wie sich seine Brust zusammenzog und er fühlte sich elend. Das schlechte Gewissen plagte ihn und als er mit dem Koffer auf den Flur hinaustrat, wartete auch schon Samajim auf ihn, der wortlos mit ihm zu dem Kleinbus ging. Als er den Kofferraum öffnete, fand er tatsächlich mehrere Taschen und Koffer vor, die Samajim offenbar schon alle gepackt hatte. Nachdem er seinen Koffer verstaut hatte, setzte er sich auf Anweisung seines Meisters hin auf den Beifahrersitz und nachdem sich der blondhaarige Sefira selbst hinters Steuer gesetzt hatte, ging die Fahrt los. Während der Fahrt sprachen sie kaum ein Wort und dummerweise schlief Nabi auch nach kürzester Zeit einfach ein, sodass er gar nicht mehr dazu kam, nachzufragen, wohin die Reise ging und warum sie überhaupt verreisten. Er schlief immer bei Autofahrten ein und so merkte er auch nicht, wohin die Fahrt ging und wie lange sie überhaupt dauerte. Und er wachte auch gar nicht mehr wirklich auf, sondern fiel in einen so tiefen Schlaf, dass er durch gar nichts mehr aufzuwecken war und nicht einmal mitbekam, als die Fahrt zu Ende ging und sie ihr Ziel erreicht hatten. Selbst, als Samajim den Sicherheitsgurt löste und ihn aus dem Wagen holte, wachte Nabi nicht auf. Das Erste, was er wieder wahrnahm, als er allmählich wieder aufwachte, war ein Bett. Zumindest spürte er jedenfalls, dass er auf einer ziemlich bequemen Matratze lag. Doch irgendetwas stimmte da nicht mit ihm. Ihm war so heiß zumute und sein Herz schlug wie verrückt. Sein Körper fühlte sich so merkwürdig an und ein seltsames intensives Kribbeln in seiner unteren Körperhälfte riss ihn aus seinem Tiefschlaf und holte ihn ins eigentliche Geschehen zurück. Er versuchte aufzustehen, doch er merkte, dass das nicht möglich war. Irgendwie konnte er sich nicht so wirklich bewegen. Aber was stimmte da nicht mit ihm und was war nur passiert, während er geschlafen hatte? Träumte er gerade noch? Als er die Augen geöffnet hatte, musste er erst einmal blinzeln und erkannte, dass er sich in einem Zimmer befand, das nicht wirklich seines war. Es handelte sich um ein fremdes Zimmer, welches er noch nie zuvor gesehen hatte und er konnte sich auch nicht erinnern, hier jemals gewesen zu sein. Ach ja stimmt, dachte er und erinnerte sich wieder. Ich bin ja mit Meister Samajim weggefahren. Aber wo bin ich denn und wieso kann ich mich nicht bewegen? Als Nabi wieder einigermaßen wach war, erkannte er, dass er mit Lederriemen gefesselt war. Um seinen Hals trug er eine Art Halsband, seine Arme waren auf dem Rücken zusammengebunden und zusätzlich waren seine Fußgelenke an die Oberschenkel fixiert worden. Für einen Moment lang stand ihm der kalte Schweiß auf der Stirn und ein eisiger Schreck durchfuhr sein Innerstes. Was ging hier vor sich und wieso war er nackt und gefesselt? Was zum Teufel ging hier vor sich und was war passiert, während er geschlafen hatte? Wie lange war er denn überhaupt weggetreten gewesen und wieso war er nicht schon viel früher aufgewacht? Im ersten Moment stand er vor einer Panik. Er war völlig orientierungslos und verstand nicht, was hier vor sich ging und warum er gefesselt war, doch da öffnete sich auch schon die Tür des Zimmers und Samajim kam herein. Er hatte die Knöpfe seines Hemdes geöffnet und so hatte Nabi freie sich auf seinen Oberkörper. Nun gut, er hatte Samajim schon des Öfteren mal mit nacktem Oberkörper gesehen mit der Folge, dass dann wieder seine erotischen Fantasien wieder mit ihm durchgegangen waren. Obwohl man es Samajim überhaupt nicht ansah, hatte er einen verdammt heißen Körper, auch wenn er vielleicht nicht allzu muskulös war. Aber in Nabis Augen war es der Traumkörper schlechthin und deswegen konnte er einfach nicht wegsehen, selbst wenn er es gewollt hätte. Als Samajim bemerkte, dass sein Diener wieder wach war, wirkte er mehr als zufrieden und sein Lächeln ließ erahnen, dass er irgendetwas im Schilde führte. Und das sorgte nicht gerade dafür, dass Nabi sich sonderlich beruhigen konnte. Stattdessen rutschte ihm so langsam aber sicher das Herz in die Hose… wenn er denn wenigstens eine angehabt hätte… „Oh, da hat sich also jemand entschieden, endlich aufzuwachen. Das trifft sich sehr gut, denn dann können wir ja gleich endlich anfangen.“ Anfangen? Na, das hörte sich irgendwie nicht gerade beruhigend an. Vor allem wenn man nicht wusste, was einem da gleich blühte. „M-Meister… was… was hat das zu bedeuten?“ „Das nennt man Bestrafung. Dafür, dass du nicht ehrlich zu mir gewesen bist.“ Bestrafung? Nicht ehrlich? Nabi verstand die Welt nicht mehr. „Meister, bitte lasst mich das erklären. Ich wollte doch nur…“ „Du brauchst mir nichts zu erklären. Ich weiß schon über alles Bescheid.“ Nabi war mit einem Male still und sah seinen Meister beinahe fassungslos an. Samajim wusste längst über alles Bescheid? Ja aber wieso sagte er dann etwas von Bestrafung? Wo lag da denn bitte der Sinn? Als er nachfragte, lächelte Samajim nur und kam nun zu ihm ans Bett. „Nun, du hast mir gar nicht gesagt, dass du so sehr darauf stehst, gefesselt zu werden und dass du dir sogar Unterricht geben lässt. Wenn ich das gewusst hätte, dann hätte ich mich ja gar nicht so zurückhalten brauchen.“ „Wa-wartet Meister! Ich hab nie gesagt, dass ich auf so etwas stehe. Hört auf, da so viel reinzuinterpretieren und bindet mich wieder los!“ „Nichts da. Und leugnen bringt dir eh nichts mehr. Nakash hat alles schön der Reihe nach ausgeplaudert.“ Wie bitte? Nakash hat alles erzählt? Na warte! Wenn ich den in die Finger kriege, bringe ich ihn um. Wie kann der nur so etwas erzählen? Scheiße, was mache ich denn jetzt? Meister Samajim wird doch nicht… das kann er doch nicht wirklich ernst meinen. Nabi entwich jegliche Gesichtsfarbe und als Samajim ihn aufs Bett drückte und sich über ihn beugte, trafen sich ihre Blicke und für einen Moment lang kam wieder die Angst zurück. Insbesondere als er erkannte, dass Samajims Entschluss, die Sache hier durchzuziehen, endgültig war. Aber… das wollte er doch alles gar nicht! Das ging alles viel zu schnell und zu plötzlich. Und jetzt hatte er nicht einmal die Chance, noch schnell einen Rückzieher zu machen. Der blondhaarige Sefira sah mit Genugtuung auf seinen gefesselten Diener herab, der ihm nun vollkommen wehrlos ausgeliefert war und mit dem er nun machen konnte, was auch immer er wollte. Wie lange hatte er darauf gewartet, Nabi mal in so einer Situation zu erleben? Viel zu lange, aber das war jetzt vorbei. Jetzt war die Kinderstunde endgültig vorbei und er würde sich das holen, was er wollte. Und er wusste schon, wie er Nabi überzeugen konnte. Jetzt, nachdem er wusste, was sein Diener da so für Fantasien hatte, gab es ja keinen Grund mehr, sich noch länger in Geduld zu üben und sich zurückzuhalten. Doch Nabi stritt alles ab und dachte anscheinend nur daran, wie er sich hier aus der Affäre ziehen konnte. „Das… das ist alles nur übertrieben. Das waren nur ein oder zwei Träume gewesen, mehr auch nicht. Das ist Unsinn!“ „Zwecklos. Hier windest du dich nicht mehr raus. Du kannst ja gerne versuchen, dich zu befreien. Egal wie viel du dich auch wehrst, du kannst nichts dagegen tun. Jetzt sitzt du endgültig in der Falle und ich glaube, ich weiß schon, was ich dir alles noch antun werde.“ Das ist doch jetzt ein Scherz, oder? Der meint das doch nicht wirklich ernst. Nakash, in was für eine Situation hast du mich hier eigentlich gebracht? Ich schwöre bei Ajin und Ain, dass ich dir den Hals umdrehen werde, wenn ich das hier überleben sollte. Das kann es doch nicht wirklich sein. Hätte ich doch bloß nicht Nakashs Angebot angenommen und mich nicht bequatschen lassen… Jetzt hab ich den Salat. „Ihr versteht das völlig falsch, Meister. Als ob ich so etwas Perverses je freiwillig machen würde.“ „Ich weiß. Deshalb bist du ja jetzt gefesselt. Du kannst auch so viel protestieren wie du willst. Jetzt halte ich mich definitiv nicht mehr zurück.“ Und damit beugte sich Samajim zu ihm herunter und küsste ihn. Es war ein leidenschaftlicher und fordernder Kuss und als seine Hand sanft über Nabis Brust strich, da fuhr ein intensiver Schauer der Lust durch den Körper seines Dieners. Nabi zitterte vor Erregung und er brachte nicht die Kraft auf, sich dagegen zu wehren. Erst jetzt spürte er auch, wie erregt er eigentlich war und er konnte sich in diesem Moment auch überhaupt nicht erklären, warum das so war. Was geschah da nur mit ihm und wieso reagierte sein Körper so intensiv auf so einfache Berührungen? Als hätte Samajim seine Gedanken gelesen, erklärte er „Ich hab mir die Freiheit genommen, ein kleines Aphrodisiakum auszuprobieren, um dich etwas besser hiervon zu überzeugen und dich vor allem erst mal richtig in Stimmung zu bringen. Ein kleines Spezialrezept von Minha. Damit wirst du dich auch gleich viel besser entspannen können.“ Damit begann er nun Nabis Hals zu liebkosen und fuhr mit seiner Zungenspitze über eine besonders sensible Stelle. Als er bemerkte, wie Nabi darauf reagierte, begann er sich an dieser Stelle festzusaugen und beobachtete mit stiller Genugtuung, wie wild dies sein kleines Opfer machte. Nachdem er diesen kleinen Knutschfleck hinterlassen hatte, beschloss er, noch mehr von Nabis Körper auf diese Weise zu zeichnen. Er wollte ihn um den Verstand bringen und ihn ein bisschen quälen, aber noch mehr wollte er ihn auf diese Weise markieren und zeigen, dass Nabi ihm allein gehörte. Nur ihm und niemand anderem sonst und er würde auch nicht zulassen, dass irgendjemand anderes ihm jemals so nahe kommen würde. „Das scheint dich ja ganz wild zu machen, wenn ich das mache. Soll ich noch mehr unanständige Dinge mit dir anstellen?“ Nabi hatte sichtlich Mühe, seine Sinne beisammen zu halten und seine Stimme unter Kontrolle zu halten. Doch es änderte nichts daran, dass sein Körper eine ganz andere Sprache sprach. Es war einfach nicht zu verbergen, dass diese Fesseln und Samajims Berührungen ihn nur noch mehr erregten. Das Blut rauschte in seinem Kopf und er fühlte sich so seltsam benommen. Und er verlor da auch die Kraft, Angst oder Nervosität zu fühlen. Es mochte an diesem Mittel liegen, welches Samajim ihm verabreicht hatte, als er geschlafen hatte. Aber sein Körper begann sich tatsächlich immer weiter zu entspannen und er war kaum noch in der Lage, selbst verbalen Widerstand zu leisten. „M-Meister… ich fühl mich irgendwie so… so seltsam…“ „Dann scheint das Mittel ja langsam seine Wirkung zu zeigen. Gleich wirst du noch richtig Spaß daran haben.“ Und damit begann er nun eine von Nabis hart gewordenen Brustwarzen zu kneten. Nabis Atem ging nun schwerer als zuvor und er spürte, wie seine Wangen glühten. Es fühlte sich so viel intensiver an als beim letzten Mal und er war kaum noch in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen. Er konnte selbst nicht glauben, dass sein Körper so stark darauf reagierte und er völlig wehrlos dagegen war. Und ein Stück weit schämte er sich auch dafür und er wollte das auch nicht. Irgendwie kam er sich in diesem Zustand ziemlich erbärmlich vor. „Meister, bitte hört auf. Ich… das ist so…“ Doch Samajim ließ ihn nicht weiterreden, sondern legte ihm einen Beißknebel um und brachte ihn damit zum Schweigen. „So… Damit kannst du auch nicht mehr protestieren. Mann, wenn ich dich so ansehe, da könnte ich noch wirklich schwach werden. Du glaubst nicht, wie sehr ich auf diesen Augenblick gewartet habe, dich mal in so einem Zustand zu sehen.“ Ich hab’s geahnt. Mein Meister ist hier der wahre Perverse, dachte Nabi und sah in diesem Augenblick ziemlich entsetzt aus. Hätte ich gewusst, dass er so gestrickt ist, dann hätte ich mich definitiv nicht von Nakash bequatschen lassen. Hilfe, da sind seine Schmuddelhefte doch ein Witz dagegen, was er hier gerade ernsthaft mit mir zu veranstalten gedenkt. Und das als Pfarrer… irgendwie macht es das auch nicht gerade besser. Er wollte sich aufsetzen, um sich so irgendwie aus dieser ganzen prekären Situation herauszuwinden, aber er wurde wieder aufs Bett gedrückt und während Samajim ihn mit einer Hand auf seiner Schulter nach unten gedrückt hielt, strich er sanft mit seiner anderen über diese blasse und wunderschöne Haut, fuhr über Nabis Bauchnabel und streichelte seine Oberschenkel. Der Schwarzhaarige, der nun nicht einmal mehr etwas vernünftig hervorbringen konnte, war überwältigt von diesen intensiven Gefühlen, die diese einfachen Berührungen auslösten und ihm wurde schwindelig. Aber gleichzeitig war er vollkommen durcheinander. Er verstand nicht, was sein Fehler war und wieso Samajim das alles mit ihm machte. War sein Herr etwa immer noch wütend und wollte ihn damit erniedrigen? Wollte er ihm das letzte bisschen Stolz und Würde nehmen und ihn auf diese Weise bestrafen und ihm mehr Gehorsam beibringen? Samajim sah, wie durcheinander Nabi war und ein überlegenes Lächeln spielte sich auf seine Lippen. Er strahlte wieder dieses Erhabene und Dominante aus, welches er sonst immer anderen Leuten gegenüber bewahrte. „Du machst dir Gedanken, womit du diese Strafe verdient hast, oder?“ Nabi wich seinem Blick aus und ihm war deutlich anzusehen, dass Samajim damit genau den Nagel auf den Kopf getroffen hatte. Zärtlich strich sein Meister ihm durchs Haar und diese einfache Geste hatte etwas sehr Liebevolles und zugleich auch Beruhigendes. „Ich bin dir nicht böse wegen der ganzen Geschichte. Dass du dir Gedanken wegen mir gemacht hast, war wirklich sehr süß von dir und es tut mir auch leid, dass ich dich so schroff behandelt habe. Da sind die Gefühle mit mir durchgegangen. Und dass du Nakash nie wieder sehen darfst, das tut mir auch leid und das nehme ich auch wieder zurück. Diese Bestrafung soll jetzt nicht dazu da sein, um dich zu quälen oder dich zu demütigen. Ich werde ganz einfach dafür sorgen, dass dieser Traum von dir zur Realität wird und du mit jeder Faser deines Körpers spürst, wie es sich wirklich anfühlt.“ Dann… dann ist er also gar nicht mehr wütend auf mich und hat mich nur getäuscht? Und er macht das alles hier wegen mir? Nabi konnte das nicht wirklich glauben und sah seinen Meister mit seinen türkisfarbenen Augen fragend an. Er war immer noch durcheinander, aber zumindest schwand so langsam diese innere Unsicherheit über die Situation. „Es wird in der nächsten Zeit einiges anders laufen. Ich werde vielleicht Dinge verlangen, die für dich eventuell erst mal eine gewisse Überwindung darstellen werden, aber ich werde dich nicht mit aller Macht zu etwas zwingen, was du definitiv nicht willst. Aber Fakt ist, dass ich dich in der Zukunft deutlich mehr fordern werde und die Schonfrist vorbei ist. Ich hab mich beim letzten Mal deutlich zurückgehalten, weil es das erste Mal für dich war und ich dich nicht gleich überfordern wollte. Außerdem konnte ich auch nicht einschätzen, ob du auch wirklich so etwas magst. Ich liebe dich und ich will auch, dass du dich gut dabei fühlst. Aber es ändert auch nichts daran, dass ich mehr will und du bist mein Diener. Als solcher hast du dich ganz klar unterzuordnen und ich denke, das ist dir auch klar. Du wirst mir gehorchen und meinem Willen Folge leisten. Und ich möchte auch, dass du mir vertraust.“ Einen Moment lang wirkte Nabi noch unsicher. Aber dann nickte er, als wolle er damit versprechen, dem Wunsch seines Meisters Folge zu leisten und ihm zu gehorchen. Und damit machte Samajim nun weiter, wo er aufgehört hatte. Denn nun würde er endlich das einfordern, was er sich schon so lange herbeigeträumt hatte und für ihn stand fest, dass er Nabi noch viel mehr von dieser Welt zeigen würde. Er würde ihn in eine völlig neue Welt hineinführen und ihm noch vieles mehr beibringen, wovon der Gute nicht einmal zu träumen gewagt hatte. Kapitel 17: Fesselspielchen --------------------------- Nabis Herz fühlte sich an, als würde es explodieren und er rang nach Atem, als Samajim eine Hand um seinen Penis legte und ihn zu massieren begann. Sein Körper fühlte sich an wie im Fieber und er bekam kaum Luft. In seinem Kopf drehte sich alles und er konnte seine Sinne kaum noch beisammen halten. Er biss auf den Knebel und bäumte sich mit einem lauten, lustvollen Stöhnen auf, als Samajim die Spitze mit seiner Zunge bearbeitete und zufrieden beobachtete, wie sehr Nabi darauf reagierte. „Wer hätte gedacht, dass du von so einfachen Berührungen dermaßen hart wirst? Du hast es ja richtig nötig, oder? Willst du es wirklich so sehr?“ Selbst wenn dieser Knebel nicht gewesen wäre, hätte Nabi wohl kaum darauf geantwortet. Er schämte sich auch ein Stück weit dafür, dass er so sehr darauf reagierte und sich nicht zurückhalten konnte. Aber wahrscheinlich gehörte das auch zu Samajims Spielchen dazu, ihn in dieser Art und Weise zu demütigen. Ja, es gehörte zu seinem Unterwerfungsspiel dazu, indem er ganz klar seine dominierende Position klarstellte. Er übte nicht nur physische, sondern auch psychische Dominanz aus und Nabi blieb nichts anderes übrig, als sich seinem Willen unterzuordnen und sich das alles gefallen zu lassen. Nun gut, es war nicht so, dass er es überhaupt nicht mochte und es ihm unangenehm war. Diese spielerische Art der Erniedrigung und Unterwerfung war paradoxerweise auch ziemlich heiß. Nakash hatte vollkommen Recht. Ich bin ein absoluter Masochist. Am liebsten würde ich echt im Erdboden versinken. „Du kannst dir gar nicht vorstellen, was ich am liebsten mit dir anstellen würde, aber… wir haben ja Zeit. Wir werden uns viel Zeit lassen und wirklich alles ausprobieren. Und glaub mir: du wirst dich schneller daran gewöhnt haben, als dir lieb ist.“ Das glaube ich Euch aufs Wort… Hilfe, auf was habe ich mich da nur eingelassen? Das kann doch nicht wirklich hier gerade in diesem Moment passieren. Womit habe ich das nur verdient? Doch weiter kam Nabi nicht mit seinen Gedanken, als er spürte, wie sich zwei Finger vorsichtig ihren Weg in sein Innerstes bahnten. Das war endgültig zu viel für ihn und in dem Moment entglitt ihm der letzte klägliche Rest seiner Kontrolle. Er stöhnte laut durch den Beißknebel und kam dann auch schon zu einem Orgasmus. Keuchend sank er zusammen und spürte, wie sich Schweißperlen auf seiner Haut bildeten. „Mensch, das ging ja schnell bei dir“, bemerkte Samajim und leckte sich seine besudelte Hand. „Kaum, dass ich ein bisschen an dir herumfingere, kommst du schon. Dabei haben wir noch nicht mal richtig angefangen. Und soweit ich weiß, hab ich dir nicht einmal die Erlaubnis gegeben, dass du so einfach kommen darfst. Ich glaube, in dem Fall ist eine kleine Erziehungsmaßnahme erforderlich.“ Wie bitte? Noch eine Bestrafung? Nabi wusste nicht, was er in diesem Moment mehr fühlte. Die Lust oder das Entsetzen über die Erkenntnis, dass ihm noch mehr blühte. Dieser Wahnsinnige will mich wohl umbringen! Das kann er doch nicht ernst meinen. Ehe Nabi sich versah, hatte Samajim ein rotes Band hervorgeholt, an welchem ein kleines goldenes Glöckchen befestigt war und schnürte es um Nabis Penis. Der Blondhaarige konnte sich ein zufriedenes Grinsen nicht verkneifen und begann mit dem kleinen Glöckchen zu spielen, welches ein leises helles Bimmeln von sich gab. „Irgendwie passend für ein süßes kleines Kätzchen wie dich. Ich glaube, beim nächsten Mal verpasse ich dir noch eine süße Schleife um den Hals. Was meinst du?“ Ich bin in der Hölle, ja das muss es sein. Ich bin tot und in der Hölle gelandet. Nabis Gefühle gerieten in eine einzige Achterbahnfahrt. Samajim genoss es richtig, ihn zu quälen und ihn um den Verstand zu bringen und es kostete ihn erheblich Mühe, es nicht zu schnell anzugehen und es nicht zu sehr auf die Spitze zu treiben. In einem gewissen Rahmen war es noch in Ordnung, aber wenn er es zu sehr übertrieb, dann würde er Nabi noch gänzlich überfordern und ihn verschrecken. Und das wollte er ja auch nicht. Nakash hatte ihm ja gesagt, dass Nabi einer von der Sorte war, die zwar ein gewisses Interesse für derlei Spielchen hegte, aber dennoch sehr zurückhaltend und unsicher blieb. Und wenn Nabi zu sehr in diese Angstspirale fiel, würde das hier noch unangenehm werden und das war ja auch nicht das Ziel dieser ganzen Aktion. Also musste er sich auch ein bisschen vorsichtig vorantasten und auf die Weise erkennen, wo bei Nabi die Grenzen lagen. In diesem Rahmen konnte er sich vorerst bewegen, aber auch nicht weiter. Nachdem er erfahren hatte, dass Nakash ziemlich viel Erfahrung in diesen Sachen hatte und helfen wollte, hatte er sich erst mal den einen oder anderen Ratschlag geben lassen, denn dieser kannte Seiten an Nabi, die Samajim noch nicht so gut kannte und so konnte er ihn in gewissen Situationen auch besser einschätzen. Und dieses Mal wollte er es besser machen als letztens noch, als Nabi fast in Panik geraten wäre, weil er ihn zu sehr damit überfordert hatte. Natürlich wollte er seinen Willen durchsetzen und sich das holen, was er wollte, aber er wollte dennoch Rücksicht auf Nabi nehmen und es deshalb auch etwas langsamer angehen. „Du musst lernen, in Momenten wie diesen deinen Stolz abzulegen. Den brauchst du nicht, genauso wenig wie dieses Denken, dass das, was wir hier tun, nicht richtig oder anstößig ist. Halte dir einfach immer vor Augen, dass ich dich liebe und zwar genau so, wie du bist. Ich liebe alles an dir und deshalb brauchst du dich auch nicht zu schämen.“ Das mochte zwar vielleicht so sein, aber für Nabi war das alles noch ziemlich ungewohnt und es fiel ihm einfach schwer, sich darauf einzulassen. Zumindest wäre es ihm unter normalen Umständen ziemlich schwer gefallen, aber durch dieses seltsame Mittel fiel es ihm deutlich leichter, auch wenn er sich nicht erklären konnte wieso. „Lass dich einfach fallen und vergiss das alles um dich herum. Und vergiss diese ganzen Gedanken. Lass dich von mir führen und überlass mir einfach die Kontrolle.“ Samajims Worte wirkten beinahe hypnotisierend und da Nabi in seiner Verfassung auch gar nicht die Kraft aufbrachte, um sich dagegen zu sträuben, blieb ihm nichts anderes übrig. Er fühlte sich wie im Fieber und alles um ihn herum schien langsam aber sicher hinter einem weißen Schleier zu verschwinden. Das Blut kochte und pulsierte mit ungeheurer Kraft in seinen Adern und er war wie benommen von diesem berauschenden Gefühl der Lust, welches ihn wie eine heiße Flut erfasste und ertränkte. Und gleichzeitig spürte er diesen Hunger. Den Hunger nach mehr. Zuerst konnte er es nicht wirklich glauben, aber sein Körper schrie nach mehr. Mit jeder weiteren Sekunde, die verstrich, hatte er das Gefühl, als wäre das nicht mehr genug. Er hielt es kaum noch aus und kam sich in diesem Moment wie ein Drogensüchtiger auf einem kalten Entzug vor, der dringend seinen Schuss brauchte und nicht eher seinen Seelenfrieden fand, bis er ihn hatte. Es wurde zu einer einzigen Qual für ihn und er wollte nur noch die befreiende Erlösung von diesem Entzug. Ja, er wollte es… er wollte es unbedingt und er brauchte es auch. Samajim blieb dies durchaus nicht verborgen und es bereitete ihm ein sichtliches Vergnügen, ihn so zu sehen. Und am liebsten hätte er noch mehr davon gesehen. Nabi legte den Kopf zurück ins Kissen und sah gar nicht, was sein Meister als nächstes vorhatte. Er hatte auch gar nicht mehr die Kraft, darüber noch einen einzigen Gedanken zu verlieren. Alles, was er noch wahrnahm, war, wie Samajim langsam wieder zwei Finger einführte, um ihn vorzubereiten. Im Gegensatz zum letzten Mal fühlte es sich viel besser an, doch das reichte ihm einfach nicht. Sein Körper hungerte nach mehr und er hielt es einfach nicht mehr aus. Warum ließ sein Meister ihn warten? Wieso hielt er sich zurück? „Ich weiß, dass du es kaum erwarten kannst, aber du musst dich noch gedulden. Denn es wird nicht nach deinem, sondern nach meinem Willen ablaufen und ich allein entscheide, wann wir dieses kleine Spielchen hier in die nächste Runde leiten werden. Und ich glaube, das musst du noch lernen, mein süßer kleiner Nabi.“ Wenn dieser verdammte Knebel nicht gewesen wäre, dann hätte er ihn angebettelt, ja sogar angefleht. Hauptsache, er wurde endlich aus diesem Zustand geholt, wo jede weitere Sekunde, in der er warten musste, kaum noch zu ertragen war. Er hätte wirklich alles gesagt und getan, was sein Herr von ihm verlangt hätte. Ohne zu zögern, ohne Bedingung. Seinen Stolz hätte er genauso über Bord geworden wie seine Vorurteile, Ängste und Hemmungen, die ihn schon so lange ausgebremst hatten. Hauptsache nur, er würde endlich bekommen, was er brauchte. „Du musst es ja wirklich nötig haben, so wie dein Körper zuckt. Mal sehen, wie du reagierst, wenn ich das hier mache…“ Zuerst wusste Nabi nicht, was sein Herr damit sagen wollte, doch als Samajims Finger einen besonders sensiblen Nerv berührten, da bäumte sich Nabi laut stöhnend auf und bebte am ganzen Körper. Sein Stöhnen wurde fast zu einem Wimmern und ihm war, als würde er gleich endgültig den Verstand verlieren. „Das scheint dich ja richtig wild zu machen, wenn ich deine Prostata reibe. Na mal sehen, wie weit wir dieses Spielchen noch treiben können. Wobei… wenn ich es mir so recht überlege, wäre das doch auch ein bisschen zu gemein von mir.“ Nabi zitterte und rang nach Luft. Er stand kurz vorm Explodieren und wusste nicht, wie lange er das noch ertragen konnte. Aber egal wie viel er auch gefleht und gebettelt hätte, es hätte nichts genützt. Einzig und allein Samajim bestimmte den Zeitpunkt und so blieb ihm nichts anderes übrig, als sich ihm bedingungslos unterzuordnen und sich somit seinem Willen zu beugen. „Ich glaube, an der Stelle können wir mit dem eigentlichen Spaß beginnen. Nicht wahr, Nabi?“ Doch sein Diener war nicht mehr in der Lage, diese Worte zu verarbeiten. Er bekam sie kaum noch mit, da irgendwie alles wie durch Watte gefiltert zu sein schien. Alles um ihn herum war wie in weite Ferne gerückt und er hatte wirklich alles vollkommen ausgeblendet. Das Einzige, was er nur noch wahrnahm, waren Samajims Berührungen, die in seinem Körper ein solches Chaos anzurichten und ihn um den Verstand zu bringen vermochten. Er wusste nicht mehr, was er denken oder fühlen sollte. Nichts wusste er mehr in diesem Moment. Sein Verstand war vollständig gelähmt und selbst der vertraute Schmerz, den er spürte, als Samajim sich nun endlich mit ihm vereinte, vermochte ihn nicht mehr zu klarem Verstand zu verhelfen. Er nahm den Schmerz durchaus wahr, aber seltsamerweise war er viel erträglicher als das letzte Mal. Und diese unbeschreibliche Hitze, die von Samajim ausging und sein Innerstes regelrecht durchströmte, verschmolz sich mit dem Schmerz und der intensiven Lust, die von ihn Besitz ergriffen hatte. Es wurde so stark und überwältigend, dass er wirklich dass Gefühl hatte, der Schmerz wäre es erst, der das alles wirklich zu dem machte, was er wirklich wollte. So, als bräuchte er tatsächlich auch ihn, um diesen quälenden Hunger nach mehr zu stillen. Bereitwillig empfing sein Körper den Eindringling und so dauerte es nicht lange, bis Samajim tief genug vorgedrungen war und sich daraufhin langsam in Bewegung setzte. Nabi schaffte es kaum noch, überhaupt Luft zu holen. Alles, was er noch zustande brachte, war ein lustvolles Stöhnen und Keuchen und konnte selbst nicht fassen, wie unvorstellbar gut sich das anfühlte. Er wollte mehr, er wollte noch viel mehr und er wollte es noch viel härter. Er wollte diese Lust und diesen Schmerz noch viel intensiver spüren und sich vollständig darin verlieren. Seine Augen wanderten ziellos umher und schafften es nicht, irgendeinen Punkt zu fixieren. Seine Augenlider wurden schwer und als er sie geschlossen hatte, war ihm so, als würde er alles noch deutlicher spüren. Auf der einen Seite wollte er es auch, aber… so langsam begann er zu befürchten, dass es mehr werden würde, als er eigentlich auszuhalten vermochte. Der Druck staute sich immer weiter bei ihm auf und machte es zu einer einzigen Qual, weil er nicht kommen konnte und gleichzeitig wirkten Samajims leidenschaftliche Berührungen und Küsse, seine harten Stöße und der damit verbundene Schmerz wie eine Droge auf ihn, die alles nur noch steigerten. Es war auf eine berauschende Art und Weise kaum noch auszuhalten und trieb ihn fast zur Verzweiflung. Seine Stimme klang selbst völlig fremd für ihn, als wäre das gar nicht seine eigene und sie schien irgendwie in weite Ferne zu rücken. Genauso wie das Klingen des kleinen Glöckchens. Ein Speichelrinnsal lief aus seinen Mundwinkeln und er bekam kaum noch Luft. Seine Brust schien in jedem Augenblick explodieren zu wollen. „Du sabberst ja schon richtig. Im Vergleich zum letzten Mal gehst du ja richtig ab.“ Ein leises, sadistisches Kichern entwich Samajim und seine hellblauen Augen ruhten auf denen seines Dieners. Sie strahlten Dominanz, Überlegenheit, aber auch tiefe Leidenschaft aus. Sie wirkten beinahe hypnotisierend auf den gefesselten Sefira, der kaum in der Lage war, diesem Blick lange standzuhalten. Als er dann plötzlich auf den Bauch gedreht wurde und Samajim wieder tief eindrang, steigerte dieses unerträgliche Gefühl und der innere Druck nur noch mehr. Samajim hielt seine Hüften fest gepackt, verlor sich selbst in seinem wilden und heißen Verlangen. Seine Stöße wurden schneller und härter und er konnte sich selbst nicht mehr unter Kontrolle zu halten. Genauso wie Nabis hatte auch sein Körper seinen eigenen Willen entwickelt und seine Hände vergruben sich immer fester in diese zarte und blasse Haut und hinterließen rote Stellen. Als er das erkannte, wollte er sofort wieder damit aufhören, da er erkannte, dass er dabei war, ihm noch wehzutun. Doch er musste feststellen, dass sein Diener darauf irgendwie zu reagieren schien. So als hätte er tatsächlich Gefallen daran. Ja, Nabi reagierte auf Lustschmerzen. Ob dies auch eine Nebenerscheinung des Aphrodisiakums war? Oder konnte es etwa tatsächlich sein, dass Nabi zu einem deutlich stärkeren Masochismus neigte, als sie beide geahnt hatten? Nun, es gab nur einen Weg, das herauszufinden. Also löste Samajim den Knebel und vergrub seine Zähne in Nabis Schulter und hinterließ leichte Abdrücke. „Na?“ fragte er und beobachtete die Reaktion seines Dieners genau. „Magst du es?“ „J-ja…“, brachte Nabi mit Mühe unter schwerem Keuchen hervor. „Willst du mehr davon?“ „Ja… bitte…“ „Du bist ganz schön versaut, weißt du das? Wer hätte gedacht, dass dich Schmerzen so anmachen. Aber da sieht man ja, wie du wirklich gestrickt bist. Was hab ich nur für einen verdorbenen Diener.“ Nabi gab keine Antwort darauf. Wahrscheinlich war er nicht mal wirklich in der Lage dazu. Sein Stöhnen klang mehr wie ein verzweifeltes Wimmern und wie ein hilfloses Flehen um Erlösung. Also löste Samajim das beengende Band von seinem Penis und umschloss diesen mit seiner Hand, um mit massierenden Bewegungen zu beginnen. So langsam hatte er gemerkt, dass Nabi seine Lektion gelernt hatte und sich ihm nun gänzlich untergeordnet hatte. An dieser Stelle wurde es auch langsam Zeit, ihn von seiner Qual zu befreien. „M-Meister…“, keuchte der Schwarzhaarige und wirkte fast, als würde er noch gleich das Bewusstsein verlieren. „Hey, jetzt mach mir nicht schlapp. Wir hören erst auf, wenn ich es sage und nicht umgekehrt. Oder hast du deine Lektion nicht gelernt?“ „Entschuldigt, Meister. Ich… ah…“ Nabi schaffte es nicht mehr, weiterzusprechen. Er stand kurz vor dem Explodieren und die Welt begann sich vor seinen Augen zu drehen, dass ihm beinahe schwindelig wurde. Wieder spürte er diesen stechenden Schmerz in seiner Schulter, der sich zusammen mit dem berauschenden Gefühl der Lust vermischte. Er konnte nicht länger durchhalten. Mit einem letzten Aufschrei bäumte sich mein Körper mit allerletzter Kraft auf und dann brachen alle Dämme. Nabi wurde von diesem Strudel der heißen Leidenschaft und tiefsten Gefühle und Sehnsüchte und dem brennenden Verlangen nach Lust und Schmerz hinfortgerissen, als er endlich den ersehnten Orgasmus bekam und erschöpft auf dem Bett niedersank, nachdem auch Samajim zu seinem Höhepunkt kam. Keuchend lag er da und fühlte sich wie gerädert. Seinem ganzen Körper war jegliche Energie entzogen worden und sein Kopf war wie Blei. Immer noch pochte sein Herz wie verrückt und ihm war immer noch ziemlich schwindelig. Samajim streichelte ihm sanft durchs Haar und betrachtete ihn mit einem forschenden Blick, so als versuche er zu erkennen, was seinem Diener durch den Kopf ging. Aber… selbst dazu hatte Nabi nicht mal genug Kraft. „Und? Wie fühlst du dich?“ „Mir ist schwindelig…“, gab er mit schwacher Stimme zu und sogleich holte Samajim ihm ein Glas Wasser und gab ihm etwas zu trinken. „Gleich geht es dir wieder besser. Ich nehme dir erst mal die Fesseln ab, dann kannst du ins Bad.“ Nach und nach wurden die Fesseln abgenommen und nachdem er sich von dem ersten Schwindelanfall erholt hatte, setzte er sich aufrecht und trank noch einen Schluck Wasser. Er war ziemlich erschöpft und noch etwas benommen. Irgendwie war auch seine Wahrnehmung auch ziemlich getrübt und er war sich nicht sicher, ob er überhaupt aufstehen konnte. Das merkte auch Samajim und so half dieser ihm hoch und brachte ihn ins Bad. Es war schon ein seltsames Gefühl, so wenig Kraft im Körper zu haben und dermaßen ausgelaugt zu sein. Nabi kannte so etwas nicht, denn selbst wenn Unvergängliche vom Körper eines Menschen Besitz ergriffen, so modifizierten sie ihn für gewöhnlich so, dass dieser nicht alterte. Und auch Krankheiten oder Allergien und andere körperliche Einschränkungen kannten sie nicht. Sie waren es gewohnt, immer bei Kräften und vor allem gesund und vital zu sein. Deshalb war dieser Zustand der Erschöpfung für ihn weitaus gravierender als für einen Menschen. Endlich im Bad angekommen, gönnte sich Nabi eine heiße Dusche, die seine Kräfte wenigstens teilweise wiederbelebte. Trotzdem änderte es nicht wirklich etwas daran, dass er müde und erschöpft war und sich nur noch schlafen legen wollte. Er schaffte es auch nicht, darüber nachzudenken, wo sie überhaupt waren und ob sie überhaupt zurückkehren würden. Auch die Frage, warum sie eigentlich weggefahren waren, kam ihm nicht wirklich in den Sinn. Als er fertig geduscht hatte, schnappte er sich ein Handtuch und begann sich abzutrocknen. Doch da merkte er, wie er den Halt verlor und sank auf dem Fliesenboden zusammen. Oh Mann, dachte er sich und versuchte sich wieder zu sammeln. Ich frag mich echt, wann ich das letzte Mal in so einem Zustand war… Es klopfte an der Tür und Samajim kam herein, da er ihm frische Sachen reinbringen wollte. Als er aber sah, in welchem Zustand sich sein Diener befand, half er ihm erst einmal hoch. „Du siehst ganz schön erschöpft aus. Alles in Ordnung?“ „Ich glaub, ich kann etwas Schlaf gut gebrauchen“, gab Nabi zu und lächelte verlegen. „Tut mir leid, Meister. Ich wünschte, ich würde nicht so ein erbärmliches Bild abgeben.“ „Schon in Ordnung. Ich bin dir ja auch nicht böse deswegen. Na komm, zieh dich eben an und ich bring dich ins Bett. Dann kannst du dich ausruhen.“ „Danke, Meister. Dabei… dabei bin ich hier doch der Diener.“ „War klar, dass dir so etwas in den Sinn kommen muss.“ Nachdem Nabi seinen Pyjama angezogen hatte, half Samajim ihm zurück ins Schlafzimmer und legte ihn ins Bett. Er roch den Duft der frischen Bettwäsche, nachdem sein Meister die alte ausgewechselt hatte und irgendwie kam ihm dieses Bett noch viel kuscheliger vor. Es fühlte sich wirklich so an, als würde er auf einer Wolke liegen. „Das Bett fühlt sich wunderbar an…“ „Ach echt?“ Und damit kam Samajim nun ebenfalls dazu und kuschelte sich ebenfalls unter die Decke. Dabei legte er einen Arm um seinen Diener und so lagen sie recht dicht zusammen im Bett und das war für seinen Diener eine gänzlich neue Erfahrung. Denn sie hatten immer in getrennten Betten geschlafen, selbst nachdem sie zusammengekommen waren. Das lag hauptsächlich daran, weil Nabi immer sehr früh aufstand und der Tag für ihn früher begann. Zufrieden lächelte Samajim und hatte die Augen geschlossen, während er sich an Nabi herankuschelte. „Stimmt. Das Bett ist wirklich klasse. Vielleicht sollten wir uns so eines zulegen. Wird ohnehin Zeit für ein richtiges Doppelbett. Deines ist eh zu klein und außerdem verdammt unbequem. Und unter den Heiztisch passen auch keine zwei Leute.“ „Ihr hättet auch in einem richtigen Bett schlafen können…“ „Aber ich liebe den Heiztisch. Wenn mir je ein Gegenstand wichtig war, dann mein Heiztisch! Aber ich denke, wenn wir uns so ein Bett zulegen, dann könnte ich mich auch durchaus an einen neuen Schlafplatz gewöhnen. Vor allem, wenn du es mit mir teilst.“ Ja… das wäre wirklich schön, dachte Nabi und schloss die Augen. Wenn ich dann immer so an seiner Seite liegen kann… Kapitel 18: Ein romantischer Tag(?) ----------------------------------- Am nächsten Morgen war es ausnahmsweise Samajim, der als Erster aufgestanden war, während Nabi noch im Bett lag. Dabei war dieser fast um die gleiche Zeit wach geworden, doch er wagte einfach sich nicht unter der Bettdecke hervor. Zum einen fühlte er sich immer noch gerädert und sein Hintern tat ihm etwas weh, aber vor allem waren es die Erinnerungen an letzte Nacht, die ihn heimsuchten. Die Erinnerungen an die Fesseln, die Gefühle und alles andere. Das war ihm so unendlich peinlich, vor allem weil er einfach nicht glauben konnte, dass das wirklich er gewesen war und dass er sich so vor seinem Meister gezeigt hatte. Für ihn stand fest, dass er Samajim nie wieder ins Gesicht sehen konnte, geschweige denn, dass er sich je wieder selbst im Spiegel ansehen konnte. „Nabi, willst du nicht aufstehen?“ Samajim stand im Türrahmen, hatte bereits seine erste Zigarette angezündet und betrachtete ihn mit verschränkten Armen. Nabi verbarg sein Gesicht beschämt unter der Decke und murmelte kleinlaut „Ich glaub, ich kann mich nie wieder irgendwo blicken lassen nach dem, zu was Ihr mich da getrieben habt, Meister.“ „Jetzt überdramatisier nicht alles gleich. Und außerdem weiß doch eh keiner, was gestern Nacht gelaufen ist und das muss auch keiner wissen.“ „Trotzdem… Meister, gebt mir bitte eine Schaufel, damit ich mir gleich ein Loch buddeln kann, in das ich mich verkriechen kann.“ Samajim konnte darüber nur schmunzeln und schaffte es schließlich nach einer Weile, Nabi davon zu überzeugen, doch noch aufzustehen. „Warum setzen wir uns nicht nach draußen auf die Dachterrasse? Dann können wir zusammen frühstücken.“ „Äh… okay…“ Nabi verschwand ins Bad und kaum, dass er vor dem Spiegel stand, entdeckte er auch gleich schon die Spuren, die von letzter Nacht auf seinem Körper zurückgeblieben waren. Vor allem die Bissspuren von Samajim an seinem Hals und an seiner Schulter. Und eine davon war sogar tief. Kaum zu glauben, dass so etwas ihn tatsächlich erregt hatte. Dabei hatte er noch nie etwas an Schmerzen gefunden. Oder war das jetzt anders? Um das zu prüfen, biss sich Nabi kurzerhand in die Hand, aber sonderlich viel tat sich da nicht. Es war einfach nur ein unangenehmer Schmerz und nicht mehr und nicht weniger. Aber wieso war das letzte Nacht anders gewesen? Lag es daran, weil es Samajim gewesen war, der ihm diese Schmerzen zugefügt hatte? Nein, sicher lag es an diesen Drogen, die er ihm heimlich verabreicht hatte. Nie und nimmer war er so drauf und stand auf so etwas wie Schmerzen. Wenn dem wirklich so wäre, dann würde er noch den letzten kläglichen Rest seiner Selbstachtung verlieren. Nicht zu fassen, was ich da gestern vom Stapel gelassen habe, dachte er und senkte mit einem niedergeschlagenen Seufzer den Kopf. So langsam hab ich echt das Gefühl, ich entwickle mich hier noch zu einem perversen Sexsklaven, wenn das so weitergeht. Dass ich überhaupt noch so etwas wie Respekt vor mir selbst habe, grenzt ja eigentlich an ein Wunder nach allem, was Meister Samajim gestern mit mir getrieben hat. Nachdem er sich gewaschen und umgezogen hatte, machte er sich auf die Suche nach Samajim und musste sich erst einmal ein wenig im Haus orientieren. Es sah ziemlich teuer aus und wirkte wie eines dieser Luxusferienhäuser für die Reichen. Nach einer Weile fand er dann aber die Treppe ins obere Stockwerk, wo sich auch der Zugang zur Dachterrasse befand. Samajim saß dort schon und wartete auf ihn. Als Nabi die Tür öffnete und heraustrat, merkte er gleich, dass eine leichte Brise wehte und er hörte auch den unverkennbaren Ruf von Möwen. Hä? Möwen? Wo gab es denn bitteschön Möwen? Verwirrt ging er zum Geländer hin um nachzusehen, doch was er da sah, ließ ihn nun gänzlich sprachlos werden. Nicht weit entfernt erstreckte sich ein breiter Sandstrand und dahinter lag das offene Meer. Für einen Moment lang glaubte er, dass er vielleicht noch träumte, aber das hier geschah wirklich. Sie waren wirklich am Meer. Es war so nah, dass man nur ein paar Schritte laufen musste, um dorthin zu gelangen. Und die Aussicht war einfach nur traumhaft. Noch nie hatte Nabi das Meer oder den weiten Ozean gesehen, es sich aber immer heimlich gewünscht. Und nun war er tatsächlich dort und er hatte es gar nicht gewusst. „Es ist schön, nicht wahr?“ Samajim hatte sich zu ihm gesellt und betrachtete nun mit ihm zusammen die wunderschöne Aussicht. „Wo… wo genau sind wir eigentlich?“ „In Brighton, also knapp eine Stunde von London entfernt. Nach der Aktion, die ich mir gestern geleistet habe, dachte ich, dass das hier vielleicht eine angemessene Entschuldigung ist, dass ich dich so angefahren und dir nicht genug vertraut habe. Das war nicht fair von mir. Vor allem nicht nach dem, was du extra für mich getan hast. Deshalb habe ich uns dieses Strandhaus hier gekauft, damit wir uns auch mal ein paar ganz romantische Tage gönnen können. Und so kann ich dir auch mal eine kleine Freude bereiten und mich auf die Weise für den treuen Dienst bedanken, den du mir seit so langer Zeit erweist. Und vor allem ist es ein kleiner Dank dafür, dass du dich dafür entschieden hast, bei mir zu bleiben.“ Damit umarmte Samajim ihn von hinten und drückte ihm einen zärtlichen Kuss auf die Wange. Nabi war in diesem Moment völlig überwältigt von seinen Gefühlen und legte eine Hand auf Samajims Arm. Er war so gerührt, dass ihm fast die Tränen kamen und er konnte auch sein Glück nicht fassen. „Meister, ich… ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.“ „Schon gut, du brauchst nichts zu sagen. Allein schon zu sehen, wie glücklich dich dies hier macht, genügt mir schon.“ Nabi drehte sich zu ihm um, schlang seine Arme um ihn und gab ihm einen Kuss. Er konnte nicht glauben, dass das alles wirklich passierte und irgendwie fiel es ihm schwer zu glauben, dass es kein Traum war, sondern die Wirklichkeit. Er und Samajim waren endlich ein Paar. Seine Liebe wurde erwidert und er erfuhr die Zuneigung und Aufmerksamkeit, die er sich nicht einmal zu träumen gewagt hätte. Und auch wenn das, was gestern Nacht im Bett geschehen war, ihm fast schon Schauer des Entsetzens über den Rücken trieb, so war er dennoch sehr glücklich. Viele hätten wahrscheinlich den Kopf geschüttelt, wenn er gesagt hätte, dass er mit seinem Leben glücklich war. Ja, er war glücklich damit, dass er seine Gefühle gestanden hatte und er sich dazu entschlossen hatte, bei Samajim zu bleiben. Auch wenn er vielleicht niemals so frei sein würde wie andere. Aber… paradoxerweise fühlte er sich freier denn je. Denn nun konnte er diese Liebe mit dem Mann teilen, den er liebte und er konnte an seiner Seite bleiben. Sie setzten sich und genossen gemeinsam das Frühstück. Dabei erzählte Samajim, wie er an das Strandhaus gekommen war. Er hatte einen bekannten Sefira namens Bajit gefragt und dieser hatte es für ihn organisiert. Bajit war in der Vergangenheit ein ziemlicher Pechvogel gewesen, der den Unmut von Miswa auf sich gezogen hatte und den Samajim gerettet hatte. Aus diesem Grund schuldete er „dem Alten“ den einen oder anderen Gefallen und da war das Strandhaus eine gute Gelegenheit, um ihm einen Teil der Schuld zurückzuzahlen. „Und was sagt der Bischof?“ „Der reagierte nicht sonderlich begeistert, aber ich habe ihm zu verstehen gegeben, dass mir das völlig schnuppe ist und er sich gerne selbst überlegen kann, wie er das regelt. Ich hab der Kirche schon oft genug geholfen, jetzt kann sie mir auch mal entgegenkommen. Und ich habe noch etwas für dich.“ Noch etwas? Der Schwarzhaarige war verwundert und fragte sich, was sein Herr denn jetzt noch vorhatte. Und als Samajim seine Hand nahm und ihm einen Ring an den Finger steckte, da blieb ihm erst mal der Mund offen stehen. „M-Meister… da-das ist… das ist doch nicht etwa…“ „Ich weiß, dass das vielleicht ganz schön plötzlich kommt und so etwas eher eine kindische Menschensache ist. Aber… dieser Ring ist ja auch ein sehr schönes Symbol, wenn man darüber nachdenkt. Es bedeutet, dass zwei Menschen sich für immer füreinander entscheiden und sich mit diesem Ring an ihren Partner binden. Und warum sollte das auch nicht für uns gelten?“ „Ja aber… so etwas ist doch hierzulande verboten, vor allem eine kirchliche Trauung, wenn man bedenkt, dass wir beide Männer sind.“ „Na und? Ich bin Pfarrer, also erkläre ich uns beide Kraft des mir selbst verliehenen Amtes zu Lebenspartnern von diesem Tag an, bis dass der Tod uns scheidet. Und wenn es „Gott“ nicht gefällt, was ich hier mache, dann soll er doch jetzt einen Blitz auf mich herabwerfen, oder für immer den Mund halten.“ „Wollt Ihr denn gar nicht warten, bevor ich auch noch meinen Senf dazugeben darf?“ „Wieso? Du wirst natürlich mit ja antworten. Tja, jetzt hast du den Salat. Denn da ich dein Meister bin, hast du mich gefälligst zu überleben. Das gehört zu einem guten Diener auch dazu und da ich nicht so schnell ins Gras beißen werde, heißt das natürlich, dass wir zwei noch eine sehr lange Zeit zusammenbleiben werden.“ Nun hatte auch Samajim einen Ring hervorgeholt, den Nabi nun ihm an den Ringfinger steckte. Manchmal kommt mein Meister auf die verrücktesten Ideen, dachte er sich und musste schmunzeln. Er sammelt Sturmgewehre und schießt auf Tauben, er ärgert den Bischof, futtert Twinkies und drückt sich mit den dümmsten Ausreden vor der Arbeit, er treibt mich zur Weißglut und leistet sich manchmal Dinge, wo man wirklich an seinem Verstand zweifeln kann. Als wäre er entweder ein Kleinkind, oder ein alter Mann, der langsam senil wird. Und seine Hobbys sind ja auch irgendwie eine altersbedingte Verschrobenheit. Aber ich liebe ihn mit all diesen Verrücktheiten und bescheuerten Marotten, die wahrscheinlich jedem mit gesundem Verstand in die Flucht geschlagen hätten. „Tja“, sagte Nabi schließlich und begann an dem Silberring an Samajims Finger zu spielen. „Da bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als mit ja, ich will zu antworten, oder?“ „So sieht’s wohl aus“, sagte Samajim und musste ebenfalls schmunzeln. „Denn eine andere Wahl lasse ich dir nämlich nicht.“ „Euer Wunsch ist mir Befehl, Meister.“ Sie verbrachten einen wirklich schönen Tag miteinander und gleich nach dem Frühstück gingen sie am Strand spazieren, besuchten den berühmten Pier und gingen unterwegs etwas essen. In der Zeit war es so, als wären sie nicht mehr länger Meister und Diener, sondern einfach nur ein verliebtes Paar, das einen romantischen Urlaub am Meer verbringen wollte. Und wahrscheinlich war das auch der Grund dafür gewesen, warum Samajim mit ihm weggefahren war: damit sie auch mal eine Zeit als Paar verbringen und diesem gewohnten Alltag entfliehen konnten, wo sie nur Herr und Diener waren. Es mochte ziemlich kitschig wirken, wenn sie so Hand in Hand am Strand entlanggingen wie ein verliebtes Ehepaar, aber es war für sie so wirklich das erste Mal, wo sie sich so nahe standen. Den ganzen Tag waren sie unterwegs und hatten Spaß zusammen. Sie lachten über die unterschiedlichsten Sachen und zogen sich gegenseitig auf. So auch zum Beispiel als Samajim an einem Schaufenster vorbei kam und etwas Merkwürdiges entdeckte, es eine ganze Zeit lang anstarrte und schließlich meinte „Die Kunst der Menschen wird auch immer merkwürdiger“, bis Nabi ihm erklären musste, dass es sich um einen QR-Code handelte und dann musste er ihm auch noch haarklein erklären, was ein QR-Code war und wofür die Menschen ihn gebrauchten. Als Samajim das immer noch nicht so ganz kapierte, erklärte sein Diener „Es funktioniert so in der Art wie ein Barcode für Smartphones.“ „Bar…code?“ „Das sind die kleinen schwarzen Striche mit den Zahlen, die Ihr auf den ganzen Verpackungen findet.“ „Aha… die sind aber neu, oder?“ „Schon seit 1973 nicht mehr. Wenn Ihr Euch mehr mit den Erfindungen der Menschen beschäftigen würdet, dann wüsstet Ihr das.“ „Ach die Menschen erfinden doch ständig irgendwelchen Schwachsinn. Das beste Beispiel ist immer noch, als irgendein durchgeknallter Japaner meinte, er müsse sich eine Klopapierrolle auf den Kopf schnallen.“ Als Nabi sich an diese kuriose Story erinnerte, musste er lachen. In dem Fall konnte er seinem Meister wirklich nur zustimmen. Zwar erfanden die Menschen manchmal sehr nützliche Sachen, aber hin und wieder hatten sie auch ziemlich schwachsinnige Ideen. Am Abend gingen sie wieder zum Strand, setzten sich auf einem Felsen und sahen sich den Sonnenuntergang an. Selten hatte Samajim Nabi jemals so glücklich gesehen wie an diesem Tag und er war froh, dass er diesen eher spontanen Entschluss auch wirklich umgesetzt und es durchgezogen hatte. Nun saßen sie da und Nabi hatte sich an seine Schulter gelehnt, während er seine Hand hielt. „Meister, darf ich eine kleine egoistische Bitte an Euch richten und etwas frei heraus sagen, auch wenn es vielleicht nicht der Etikette eines guten Dieners entspricht?“ „Klar. Was willst du mir denn sagen?“ Und hier sah Nabi ihn mit diesen wunderschönen türkisfarbenen Augen an, in die er sich damals verliebt hatte. Irgendwie schienen sie in diesem Moment so klar und wunderschön rein zu sein wie Diamanten. „Ich liebe dich und ich will gerne die Ewigkeit mit dir verbringen, Samajim.“ Es war das allererste Mal, dass Nabi ihn nicht mit der gewohnten Förmlichkeit eines Dieners ansprach, so wie es sich gehörte und wie es auch vorgeschrieben war. Egal wie wütend er war oder was er gerade über seinen Meister dachte, er hatte nie aufgehört, ihn mit derselben Förmlichkeit anzureden wie sonst auch immer. Aber dieses eine Mal hatte er ihn in einer sehr persönlichen Art und Weise angesprochen und ihm somit noch mal seine Liebe versichert und ihm versprochen, für immer bei ihm zu bleiben und ihn zu lieben. „Es klingt schon merkwürdig, wenn du mich so direkt ansprichst. Aber… es hat auch irgendwie etwas viel Persönlicheres.“ „Ich weiß, deshalb wollte ich es Euch sagen.“ „Warum machen wir es nicht so, dass du mich nur noch beim Sex mit „Meister“ ansprichst?“ Bei dieser Frage setzte es einen giftigen Blick und einen kurzen Fauststoß in die Seite. „Für einen alten Mann seid Ihr echt pervers, Meister.“ „Du kannst mich ja auch „Gebieter“ nennen. Damit wäre ich auch einverstanden.“ „Und dann auch noch Altersschwachsinn erleiden. Und die romantische Stimmung ist damit auch jetzt hin.“ Samajim lachte und legte einen Arm um Nabi. Trotz der Sticheleien verbrachten sie einen sehr romantischen Tag und kehrten dann nach Sonnenuntergang ins Haus zurück. Da Nabi nach der gestrigen Nacht eine Schonung gut gebrauchen konnte, beließen sie es bei einem ruhigen Abend. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte es immer so schön weiterlaufen können. Keine Verpflichtungen, keine Distanz und keine Außenstehenden, die ihnen reinreden wollten. Aber die Realität sollte ihn schneller einholen, als ihm lieb war, denn Samajim fackelte nicht lange, als er mit der nächsten Idee ankam. Diese folgte schon am nächsten Morgen, als Nabi ins Bad ging um zu duschen und sein Herr derweil heimlich seine Sachen austauschte. Danach setzte er sich seelenruhig in die Küche und goss sich eine Tasse Kaffee ein. Wenig später folgte dann der Krach, als Nabi wütend nach ihm rief und dann auch schon einem hübsch verzierten Kimono bekleidet hereinkam. „Meister, was zum Teufel habt Ihr Euch schon wieder in Eurem perversen Hirn ausgemahlt und wieso soll ich dieses Ding anziehen?“ „Ach ich finde, so ein Kimono steht dir echt gut. Und wieso regst du dich so auf? Liams Untergebener Asmodeus alias „Delta“ trägt doch auch ständig Frauenkimonos.“ „Das liegt aber auch daran, weil er eine durchgeknallte, perverse und polygame Nymphomanen-Tucke ist! Und wieso muss das Ding denn so kurz sein? Das geht ja gerade mal bis zu den Knien, verdammt.“ „Warum beschwerst du dich? Du hast doch schöne zierliche Beine. Und ich glaube, High Heels würden dir auch ganz gut stehen.“ „Ich glaub, ein Faustschlag ins Gesicht würde Euch ganz gut stehen.“ Aber es blieb dabei und so war Nabi gezwungen, nicht nur den rosa Kimono mit Blumenmuster zu tragen, sondern auch die High Heels. Er selbst kochte vor Wut, aber Samajim hatte natürlich genug zu gucken und auch sichtlich seinen Spaß bei der ganzen Sache. „Bei deinem zierlichen Körper und deinem androgynen Aussehen kannst du ja sogar richtig gut Frauenkleider tragen. Wenn wir zurück sind, können wir dir ja ein Dienstmädchenkostüm besorgen, das du dann tragen kannst.“ „UMS VERRECKEN NICHT!!!“ „Nun gut. Wir könnten ja auch die Schulmädchenuniform nehmen. Das Schulmädchen und der Pfarrer… Der Klassiker bei einem guten Rollenspiel. Und der Vorteil ist: ich bin Pfarrer. Passt ja gut.“ Nabi sagte dazu lieber nichts, sondern knirschte nur mit den Zähnen. War ja klar. Sein Meister konnte aber auch nur an solche Sachen denken. Und in dem Fummel konnte er auch nicht auf die Straße. Völlig ausgeschlossen. „Ihr habt aber auch nur Flausen im Kopf, Meister. So langsam aber sicher sinkt meine Achtung vor Euch auf das gleiche Level wie meine Selbstachtung. Und die ist nicht gerade hoch angesiedelt nach dem, was Ihr mit mir angestellt habt!“ „Na dann will ich nicht wissen, wie es mit deiner Selbstachtung aussehen wird nach dem, was ich noch alles mit dir anstellen werde, mein Lieber.“ Es steht fest: ich bin nicht im Himmel, das ist bloß die Vorstufe zur Hölle. Irgendwie will ich auch gar nicht wissen, was er sich in seinem perversen Hirn alles ausmalt. Schlimm genug, dass ich diesen dämlichen Frauenkimono tragen muss. Nabi sah sich selbst im Spiegel an und stellte fest, dass er tatsächlich wie eine Frau aussah. Und auch wenn er überhaupt nicht darauf stand, sich so zu kleiden, so konnte er einfach nicht abstreiten, dass ihm die Sachen irgendwie ganz gut standen und er sogar diese High Heels ziemlich gut tragen konnte. Naja, das Laufen war etwas ungewohnt und es fiel ihm noch etwas schwer, aber langsam aber sicher bekam er etwas Übung. Wenn es nach ihm gegangen wäre, dann hätte er den Kimono sofort wieder ausgezogen, aber da es sich um die Anweisung seines Meisters handelte, fiel das erst mal flach. Na hoffentlich war es der einzige Schwachsinn für heute, den sich dieser einfallen ließ. Als Nabi in seinem Koffer nach Schmerztabletten suchen wollte, hörte er sein Handy klingeln und sah, dass es Nakash war. Er ging ran und fragte auch sofort „Hey, was gibt’s?“ „Das wollte ich eher dich fragen. Nachdem ihr in einer Nacht- und Nebelaktion abgedüst seid, war ich erst mal baff gewesen, aber als ich dann aus zuverlässiger Quelle erfuhr, dass ihr euch einen romantischen Urlaub in Brighton gönnt, hat sich ja alles geklärt.“ „Ain hat es erzählt, oder?“ „Klar. Sie hat ja nicht aufgehört zu reden, als sie und ihr Mann am Abend in meinen Pub gekommen sind, haben sie mir erzählt, was gewesen ist. Und? Wie ist es so in Brighton?“ „Traumhaft. Meister Samajim hat ein Strandhaus gekauft und man kann direkt von der Dachterrasse aus das Meer sehen. Und du hattest Recht gehabt. Er steht tatsächlich auf Fesselspiele und so wie sich herausgestellt hat, noch auf so einige andere Sachen.“ Nakashs Kichern war nicht zu überhören und das sorgte nicht wirklich dafür, dass seine Laune wirklich gebessert wurde. „Wundert mich ehrlich gesagt nicht. Was das betrifft, so kann ich die Leute ziemlich gut einschätzen. Erzähl schon, was hat er dir noch angetan?“ „Ich trage gerade einen rosafarbenen Kimono mit Blumenmuster, der mir nur bis zu den Knien geht und dazu noch High Heels, wenn du es wissen willst.“ Das Nächste, was man hörte, war ein lautes Lachen am anderen Ende der Leitung. Nun reichte es Nabi endgültig und so rief er nur noch „Steck dir dein dreckiges Lachen sonst wohin. Du bist auch nicht viel besser!“ woraufhin er dann das Telefonat beendete. „Na großartig“, rief er und warf sein Handy aufs Bett. „Ich bin nur von Perversen umgeben.“ Kapitel 19: Küchengeflüster --------------------------- Zwei Tage später ließ sich Samajim eine neue Idee einfallen, mit der er Nabi ärgern konnte. Wieder hatte er ein neues Outfit besorgt, welches sein Diener anziehen sollte und es stellte sich schnell heraus, dass es sich um einen dunkelroten chinesischen Tang-Anzug mit einer goldenen Schmetterlingsstickerei handelte, der ziemlich teuer und hochwertig aussah. Na, wenigstens war er bei weitem besser als der viel zu knappe Frauenkimono. Und so schlecht stand es dem Schwarzhaarigen ja auch nicht. Zugegeben, mit den schwarzen Haaren und dem eh schon zierlichen Körper und dem androgynen Aussehen sah das schon ziemlich schick aus, aber für den Alltag konnte er sich das nicht so wirklich vorstellen. Ob das jetzt wohl in Zukunft immer so laufen würde, dass er als Modepüppchen missbraucht wurde, nur damit sein Herr seinen Spaß hatte? Hoffentlich nicht. Es reichte ja schon, dass Nakash sich am Telefon halb tot gelacht hatte, als er gehört hatte, dass sein bester Freund einen rosa Frauenkimono und High Heels tragen musste. Wenn das die anderen alle erfahren würde, dann wäre er das Gespött der Leute. Als Sefira hatte man ja eigentlich seinen Stolz. Samajim selbst schien das nicht zu kümmern. Er betrachtete das Ergebnis mit großer Zufriedenheit und meinte „Das Rot steht dir gut. Passt besser zu deinen schwarzen Haaren als der rosa Kimono. Und wie gefällt es dir?“ „Auf jeden Fall gestern als der Fummel von vorgestern. Und ehrlich gesagt sitzt er auch ziemlich bequem.“ „Gut. Dann wirst du das auch erst mal nicht ausziehen.“ „Damit kann ich leben…“ „Zumindest… solange bis ich ihn dir ausziehe…“ „Ich hab’s geahnt…“ Nabi hatte geahnt, dass so eine Antwort folgen würde und er wollte sich lieber nicht vorstellen, was sein Meister da nur wieder für Pläne hatte. Allein schon die Erinnerungen an diese eine Nacht trieben ihm die Schamesröte ins Gesicht und noch immer wäre er am liebsten im Erdboden versunken, wenn er daran zurückdachte und sich bewusst wurde, was da alles gewesen war. Samajim merkte, was ihm durch den Kopf ging und fragte auch nach „Schämst du dich etwa wegen vorgestern Nacht?“ „Natürlich! Es ist mir ohnehin ein Rätsel, wie ich nur so reagieren konnte, nachdem Ihr mich doch tatsächlich gebissen habt. Und zwar mehrmals. Wo sind wir denn? Etwa bei Fifty Shades of Gay oder wie?“ Samajim lachte nur darüber und erklärte „Du brauchst dich doch nicht zu schämen. Uns hat ja keiner gesehen.“ „Keiner gesehen? Soweit ich weiß, sieht Ajin Gamur alles und ist auch überall gegenwärtig. Das gleiche gilt für Ain Soph, ganz zu schweigen von Nazir dem Beobachter, der ja auch alles sieht.“ „Du musst das mal langsam ausblenden. Ain Soph und Ajin Gamur sind Entitäten und außerdem: in dieser Sekunde schlafen genug Menschen auf diesem mickrigen Planeten miteinander, ganz zu schweigen von unseresgleichen. Da interessiert es die drei doch nicht die Bohne, was wir im Bett miteinander veranstalten. Und wenn die Menschen sich in solchen Momenten vor Augen gehalten hätten, dass Gott alles sieht, dann hätten sie den Sex ganz sicherlich nicht so schmutzig gemacht. Und wenn sie dieser Gedanke vom Sex abgehalten hatte, dann wäre ihre Rasse schon vor langer Zeit ausgestorben. Dann lass den lieben Gott doch halt ein Spanner sein. Unser Liebesleben geht ihn gar nichts an.“ Trotzdem fiel es Nabi irgendwie schwer, diese Tatsache auszublenden, dass den höchsten zwei Entitäten rein gar nichts verborgen blieb. Und da war ihm auch ziemlich mulmig zumute. Zugleich war es ihm ein Rätsel, wie Samajim dabei so gelassen bleiben konnte. Aber so war er nun mal. Er gab nicht sonderlich viel auf die Meinung anderer und ließ sich in dieser Hinsicht auch nicht beeinflussen. Dafür war er einfach zu eigensinnig und dickköpfig. Nabi seufzte geschlagen und ging sich einen Kaffee holen. Manchmal war es ihm wirklich ein Rätsel, wie Meister Samajim immer so gelassen bleiben konnte, genauso wie Nakash. Naja… vielleicht lag es ja auch daran, weil sie nicht diejenigen waren, die den passiven Part einnehmen mussten. Ja, wahrscheinlich war das der Grund, warum er sich selbst kaum noch im Spiegel ansehen konnte. Gerade stellte er die Kaffeekanne zurück, da schlich sich auch schon Samajim von hinten an ihn heran und schlang seine Arme um ihn, als er leidenschaftlich seinen Hals zu küssen begann. Nabi konnte gar nicht mehr schnell genug reagieren, um diese Annäherungen abzuwehren, denn da war es auch schon zu spät. Geschickt und unauffällig hatte Samajim eine Hand unter Nabis Hemd geschoben und tastete sich langsam über seinen Oberkörper. „Weißt du eigentlich, wie heiß du in diesem Outfit aussiehst?“ Nabi versuchte diese Annäherungsversuche zu ignorieren und sich nichts anmerken zu lassen. Aber als er spürte, wie Samajim seine feuchten Zunge über sein Ohr gleiten ließ und dann in eine seiner Brustwarzen kniff, da schaffte es der Schwarzhaarige nur mit Mühe, still zu bleiben. Dies betrachtete der ältere Sefira sogleich als Ansporn, noch einen draufzulegen und dafür zu sorgen, dass Nabi noch ein paar süße Töne von sich gab. Und so wanderte seine andere Hand langsam Nabis Körper herunter und ertastete schließlich dessen Männlichkeit. Der Schwarzhaarige schaffte es kaum, sich zusammenzureißen, als er spürte, wie Samajim damit begann, seinen Schritt zu massieren mit der Absicht, ihn auf diese Weise aus der Reserve zu locken. Und das gelang ihm so langsam aber sicher, denn diese leidenschaftlichen Berührungen ließen seinen Diener natürlich nicht kalt. Zwar sträubte sich dieser noch so ein bisschen, aber er wusste schon, wie er ihn überzeugen konnte. „M-Meister, sollen wir nicht besser… ins…“ Er begann zu keuchen und spürte auch, wie ihn dies alles immer mehr erregte, aber dennoch wollte er nicht so schnell klein bei geben. „Wollen wir nicht besser ins Schlafzimmer gehen?“ „Ach warum denn?“ fragte Samajim frech und biss Nabi leicht in den Nacken. Der Schmerz, vermischt mit der immer weiter wachsenden Erregung wirkte beinahe wie eine Droge auf ihn und schien dieses Gefühl nur noch zu intensivieren. Aber… das konnte doch nicht sein. Nie und nimmer war er so gestrickt, dass er zusätzlich durch Schmerzen erregt wurde. Das konnte es einfach nicht sein. Das war nur wegen diesem Aphrodisiakum gewesen. Das war die einzige Erklärung. Und als wieder ein leichter Schmerz in seiner Brustwarze ein intensives Kribbeln durch seinen Körper jagte, da ergriff ihn ein innerer Schreck vor sich selbst und er befreite sich daraufhin schnell aus Samajims Griff. Dabei rutschte er auf dem Boden aus und nur Samajims schnelle Reaktion verhinderte noch rechtzeitig, dass Nabi sich noch den Kopf stoßen könnte. „Hey, was ist denn? Was hast du?“ „Ich will das nicht“, sagte Nabi nur und stand auf, dann entfernte er sich auch schon von seinem Herrn und wirkte ziemlich durcheinander und schämte sich vor sich selbst. „Das ist doch krank! Niemand, der normal im Kopf ist, steht auf so etwas!“ „Was genau meinst du denn?“ fragte der Blondhaarige und machte sich Sorgen. Dass Nabi so heftig reagierte, hätte er nicht gedacht und er wusste nicht einmal, was seinen Diener so aus der Fassung brachte. War es wegen vorgestern? Hatte er es vielleicht doch zu sehr übertrieben und nicht gesehen, dass es Nabi unangenehm war? Er wollte ihn zuerst in den Arm nehmen und ihn beruhigen, doch der jüngere Sefira ging sofort auf Abstand und man sah ihm deutlich an, dass er sich schämte. „Ist es, weil ich dich gefesselt habe? Oder ist es etwas anderes?“ Nabi sagte nichts, wich nur seinem Blick aus und Tränen sammelten sich in seinen Augen. „Ich bin doch wirklich das Letzte“, sagte der Schwarzhaarige und wischte sich die Tränen weg. „Ich hab noch nie auf Schmerzen gestanden, aber… kaum, dass Ihr das mit mir macht, spielt mein ganzer Körper verrückt. Das ist… ich… Warum kann ich denn nicht einfach normal sein und Euch auf eine ganz normale Art und Weise zu lieben?“ Ach das ist es also, was ihn beschäftigt, dachte Samajim und war schon fast erleichtert, dass es nur das war. Er hatte sich schon ernsthaft Sorgen gemacht, dass er es vielleicht tatsächlich übertrieben hatte und Nabi sich nichts hatte anmerken lassen, weil er ihn nicht verletzen wollte. Was das betraf, konnte sein Diener ganz schön Schauspieltalent besitzen. Vorsichtig startete er erneut einen Versuch und konnte Nabi dann in den Arm nehmen, um ihn zu beruhigen. „Jetzt mach dich doch selbst nicht so runter. Dafür kannst du doch nichts und es ist auch nicht schlimm. Und was ist denn schon wirklich „normal“? Dieser Begriff ist doch bloß eine Menschenerfindung und mehr nicht. Anstatt dir darum Gedanken zu machen, wie andere darüber denken würden, solltest du dich mehr darauf konzentrieren, was du willst. Es zählt doch in erster Linie nur, womit du am glücklichsten bist. Und wenn du eben drauf stehst, dass ich dir ein bisschen wehtue, dann brauchst du dich doch nicht dafür zu schämen. Steh einfach dazu und sag dir selbst, dass dir das nicht deine Würde nehmen kann. Nichts und niemand kann sie dir nehmen und ich würde nie schlechter von dir denken. Mach das, was dir gut tut und was dich glücklich macht. Und vergiss nie: ich liebe dich so wie du bist, mit all deinen Charakterstärken und –schwächen und deinen Vorlieben. Hör mal, wenn es danach ginge, müsste ich mir doch auch ständig Gedanken machen, dass ich manchmal ein kindischer, egozentrischer, sadistischer, eigensinniger und durchgeknallter Psychopath sein kann. Aber ich tu es nicht, weil ich mir sage, dass ich mich so mag wie ich bin und sowohl meine Stärken, als auch meine Schwächen akzeptiere. Und sollte jemals irgendjemand auf den Gedanken kommen, sich über dich lustig zu machen, dann schwöre ich dir, dass ich dafür sorgen werde, dass er so etwas nie wieder wagen wird. Du hast einen wunderbaren Charakter und du kannst stolz darauf sein, dass du so bist wie du bist. Und eines darfst du nie vergessen: nichts und niemand kann dir deine Würde nehmen. Egal ob du ein Sefira, ein Seraph, ein Naphil oder ein Mensch bist.“ Tatsächlich schienen diese Worte bei Nabi anzukommen und ihn zu beruhigen. „Und denk doch mal darüber nach, als du mit Nakash über deine Fantasien gesprochen hast. Hat er dich ausgelacht oder dich verurteilt? Soweit ich weiß, hat er doch Verständnis gezeigt und versucht, dir zu helfen. Wenn es also wirklich so abartig wäre, dann hätte er das doch kaum für dich getan. Selbst als dein bester Freund.“ Diesem Argument konnte Nabi eigentlich nicht widersprechen. Aus der Sicht betrachtet stimmte es ja tatsächlich. Im Grunde machte er sich einfach zu viele Gedanken, was andere darüber denken könnten. „Entschuldigt, dass ich so heftig reagiert habe, Meister. Ich wollte Euch nicht verletzen.“ „Schon gut. Du hast doch nur gesagt, was dich belastet hat und dafür braucht man sich nicht zu schämen.“ Damit hob er Nabis Kinn, um ihm ihn die Augen sehen zu können. Immer noch war da diese Unsicherheit zu sehen. Nabi hatte wirklich zwei Seiten, die so verschieden waren. Auf der einen Seite war er selbstbewusst und stark und dann wiederum so ängstlich und unsicher. Seine wunderschönen leuchtenden türkisfarbenen Augen, die so viele Emotionen beherbergten und die ihn niemals zu belügen vermochten, glänzten noch von Tränen. Sanft streichelte er diese blasse Wange und strich eine Träne weg, bevor er näher kam und Nabis Lippen mit den seinen versiegelte. Dieser Kuss wurde ohne Widerstand sofort erwidert und nun, da er diese Sache geklärt hatte, konnte er dort weitermachen, wo er aufgehört hatte. So fand sich Nabi wieder in der alten Position wieder, als er seine Hände auf die Küchenarbeitsplatte abstützte, während Samajim sich wieder von hinten annäherte. Wieder schob sich eine Hand unter sein Oberteil und erforschte den Körper des schwarzhaarigen Sefira. Leidenschaftlich und fordernd küsste Samajim seinen Hals und langsam suchten zwei seiner Finger Einlass in Nabis Mund. „Ganz egal, was du von dir selbst denken magst. Aber ich könnte niemals aufhören, dich zu lieben. Und ich würde nie schlechter von dir denken, nur weil du etwas magst, was andere vielleicht seltsam finden könnten. Für mich wirst du immer die einzige Person sein, die ich jemals so sehr lieben werde. Und ich zeige es dir gerne immer wieder aufs Neue, wenn du selbst nicht daran glaubst.“ Nabi sagte nichts, er versuchte immer noch, ruhig zu atmen und aufzupassen, dass er nicht noch Samajim auf die Finger biss. Dies gestaltete sich besonders schwer, als die andere Hand seines Meisters langsam seinen Körper hinunterwanderte. Hinab von seinem Brustkorb strich sie über seinen Bauchnabel und suchte sich dann einen Weg in seine Hose. Als Nabi wieder diese Berührung zwischen seinen Beinen spürte, verkrallten sich seine Hände auf der Arbeitsplatte und er atmete schwer und geräuschvoll und kämpfte innerlich noch gegen seine eigene Erregung an. Ein Kampf, den er unmöglich gewinnen konnte. Insbesondere, da Samajim immer direkter vorging und es ihm immer schwerer machte, gegen sein eigenes körperliches Verlangen anzukämpfen. „Beug dich etwas weiter vor.“ Ohne zu zögern, gehorchte Nabi dieser Anweisung und stützte nun seine Unterarme auf der Arbeitsfläche ab und beugte sich noch weiter nach vorne. „Und nun spreiz deine Beine noch etwas.“ Auch dieser Aufforderung kam er widerstandslos nach und im nächsten Moment schob Samajim seine Hose ein Stück weit herunter, nahm seine Finger aus Nabis Mund. Der Schwarzhaarige wusste, was folgen würde und spürte die Aufregung und Nervosität. So ganz schien er sich offenbar doch nicht daran gewöhnt zu haben, wie er zunächst dachte. Manche Dinge brauchten wohl so ihre Weile. Als zwei feuchte Finger sich langsam ihren Weg in sein Innerstes bahnten, da kamen wieder die Erinnerungen zurück. Die Erinnerungen an vorletzte Nacht… an diese leidenschaftlichen Berührungen, der Lust und den Schmerz und wie er sich dabei gefühlt hatte. Und wieder war da dieses atemberaubende Gemisch aus Lust und Schmerz, das ihn völlig ergriff und den letzten Rest seines Widerstandes dahinschmelzen ließ. Ein lustvolles Stöhnen entwich ihm, als Samajim seine Finger zu bewegen begann und dabei wieder diesen einen sensiblen Punkt berührten. „Das macht dich ja richtig wild, wenn ich deine Prostata berühre. Na? Willst du mehr?“ Nabi, der es nicht fertig brachte, mit Worten darauf zu antworten, nickte und das genügte dem älteren Sefira. Er zog nun seine Hand unter Nabis Hemd hervor und begann nun selbst den Reißverschluss seiner Hose zu öffnen. „Versuch dich einfach zu entspannen“, riet er seinem Diener, der nur ein stummes Nicken von sich gab und die Lippen zusammenpresste. Ein viel stärkerer Druck raubte ihm fast den Atem, als Samajims steinhartes Glied langsam Einlass ersuchte und sich immer weiter in sein Innerstes vorarbeitete. Und mit diesem atemberaubenden heißen Gefühl der Lust kam auch der Schmerz. Der Schmerz, der ihn fast um den Verstand brachte und der ihm erst wirklich das gab, was er wirklich brauchte. Nabi konnte sich in diesem Augenblick nicht mehr beherrschen. Zu gut fühlte es sich an, als dass er noch länger daran dachte, seine Stimme zurückzuhalten. Der Griff um seine Hüften verstärkte sich zusätzlich und für einen Moment fühlten sich seine Beine an, als wären sie aus Gummi und er wurde von einer intensiven Hitze erfüllt. „Meister…“ Seine Stimme zitterte und er war wie berauscht von dem Gefühl der Lust und der Erregung, die sich mit dem Schmerz vermischte und als Samajim langsam zuzustoßen begann, da sank sein ganzer Oberkörper auf der Arbeitsplatte nieder und er schaffte es auch nicht mehr, sich darüber Gedanken zu machen, dass sie immer noch in der Küche waren. Und irgendwo meldete sich auch irgendeine Stimme tief in ihm, die einfach sagte „Ach scheiß drauf. Es gibt genügend Menschen, die das machen.“ Und im Grunde hatte Samajim auf eine gewisse Art und Weise Recht. Wo, wann und wie sie Sex hatten, ging niemandem etwas an und hatte auch niemanden zu interessieren. Dazu war er einfach viel zu glücklich in diesem Moment, als dass er sich darüber Gedanken machen konnte. Glücklich darüber, solche Momente mit Samajim erleben zu dürfen und von ihm so geliebt zu werden, wie er es sich immer erträumt hatte. „Nabi…“ Samajim beugte sich vor und drückte Nabis Oberkörper auf die Tischplatte, während er immer schneller und stärker zustieß. „Du bist ganz schön eng“, raunte er in sein Ohr, während sein Diener selbst scheinbar gar nicht mehr in der Lage war, Worte zu fassen, weil sein Verstand gänzlich von seinem eigenen Verlangen wie gelähmt war. Er nahm nichts mehr wahr als diese unbeschreibliche leidenschaftliche Lust, die ihm einen heißen Schauer über den Körper jagte und sein Blut zum Kochen brachte. Und er spürte den Schmerz, der wie eine zusätzliche Droge wirkte und diese intensiven Gefühle nur noch weiter steigerte. Aber er war nicht genug. Er war dabei zu verschwinden und durch diese immer weiter wachsende Lust völlig ausgelöscht zu werden. „Meister… zieht an meinen Haaren.“ „Bist du dir sicher?“ „Ja.“ Doch Samajim war sich nicht ganz sicher, ob das wirklich die beste Idee war. Ihn zu fest an den Haaren zu ziehen würde sich noch anfühlen, als würde man ihm die Gliedmaßen abreißen. Und er konnte sich nicht wirklich vorstellen, dass Nabi so etwas wirklich wollte. Also ging er nicht allzu grob vor, sondern packte nur Nabis Haarschopf und das reichte diesem schon. Er stöhnte laut und bebte am ganzen Körper. Der zurückkehrende Schmerz trieb seine Gefühle langsam aber sicher auf die Spitze und er wusste, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis er endlich soweit war. Sein Körper hatte längst seinen eigenen Willen entwickelt und sich Samajims Bewegungen angepasst. „M-Meister… ich… ich komme gleich.“ Auch Samajim spürte, das er so langsam sein Limit erreichte und nicht mehr lange durchhalten würde. Deshalb setzte er zum letzten Endspurt an und hielt Nabis Oberkörper auf die Arbeitsfläche gedrückt. „Nabi…“, keuchte er und vergrub seine Hand fester in dessen pechschwarzes Haar. „Sag es mir noch mal. Sag es mir noch einmal so wie am Strand.“ Es kostete Nabi erheblich Mühe, überhaupt noch Worte zu finden. Alles um ihn herum war wie hinter einem dichten Schleier verschwunden und er merkte auch, wie er so langsam aber sicher die Kraft in den Beinen verlor. Aber als er sich wieder erinnerte, was er vorgestern zu Samajim am Strand gesagt hatte und wie stark dabei seine Gefühle gewesen waren, da wurde er wieder von diesem Gefühl ergriffen. Es erfüllte ihn wieder mit diesem tiefen Herzenswunsch, dass zwischen ihnen immer so bleiben würde wie jetzt und dass nichts und niemand sie je auseinanderreißen würde. „Ich… ich liebe dich und ich will die Ewigkeit mit dir verbringen, Samajim!“ Diese Worte schrie er regelrecht, als wollte er es die ganze Welt wissen lassen. Ja, in diesem Moment wollte er alle wissen lassen, wie sehr er Samajim liebte. In einem letzten Kraftakt kamen sie beide zum Orgasmus und schwer atmend blieb Nabi noch einen Moment in dieser Position, bevor er sich langsam wieder aufrichtete und seine Hose hochzog. Einen Moment lang sagte er nichts, bis dann aber so langsam diese riesige Welle der Gefühle langsam wieder abebbte und er in die Realität zurückkehrte. Und damit kam auch wieder die Scham zurück, als er leise murmelte „Ich kann nicht fassen, dass wir es allen Ernstes in der Küche gemacht haben.“ „Ach jetzt stell dich doch nicht so an. Was ist denn da schon dabei? Gerade eben noch hat es dich doch einen feuchten Kehricht interessiert.“ „Das macht es auch nicht viel besser. Ernsthaft, so langsam hab ich echt das Gefühl, Ihr versaut mich noch richtig, wenn ich nicht aufpasse.“ Damit ging Nabi ins Bad, um zu duschen. Oh Mann, dachte er und seufzte, als er nach einer Weile unter der heißen Dusche stand. Wenn das so weitergeht, verkomme ich noch endgültig zum Sexsklaven. Und daran ist auch nur Meister Samajim schuld. Kapitel 20: Rückkehr und neuer Ärger ------------------------------------ Knapp zwei Wochen blieben sie in Brighton und hatten einen richtig schönen Urlaub. Auch wenn die üblichen Zankereien nicht wirklich ausblieben, waren die Tage im Strandhaus insbesondere für Nabi ein Traum und sie verbrachten viele romantische aber auch heiße und innige Momente, bei denen es insbesondere Nabi schwer fiel, sein altes Verhalten abzulegen und sich irgendwie darauf einzulassen. Aber Samajim blieb stets beharrlich und als Herr war er sowieso am längeren Hebel, weshalb Nabi auch keine andere Wahl blieb, als sich unterzuordnen. Und auch wenn er sich innerlich schwer damit tat, sich auf solche Situationen einzulassen, so half es ihm auch irgendwie, Samajim die Kontrolle anzuvertrauen. Denn das tiefe Vertrauen zwischen ihnen half ihm auch, seinen inneren Widerstand abzulegen und sich auf völlig neue Situationen einzulassen. Und inzwischen wusste Samajim auch, wie er am besten mit ihm in solchen Situationen umgehen sollte. Er war nicht mehr ganz so forsch und direkt wie beim ersten Mal, sondern legte stattdessen mehr auf Überzeugungskunst und indem er die vollständige Kontrolle hatte, konnte auch Nabi seine Angst und seine Nervosität ablegen. Inzwischen waren sie ein ziemlich gut eingespieltes Team, auch wenn es vielleicht nicht immer ganz danach aussah. Gut gelaunt kehrten sie wieder nach Hause zurück, nur hatte Nabi ein bisschen Bammel davor, wenn der Bischof noch aufkreuzte und es Stress geben könnte. Immerhin waren sie ziemlich überraschend abgefahren und hatten den Bischof ziemlich mit dieser Aktion überrumpelt. Da war es nur verständlich, wenn er nicht gerade mit Begeisterung reagierte. Aber Samajim sah dem ziemlich gelassen entgegen und sagte nur „Was kümmert es mich, denn der Bischof meckert? Den überleben wir doch sowieso, also mach dir um den mal keine Gedanken. Ich kümmere mich schon darum.“ Nachdem sie wieder im Pfarrhaus zurück waren, packten sie einen Teil der Sachen aus und da sie nichts im Kühlschrank hatten, musste Nabi erst einmal einkaufen gehen. Ansonsten würde es mit Abendessen eher schlecht aussehen. Samajim sah aus dem Fenster und bemerkte die dunklen Wolken am Himmel. Offenbar war ein Gewitter im Anmarsch und er glaubte sich zu erinnern, auch etwas in der Richtung im Radio gehört zu haben. „Nimm besser den Wagen, es sieht nach Regen aus“, riet er seinem Diener und tatsächlich war draußen ein leises Donnern in der Ferne zu hören. „Na super“, seufzte Nabi und schnappte sich die Wagenschlüssel. „Wenigstens hatten wir in Brighton schönes Wetter. Worauf habt Ihr heute Abend Lust? Soll ich uns irgendetwas kochen?“ „Ach du brauchst nicht unbedingt zu kochen. Dafür hat der Mensch doch Tiefkühlgerichte erfunden. Ab morgen geht der gewohnte Alltag für uns beide weiter, da können wir den Tag doch ganz entspannt ausklingen lassen.“ Also schnappte sich Nabi auch noch seine Jacke, verabschiedete sich und verließ das Pfarrhaus. Wieder donnerte es laut und nachdem er in den Kleinbus eingestiegen war, fuhr er direkt zum Supermarkt. Mit einem lauten Donner brach nach einer Weile das Gewitter herein und helle Blitze erleuchteten den tiefgrauen Himmel, der sich zusehends verdunkelte. Nachdem er endlich den Parkplatz des Supermarktes erreicht hatte, schaltete Nabi den Motor aus, zog die Handbremse an und eilte schnell zum Eingang, um nicht allzu nass zu werden. Doch weit kam er nicht, als er ein klägliches Fiepsen hörte. Es war leise und kaum hörbar und wurde durch den lauten Donner größtenteils übertönt, aber er hörte es sofort und blieb stehen. Als er zur Seite sah, entdeckte er einen kleinen Karton, wo sich ein kleines Kätzchen darin befand. Es versuchte verzweifelt aus dem Karton herauszuklettern, was ihm aber nicht gelang und es wurde zusehends nasser durch den Regen. Neben dem Karton lag ein Schild aus Pappe: „Katzenbabys zum Mitnehmen“. Ach herrje, dachte Nabi und sah sich das kleine verängstigte Fellknäuel mit den großen Augen an. Da hatte jemand das arme Ding einfach ausgesetzt und es hilflos und ohne Nahrung zurückgelassen. Es brach Nabi das Herz, das arme Kätzchen so zu sehen und er begann zu überlegen und dachte sich: nun, Meister Samajim ist zwar nicht der Fan von Tieren, aber vielleicht macht er bei dem kleinen Ding ja eine Ausnahme. „Na Kleines? Wollte dich niemand mitnehmen?“ Das kleine Kätzchen gab ein leises Miauen von sich und sah Nabi mit seinen großen blauen Augen an. Er konnte die Angst es kleinen Ragamuffins spüren und seinen verzweifelten Hilferuf „Hilfe, ich hab Angst. Bitte, ich will nicht allein sein“ fast schon so deutlich hören, als wäre es kein Tier, sondern ein Mensch. Nun, Unvergängliche waren auch anders als Menschen. Sie waren in der Lage, die Gefühle und Gedanken der Tiere zu verstehen und deshalb ganz anders mit ihnen zu kommunizieren als mit Menschen. Das kleine Kätzchen sah aber auch wirklich zu goldig aus, als dass er es hätte ignorieren können. Und er staunte nicht schlecht über das fast so helle fast schon weiße Fell. Vorsichtig hob er das Kätzchen aus dem Karton und begann es in seinen Schal zu wickeln, um es ein bisschen zu wärmen und es auf diese Weise ein wenig zu trocknen. Nun stellte sich natürlich die Frage, was er denn jetzt machen sollte. In den Supermarkt konnte er das Tier jedenfalls nicht mitnehmen und im Auto lassen war auch keine Lösung. Naja, er konnte ja zur Not auch morgen einkaufen gehen. Samajim hatte mit Sicherheit Verständnis, zumindest hoffte Nabi das. Vielleicht würde wahrscheinlich wieder eine „Bestrafung“ folgen, aber das nahm er gerne in Kauf. Er war schon immer jemand gewesen, der an die Liebe auf dem ersten Blick glaubte und er war sich sicher, dass das bei diesem Kätzchen genauso der Fall war wie bei ihm und Samajim. Aber erst einmal musste er das kleine Ding zum Tierarzt bringen, um auch sicherzugehen, dass ihm nichts fehlte. Zum Glück kannte er einen ehemaligen Asylanten, der in der Nähe als Tierarzt arbeitete. Ba’al Khayim, der auch „Ba’al der Aufmerksame“ genannt wurde und in London unter dem Namen Benjamin Hudson lebte. Da es kaum Parkplätze nahe der Praxis gab, holte Nabi schnell den Regenschirm aus dem Wagen und ging dann mit dem Kätzchen auf dem Arm direkt zur Praxis. Ba’al war zwar etwas ungehalten, dass Nabi unangemeldet hereinkam, aber als er dann die Geschichte hörte, gab er dann doch klein bei und ging mit Nabi ins Behandlungszimmer, um das Kätzchen zu untersuchen. Ba’al Khayim war einer von der etwas ruppigeren Sorte, aber er hatte ein unglaubliches Talent im Umgang mit Tieren und aus diesem Grund war er auch Tierarzt geworden. „Soso, du hast also den Kleinen in einem Karton gefunden? Da hat er ja Glück gehabt. Er ist ein wenig zu dünn und zu leicht, was auf mangelnde Ernährung zurückzuführen ist. Tja, schätzungsweise ist er drei Wochen alt und eindeutig ein Kater. Willst du ihn aufnehmen, oder soll er ins Tierheim?“ „Ich würde ihn schon gerne aufnehmen.“ „Okay, dann würde ich ihn für heute da behalten und ihn auf Krankheiten untersuchen. Außerdem muss er noch geimpft werden. Du hast übrigens wirklich Glück, Nabi. Ragamuffins sind sehr verschmuste und treue Katzen. Sie sind sehr soziale Familienkatzen, sehr intelligent und vor allem auch gesundheitlich sehr robust. Einsteigern empfehle ich diese Katzenrasse fast genauso oft wie die Ragdolls, weil sie zu den sanften Katzen zählen. Mit einer Ragdoll oder einer Ragamuffin kann man nicht viel falsch machen.“ „Und wie alt werden sie?“ „Gut und gerne 20 Jahre. Bei guter Pflege sogar noch älter. Allerdings dauert es auch knapp vier Jahre, bis sie ausgewachsen sind. Was sagt denn eigentlich der Alte zu deinen Plänen?“ Tja, da musste Nabi zugeben, dass er mit ihm noch darüber sprechen musste. Er vereinbarte mit Ba’al, dass er das Kätzchen morgen abholen würde. „Hast du schon einen Namen für den kleinen Racker?“ Nabi dachte kurz nach und hatte dann nach einer Weile einen guten Namen gefunden. „Laban“, sagte er schließlich. „Das bedeutet immerhin der Weiße und passt doch gut.“ Dem konnte Ba’al nur zustimmen. Also behielt er den kleinen Laban vorerst, um ihn zu untersuchen und zu impfen und so konnte Nabi dann doch noch den Einkauf erledigen. Er bedankte sich bei Ba’al für die Hilfe und machte sich dann auf den Weg. Als er wieder zurück zuhause war, brachte er die Einkäufe herein und legte zwei Tiefkühlpizzen in den Backofen. Samajim saß im Wohnzimmer, sah sich seine Lieblingsserie an und rauchte gemütlich vor sich hin. „Du hast ganz schön lange gebraucht. Ich hatte schon fast die Befürchtung, ich müsste dich schon wieder retten kommen.“ Nabi gab ein kurzes, sarkastisches Lachen von sich und gesellte sich zu ihm dazu, nachdem er die Einkäufe ausgepackt hatte. „Mir ist etwas dazwischengekommen, Meister. Entschuldigt, dass es so lange gedauert hat.“ Als der ältere Sefira das hörte, war er natürlich mehr als interessiert und wollte Details wissen. Etwas zögernd erklärte sein Diener „Nun, ich habe ein kleines Kätzchen gefunden, das von seinen Besitzern in einem Karton vor dem Supermarkt ausgesetzt wurde. Ich hab es nicht übers Herz gebracht, das arme Ding im Regen zu lassen und habe es zu Ba’al Khayim gebracht.“ Nun, so eine Aktion verwunderte Samajim nicht wirklich und mit einem milden Lächeln tätschelte er Nabi den Kopf wie einem Kind. „Manchmal habe ich wirklich das Gefühl, du wärst zu gut für diese Welt. Und was geschieht mit dem Tier?“ „Ich… ich habe es erst einmal da gelassen, weil Ba’al den Kleinen auf Krankheiten untersuchen und ihn danach noch impfen wollte. Aber ich war mir nicht sicher, was Ihr dazu sagen würdet, Meister. Ohne Eure Erlaubnis darf ich keine Tiere mitbringen, geschweige denn irgendetwas besitzen.“ „Warum nicht?“ meinte Samajim und nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette. „Katzen sind doch ganz praktisch. Damit wäre unser Problem mit den Ratten und Mäusen gelöst und außerdem haben wir vielleicht Glück und die Katze verscheucht endlich diese verdammten Tauben. Und außerdem sehe ich dir doch an, dass du das Tier am liebsten behalten willst. Da kann ich dir diese Bitte wohl kaum abschlagen. Solange es keine Taube oder irgendein anderer Vogel ist, habe ich nichts dagegen. Außerdem scheinen Katzen bei den Menschen ohnehin sehr beliebte Haustiere zu sein. Immerhin wurden sie damals in Ägypten sogar als Gottheiten verehrt. Ganz zu schweigen von der Legende der Nekomata in Japan. Bring den Kleinen doch her, ich werde mich schon mit ihm arrangieren.“ Als Nabi das hörte, war er überglücklich und umarmte Samajim freudestrahlend. „Danke, Meister. Das ist wirklich sehr großherzig von Euch.“ „Du kannst dich später noch in aller Ruhe bei mir bedanken, mein Lieber“, erwiderte Samajim und ein unheilvolles Lächeln spielte sich auf seine Lippen. „Nach dem Essen hab ich nämlich Lust auf ein kleines Dessert.“ Nabi ahnte, was er damit meinte und er wirkte nicht gerade begeistert. Denn er wusste, dass sein Meister sich mal wieder irgendeinen perversen Blödsinn ausdachte. „Verschont mich bitte mit Euren perversen Ideen… Reicht es denn nicht schon, wenn ich schon den Kimono, diesen chinesischen Anzug oder das Dienstmädchenkostüm tragen musste? Ganz zu schweigen davon, dass wir es in der Küche gemacht haben.“ „Vergiss nicht den Whirlpool.“ „Wie könnte ich das nur vergessen“, grummelte Nabi und zog eine finstere Miene. „Ihr versaut mich noch regelrecht, wenn das so weitergeht. Ich werde garantiert nie in den Himmel kommen.“ „Du glaubst doch eh nicht an so etwas.“ „Trotzdem! Manchmal staune ich wirklich über Eure Kreativität, was solche Sachen angeht. Und da frage ich mich auch ernsthaft, wie die Leute Euch diesen hochrangigen und würdevollen alten Mann abkaufen sollen.“ „Ich hab eben zwei Seiten.“ Mehr als zwei, wenn Ihr mich fragt, dachte sich Nabi nur und schwieg. Nachdem die Pizzen fertig waren, sahen sie sich gemeinsam einen Horrorfilm, bei dem Nabi schließlich den Kopf schüttelte und nur meinte „Also die Menschen sind doch krank, dass die sich so etwas ausdenken. Und an so etwas unterhalten sie sich?“ „Erinnere dich doch an die Gladiatorenkämpfe. Blut und Spiele, das ist es, was sie wollen. Sie unterhalten sich eben daran, wenn Menschen oder Tiere sterben oder wenn viel Blut fließt. In der Hinsicht sind sie nicht sonderlich anders als Miswa oder Rakshasa. Nimm dir Akrav als Beispiel. Der hat ja auch Unterhaltung daran, seine Opfer zu quälen, bevor er sie umbringt. Vergiss nicht, was er mit dir gemacht hat.“ Wie könnte Nabi das je vergessen? Es waren die schlimmsten Momente seines Lebens gewesen und allein schon, wenn er sich an Akravs Stimme erinnerte und an sein Gesicht, da bekam er Angst. Wäre Samajim nicht rechtzeitig gekommen, hätte der Head Hunter ihn vergewaltigt und ihm dann den Kopf abgeschnitten, wenn er genug von ihm gehabt hätte. Vielen Opfern vor ihm war so etwas ergangen, bevor sie getötet worden waren und er hatte echt von Glück reden können, dass sein Herr noch im allerletzten Moment aufgetaucht war, um dieses Monster zu verjagen. Als Nabi die Erinnerungen wieder daran kamen und was für Todesängste er in diesem Moment ausgestanden hatte, suchte er instinktiv wieder die Nähe zu Samajim. Dieser legte einen Arm um ihn und blieb seinerseits die Ruhe selbst. „Mach dir keine Gedanken mehr wegen ihm. Der wird es nie wieder wagen, dir zu nahe zu kommen. Und sollte es sonst irgendjemand wagen, dir etwas anzutun, dann wird er sein blaues Wunder erleben, das verspreche ich dir. Ein guter Herr beschützt seinen Diener, genau wie es auch ein guter Partner macht.“ „Das weiß ich auch. Aber irgendwie habe ich so ein merkwürdiges Gefühl. Ich weiß auch nicht.“ „Was genau für ein Gefühl?“ Nabi schwieg kurz, um zu überlegen, wie er es in Worte fassen konnte. Dann erklärte er „Ich glaube, Meister Elohim macht sich wegen irgendetwas Sorgen und das kann ich deutlich spüren. Wahrscheinlich kommt irgendjemand hierher. Ich weiß auch nicht. Vielleicht ist es wieder ein Head Hunter.“ Das bezweifelte Samajim. Immerhin hatte er Akrav mehr als deutlich klar gemacht, dass er das nächste Mal nicht mehr so nachsichtig sein würde. Außerdem hatte Elohim den Head Hunters klar gemacht, dass sie die ehemaligen Asylanten in Ruhe lassen sollten und um Sereas, der sich momentan in der Menschenwelt aufhielt, brauchte man sich eigentlich keine Sorgen machen. Dieser tötete oder quälte seine Opfer nie, allerhöchstens wenn es sich nicht vermeiden ließ. Wenn es also kein Head Hunter war und Elohim besorgt war, dass es sogar Nabi spüren konnte, dann bedeutete es, dass es sich um einen der großen Alten handeln musste. Aber selbst hier machte sich Samajim keine großen Sorgen. Er war stark genug, um es mit den anderen aufzunehmen und er war sich seiner Stärke durchaus bewusst. Er genoss aufgrund seiner hohen Stellung als zweitstärkster Sefira und als Elohims persönlicher Berater hohes Ansehen und deshalb wagte es auch keiner so schnell, sich mit ihm anzulegen. „Keine Sorge. Wenn es Probleme geben sollte, werde ich mich darum kümmern und…“ Bevor er den Satz beenden konnte, klingelte es an der Haustür und daraufhin erhob sich Nabi, um nachsehen zu gehen. Er spürte jetzt schon, dass es kein Mensch war und zuerst glaubte er, dass es Nakash war, der nach dem Rechten schauen wollte. Doch wie sich schnell herausstellte, war es gar nicht sein bester Freund, sondern ein Junge mit goldblondem Haar, in welchem er die eine oder andere Spange trug. Äußerlich war er nicht älter als 17 Jahre und eine dunkelrote Brandverletzung unter seinem rechten Auge zeichnete sich auf seinem Gesicht ab. Er machte einen sehr aufgeweckten aber auch sehr kampflustigen Eindruck und er musterte Nabi nur kurz mit ihren lavendelfarbenen Augen. „Bist du der Diener hier?“ fragte er kühl und herablassend, wie man es von der Art der großen Alten schon längst gewohnt war. „Äh ja…“, antwortete er und war ein klein wenig überrumpelt. Er hatte nicht wirklich mit Besuch gerechnet und fragte „Und wen darf ich…“ „Mein Name ist Malakh, ich bin Samajims Bruder.“ Wie jetzt? Samajim hatte einen Bruder? Nabi verstand nun gar nichts mehr und war gänzlich sprachlos. Sein Meister hatte in all der Zeit nie erwähnt, dass er einen Bruder hatte. Er folgte dem Jungen, der zielstrebig ins Wohnzimmer ging, wo Samajim gemütlich saß und rief dann lauthals „Da steckst du also, du fauler Sack! Ich suche dich überall und muss erfahren, dass du dich neuerdings mit diesem widerlichen Menschenpack abgibst und es nicht für nötig hältst, nach Hause zu kommen oder dich bei mir zu entschuldigen, nach allem, was du Arschloch mir angetan hast!“ „Mala“, rief Samajim und hob erstaunt die Augenbrauen. „Du lebst ja noch. Ich dachte echt, du wärst während des Krieges draufgegangen.“ „Das hättest du wohl gerne, du falsche Schlange. Nicht nur, dass du mir meinen rechtmäßigen Rang weggenommen hast, du bist auch noch zum großen Kriegshelden geworden und bist Elohims Berater geworden. Aber im Grunde hast du…“ „Jetzt krieg dich mal wieder ein, mein Lieber“, beruhigte Samajim ihn und hob beschwichtigend die Hand. „Ich hab dir gar nichts weggenommen. Du bist einfach schwächer als ich, das ist alles und das ist auch keine Schande. Ich habe dich in einem Kampf fair besiegt und du bist doch beleidigt abgehauen und hast dich nicht mehr blicken lassen. Wenn du mit deinem Leben unzufrieden bist, ist es nicht mein Problem und ich habe mir da auch nichts vorzuwerfen.“ Doch der etwas jung aussehende Blondschopf wollte sich anscheinend gar nicht beruhigen. Er packte ihn am Kragen und sah ihn wutentbrannt an. „Du machst dich doch nur über mich lustig, das hast du schon früher immer gemacht.“ Samajim bemerkte, dass Nabi recht überfragt mit der ganzen Sache war und klärte ihn schließlich auf. „Nabi, das ist Malakh, oder auch kurz Mala. Er wird auch der „Ankläger“ genannt. Er ist mein jüngerer Bruder, aber wir hatten nie ein sonderlich gutes Verhältnis. Ich bin wirklich davon ausgegangen, er wäre im Krieg gefallen.“ Aber dem war wohl doch nicht so und nun stand er direkt vor ihm und wirkte stinksauer. Doch Samajim schien sich nicht sonderlich dafür zu interessieren. „Mala, das ist mein Diener Nabi und…“ „Dein kleines Betthäschen, ich weiß. Sämtliche Sefirot sprechen darüber und du bist momentan das Gesprächsthema Nummer eins.“ „Interessiert mich nicht.“ „War ja klar. Dich interessiert doch nie irgendetwas. Aber jetzt wird endlich abgerechnet. Ich will Gerechtigkeit für damals und das, was mir rechtmäßig zusteht. Du hast damals betrogen! Und nun fordere ich deinen Rang, deinen Besitz und damit auch deinen Diener!“ „Eh?“ rief Nabi, als er das hörte und sah abwechselnd zu Mala und Samajim. Dieser Junge da wollte ihn einfach so haben, als wäre er ein Besitz? Nun ja… streng genommen war er das ja auch. Ein Diener hatte keine eigenen Rechte und war nichts anderes als ein Besitztum. Im Grunde also eher ein Sklave, aber keiner benutzte diesen Begriff, da Diener irgendwie beschönigender klang. Und bis heute war es noch nie vorgekommen, dass irgendjemand ihn einfach haben wollte. Samajim reagierte darüber nicht einmal wütend. Er schien seinen Bruder einfach nicht ernst zu nehmen. „Du machst dich lächerlich, Mala. Ich hab nie betrogen, du bist einfach nur ein schlechter Verlierer. Werde endlich erwachsen und lass mich mit deinen lächerlichen Komplexen in Ruhe. Und ich verbitte mir, dass du so respektlos über Nabi sprichst. Mag sein, dass er nur ein Diener in deinen Augen ist, aber für mich ist er der Mann, den ich liebe und da hast du auch nicht das Recht, so über ihn zu reden. Aber wenn du unbedingt eine Revanche haben willst, dann bitte. Dann werden wir eben kämpfen. Aber nur unter folgenden Bedingungen: wenn du verlierst, wirst du dich von Nabi fernhalten und mich mit deinen Anschuldigungen in Ruhe lassen.“ „Und wenn du verlierst, werde ich deinen Rang, deinen Besitz und damit auch deinen Diener übernehmen.“ „Einverstanden.“ Nabi konnte nicht fassen, was er da hörte. Kaum, dass er wieder zurück war, wurde einfach mal so im Kampf entschieden werden, ob er nun den Besitzer wechseln würde oder nicht. Na ob das mal so gut gehen würde, blieb fraglich. Aber er konnte einfach nicht fassen, dass Samajim ihm nie gesagt hatte, dass er einen Bruder hatte. Und nun ließ er sich einfach so auf diesen Kampf ein und riskierte damit alles was er hatte. Na großartig, dachte sich Nabi und schüttelte fassungslos den Kopf. Und jetzt bin ich auch noch zu einem Spieleinsatz degradiert worden. Wären wir doch bloß in Brighton geblieben… Kapitel 21: Bruderzwist ----------------------- Als Malakh wieder gegangen war, kehrte auch langsam aber sicher endlich Ruhe nach dem ganzen Durcheinander ein, trotzdem war Nabi deutlich verstimmt und sprach kaum ein Wort mit Samajim. Dieser suchte deshalb das Gespräch. „Bist du beleidigt, weil ich dir nichts von Mala gesagt habe?“ „Nein, wieso sollte ich?“ gab der Schwarzhaarige mit deutlich ironischem Ton zurück und verschränkte die Arme. „Als ob mich so etwas angehen würde und als wäre es nicht schlimm, dass Ihr mich als Wetteinsatz missbraucht…“ Samajim zündete sich eine Zigarette an, nahm einen tiefen Zug und versuchte es zu erklären. „Ich habe dir nichts gesagt, weil ich wirklich dachte, er wäre tot und wie gesagt: ein sonderlich gutes Verhältnis hatten wir nie. Mala hat es mir immer übel genommen, dass ich stärker und erfolgreicher war als er. Ständig hat es Streit zwischen uns beiden gegeben und ich nehme ihn da auch nicht wirklich ernst. Mala ist ein vorlauter kleiner Bengel, der einfach nicht weiß, wo sein Platz ist und der keinen Respekt hat. Zudem ist er ein ziemlich schlechter Verlierer und hat es noch nie akzeptieren können, dass ich besser bin. Deshalb behauptet er auch, ich hätte damals betrogen. Er hat nicht die geringste Chance gegen mich und das will er einfach nicht wahrhaben. Und damit ihm das klar wird, habe ich mich auf seine Herausforderung eingelassen, damit er endlich kapiert, dass er mich niemals besiegen wird. Ich werde schon nicht verlieren, mach dir keine Sorgen. Mala überschätzt sich immer komplett maßlos.“ Trotzdem hätte es Nabi schön gefunden, wenn Samajim ihm wenigstens erzählt hätte, dass er einen jüngeren Bruder hatte. Immerhin waren sie ein Paar und da sagte man sich doch für gewöhnlich alles. „Und was geschieht jetzt?“ „Nun, da ich die Herausforderung angenommen habe, werden Mala und ich bei einem Dukrav aufeinandertreffen. Das ist ein Wettkampf zwischen zwei Gegnern, die in einem fairen Kampf gegeneinander antreten. Unter den großen Alten wurden sie sehr oft ausgeführt, um die Rangordnung festzulegen. Ein Dukrav stellt einen fairen Kampf sicher, bei dem ein neutraler Schiedsrichter achtet, dass die Regeln eingehalten werden. Und die besagen, dass man alle Waffen offen legen muss, die man anwenden will und alle anderen sind verboten. Gekämpft wird entweder, bis einer aus dem Ring geworfen wird, kampfunfähig oder tot ist. Die Dauer des Kampfes ist dabei nicht festgelegt und er geht auch nur eine einzige Runde. Was wir also brauchen, ist ein neutraler Schiedsrichter. Ich werde deshalb Ain bitten, ob sie das nicht für uns übernehmen kann. Elohim ist immerhin mein bester Freund und im Zweifelsfall könnte das zum Problem werden. Mala würde mir dann unterstellen, dass ich mit unfairen Mitteln spielen würde und dann würde ich automatisch als Verlierer festgelegt werden. Damit das nicht passiert, lasse ich ihn außen vor.“ Nabi schwieg dazu und dachte über Malakh nach. Dieser war ziemlich aggressiv und temperamentvoll gewesen, aber irgendwie war ihm so, als ginge es ihm gar nicht darum, unbedingt zu gewinnen. Es sah eher aus, als ringe er um Anerkennung. „Meister, glaubt Ihr nicht vielleicht auch, dass das Verhalten Eures Bruders daher kommt, weil er vielleicht Anerkennung und Respekt will?“ „Mag sein, aber den Respekt muss er sich erst einmal verdienen. Ich will ja nicht behaupten, dass er ein schlechter Kerl ist. Aber er klagt einfach jeden an und unterstellt ihm irgendetwas. Egal was es ist, er zieht es in Zweifel und behauptet, dass es nicht stimmt. Und damit geht er allen tierisch auf die Nerven und hat deswegen auch keine wirklichen Freunde. Vor allem, weil er die Ehrlichkeit anderer anzweifelt.“ „Aber so schlecht ist das doch nicht. Das ist doch nichts anderes, was die Staatsanwälte vor Gericht machen. Vielleicht braucht Euer Bruder einfach nur etwas Bestätigung für seine Fähigkeiten.“ „Bist du jetzt auf seiner Seite oder auf meiner?“ „Ich will nur versuchen, etwas mehr Klarheit in diesen Bruderkonflikt zu bringen. Ich glaube, dass dieses aufmüpfige Verhalten irgendwie das eines kleinen Kindes ist, das um Aufmerksamkeit bettelt.“ „Ja, das passt perfekt zu ihm…“ Nabi merkte so langsam, dass da nicht mehr viel zu retten war bei den beiden Brüdern. Zumindest nicht sofort und dieser Kampf ließ sich wohl auch nicht mehr vermeiden. Na hoffentlich behielt Samajim Recht und er schaffte es, seinen Bruder zu besiegen. Denn dieser hatte wirklich einen entschlossenen Eindruck auf ihn gemacht und da war es nicht auszuschließen, dass dieser vielleicht einen Trumpf im Ärmel hatte. „Was genau hat Euer Bruder damals so gemacht?“ „Er war der Anführer der Head Hunter und auch ihr Gründer. Damals war es nur eine kleine Gruppe, die sich auf die Verfolgung gefährlicher und abtrünniger Sefirot und Seraphim spezialisiert hatte. Aber dann verließ er die Gruppe, als der Krieg ausbrach und stattdessen schloss er sich uns an und führte eine eigene Truppe an. Allerdings geriet diese in einen Hinterhalt und wurde restlos vernichtet. Es gab keine Überlebenden und Mala war damals auch dabei gewesen. Deshalb ging ich auch davon aus, dass er tot sei. Zwar haben wir uns nicht wirklich gut verstanden, aber es war dennoch ein Schock für mich. Immerhin war er mein Bruder. Er war ein guter Nahkämpfer, aber nicht gerade der beste Stratege und ist unnötige Risiken eingegangen. Jedenfalls hat man seit diesem Massaker, das sich bei diesem Hinterhalt zugetragen hat, kein Lebenszeichen mehr von ihm gehört. Wahrscheinlich ist er in eine andere Welt verschwunden, um sich dort von seinen Verletzungen zu erholen und zu trainieren, um mich besiegen zu können. Dieser kleine Sturkopf gibt auch nie auf. Auf der einen Seite bin ich ja froh, dass er noch am leben ist, aber dass er wieder so viel Stress macht, muss doch echt nicht sein. Aber leider ist mein werter Bruder nachtragend wie ein Elefant…“ Nabi beschloss, ein wenig spazieren zu gehen, um den Kopf freizukriegen. Inzwischen hatte es aufgehört zu gewittern und etwas frische Luft tat ihm auch ganz gut. Als Samajim bemerkte, was er vorhatte, fragte er „Wo willst du denn um die Uhrzeit noch hin?“ „Ein bisschen frische Luft schnappen. Ich bin auch nicht lange weg.“ „Okay, pass aber trotzdem auf.“ Nabi versprach es ihm und zog seine Schuhe und seine Jacke an. Als er zur Tür rausging, atmete er tief die kalte Luft ein und machte sich sogleich auf den Weg. Es war inzwischen schon dunkel und ein kleiner Teil von ihm fürchtete sich in diesem Moment ein wenig, weil die Erinnerung an Akravs Angriff noch sehr präsent war. Aber zumindest konnte er sich sicher sein, dass Samajim sofort zur Hilfe eilen würde, wenn er in Gefahr geraten sollte. Das hatte er ja schon beim letzten Mal bewiesen. Und außerdem hatte dieser doch dafür gesorgt, dass die Head Hunter keinen Ärger mehr machten und gegen Menschen konnte sich Nabi auch sehr gut alleine zur Wehr setzen. Immerhin war er immer noch ein Sefira und auch wenn er nicht zu den Kämpfern zählte, konnte er sich dennoch gut verteidigen, wenn es erforderlich war. Als er das Kirchengelände verlassen hatte und in Richtung Parkanlage ging, die sich nicht weit von hier befand, hatte er irgendwie das Gefühl, beobachtet zu werden. Er blieb stehen und sah sich unsicher um. Und tatsächlich sah er nicht weit entfernt Malakh gegen eine Hauswand gelehnt stehen und wie dieser ihn mit verschränkten Armen misstrauisch beobachtete. „Hey Malakh. Was machst du hier?“ „Brauche ich etwa deine Erlaubnis, um hier zu sein?“ entgegnete der Sefira und sah ihn finster an. Seine lavendelfarbenen Augen zeugten von Misstrauen und wirkten ein wenig wie die eines kleinen Jungen. Aber da Malakh zu den großen Alten zählte, war er eigentlich sogar noch älter als Nabi, auch wenn es diesem schwer fiel, sich das vor Augen zu halten. Nun gut, auch Nazir sah aus wie ein kleiner Junge, aber er wirkte auch ganz anders als die anderen. Unergründlich, geheimnisvoll… Malakh hingegen war wie ein rebellischer Teenager. „Macht Spaß, sich von Samajim als Matratze benutzen zu lassen, was?“ fragte der Blondhaarige mit der Brandnarbe im Gesicht und kam näher. Nabi blieb etwas unsicher stehen und wusste auch nicht so wirklich, was der Bruder seines Herrn von ihm wollte. „Was genau meinst du?“ „Glaubst du im Ernst, dass mein Bruder wirklich so etwas wie tiefe Zuneigung für irgendjemanden empfindet? Nun gut, zum ehrwürdigen Meister Elohim pflegt er eine gute Freundschaft, aber Samajim hat alle immer auf Abstand gehalten. Niemand war ihm jemals wichtig genug, dass er für ihn wirklich sein Leben riskiert hätte. Und für einen untergeordneten Sefira hätte er sich doch niemals ernsthaft die Mühe gemacht, sich wegen ihm Arbeit zu machen. Du magst ihn vielleicht lieben, aber glaubst du im Ernst, mein Bruder würde dasselbe empfinden? Für ihn bist du doch nur ein willkommenes Opfer für seine ganzen Fantasien und nicht mehr.“ „So ein Unsinn“, rief Nabi als er das hörte und ballte die Hände zu Fäusten. „Ich liebe Meister Samajim und er liebt mich, ganz gleich wer oder was ich bin. Er hat mir das Leben gerettet und sich immer gut um mich gekümmert. Und ich liebe ihn mit all seinen Verrücktheiten und Marotten und ich bin gerne sein Diener.“ Malakh musterte ihn aufmerksam und immer noch war da dieses Misstrauen in seinen Augen nicht zu übersehen. „Ach ja? Bist du dir da wirklich so sicher? Ich glaube nämlich nicht, dass eure Liebe so ehrlich ist, wie ihr immer behauptet. Viel eher gehe ich davon aus, dass mein Bruder mal wieder irgendeine linke Nummer durchzieht, weil er auf die Weise andere locker um den Finger wickeln kann. Und deshalb zweifle ich auch an der Aufrichtigkeit eurer Liebe.“ „Das stimmt nicht. Meister Samajim liebt mich genauso sehr, wie ich ihn liebe.“ Malakh begann zu lachen, als er das hörte und steckte die Hände in die Hosentaschen. Es war nicht wirklich zu erkennen, ob er sich gerade über ihn lustig machte oder nicht. Schließlich aber lächelte er kühl und fragte listig „Dann hast du doch sicherlich nichts dagegen, wenn ich eure Liebe mal auf die Probe stelle. Wenn es wirklich stimmt und mein Bruder liebt dich so wie du bist und er hat wirklich Interesse an dir, dann akzeptiere ich das auch und misch mich da nicht weiter ein. Aber wenn er es nicht ehrlich mit dir meint und mal wieder nur eines seiner Spielchen spielt, um dich um den Finger zu wickeln, dann verspreche ich dir eines: dann werde ich dafür sorgen, dass das mit euch keine Zukunft mehr haben wird. Dann werde ich diesen Kampf gewinnen und du gehörst mir.“ Nabi schluckte schwer und war leicht verunsichert. Malakh schien ja ziemlich sicher zu sein, dass sein Bruder nicht ehrlich war und auch er selbst musste zugeben, dass Samajim dazu neigte, seine Spielchen mit anderen zu spielen. Mit ihm war es ja auch nicht anders gewesen. „Warum machst du das?“ „Weil es meine Aufgabe ist“, erklärte Malakh. „Ich zweifle immer die Ehrlichkeit an, weil ich sämtliche Lebewesen zur Genüge kenne. Jeder denkt in erster Linie immer an sich selbst, deswegen ist die Treue zu jemandem genauso geheuchelt wie die Liebe. Es wird für jeden irgendwann mal der Tag kommen, an dem diese Loyalität verworfen wird und man sich selbst wichtiger ist. Ich bin der Ankläger und ich werde die Wahrheit schonungslos aufdecken und beweisen, dass mein Bruder genauso wenig ehrlich ist wie du. Also? Bist du dir immer noch so sicher, dass dein Herr dich wirklich aufrichtig liebt und für dich alles tun würde?“ „Ja.“ „Gut. Dann komm mit und wir werden sehen, ob du dich nicht vielleicht doch irrst.“ „Und du wirst uns tatsächlich in Ruhe lassen, wenn wir diesen Test bestehen?“ „Falsch“, rief Malakh und hob einen Zeigefinger. „Ich sagte, dass ich eure komische Beziehung akzeptieren werde, aber dass ich meinen Bruder in Ruhe lassen werde, ist eine andere Sache. Dieser Test und unsere Fehde sind zwei verschiedene Sachen.“ Unsicher dachte Nabi nach und überlegte sich, was er tun sollte. So wie es aussah, würde Samajims kleiner Bruder niemals Ruhe geben, wenn er keinen eindeutigen Beweis hatte, dass diese Liebe auch ehrlich war. Er glaubte einfach nicht an die Ehrlichkeit eines Einzelnen. Und da Nabi sich sicher war, dass es schon klappen würde und er auch an Samajims Ehrlichkeit glaubte, willigte er ein. Ein zufriedenes, aber auch hinterhältiges Lächeln spielte sich auf Malakhs Lippen. „Wirklich die naive treue Seele vom Dienst, wie alle sagen. Armer Trottel…“ Und damit verpasste er Nabi einen heftigen Schlag in die Magengrube und dann in den Nacken, was dem Sefira endgültig das Bewusstsein raubte und er zusammenbrach. „Träum süß von meinem Bruder. Es wird nämlich das letzte Mal sein, dass du so glückliche Träume mit ihm haben wirst. Ich werde schon noch beweisen, dass keiner von euch wirklich so ehrlich ist wie er behauptet. Ihr seid doch alle verlogen. Jeder Einzelne auf der Welt ist es und daran wird sich auch nie etwas ändern.“ Damit zerrte er Nabi hoch und brachte ihn zu einem Wagen. Nachdem er ihn auf den Rücksitz verfrachtet hatte, setzte er sich hinters Steuer und fuhr los. Er würde ihnen die schonungslose Wahrheit vor Augen halten und diese Illusion von einer aufrichtigen Liebe für immer zerschlagen und ihnen ihre eigene Verlogenheit vor Augen halten. Das war seine Aufgabe und auch wenn man ihn dafür hasste, so würde er es dennoch tun. Einer musste es ja tun. Es musste jemanden geben, der alles in Frage stellte und die Ehrlichkeit bezweifelte. Er war Feind im Frieden und im Kampf und würde den anderen die Maske vom Gesicht reißen. Und deshalb würde er auch seinem Bruder zeigen, dass sein Diener nur an sich selbst dachte und niemals wirklich aufs Ganze gehen würde für ihn. Und ebenso würde er Nabi beweisen, dass diese angebliche Liebe von Samajim nur Teil seiner Spielchen war und mehr nicht. Amüsiert grinste er und sah durch den Rückspiegel auf den bewusstlosen Nabi. „Da bin ich ja mal gespannt, wie das zwischen euch beiden noch laufen wird. Das wird noch ein Spaß werden.“ Gerade wollte er gedanklich noch mal seinen Plan für den ultimativen Test durchgehen, doch da störte ihn auch schon wieder sein Handy und mit einem genervten Seufzer nahm er ab. „Was gibt’s?“ „Meister, wo seid Ihr gerade? Ich such Euch schon die ganze Zeit und Ihr meldet Euch nicht mal.“ Na super, der hatte ihm gerade noch gefehlt. „Ich arbeite gerade, Abdiel. Das wird eh ziemlich spät werden, also geh schon mal ins Bett. Du brauchst nicht extra auf mich zu warten.“ „Ist gut, Meister. Aber kommt nicht zu spät heim.“ „Jaja, schon gut. Leg dich ins Bett, schau meinetwegen irgendeinen Film an oder lies ein Buch. Ich hab wirklich noch zu tun.“ Damit beendete Malakh das Telefonat und steckte das Handy wieder in die Hosentasche. Na hoffentlich machte Abdiel keinen Stress, wenn er von der Herausforderung zum Dukrav erfuhr. Auf unnötigen Ärger konnte er wirklich gut verzichten und es reichte schon, wenn er wegen Samajim so einen dicken Hals hatte. Der würde noch dumm aus der Wäsche gucken. So lange Zeit hatte er hart trainiert und darauf hingearbeitet, seinen älteren Bruder eines Tages im Dukrav zu besiegen und zu beweisen, dass er der Bessere war. Dieses Mal würde es definitiv anders laufen, dessen war er sich sicher und dann würde er nicht nur seinen Bruder in die Knie zwingen und beweisen, dass der Kampf damals nichts als ein Riesenschwindel gewesen war. Nein, er würde ihm auch die Wahrheit vor Augen halten, dass diese Beziehung zu Nabi ein einziger Schwachsinn war, der nie und nimmer Zukunft haben würde. An so etwas wie aufrichtiger Liebe glaubte er nur dann, wenn er auch einen eindeutigen Beweis dafür hatte, vorher würde er sie nicht akzeptieren. Und er würde sich seinen Beweis schon holen. Und dazu war ihm jedes Mittel recht. Samajim wäre fast auf dem Sofa eingenickt, aber ein ungutes Gefühl hielt ihn dann doch wach. Irgendetwas stimmte nicht, dessen war er sich sicher und er machte sich so langsam Sorgen. Nabi hatte gesagt gehabt, er würde nicht allzu lange weg bleiben, aber inzwischen war schon eine Stunde vergangen und die Tatsache, dass er ein ungutes Gefühl hatte, verschlimmerte seine Sorge nur. Insbesondere wenn er daran dachte, dass sein Bruder sich in London aufhielt. Er wusste nur zu gut, was für eine Wut dieser auf ihn hatte und da war es leider nicht ganz auszuschließen, dass er Probleme machen könnte. Malakh war so einiges zuzutrauen und er wollte lieber kein Risiko eingehen. Nur um ganz sicherzugehen, wollte er Nabi kontaktieren und nachfragen, ob alles in Ordnung war. Da er mit Telefonen nicht sonderlich gut umgehen konnte, versuchte er es einfach über die mentale Verbindung, was ja sowieso viel schneller und unkomplizierter war. Doch merkwürdigerweise antwortete Nabi gar nicht. Seltsam… dabei antwortete er doch immer sofort und war auch sonst die Zuverlässigkeit in Person. Dass er nicht antwortete, konnte nur eines bedeuten: ihm war etwas passiert. Verdammt noch mal, warum hatte er ihn auch einfach gehen lassen? Mit Sicherheit hatte Malakh etwas damit zu tun, so wie er ihn einschätzte. Damit stand Samajim auf und wollte gehen und nach Nabi zu suchen, da klingelte plötzlich das Telefon. Eine unbekannte Nummer… wahrscheinlich sein Bruder. Also nahm Samajim das Telefonat an und fragte sogleich „Was hast du mit Nabi gemacht?“ „Oho, da klingt aber jemand sauer“, hörte er die Stimme seines jüngeren Bruders und ein höhnisches Lachen war zu hören. „Naja… ich hab ihn zufällig beim Spazierengehen getroffen und wir haben nett miteinander geplaudert. Einen wirklich süßen Diener hast du dir geangelt, Bruderherz. So loyal… so naiv und gutgläubig. Du hast wirklich Geschmack, mein Lieber. Das muss ich dir wirklich lassen.“ Samajim kochte innerlich, als er das hörte und er stand kurz davor, das Telefon in seiner Hand zu zerquetschen. „Du verdammter Bengel. Wenn du es wagst, ihm auch nur ein Haar zu krümmen, dann schwöre ich bei Ajin Gamur, dass du dafür bezahlen wirst. Dann nehme ich keine Rücksicht mehr darauf, dass du mein Bruder bist.“ „Als ob du das je getan hättest. Dir war doch nie jemand wirklich wichtig gewesen, nicht mal dein jüngerer Bruder und dabei sind wir Zwillinge! Und lass den Endgültigen da raus, das ist eine reine Geschwisterangelegenheit.“ „Was willst du? Sag schon!“ „Wenn du deinen geliebten Nabi retten willst, dann komm zum alten Schlachthaus in der Hampton Street. Nabi wird auch dort sein. Aber ich sag dir eines: wenn du irgendein krummes Ding versuchen solltest, dann werde ich noch ungemütlich. Und komm gefälligst allein, ansonsten garantiere ich für nichts mehr.“ „Ich schwöre dir: wenn ich dich in die Finger kriege, dann bist du dran.“ Doch es kam nur ein verächtliches Lachen zur Antwort und Samajim wusste, dass er seinen Bruder durch bloße Einschüchterung nicht wirklich in die Knie zwingen konnte. Zwar glaubte er nicht, dass Malakh wirklich so grausam wäre und Nabi foltern oder ihm etwas Schlimmes antun würde, aber er würde definitiv Ärger machen, so viel stand fest. Aber wozu das alles? So etwas passte doch normalerweise nicht zu Malakhs Vorgehensweise. Für gewöhnlich hielt er Unbeteiligte aus der ganzen Sache raus. Oder waren seine Rachegedanken etwa schon so stark geworden, dass er jetzt tatsächlich vorhatte, seinem Bruder den Mann wegzunehmen, den er über alles liebte? Zuerst überlegte er, ob es nicht vielleicht besser wäre, Ain und Elohim einzuweihen, aber er ließ es lieber. Diese Angelegenheit konnte er auch alleine klären und außerdem wollte er kein unnötiges Risiko eingehen. Malakh war ja nicht blöd und wenn dieser irgendetwas merkte, würde das nur Nabis Leben gefährden. Außerdem wollte er gerne wissen, was sich sein Bruder mit dieser Aktion versprach. Kapitel 22: Ein grausamer Test ------------------------------ Samajim erreichte nach wenigen Minuten Fahrt das alte Schlachthaus und spürte dort deutlich Nabis und Malakhs Präsenz. Kaum, dass er es betreten hatte, hörte er auch schon eine Stimme über Lautsprecher, die er eindeutig als die seines Bruders wiedererkannte. „Schön, dass du auftauchst und Wort gehalten hast, Bruderherz.“ „Wo ist Nabi?“ rief Samajim sofort und hatte sichtlich Mühe, ruhig zu bleiben. Es reichte schon, wenn Malakh ihm auf der Nase herumtanzen musste, da wollte er ihm diese Genugtuung ganz sicher nicht gönnen. Und innerlich kochte er sowieso schon genug, dass dieser Mistkerl sich erdreistet hatte, sich an Nabi zu vergreifen und ihn zu entführen. „Alles zu seiner Zeit“, ertönte es aus den Lautsprechern. „Wenn du zu ihm willst, musst du etwas dafür tun. Auf einem Tisch findest du ein Armband, das legst du dir an. Wenn du es nicht tust, dann töte ich Nabi auf der Stelle, bevor du überhaupt zu ihm gelangen kannst.“ Um bloß kein Risiko einzugehen, hielt Samajim es für besser, den Anweisungen seines Bruders Folge zu leisten. Immerhin war dieser gefährlich, obwohl er kräftemäßig unterlegen war. Dennoch zählte er immer noch zu den großen Alten und hätte er sich nicht vom Rat der Ältesten distanziert, dann wäre er zusammen mit Hajjim der drittstärkste Sefira gewesen. Und was ihm an strategischen Fähigkeiten mangelte, glich er problemlos durch seine Beharrlichkeit und eisernen Willen aus. Meist hatte Samajim ihn nicht wirklich für voll genommen, weil sein Bruder sich oft wie ein trotziger Teenager aufführte, aber es gab Momente, in denen er sehr wohl erkannte, wie gefährlich sein Bruder eigentlich war. Und dann war er auch äußerst vorsichtig, denn man konnte ja nie wissen, was Malakh vorhatte und im Schilde führte. Also beschloss Samajim, sich erst mal auf das Spiel einzulassen und suchte nach dem besagten Armband. Tatsächlich sah er es nicht weit entfernt da liegen. Es war ein ziemlich dickes klobiges Metallteil, welches sich mittels eines Schnappverschlusses schließen ließ. Er befestigte es an seinem linken Handgelenk und fragte dieses Mal deutlich ungehaltener „Und was jetzt? Spielst du jetzt irgend so eine bescheuerte Psychonummer mit mir?“ „Wart’s ab, mein Lieber. Du findest deinen heiß geliebten Nabi auf der anderen Seite der Tür. Nur keine Sorge, es fehlt ihm nichts. Noch nicht zumindest.“ Eine Tür öffnete sich und Samajim hing hindurch. Kaum, dass er über die Türschwelle getreten war, hörte er ein kurzes Piepsen an seinem Armband und daraufhin schloss sich die Tür. Er sah Nabi auf einem Stuhl sitzen, an welchem er mit Gurten fixiert worden war. Er war noch bewusstlos und trug ebenfalls ein Armband. Vor ihm stand ein Tisch mit einem Kelch, die haargenau gleich aussahen. „Nabi!“ Samajim eilte zu ihm hin und löste ihn von den Gurten, die ihn am Stuhl fixierten. So langsam kam sein Diener wieder zu sich und erleichtert darüber schloss er ihn in die Arme. „Geht es dir gut, Nabi? Hat er… hat er dir irgendetwas angetan?“ „Er hat mich nur bewusstlos geschlagen, mehr weiß ich nicht. Er sagte irgendwie was von einem Test, aber mehr auch nicht.“ Test? Na super, das hätte er sich ja gleich denken können. Sein verdammter Bruder musste mal wieder irgendeinen Schwachsinn fabrizieren, nur wegen dieser Geschwisterfehde und seinem verletzten Stolz. „Keine Sorge, Nabi. Ich werde das schon klären. Jetzt sehen wir erst mal zu, dass wir hier rauskommen und dann werde ich meinem Bruder höchstpersönlich die Leviten lesen, dass der nicht mehr weiß, wo oben und unten ist. Na komm.“ Damit half er seinem Bruder hoch und wollte gehen, doch da ertönte wieder eine Ansage aus den Lautsprechern. „Nicht so schnell“, rief Malakh und abrupt blieben sie stehen. „So einfach kommt ihr nicht raus. Hast du wirklich geglaubt, ich würde dich so schnell gehen lassen, Bruderherz? Da hast du dich aber gewaltig geschnitten. Denn ich bin noch nicht mit dir fertig. Das Armband, das ihr an euren Handgelenken trägt, ist eine Erfindung, welche ähnlich wie eine Fußfessel funktioniert. Sobald ihr die Tür passiert habt und das Gebäude verlasst, wird durch eure Venen ein Gift injiziert. Es wird übrigens auch sehr gerne von den Head Huntern eingesetzt, um gefährliche Individuen zu töten, ohne großartig kämpfen zu müssen. Das heißt: wenn ihr rausgeht, seid ihr tot. Eure einzige Chance ist, einen kleinen Test zu absolvieren. Auf dem Tisch findet ihr einen Kelch. In diesem befindet sich das gleiche Gift wie in eurer Handfessel. Einer von euch muss es restlos austrinken. Auf dem Boden des Kelches findet ihr den Schlüssel, der die Fessel lösen lässt, ohne die Giftfalle zu aktivieren. Aber wenn ihr es wagen solltet, gegen die Regel zu verstoßen und das Gift wegzuschütten, dann werde ich die Fessel aktivieren und so werdet ihr beide sterben. Dasselbe gilt auch, wenn ihr versuchen solltet, sie mit Gewalt zu entfernen oder Hilfe zu holen.“ „Du falsche Schlange“, rief Samajim wütend und schlug mit der Faust auf den Tisch. „Wenn du dich an mir rächen willst, dann bitte. Aber lass Nabi da raus. Er kann rein gar nichts dafür.“ „Du verstehst das falsch“, erklärte Malakh ruhig. „Es ist alles rein geschäftlich. Wer von euch beiden ist bereit, für den anderen zu sterben? Entscheidet selbst. Ihr habt zehn Minuten Zeit, dann wird sich die Fessel aktivieren und ihr sterbt beide.“ Damit war das Gespräch beendet und Samajim und Nabi waren nun auf sich allein gestellt. Samajim sank beinahe kraftlos nieder und hielt den Blick gesenkt. Er konnte nicht glauben, dass sie seinetwegen in so eine gefährliche Situation geraten waren. Seinetwegen war Nabi da reingezogen worden. „Nabi, es tut mir leid. Das alles wäre nicht passiert, wenn ich besser aufgepasst hätte.“ „Sagt das nicht, Meister. Wir finden schon einen Weg. Bis jetzt haben wir doch immer jedes Problem gelöst. Ich glaube nicht, dass Meister Elohim oder Ain wirklich zulassen würden, dass Euer Bruder solch schreckliche Dinge tut.“ Dein Glauben in Ehren, aber da kennst du meinen Bruder nicht, dachte Samajim nur und versuchte sich wieder zu sammeln. Er kann seine Spuren sehr gut verwischen und wenn er ernst macht, dann ist er wirklich gefährlich. Mit Sicherheit blufft er nicht. Ich muss mir irgendetwas einfallen lassen, um Nabi zu beschützen. Also begann er nachzudenken. Er grübelte angestrengt nach und ging alle Möglichkeiten durch. Nabi selbst brachte gerade nicht wirklich die Konzentration dafür auf, denn ihn beschäftigte eine Sache. „Es ist meine Schuld, dass es so gekommen ist“, murmelte er niedergeschlagen und setzte sich auf den Stuhl. „Hätte ich diesem Test nicht zugestimmt, dann wäre es nicht so weit gekommen.“ Test… rein beruflich… Was wollte Malakh denn bitteschön testen? Samajim dachte nach und versuchte das Ganze irgendwie zu erklären. Wenn das wirklich ein Test sein sollte, dann… dann verfolgte Malakh eine bestimmte Absicht damit. „Nabi, was hat er zu dir gesagt, als ihr miteinander gesprochen habt?“ Der Schwarzhaarige blickte auf und antwortete nach kurzem Zögern „Er war der Meinung, dass Ihr mal wieder nur irgendwelche Spielchen spielt und Ihr nicht ehrlich seid.“ Verstehe, dachte Samajim und lehnte sich gegen den Tisch. Im Grunde hab ich es komplett selbst verschuldet. Weil ich immer meine Spielchen mit anderen spiele, war es doch nur eine Frage der Zeit, bis ich meinen Bruder damit auf den Plan rufe. Es ist seine Aufgabe, Dinge anzuzweifeln und deshalb die Leute auf die ultimative Probe zu stellen… und zu sehen, ob sie wirklich bereit sind, alles für denjenigen zu opfern, den sie lieben. Selbst wenn es das eigene Leben bedeutet. Das hier ist ein Test, um festzustellen, ob wir wirklich bereit sind, uns für denjenigen zu opfern, den wir lieben. Und so wie ich Nabi einschätze, wird er ohne zu zögern das Gift trinken, um mich zu retten. Auf jeden Fall muss ich ihn unbedingt davon abhalten. Aber was wird passieren, wenn ich das Gift trinke und Nabi überlebt? Wird Malakh ihn wirklich laufen lassen? Es gab in diesem Fall nur einen Weg, das herauszufinden. „Mala, wirst du den Überlebenden auch wirklich gehen lassen?“ „Ich schwöre es bei den großen Entitäten, dass ich mein Wort halten werde“, antwortete die Stimme aus den Lautsprechern. Samajim nickte bedächtig und wandte sich schließlich an Nabi und nahm seine Hand. „Egal was auch passieren wird, ich möchte, dass du eines weißt: ich wollte niemals, dass so etwas je passiert und es tut mir aufrichtig leid. Wäre ich vielleicht von Anfang an immer ehrlich zu dir geblieben und hätte dieses Spielchen nicht mit dir gespielt, dann wären wir vielleicht nicht in dieser Situation.“ Nabi hielt seine Hand fest und schüttelte den Kopf. „Es wird doch nichts bringen, wenn wir immer nur die Schuld bei uns suchen. Wir haben nur zehn Minuten Zeit und wenn wir uns überlegen wollen, wie wir hier rauskommen sollen, dann sollten wir dieses Gespräch besser auf später verschieben, okay? Bisher habt Ihr doch immer eine Lösung gefunden.“ Ja, das stimmt. Aber viele Möglichkeiten haben wir nicht. Wenn wir versuchen, Kontakt zu Ain und Elohim aufzunehmen, wird er uns töten. Dasselbe gilt auch, wenn wir versuchen, abzuhauen oder irgendeinen anderen Trick zu versuchen. Ich hab mich freiwillig in diese Falle gegeben, weil ich dachte, ich könnte Nabi da problemlos rausholen, aber so wie es aussieht, habe ich meinen Bruder da deutlich unterschätzt. In der Zeit, wo ich geglaubt hatte, er sei tot, hat er offenbar hart an seinen Fähigkeiten gearbeitet, um mich eines Tages in so eine Lage zu bringen. Ich hab ihn immer noch als diesen impulsiven und aufbrausenden Trotzkopf in Erinnerung, der nicht wirklich zum Strategen taugt. Und das ist mir jetzt eindeutig zum Verhängnis geworden. Ich muss jetzt ernsthaft nachdenken, was wir tun können. Fakt ist, dass wir hier so schnell wie möglich rauskommen müssen, bevor das Gift uns noch umbringen wird. Also welche Möglichkeiten bleiben uns? Tja, das sieht nicht wirklich gut für uns aus. Und wahrscheinlich wird keine andere Möglichkeit übrig bleiben, als Malas mieses Spiel zu spielen. Entweder ich sterbe… oder Nabi. „Tja, dann führt wohl kein Weg daran vorbei“, sagte Nabi schließlich und seine Hand wanderte zu dem Kelch. „Meister, es wäre besser, wenn ich das mache. Meister Elohim wird Euch brauchen und Euer Leben ist von größerer Wichtigkeit als meines.“ Doch sogleich ergriff Samajim sein Handgelenk und hinderte ihn daran, das Gift zu trinken. „Mach keinen Unsinn, Nabi. Ich werde ganz gewiss nicht zulassen, dass du einfach so dein Leben wegwirfst.“ „Lasst mich!“ rief Nabi und riss sich von ihm los. „Ich kann doch nicht einfach so herumsitzen und von Euch erwarten, dass Ihr das Gift trinkt. Es ist die Aufgabe eines Dieners, sich stets für das Wohl seines Herrn aufzuopfern und dessen Leben über sein eigenes zu stellen. Und… und…“ Hier brach Nabi in Tränen aus und er umarmte Samajim fest. „Ich könnte ohne Euch nicht weiterleben. Ihr habt mir damals das Leben gerettet und ward immer für mich da gewesen. Ihr habt mir erst einen Lebenssinn gegeben und auch wenn es nicht immer einfach war, so war ich dennoch sehr glücklich bei Euch. Ich liebe Euch und zwar mehr als mein eigenes Leben. Bitte, ich könnte es nicht ertragen, ohne Euch leben zu müssen.“ „Das weiß ich, Nabi“, sprach Samajim beruhigend. „Und deshalb tut es mir auch wirklich leid.“ „Meister?“ Ein Schlag in den Nacken folgte, der Nabi kurz das Bewusstsein raubte. Er sank zusammen und sogleich nahm Samajim den Kelch selbst in die Hand. Ein letztes Mal strich er Nabi sanft durchs Haar und fühlte wieder diese tiefe Schuld. Das alles hätte niemals passieren müssen, wenn er von Anfang an auf ihn aufgepasst hätte. Er hätte ahnen müssen, dass sein Bruder irgendetwas im Schilde führte und nicht so leichtsinnig an die Sache herangehen dürfen. Aber vor allem hätte er gar nicht erst zulassen dürfen, dass Nabi das Haus verließ. Dabei hatte er doch schon so ein mieses Gefühl gehabt, vor allem wenn er an den Vorfall mit Akrav zurückdachte. „Tut mir leid, Nabi. Aber… ich kann nicht zulassen, dass du wegen mir sterben musst. Ich habe versprochen, dass ich dich immer beschützen werde und auch niemals zulasse, dass dir etwas passiert. Und deshalb werde ich dir auch jetzt nicht erlauben, dass du an meiner Stelle das Gift trinkst. Wenn das Gift mich tatsächlich umbringt, dann hast du noch Nakash und der wird sich sicherlich gut um dich kümmern, wenn ich nicht mehr da sein sollte. Nabi, ich liebe dich und ich will, dass du lebst. Ich hoffe, du kannst mir eines Tages dafür verzeihen.“ Nabi, der nur ein geringes Maß an Bewusstsein behalten konnte, bekam das alles kaum mit, schien aber dennoch zu realisieren, was sein Herr vorhatte und streckte eine Hand nach ihm aus. Tränen sammelten sich in seinen Augen und er ergriff Samajims Ärmel. Seine türkisfarbenen Augen sahen unendlich verzweifelt aus und dieser entsetzte und zugleich flehende Blick hätte Samajim fast von diesem Entschluss abgehalten. Er wollte Nabi keinen Schmerz bereiten und er konnte auch nicht den Gedanken ertragen, dass sein Diener leiden würde. Aber Nabi würde vielleicht eines Tages einen Neuanfang machen können. Er könnte diesen tiefen Schmerz eines Tages vergessen und eine neue Liebe finden. Jemand, der ihn besser beschützen konnte und der ihn vielleicht auch besser behandelte. Jemand, der keine Spielchen mit ihm spielte, sondern immer ehrlich zu ihm war. „Samajim… bitte…“ Nabis Stimme zitterte und klang so unendlich verzweifelt. Es tat Samajim so unendlich in der Seele weh, ihn so zu sehen. „Bitte tu es nicht. Lass mich nicht allein.“ „Es wird alles gut werden, Nabi.“ Damit setzte Samajim den Kelch an seine Lippen und trank den Inhalt. Er schmeckte bitter und sein Körper rebellierte bereits dagegen. Aber er kämpfte dagegen an und trank ihn bis auf den letzten Tropfen aus. Als er den Schlüssel fand, der auf dem Boden des Kelches befestigt war, nahm er ihn heraus und begann damit Nabis Handfessel zu öffnen. Dabei merkte er aber schon, wie das Gift seine Wirkung tat. Er verlor langsam aber sicher die Kraft in seinen Händen und seine Finger fühlten sich taub an. Sein Körper wurde von einer Art schleichenden Lähmung befallen, die sich immer weiter ausbreitete und wahrscheinlich würde das Gift ihn in gut einer Minute getötet haben. Und bis dahin würde er sein Möglichstes versuchen, um ihn hier sicher rauszubringen und dafür zu sorgen, dass er es lebend hier raus schaffte. Er schaffte es mit Mühe, die Handfessel wieder zu öffnen und wollte Nabi zur Tür bringen, doch in dem Moment gaben seine Beine nach und er brach auf dem Boden zusammen und er er schaffte es auch nicht mehr, aufzustehen. Nabi, der sich von dem Schlag wieder einigermaßen erholt hatte, versuchte ihm wieder hochzuhelfen. „Meister, haltet bitte durch. Ich bringe Euch zu Ain und Meister Elohim. Die werden Euch sicher helfen können. Bitte, Ihr müsst versuchen, durchzuhalten! Ihr dürft nicht sterben.“ Es gelang dem Schwarzhaarigen, seinen Meister hochzuhieven und so schleppte er ihn zur Tür hin. „Bitte, haltet noch etwas durch. Wir werden einen Weg finden. Mit Sicherheit gibt es ein Gegenmittel. Bleibt bei mir.“ „Nabi… ich…“ Samajim schaffte es nicht, weiterzureden. Er fand einfach keine Kraft mehr dafür und so langsam aber sicher schwand auch sein Bewusstsein. Nabis verzweifelte Worte waren das Einzige, was ihm noch genügend Kraft gab, wach zu bleiben. Er wollte auch nicht so schnell aufgeben. Nein, er wollte so lange es ging kämpfen und durchhalten. Aber insgeheim wusste er schon längst, dass es sinnlos war. Das Gift lähmte seinen gesamten Körper und würde seine Seele zerstören. Es war die effektivste Methode, um einen Unvergänglichen zu töten. Auch Nabi erkannte es langsam und er wusste, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis sein Meister sterben würde. Also versuchte er, sich zu beeilen und sprach weiterhin mit ihm. „Samajim, bleib verdammt noch mal wach und stirb mir nicht weg. Du hast doch versprochen, für immer bei mir zu bleiben und mich nie allein zu lassen. Dafür hast du mir doch den Ring geschenkt. Als Zeichen dafür, dass wir für immer zusammenbleiben werden. Also komm mir nicht auf die Tour, einfach so zu sterben und dein Versprechen zu brechen.“ Seine Stimme bebte und unaufhörlich flossen Tränen seine blasse Wange hinunter. So leicht würde er seinen Meister nicht aufgeben. Er würde ihn nicht einfach so sterben lassen, sondern sein Leben retten. Doch dann sank Samajim endgültig zusammen und gab kein Lebenszeichen mehr von sich. „Samajim“, rief Nabi und drehte ihn sogleich auf den Rücken. Doch zu seinem Entsetzen wurde sein Puls immer schwächer und es steckte kaum noch Leben in ihm. „Samajim, bitte du darfst nicht sterben. Du kannst mich doch nicht alleine lassen!“ Nabi überlegte sich, was er tun konnte, um seinen Meister zu retten. Irgendetwas musste es doch geben, was er tun konnte. Er konnte doch nicht mit ansehen, wie der Mann, den er liebte, einfach so in seinen Armen starb. „Tragisch, tragisch, tragisch…“ Schritte ertönten und als Nabi aufsah, erkannte er, dass es Malakh war. Dieser sah mit einem kühlen Lächeln auf diese Szene und schien nicht sonderlich berührt zu sein. „Wie edel von deinem Meister, sich für dich zu opfern. Er muss dich wirklich aufrichtig geliebt haben, dass er so ein großes Opfer für dich bringt. Normalerweise ist ihm niemand wichtig genug, dass er so etwas tut.“ „Wie kannst du das nur mit deinem eigenen Bruder machen?“ „Es ist rein geschäftlich und da spielen familiäre Beziehungen keine Rolle. Ich kann Berufliches und Privates gut trennen. Ich wollte sehen, ob mein Bruder tatsächlich seinen eigenen Tod in Kauf nehmen würde, um dich zu retten. Und so wie es scheint, hat er es tatsächlich getan. Meinen herzlichsten Glückwunsch, Nabi.“ Nabi, der den leblosen Samajim im Arm hielt, kämpfte mit seiner Trauer und seiner Verzweiflung und Sturzbäche von Tränen flossen seine Wangen hinunter. Doch gleichzeitig wandelte sich diese Trauer und Verzweiflung in Wut um. Nachdem er seinen leblosen Herrn vorsichtig auf den Boden gelegt hatte, stand er auf und sah Malakh wutentbrannt an. „Du mieses Schwein hast Samajim umgebracht. Dafür wirst du büßen.“ Ohne zu zögern griff Nabi an und schlug zu. In dem Moment war es ihm auch völlig egal, ob er nur ein einfacher Sefira war und Malakh einer der großen Alten. Als solcher hatte er nicht die geringste Chance gegen ihn, aber das spielte für ihn keine Rolle. Er war einfach nur wütend und wollte nur noch Rache. Rache für den Tod seines Meisters und für den Tod jener Person, die er über alles geliebt hatte. Unbarmherzig schlug er zu, wandte seine ganze Kraft auf, aber jedem Schlag wich Malakh einfach aus und das sogar problemlos. „Was regst du dich so auf? Du bist jetzt frei und bist kein Diener mehr. Irgendwo findest du einen neuen, der dich so liebt. Das Leben geht weiter.“ „Hör auf damit!“ rief Nabi und versuchte ihm einen Schlag ins Gesicht zu verpassen, doch Malakh fing diesen mühelos ab, verdrehte seinen Arm und verpasste ihm einen Schlag in die Seite. Dieser war nicht ohne, aber Nabi wollte trotzdem nicht aufgeben. „Hör auf so zu tun, als könnte irgendjemand einfach so Samajim ersetzen. Ich will nur ihn und niemand anderen sonst. Ich liebe ihn und ich werde ihn ganz sicher nicht durch irgendjemanden ersetzen.“ Wieder griff Nabi an und setzte eine Druckwelle frei, mit der er Malakh von den Füßen riss. Doch dieser kam sofort wieder auf die Beine, dann schnellte er nach vorne und schlug Nabi in die Magengrube und sein Schlag war so verheerend, dass er seinen Gegner sofort außer Gefecht setzte. Ein zufriedenes Lächeln spielte sich auf seine Lippen und das Letzte, was Nabi hörte, bevor die Welt endgültig um ihn herum in eine tiefe Schwärze versank, war „Gut. Das war alles, was ich hören wollte.“ Kapitel 23: Das Erwachen ------------------------ Das Erste, was er wahrnahm, war ein gemütliches Bett und der vertraute Nikotingeruch, der schon seit Jahren im Haus lastete. Merkwürdig… war das alles etwa nur ein Traum gewesen? Etwas benommen stand er auf und sah auf seine Hände. Zuerst fühlte sich sein Kopf noch ein wenig schwer an und tat ihm auch weh, aber ansonsten ging es ihm gut. Aber… war er denn nicht gestorben? Er hatte doch das Gift getrunken, um Nabis Leben zu retten. „Ach, du wachst auch endlich mal auf, Bruder?“ Als Samajim aufsah, erkannte er ein wenig verschwommen seinen Bruder Malakh, der mit verschränkten Armen am Türrahmen gelehnt stand. „Pennst seelenruhig vor dich hin und lässt mich einfach warten. Mal wieder so was von typisch für dich.“ „Wo ist Nabi und was spielst du für ein Spielchen?“ „Immer mit der Ruhe“, rief der Sefira mit den lavendelfarbenen Augen und hob beschwichtigend die Hände. „Er liegt im Bett und schläft. Nach der ganzen Aufregung hat er das gut gebrauchen können. Ihm fehlt also nichts, genauso wenig wie dir. Das Gift war in Wirklichkeit nur ein kleines Mittel, was einen Scheintod herbeiführt und von den Head Huntern bevorzugt eingesetzt wird, um ihre Zielpersonen zu überwältigen.“ „Dann war das alles ein Bluff gewesen?“ „Kann man so sagen“, bestätigte Malakh und ein verschlagenes Grinsen spielte sich auf seine Lippen. „Wie gesagt: dieser Test war rein beruflich und hat nichts mit unserem Streit zu tun. Ich wollte eure Beziehung auf die Probe stellen um zu sehen, ob ihr wirklich bedingungslos treu und ehrlich zueinander seid und auch bereit seid, das größte Opfer für euren Partner zu bringen. Das ist mein Job als Ankläger: die Ehrlichkeit in Frage zu stellen und zu prüfen. Meine Methoden mögen zwar etwas zweifelhaft sein, aber sie sind zu 100% erfolgreich, weil sich Menschen und Unvergängliche in einer Sache gleich sind: sobald sie in eine Extremsituation geraten und mit dem Tod konfrontiert werden, kommt ihr wahres Ich zum Vorschein. Da haben sie gar nicht mehr den Willen dazu, ihre Fassade aufrechtzuerhalten und nicht selten gehen daran die Beziehungen zu Bruch. Aber ihr beide seid bis zum Schluss ehrlich und treu geblieben. Du warst bereit, dein Leben für Nabi zu opfern und Nabi hat mich sogar angegriffen, weil er zu dir gehalten hat. Selbst nach deinem vermeintlichen Tod. Und da ich die Befürchtung hatte, dass der Ärmste noch zusammenbrechen würde, hab ich ihn erst mal schlafen geschickt und euch beide zurück ins Haus gebracht. Wie gesagt: ich bin ein Feind im Frieden und im Kampf, weil ich die grausamsten Prüfungen stelle, um die Liebe und Treue anderer auf die Probe zu stellen. Viele Beziehungen halten meiner Prüfung nicht stand, genauso wenig die die Loyalität anderer. Aber jene, die erfolgreich bestehen, die sind von Grund auf ehrlich und halten für die Ewigkeit. Meine Todesprüfung kann Paare zerstören oder noch enger zusammenschweißen. Das hängt ganz von ihrem Willen ab. Meinen herzlichsten Glückwunsch: ihr gehört zu den wenigen, die standhaft und aufrichtig geblieben sind. Mag sein, dass ihr mich dafür hasst, aber ich tu nur meinen Job. Mit unserem Streit hatte das rein gar nichts zu tun.“ Beinahe schon erleichtert atmete Samajim auf und auch wenn er eine Stinkwut deswegen auf seinen Bruder hatte, so war er dennoch unendlich froh, dass das alles nur ein Riesenbluff gewesen war. Er ging zu Nabi ins Zimmer und sah schon, dass sein Diener bereits aufwachte. „Nabi?“ Etwas benommen blinzelte der Schwarzhaarige mit den türkisfarbenen Augen und brauchte erst einmal einen Moment, um wieder zu klarem Verstand zu kommen. Als er dann aber Samajim sah, kehrten die Lebensgeister wieder in ihn zurück und er konnte seine Freude kaum in Grenzen halten. „Meister!“ rief er überglücklich und umarmte ihn. Er konnte nicht glauben, dass das wirklich geschah und dass es kein Traum war. Er hatte doch gesehen, dass Samajim durch das Gift gestorben war und nun lebte er wieder. „Ich… ich kann es nicht glauben. Wie… wie kann das sein?“ „Das Gift war nicht tödlich gewesen“, erklärte der ältere Sefira und erwiderte diese innige Umarmung. „Es war alles nur ein Bluff meines Bruders gewesen und mehr nicht.“ Erleichtert atmete Nabi auf und konnte sein Glück gar nicht fassen. Samajim war am Leben und es ging ihm gut. „Ich hab solche Ängste ausgestanden, dass ich Euch verlieren könnte“, brachte Nabi mit beinahe zitternder Stimme hervor und klammerte sich regelrecht an ihn. „Bitte macht so etwas nie wieder, ja?“ „So schnell nicht“, versicherte Samajim und küsste ihn. Schließlich gingen sie in die Küche, um sich bei einem Kaffee zu stärken. Malakh gesellte sich wie selbstverständlich dazu und beschwerte sich zuerst über die schlechte Bewirtung, bis Samajim kühl von der Seite bemerkte „Du bist kein Gast, du bist ein Störfaktor.“ „War ja klar, dass der Spruch von dir kommen musste. Und um es klar zu sagen: nur weil du gerade mal 5 Minuten älter bist als ich, musst du dich noch lange nicht so aufspielen.“ Nur 5 Minuten? Nabi sah abwechselnd zu den beiden und konnte nicht wirklich glauben, dass die beiden fast gleich alt waren. Rein äußerlich lagen Jahre zwischen den beiden, selbst vom Charakter her. Und zwischen den beiden schien ein ähnlicher Konflikt zu herrschen wie bei Liam und Eva. Na ob das gut ging? „Was suchst du eigentlich noch hier?“ fragte Samajim kühl und trank seinen Kaffee, ohne seinen Bruder auch nur anzusehen. Doch diesen störte das recht wenig. „Na was wohl? Einer musste ja da bleiben, bis ihr endlich aufwacht und außerdem steht da noch der Dukrav im Raum. Ich werde dich in Grund und Boden stampfen und dir zeigen, dass ich besser bin als du.“ „Sicher bist du das…“ „Hör auf, dich ständig über mich lustig zu machen!“ „Wieso nicht? Du lieferst mir ja immer genug Gründe. Werde erst mal erwachsen, bevor du so große Töne spuckst.“ „Na warte, du mieser…“ Doch da stand Nabi auf und ging sofort dazwischen. „Jetzt reicht es aber endgültig. Könnt ihr euch nicht ein Mal vertragen? Meister, könnt Ihr nicht endlich damit aufhören, Euren Bruder zu provozieren? Reicht es nicht schon, dass wir diesen Test machen mussten? Echt, Ihr seid aber auch wirklich der größte Dickschädel, der mir je untergekommen ist. Die ganze Zeit predigt Ihr davon, dass Eva und Liam sich endlich vertragen sollten, aber selbst seid Ihr keinen Deut besser. Vertragt euch beide endlich oder streitet euch woanders. Ich hab keine Lust darauf. Der Stress letzte Nacht war schon genug.“ Damit stand Nabi auf und ging. Samajim sah ihm ein wenig perplex hinterher. „Wo… wo gehst du hin?“ „Laban vom Tierarzt abholen und im Anschluss noch Einkäufe fürs Mittagessen erledigen. Ihr vertragt Euch bis dahin mit Eurem Bruder und lasst mir das Haus und vor allem die Dächer heil. Sonst könnt Ihr die nächsten Nächte alleine schlafen.“ Damit ging Nabi, schnappte sich seine Jacke und knallte die Tür hinter sich zu. Malakh hob erstaunt die Augenbrauen und konnte sich ein amüsiertes Grinsen nicht verkneifen. „Dass du dich mal so herumkommandieren lässt und dann noch von deinem eigenen Diener. Meine Güte… ist das peinlich.“ „Lach du nur“, gab Samajim grummelnd zurück und seine Miene verfinsterte sich. „Sag mal, wie hast du damals überhaupt überlebt? Erklär mir das mal.“ „Ganz einfach: mein Diener Abdiel hat mich gerettet.“ „Seit wann hast du einen Diener?“ „Glaubst du etwa allen Ernstes, du bist der Einzige, der sich einen Diener halten kann? Abdiel war früher Miswas Diener, aber weil sie ihn nicht sonderlich leiden konnte, hat sie ihm irgendetwas untergeschoben und ihn dann zum Tode verurteilt. Ich hab ihn in meine Dienste aufgenommen und ihr eine angemessene Entschädigung gezahlt für den ganzen Aufwand. Seitdem steht er mir treu zur Seite.“ Aha, na das sind ja Neuigkeiten, dachte sich Samajim, zeigte sich aber nicht sonderlich interessiert. „Wenn du nicht in die Menschenwelt abgetaucht wärst, dann wüsstest du, dass ich noch lebe. Aber das interessiert dich ja eh nicht besonders. Du hast dich doch nur für dich selbst und für deine Freunde interessiert. Selbst für deinen Diener interessierst du dich mehr.“ Nun sah Samajim ihn direkt an. Das waren ja ganz neue Töne von seinem Bruder. War das etwa der Grund für Malakhs Verhalten? Hatte Nabi Recht gehabt und dieser ganze Unsinn war nur deshalb, weil sein kleiner Bruder sich irgendwie mehr Aufmerksamkeit von ihm wünschte? „Was genau erwartest du von mir?“ „Gar nichts“, erklärte Malakh trocken. „Ich hab es schon vor langer Zeit aufgegeben, so etwas wie Zuneigung oder Anerkennung von dir zu bekommen. Dass wir verschieden sind, ist nicht von der Hand zu weisen. Du kommst mit meinem Charakter genauso wenig klar wie ich mit deinem. Aber alles, was du tun kannst ist, dich über mich lustig zu machen, mich zu ignorieren oder mich anderweitig abzuservieren. Selbst mein vermeintlicher Tod hat dich doch nicht die Spur interessiert.“ „Das ist nicht wahr“, sagte Samajim nun und stellte seine Tasse ab. „Dein Tod hat mich sehr geschockt und es hat mir auch wehgetan. Trotz all unserer Streitigkeiten bist du immer noch mein Bruder und auch wenn du mir mit deinem kindischen Verhalten auf die Nerven gehst, ist es nicht so, dass du mir völlig egal bist.“ „Pah, etwas anderes hast du mir aber nie gezeigt.“ „Aber nur, weil du dich immer wie ein unreifer Rotzbengel aufführen musst. Das regt mich nun mal auf und nervt.“ „Negative Aufmerksamkeit ist doch immer noch besser als gar keine. Lieber streite ich mich nur mit dir, als ständig von dir ignoriert oder wie Luft behandelt zu werden. Bei anderen hast du immer die passende Antwort und die beste Lösung. Aber bei uns beiden versagst du auf ganzer Linie. Und weil ich dachte, ich wäre dir sowieso egal, habe ich dich auch gar nicht aufgesucht und dir Bescheid gegeben, dass ich lebe. Stattdessen habe ich hart trainiert und bin meiner wahren Berufung nachgegangen. Aber als ich dann meine Liste der zu überprüfenden Paare kontrollierte, da sah ich auch deinen Namen und dann auch noch direkt daneben deinen eigenen Diener. Also bin ich losgegangen und hab euch geprüft. Ich hatte ja insgeheim gehofft gehabt, du wärst wenigstens erstaunt, dass ich lebe, aber selbst da bist du noch derselbe eiskalte Mistkerl geblieben wie sonst auch immer.“ „Mala…“ „Nein! Du brauchst mir jetzt auch nicht damit anzukommen. Ich hab es akzeptiert, dass ich dir als Bruder vollkommen unwichtig bin und nicht mal als Schachfigur für deine kranken Spielchen tauge.“ Damit stand Malakh auf und wollte gehen, doch da hielt Samajim ihn am Kragen zurück. Sofort schlug der Sefira mit den lavendelfarbenen Augen seine Hand weg und sah ihn wutentbrannt an. „Lass mich, ich hab genug! Das Einzige, was ich noch will, ist die Revanche für damals. Und jetzt brauchst du mir auch nicht mehr ankommen. Wir sehen uns heute um Punkt 13 Uhr auf dem Kirchengelände zum Dukrav-Match! Und wehe, du kommst zu spät.“ Damit ging auch Malakh und so war Samajim vorerst allein. Er ging in sein Arbeitszimmer und holte aus der alten Truhe, die er mit mehreren Schlössern gesichert hatte, sein Schwert hervor. Wie lange war es her, seit er es zuletzt in Gebrauch hatte? Das letzte Mal war es während des Krieges gewesen. Danach hatte er es nie wieder verwendet, weil er es nicht gebraucht hatte. Genauso wie damals besaß es eine matte Klinge, in der sich rein gar nichts spiegelte. Sie besaß goldene Verzierungen und er wusste, dass diese undurchsichtige Oberfläche daher kam, weil er selbst undurchsichtig vom Charakter her war. Eine Sefirawaffe spiegelte genau das Herz ihres Besitzers wieder. Fast alle hatten ein Schwert, selbst die Entitäten. Es gab aber Ausnahmen. So war Miswas Waffe eine doppelköpfige Streitaxt, Rakshasa führte eine Nagelkeule und Ajin Gamur führte eine Todessense. Und Malakh benutzte zwei Kingentonfas, da er jemand war, der mit vollem Körpereinsatz kämpfte und nicht für den normalen Schwertkampf zu gewinnen war. Wenn Samajim so an damals zurückdachte, als Malakh gegen ihn gekämpft hatte…. Wie verbissen er gewesen war und wie viel Energie in diesen Kampf investiert hatte, nur um seinen älteren Bruder zu besiegen. Damals hatte er wirklich geglaubt gehabt, Malakh wollte ihn umbringen und deshalb hatte er sich auch emotional komplett von ihm distanziert: weil er dachte, sein jüngerer Bruder wäre nicht anders als die anderen großen Alten, denen ihr Rang wichtiger war als das Leben anderer. Aber anscheinend hatte er das völlig falsch verstanden. Malakh wollte gar nicht versuchen, ihn umzubringen, um seinen Rang einzunehmen. Es ging ihm in erster Linie um Anerkennung und um die Zuwendung seines älteren Bruders. Offenbar hatte Nabi Recht gehabt mit seiner Vermutung. „Ich bin aber auch ein alter Esel“, murmelte Samajim und fuhr sich durch sein goldblondes Haar. Die ganze Zeit war mit seinem Bruder komplett auf dem Holzweg gewesen und dabei war er davon ausgegangen, dass Malakh nichts als Hass und Verachtung für ihn übrig hatte und dass diese ewigen Kämpfe nur ein Versuch waren, seinen großen Bruder zu töten. Dabei wollte er offenbar nur wahrgenommen und beachtet werden. Ganz egal ob auf einer positiven oder einer negativen Art und Weise. Wie ein kleiner Junge, der von seinen Eltern Zuwendung wollte. Und die ganze Zeit hatte er das völlig falsch interpretiert und seinem Bruder Unrecht getan. Im Grunde war Malakh nicht wie Miswa, Kabod oder Rakshasa. Zwar war er temperamentvoll und impulsiv, aber er machte keinen Unterschied zwischen den Einzelnen. Er prüfte sie genauso streng wie die Seraphim und die untergeordneten Sefirot. Selbst seinen eigenen Bruder. Fest stand nun jedenfalls, dass er die Sache unbedingt wieder geradebiegen musste. Ansonsten würde ihm das noch ewig nachhängen. Wenig später kam Nabi wieder zurück und rief „Bin wieder da!“, woraufhin er ins Wohnzimmer kam und eine Katzenbox abstellte. Samajim kam sofort und wollte sich das kleine Kätzchen natürlich sofort ansehen, welches Nabi während des Gewitters gefunden hatte. „Na, wo ist denn der Kleine?“ Nabi holte das kleine Fellknäuel heraus, welches sie beide mit großen blauen Augen ansah und ein leises, fast schon piepsendes Miauen von sich gab. In dem Moment war es um Samajim geschehen. Er war hellauf begeistert und nahm das kleine Kätzchen sofort in den Arm und rief „Ach ist der süß! Den müssen wir auf jeden Fall behalten.“ „Ja, er ist wirklich ein kleiner Engel. Sagt mal Meister, wann ist denn Euer Kampf?“ „Um 13 Uhr.“ „Das ist in einer Stunde! Und Ihr sagt mir nicht mal Bescheid, damit ich mich beeilen kann, um wenigstens vorher Essen zu kochen. Okay, jetzt müssen wir uns beeilen. Also, Ihr passt bitte auf Laban auf und ich mach uns eben gebratene Nudeln mit Gemüse. Besser Ihr esst was Leichtes, damit Ihr auch in Form seid. Meine Güte, nichts als Arbeit hat man mit Euch…“ Damit eilte Nabi in die Küche, während Samajim sich ein bisschen mit dem kleinen Laban beschäftigte, der noch nicht einmal das Laufen richtig beherrschte. „Hat Ba’al noch irgendetwas zu dem Kleinen gesagt?“ rief er zur Küche rüber, in welche Nabi verschwunden war. Dieser antwortete von dort aus „Ja und zwar, dass der Kleine nicht mal entwöhnt war, als er ausgesetzt wurde. Normalerweise geschieht das erst ab der fünften Woche. Er vermutet, dass die Mutter den Kleinen verstoßen hat und sich keiner die Mühe machen wollte, ihn zu pflegen und er deshalb ausgesetzt wurde. Die nächsten zwei Wochen wird er also noch mit der Flasche aufgezogen, danach wird er an feste Nahrung gewöhnt.“ „Schon verrückt. Als hätten wir irgendwie ein Kind gekriegt oder so…“ Laban gab ein kurzes Gähnen von sich und rollte sich auf Samajims Schoß zusammen, um ein wenig zu schlafen. Zärtlich streichelte der Sefira sein kleines Köpfchen und musste schmunzeln bei diesem süßen Anblick. Er war noch nie der Fan von Babys oder Tieren gewesen. Insbesondere Tauben und Menschenbabys hasste er wie die Pest, aber dieses kleine Kätzchen hatte es ihm einfach angetan. Und in dem Moment musste er sich an damals erinnern, als er Nabi in seine Dienste aufgenommen hatte. Damals war er auch wie ein verängstigtes kleines Kätzchen gewesen. „Eines Tages wirst du groß und stark sein und diese lästigen Flugratten für uns verscheuchen, nicht wahr?“ Laban war inzwischen eingeschlafen und bekam nicht mit, was Samajim da sprach. Es dauerte nicht lange, als es an der Tür klingelte und Samajim hinging, um zu öffnen. Vorher legte er das schlafende Kätzchen vorsichtig auf ein Kissen. An der Tür wartete Ain, die wie immer bester Laune war und ihn herzlich mit einer Umarmung grüßte. „Hey, wie geht’s denn so? Ich hab gehört, Malakh hat dich einem seiner gefürchteten Tests unterzogen.“ „Ja, aber ich hab’s überlebt, Nabi genauso. Allerdings muss ich wirklich zugeben, dass mein Bruder ein ziemlich guter Schauspieler ist und sein Handwerk versteht.“ „Das stimmt wohl. Darin hat er wirklich größtes Talent. Aber… deswegen hast du mich ja nicht herbestellt, oder? Ich soll für euch Schiedsrichterin beim Dukrav sein, nicht wahr?“ „Ganz genau“, bestätigte Samajim. „Er will Revanche für seine Niederlage von damals und so wie es aussieht, gibt es da noch einige andere Dinge, die zwischen uns schief gelaufen sind.“ „Möchtest du mir davon erzählen?“ Schließlich aber rief Nabi zum Essen und so gingen sie in die Küche und saßen zu dritt zusammen und Samajim erzählte von dem Test und von den Missverständnissen mit seinem Bruder. Ain hörte aufmerksam zu, lobte mit großer Begeisterung Nabis Kochkunst und meinte dann schließlich „Nun ja, Geschwisterkonflikte bleiben nicht aus, wenn man sowieso verschieden ist. Da kommt es schnell zu gewissen Spannungen. Malakh ist eifersüchtig auf deinen Erfolg und fühlt sich nicht genug beachtet von dir. Und da er sich nicht anders zu helfen weiß, verhält er sich rebellisch und aggressiv. Das ist verständlich, aber auch keine Lösung. Weißt du, ich denke, dass es euch beiden sehr helfen wird, wenn ihr euch endlich aussprecht. Wenn du ihn besiegt hast und er nicht mehr genug Energie übrig hat, um sauer zu sein, dann wäre das der beste Zeitpunkt für eine Aussprache. Ich glaube, die wird mehr als nötig sein, damit sich euer Verhältnis zueinander bessert.“ Dem konnte Nabi nur zustimmen. Doch er machte sich Sorgen, was den Kampf betraf. Fakt war, dass Malakh stark war und selbst Samajim hatte zugeben müssen, dass sein Bruder kein kindischer Schwächling war. Da durfte er sich solche Irrtümer nicht so einfach erlauben und den Fehler machen, Malakh zu unterschätzen. Nabi versuchte sich die Einzelheiten ins Gedächtnis zu rufen und mittels seiner Fähigkeiten Malakhs Schwachstelle herauszufinden. Zwar setzte er seine Fähigkeit sehr ungern ein, aber in dem Fall musste er es einfach wissen, ansonsten würde er keine Ruhe haben. Also, was sagten ihm seine Analysefähigkeiten? Malakh war ein starker Nahkämpfer, der statt einem Schwert Klingentonfas verwendete. Seine Arm- und Beinarbeit war sehr gut, allerdings hatte er durch seine Waffen nicht die Möglichkeit, einen Sturz mit den Händen abzufangen oder sich vernünftig festzuhalten. Also war das Risiko groß, dass er stürzen könnte. Sein Schwachpunkt war der Brustkorbbereich, da er an dieser Stelle manchmal nicht schnell genug regieren konnte und etwas spät den Angriff registrierte. Seinen Rücken hingegen schützte er fast schon perfekt und hatte eine unglaublich schnelle Reaktionszeit. Dafür war er aufgrund seiner leichten Reizbarkeit wiederum verwundbarer, weil er dann schnell übermütig und dann unvorsichtig wurde. „Überprüfst du ihn gerade?“ fragte Samajim, der sofort erkennen konnte, ob sein Diener seine Fähigkeit einsetzte. Etwas schuldbewusst senkte der jüngere Sefira den Blick und nickte. „Ja… Es lässt mir irgendwie keine Ruhe.“ „Keine Sorge, ich werde diesen Kampf gewinnen. Ich kenne die Schwächen meines Bruders sehr gut. In der Hinsicht wird er sich niemals ändern.“ Na wenn Samajim meinte… Schließlich aber räusperte sich Ain kurz und wirkte nun etwas ernster als zuvor. „Wir sollten uns langsam auf den Weg machen. Es ist gleich 13 Uhr und dein Bruder wartet schon.“ Kapitel 24: Der Dukrav ---------------------- Als sie den Platz erreichten, wartete Malakh schon ungeduldig und sah aus, als könne er den Kampf kaum noch erwarten. Kaum, dass er seinen Bruder sah, verfinsterte sich sein Blick merklich und seine lavendelfarbenen Augen funkelten angriffslustig. „Na ausnahmsweise bist du pünktlich“, bemerkte er kühl und kam zu ihm hin. „Dieses Mal mache ich dich fertig, darauf kannst du dich verlassen!“ Samajim sagte nicht viel dazu, sondern blieb direkt vor ihm stehen. Nabi blieb etwas auf Abstand, da es gefährlich wäre, sich zu nah am Kampfgeschehen zwischen zwei großen Alten aufzuhalten. Die Spannung in der Luft war förmlich zu spüren und Nabi wurde deutlich nervöser und zuckte erschrocken zusammen, als sich plötzlich eine Hand auf seine Schulter legte. Es war Nakash. „Mensch Nakash, hast du mich erschrocken! Was machst du denn hier?“ „Na ich hab gehört, dass Malakh dich und den Alten eine seiner Prüfungen unterzogen hat und da wollte ich nach dem Rechten sehen. Und außerdem wollte ich mir den Kampf nicht entgehen lassen.“ „Woher weißt du denn davon?“ „Ich hab meine Quellen. Und außerdem gibt es immer Krieg, wenn Malakh und Samajim sich gegenüberstehen. So wie die sich hassen, sind sie fast genauso schlimm wie Eva und ihr Bruder, bevor sie sich vertragen haben. Außerdem hab ich die Info von ihm.“ Damit verwies Nakash auf Elohim, der ebenfalls dazugekommen war, um sich das Kampfgeschehen anzusehen. „Es ist lange her, seit ich zuletzt einen Dukrav erlebt habe“, meinte dieser und wirkte ein wenig besorgt. „Heutzutage werden sie zum Glück kaum noch ausgetragen und das aus gutem Grund. Es gab immerhin unzählige Todesfälle dabei. Nicht zuletzt, weil die großen Alten kein Erbarmen mit ihren eigenen Geschwistern haben.“ „Meister Samajim ist anders. Er würde Malakh nichts Ernsthaftes antun“, wandte Nabi ein und schüttelte den Kopf. Trotzdem blieb Elohim besorgt. „Das schon, aber ihr kennt Malakh nicht gut genug. Der würde selbst dann nicht aufgeben, wenn er keine Arme mehr zum Kämpfen hat. Glaubt mir: ein Dukrav ist zwar fair, aber zählt trotzdem zu den grausamsten Spielen, die existieren. In Prozent ausgedrückt liegt die Todesrate bei knapp 92,543%“ Diese hohe Zahl ließ Nabi schwer schlucken. Er hätte nicht gedacht, dass es bei einem Dukrav so dermaßen blutig zugehen konnte. Aber andererseits… was war denn von den großen Alten auch anderes zu erwarten? Wenn Samajim gewinnen wollte, durfte er keine Rücksicht auf seinen kleinen Bruder nehmen und musste eben auch schwere Verletzungen riskieren, wenn dies der einzige Weg war, um das zu beenden. Ain, die als Schiedsrichterin fungierte, blieb bei den beiden Brüdern und erklärte die Regeln, was vor jedem Dukrav Vorschrift war. „Also gut, ihr beiden. Die Regeln sind ganz klar: es wird gekämpft, bis einer kampfunfähig ist, den Kampfplatz verlässt, aufgibt, stirbt oder wenn der Schiedsrichter den Kampf unterbricht. Es gibt nur eine einzige Runde und die Zeit wird nicht begrenzt. Ich als Schiedsrichterin werde fair und unparteiisch bleiben und die Einhaltung der Regeln beachten und gegebenenfalls einschreiten und den Kampf beenden. Der Einsatz ist klar. Für den Fall, dass Malakh der Ankläger gewinnen sollte, verliert Samajim seine Stellung und seinen Besitz. Was fordert der Herausgeforderte für den Fall, dass er gewinnen wird?“ „Dass wir vernünftig miteinander reden.“ „Gut“, sagte Ain und nickte. „Dann legt jetzt nun die Waffen offen, mit denen ihr kämpfen wollt. Den Regeln nach dürfen auch nur diese verwendet werden und ein Verstoß hat die sofortige Niederlage zur Folge. Ebenso ist es untersagt, seine Kräfte einzusetzen, um seine Wunden zurückzusetzen, anderweitig zu heilen oder seine Kraftreserven wiederherzustellen. Ein Verstoß hat die sofortige Niederlage zur Folge.“ Damit holte Samajim sein Schwert hervor, während Malakh seine beiden Klingen zeigte. Andere Waffen würden sie wohl nicht benutzen. Ain setzte nun die Erklärung der Regeln fort. „Des Weiteren ist es Außenstehenden verboten, in den Kampf einzuschreiten und keiner der Kämpfenden darf seinen Platz gegen einen Verbündeten eintauschen. Der Kampf ist beendet, wenn der ernannte Schiedsrichter es sagt. Habt ihr die Regeln verstanden?“ Ein einstimmiges „ja“ kam zur Antwort und so wies Ain die beiden an, sich die Hand zu reichen und einen fairen Kampf zu schwören. Beide folgten dieser Anweisung und entfernten sich dann ein paar Schritte voneinander. Ain stieß kurz mit dem Absatz ihres Schuhs auf dem Boden und eine weiße Linie begann sich um einen Teil des Platzes zu bilden, die den Kampfbereich eingrenzte. Er hatte ungefähr die Größe einer halben Sporthalle. „Auf mein Signal hin fangt ihr an.“ Damit entfernte sich Ain nun und trat hinter die weiße Linie. Die Luft war wie zum Zerreißen gespannt und eine lastende Stille herrschte. Jeder wollte anfangen und jeder war bereit, aufs Ganze zu gehen und keine Gnade walten zu lassen. Nabi war noch nie bei einem Dukrav dabei gewesen und hatte auch nie einen Machtkampf zwischen zwei großen Alten gesehen. Aber er hatte gehört, dass deren Kämpfe die brutalsten und grausamsten waren. Und nicht selten endete er mit Verstümmelungen, schwersten Verletzungen oder sogar mit dem Tod. Wie würde da wohl der Kampf zwischen den beiden Brüdern aussehen? So wie Malakh aussah, würde er jedenfalls kein Erbarmen mit seinem älteren Bruder haben. Und auch Samajim wollte ganz gewiss nicht verlieren. Malakh schnallte sich seine Waffen an die Unterarme und machte sich bereit zum Angriff. Auch Samajim war soweit und wartete auf das Signal. Er hielt sein Schwert fest in beiden Händen und wirkte fest entschlossen, genauso wie sein Bruder. So sahen die großen Alten also aus, wenn sie gegen ihresgleichen in einem Dukrav kämpften… Ain sah abwechselnd zu den beiden, um sicherzugehen, dass sie beide bereit waren, dann nickte sie und rief „Los!“ Und in dem Moment stürmte Malakh blitzschnell auf seinen älteren Bruder los und griff sofort an. Samajim blockte den Angriff und auch den nächsten ab und ging einen Schritt zurück. Es sah danach aus, als versuche Malakh systematisch, seinen Bruder aus dem Feld zu drängen und somit seine Niederlage herbeizuführen, doch da machte Samajim nicht mit. Er setzte kurzerhand eine Druckwelle frei, um Malakh quer übers Feld zu schleudern und ihn somit loszuwerden. Während sein jüngerer Bruder durch die Luft flog, setzte Samajim ihm nach. Von einer Sekunde auf die andere war er verschwunden und tauchte direkt hinter seinem jüngeren Bruder auf, um ihn von hinten während des Fluges zu treffen. Doch dieser reagierte sofort und blockte den Schwertangriff ab. Durch die Wucht des Aufpralls der beiden Klingen konnte er sich abstoßen und sich drehen, dann stieß er sich mit beiden Füßen auf Samajim ab, machte einen Satz zurück und landete auf beiden Füßen. Doch auch sein älterer Bruder fing sich und landete ebenfalls, als wäre nichts gewesen. „Du bist besser geworden“, bemerkte Samajim und kam wieder auf seinen Bruder zu. Malakh lächelte herablassend und erklärte „Ich habe auch hart trainiert, seit ich mich von meinen Verletzungen erholt habe. Das wird dir noch leid tun, dass du dich damals über mich lustig gemacht und mich niemals ernst genommen hast!“ Wieder setzte Malakh zum Angriff an und in seinen Augen war zu sehen, dass er seinen Bruder auf dem Boden liegen sehen wollte. Er war bereit, alles zu tun, um zu gewinnen und damit auch sein Ziel zu erreichen. So sah jemand aus, der jedes Opfer in Kauf nehmen würde, nur um sein Ziel zu erreichen und irgendwie erinnerte Nabi dieser Blick an Miswa oder Rakshasa. Das machte ihm schon Angst und da konnte er auch Elohims Sorge verstehen. Der Kampf wurde mit jeder Minute immer grausamer und man merkte auch, dass Samajim auch so langsam ernst machte. Etwas anderes wäre auch zu riskant, denn Malakh spielte wirklich sämtliche Trümpfe aus, nutzte jede nächstbeste Gelegenheit und griff immer wieder an, ohne auch nur ein einziges Mal zu unterbrechen und sich zu sammeln. Nabi hatte schon dank seiner Fähigkeiten vorher feststellen können, dass Malakh ein Ausdauerkämpfer war, der gut und gerne stundenlang so weiterkämpfen konnte, weil er sich seine Kräfte sehr gut einzuteilen wusste und eine enorme Körperbeherrschung hatte. Darauf zu warten, dass er bald schlapp machte, war also sinnlos. Und das wusste auch Samajim. Deshalb hielt er sich auch nicht sonderlich zurück und schaffte es auch sehr gut, seinen Bruder in Schach zu halten. Zwischendurch setzte er eine Druckwelle frei, wodurch sie wieder voneinander getrennt wurden, nur um dann wieder aufeinander loszugehen. Das Geräusch der aufeinanderprallenden Klingen klang vertraut in Nabis Ohren und erinnerte ihn an die Zeiten des Krieges, wo es genauso grausam zugegangen war. Er sah wie die Klingen tiefe Wunden in die Körper der beiden Brüder rissen und Blut floss. Trotzdem kämpften sie weiter und schienen sich an diesen Verletzungen nicht mal sonderlich zu stören. Selbst dann nicht, als Malakh seinem Bruder eine der Klingen in deine Schulter stieß. Samajim ignorierte den Schmerz einfach und kämpfte weiter. Einen so erbarmungslosen Kampf unter Brüdern hatte man selten gesehen und selbst Nakash verschlug es beim Anblick der Kämpfenden die Sprache. „Meine Fresse, die schenken sich aber auch gar nichts. Daran merkt man aber auch, dass sie zu den großen Alten zählen. Ob der Alte das wirklich durchhält? Der sieht aus, als würde er gleich schlapp machen.“ „Das ist Taktik“, erklärte Elohim, der mit verschränkten Armen den Kampf aufmerksam beobachtete. „Samajim zeichnet sich weniger durch seine Kampfkraft, sondern viel mehr durch strategisches Denken. Momentan studiert er noch den Kampfstil seines Bruders, treibt ihn langsam in die Enge und wird dann die nächste Gelegenheit nutzen, um ihn zu besiegen. Kräftemäßig sind beide Brüder vollkommen ausgeglichen, aber Malakh verfügt nicht über dieselben strategischen Fähigkeiten wie Samajim. Er ist nicht in der Lage, spontan während eines Kampfes eine neue Vorgehenswiese zu planen, um so den Sieg zu erzielen. Stattdessen plant er alles lange Zeit im Voraus für einen einzigen Moment, nämlich wenn er seine Tests durchzieht. Aber Samajim ist in der Lage, jederzeit seine Strategien zu ändern und neue Faktoren mit einzubeziehen. Genau das macht ihn besser als seinen Bruder und wird ihm auch den Sieg einbringen, so wie damals.“ „Dann… dann war Malakh schon damals so stark?“ Elohim nickte und erklärte „Von der Kraft und Ausdauer sind beide auf dem gleichen Level, aber Samajim ist der Clevere von beiden und nutzt das auch für sich aus. Malakh hingegen glaubt, er sei kräftemäßig unterlegen und trainiert eigentlich am falschen Ende. Denn mit Kraft allein wird er den Kampf nicht für sich entscheiden können. So viel steht auf jeden Fall fest.“ Trotzdem sah es irgendwie danach aus, als wäre Malakh dabei, den Kampf für sich zu entscheiden. Und auch wenn Nabi fest daran glaubte, dass Samajim es schaffen würde, seinen Bruder zu besiegen, so verfolgte ihn dennoch die Angst, dass Malakh mit irgendeiner Strategie kommen würde, mit der er seinen Bruder besiegen konnte. Dies würde bedeuten, dass Samajim alles verlieren würde, was ihm lieb war. Und Nabi wäre gezwungen, Malakh als seinen neuen Herrn zu akzeptieren und ihm bis zu seinem Tod zu dienen. Und das wollte er nicht. Er wollte Samajim nicht verlassen und er hatte auch ein Stück weit Angst davor, jemals irgendjemand anderem dienen zu müssen. Nakash bemerkte schnell, was seinen besten Freund beschäftigte und klopfte ihm auf die Schulter. „Jetzt mach dir mal nicht ins Hemd. Der Alte hat bisher noch nie einen Kampf verloren und allein schon, weil du Teil des Wetteinsatzes bist, wird er ganz sicher nicht verlieren. So verrückt, wie er nach dir ist, würde er es mit jedem aufnehmen, damit du bei ihm bleibst.“ „Trotzdem…“, murmelte Nabi. „Allein der Gedanke, dass ich irgendjemand anderem dienen müsste… vor allem einem der großen Alten, die ja eh schon so einen gewissen Ruf haben, gefällt mir nicht sonderlich.“ Dem konnte Nakash nicht widersprechen. Und wenn er ehrlich war, behagte auch ihm der Gedanke nicht so wirklich, das sein bester Freund schlimmstenfalls jemandem dienen musste, der genauso rücksichtslos mit seinen Dienern umging wie zum Beispiel Miswa. Von ihr wusste man, dass sie jeden ihrer Diener enthauptete, der einen Fehler machte oder den sie aus irgendeinem anderen Grund nicht leiden konnte. Nabi hatte mit Samajim den absoluten Glücksgriff gehabt, denn bei den großen Alten wäre er schon längst tot. Und Malakh wusste er auch nicht sonderlich einzuschätzen. Zwar hatte dieser ebenfalls einen Diener, aber von dem hatte man nicht viel gehört und deshalb ließ sich auch schlecht sagen, wie es bei ihm aussehen würde. Vor allem wenn man bedachte, wie grausam seine Prüfungen waren. Doch ganz überraschend sagte Elohim „Malakh mag zwar vom Charakter her ganz anders sein als Samajim und wegen seiner Berufung als Ankläger auch nicht sonderlich beliebt sein, aber er ist nicht so grausam, wie man vielleicht denken mag. Auch wenn er ein sehr ruppiges Verhalten an den Tag legt, achtet er die Sefirot und Seraphim. Wenn man ihn näher kennt und weiß, wie man mit ihm umzugehen hat, dann ist er eigentlich kein schlechter Kerl. Ain und ich haben erst vor kurzem sämtliche Diener aufgesucht und uns versichert, dass sie auch gut behandelt werden. Außerdem haben wir die Gesetze deutlich verschärft, um auch den Dienern mehr Rechte zu geben. Und ich kann euch versichern, dass Malakh seinen Diener sehr gut behandelt.“ Der Kampf setzte sich weiter fort und man merkte, dass bald der Endspurt kam. Knapp eine Stunde kämpften sie schon so und man merkte so langsam, wie die beiden so langsam aber sicher ins Schwitzen kamen. Dennoch ließ ihre Kraft und Schnelligkeit kein bisschen nach. So langsam fragte sich Nabi, wie lange der Kampf denn noch andauern würde, bis er von Elohim erfuhr, dass solche Kämpfe teilweise auch bis zu drei Tage andauerten, ohne dass auch nur eine Pause gemacht wurde. Deshalb war es auch für den Schiedsrichter ein ziemlich anstrengender Job, die ganze Zeit hochkonzentriert bei der Sache zu bleiben. Eine weitere Stunde verging und so langsam machten sich die Verletzungen bemerkbar. Samajim und Malakh wurden allmählich langsamer und der Blutverlust hinterließ bei beiden seine Spuren. Die beiden Brüder wussten, dass sie jetzt alles geben mussten, um es zu schaffen. Wieder prasselten die Klingen aufeinander und erbarmungslos griffen sich die beiden gegenseitig an. Und als Malakh einen Schlag von unten ausführen wollte, um seinen Bruder in die Beine zu treffen, da verpasste ihm dieser eine Kopfnuss, die sich gewaschen hatte, dann stieß er ihm sein Knie in den Brustkorb und schaffte es, seinen jüngeren Bruder wegzuschleudern. Malakh schaffte es zwar noch, seinen Sturz abzubremsen, doch da trat Samajim nach und warf ihn aus dem Kampffeld raus. Malakh stürzte zu Boden und damit hob Ain die Hand. „Der Kampf ist entschieden! Da Malakh das Feld verlassen hat, ist Samajim der Sieger.“ Nabi jubelte laut und eilte zu seinem Meister hin, um ihn in den Arm zu nehmen. Selten war er so erleichtert gewesen und war überglücklich, dass Samajim tatsächlich gewonnen hatte. Dieser sah schon mitgenommen aus. Er hatte diverse Schnittwunden erlitten, außerdem hatte Malakhs Klinge seine Schulter durchbohrt. Und es war nicht ohne, von einer Sefirawaffe verletzt zu werden. Davon erholte man sich nicht so schnell. Ain ging zu ihm hin und setzte seine und auch Malakhs Verletzungen zurück und sah die beiden abwechselnd an. „Ich denke, dass es Zeit wird, dass ihr euch mal aussprecht.“ Damit ging Samajim zu seinem Bruder hin und reichte ihm die Hand, um ihm hochzuhelfen. „Du hast wirklich gut gekämpft. Ich hatte schon wirklich die Befürchtung, ich würde verlieren. Gut gemacht, kleiner Bruder.“ Malakh zögerte noch, nahm dann aber seine Hand und kam wieder auf die Beine. Erst jetzt sah man auch, wie erschöpft er eigentlich war, aber zumindest schien er nicht mehr ganz so gereizt und streitlustig zu sein. „Weißt du Mala, ich dachte immer, du wärst wie die anderen, weil es dir so wichtig war, mich zu besiegen. Deshalb habe ich mich auch immer mehr und mehr emotional von dir distanziert, weil ich mit der Lebensweise der großen Alten nichts zu tun haben will. Ich war so sehr mit anderen Dingen beschäftigt, dass ich nicht erkannt habe, was wirklich zwischen uns beiden steht. Es tut mir leid, dass ich dich falsch eingeschätzt habe und nicht als großer Bruder für dich da war. Du bist ein großartiger Kämpfer und auch die Art, wie du deine Prüfung gestaltest, ist beeindruckend. Ehrlich gesagt habe ich tatsächlich gedacht, es würde um Leben und Tod gehen. Vielleicht finden wir ja die Chance, einen Neuanfang zu machen. Was meinst du?“ Malakh sah ihn mit seinen lavendelfarbenen Augen an und wirkte erst noch unsicher. Er war skeptisch, ob es sein Bruder auch wirklich ernst meinte, aber dann nickte er und sagte dann „Ich gebe ja auch zu, dass ich mich vielleicht etwas anders hätte verhalten sollen. Womöglich wäre alles anders gelaufen, wenn wir viel früher miteinander gesprochen hätten. Aber ich war einfach so wütend und verletzt, weil du dich anscheinend nicht mal für meinen Tod interessiert hast.“ „Glaub mir, dein Tod ist mir schon nahe gegangen. Aber wie gesagt: ich hab versucht, mich emotional von dir zu distanzieren, weil ich dachte, du wärst wie Miswa und die anderen. Ich lag falsch und dafür will ich mich entschuldigen.“ Malakh nickte und alle Zeichen standen auf Versöhnung der beiden Brüder. Ja es sah sogar nach einer Umarmung aus, doch da unterbrach ein lauter wütender Ruf die harmonische Atmosphäre. „MEISTER!!!“ Malakh zuckte bei diesen Worten zusammen und sah schon fast entsetzt aus. „Oh Fuck!“ murmelte er und schien sich schon fast wegducken zu wollen. „Ich wusste doch, dass ich was vergessen habe.“ Samajim und Nabi wandten sich um und sahen auch schon einen jungen Mann herbeistürmen, der direkt auf sie zueilte. Er lief an den beiden vorbei, holte aus und verpasste Malakh eine kräftige Kopfnuss. Der Mann hatte länger gewachsenes brünettes Haar und war vielleicht an die 1,83m groß und hatte etwas von einem Lehrer. Er baute sich direkt vor Malakh auf, der durch die Wucht der Kopfnuss zu Boden gesunken war und eine Hand auf die verletzte Stelle presste. „Ich hab die ganze Zeit nach Euch gesucht und mir Sorgen gemacht, Meister. Ihr seid einfach so abgehauen und ich versuche Euch schon die ganze Zeit anzurufen. Und was macht Ihr? Ihr müsst Euch mal wieder mit Eurem Bruder herumprügeln, anstatt mal in Betracht zu ziehen, dass man es vielleicht auch diplomatisch klären könnte. Das ist ja mal wieder so typisch für Euch. Ihr habt aber auch nur Blödsinn im Kopf!“ „Sorry Abdiel, ich hab es eben vergessen…“ Samajim konnte sich ein amüsiertes Grinsen kaum verkneifen und auch Nabi war sprachlos. Dafür, dass Malakh sich darüber lustig gemacht hatte, dass sich sein älterer Bruder von seinem Diener herumkommandieren ließ, schien er ja selbst so ziemlich unter der Fuchtel seines eigenen Dieners zu stehen. Anscheinend waren die beiden ungleichen Brüder doch nicht ganz so verschieden wie zuerst gedacht. Was die Wahl ihrer Diener betraf, schienen sie jedenfalls so einige Gemeinsamkeiten zu haben. Nabi und Nakash beobachteten zusammen mit Samajim und Elohim das Schauspiel, was sich ihnen bot und wie Malakh von seinem Diener zur Schnecke gemacht wurde. „Ich habe Euch extra gebeten, dass Ihr Euch meldet und was ist? Das Essen ist kalt, ich mach mir große Sorgen, dass Euch etwas passiert sein könnte und Ihr kloppt Euch stattdessen mit Eurem Bruder rum wie zwei Kleinkinder im Sandkasten, obwohl ich gesagt habe, was das für eine Schwachsinnsidee ist!“ Und damit setzte es eine weitere Kopfnuss. Malakh sagte nichts, aber man sah, wie seine Unterlippe zu zittern begann. Tränen sammelten sich in seinen Augen und… er begann tatsächlich zu weinen. Nun verstand Nabi Samajim, wieso dieser seinen Bruder nicht wirklich ernst nahm und von ihm sprach, als wäre dieser ein kleiner Junge. Im Moment sah Malakh auch aus wie ein kleiner Junge, der von seinen Eltern ausgeschimpft wurde. Schließlich zog Abdiel ihn wieder hoch und wandte sich an die anderen. Er verneigte sich tief. „Ich entschuldige mich zutiefst für meinen Herrn für diese Unannehmlichkeiten. Es wird auch nicht wieder vorkommen.“ Dann wandte er sich wieder an Malakh, der zwar versuchte, sich zusammenzureißen, aber das machte es nur noch schlimmer. Tränen kullerten seine Wangen hinunter und er sah dabei so böse drein, dass man ihn einfach nur für ein Kind halten konnte. „So und Ihr kommt mit nach Hause und zur Strafe gibt es heute kein Dessert!“ Damit ergriff er Malakhs Arm und zog ihn hinter sich her. Und dieser konnte immer noch nicht aufhören zu heulen. Nakash sah ihm nach und schmunzelte amüsiert. „Da fragt man sich doch wirklich, wer der Herr und wer der Diener bei den beiden ist. Für mich sehen die eher aus wie die überstrenge Mutti und der kleine sechsjährige Junge. Irgendwie tut mir der Kerl leid…“ „Mir nicht“, meinte Nabi, der den beiden hinterher sah und ebenfalls lächeln musste. Allerdings aus einem anderen Grund als Nakash. „Ich denke, er ist bei Abdiel gut aufgehoben. Und ich bin mir sicher, die beiden passen gut aufeinander auf.“ Kapitel 25: Ende gut, alles gut ------------------------------- Nach dem Kampf war Samajim erst mal völlig erschöpft gewesen, vor allem weil er schon so lange nicht mehr gekämpft hatte. Und dann auch noch ein Dukrav gegen seinen Bruder. Kaum, dass er sich auf die Couch gelegt und sich eine Zigarette angezündet hatte, war er auch schon eingeschlafen. Nabi deckte ihn daraufhin zu, drückte die Zigarette im Aschenbecher aus, bevor ein Unglück passieren konnte und bekam noch Besuch von Nakash, der sich das kleine gerettete Kätzchen ansehen wollte und auch schon mal ein paar Sachen mitgebracht hatte, da er selbst mal eine Katze gehabt hatte. „Na da hast du dir ja was Niedliches rausgesucht. Ich hatte vor knapp acht Jahren eine Ragdollkatze gehabt. Sie wurde von ihren Besitzern am Straßenrand ausgesetzt und war schwer krank und unterernährt. Aber wir waren ein Herz und eine Seele gewesen.“ „Und woran ist sie gestorben?“ fragte Nabi, während er gerade dabei war, den kleinen Laban zu füttern. Da dieser noch keine richtigen Milchzähne hatte, würde er noch die Flasche bekommen. „An Altersschwäche. Ich hatte sie gut neun Jahre gehabt und dafür, dass man sie zuerst einschläfern wollte, hat sie sich gut gehalten. Sie war eine sehr intelligente Katze und wusste auch, dass ich kein Mensch bin. Tiere merken so etwas sehr schnell und sie wissen auch, dass wir ihre Gefühle und Gedanken verstehen können. Amelie, so hieß meine Ragdoll, war eine Zeit lang schwer depressiv gewesen, weil ihre Besitzer sie einfach ausgesetzt hatten und sie nicht wusste, warum das passiert war. Aber sie hatte eine glückliche Zeit bei mir und ist auch glücklich gestorben. Besonders Katzen sind glücklich, wenn sich Unvergängliche um sie kümmern, weil diese sie ausnahmslos immer verstehen. Menschen sind da meist nicht wirklich dazu in der Lage und verstehen sie auch schnell falsch. Für eine Katze sehr ärgerlich. Aber ich denke, der kleine Laban wird es sehr gut bei dir haben. Was sagt denn eigentlich der Alte dazu?“ „Er hat ihn sofort ins Herz geschlossen. Vor allem kam er mit der Idee an, dass Laban ja die Ratten und Tauben jagen könnte, wenn er alt genug ist.“ „Ist doch super. Dann hört doch zumindest die Dachschießerei auf.“ „Ich will es hoffen. Ehrlich gesagt frage ich mich schon ernsthaft, wie oft ich das Dach eigentlich schon repariert habe.“ Sie unterhielten sich noch bis zum Abend, bis Nakash sich verabschiedete und ging. So war Nabi alleine mit Laban und seinem schlafenden Herrn. Nachdem er seinem kleinen Schützling einen gemütlichen Schlafplatz hergerichtet hatte, blieb er noch, bis Laban eingeschlafen war, dann legte auch er sich schlafen. Als er am nächsten Morgen aufwachte, bereitete er das Frühstück vor so wie immer und kümmerte sich um Laban, dann klingelte es auch schon an der Tür und zu seiner Überraschung stand Abdiel, Malakhs Diener vor ihm. „Entschuldige, aber ist Samajim der Alte zu sprechen?“ „Nein, mein Meister schläft noch. Aber komm doch rein. Ähm… Abdiel war dein Name, richtig?“ Der Brünette nickte und folgte Nabi in die Küche, wo ihm erst mal eine Tasse Kaffee serviert wurde. Nabi fragte nach, wieso Abdiel ihn sprechen wollte und dieser erklärte, dass er sich noch mal in aller Form dafür entschuldigen wollte, dass er seinem Meister die Idee mit dem Dukrav nicht hatte ausreden können. „Mein Meister arbeitet zwar gewissenhaft, aber er hört wirklich nie auf mich… selbst die dümmsten Ideen lässt er sich nicht ausreden.“ „Ja, das kenne ich auch“, gab Nabi zu und lachte. Da begann er ihm von Samajims Angewohnheit zu erzählen, was die Schießerei auf Tauben betraf, oder was die frechen Sticheleien nebenbei betrafen. Abdiel hörte ihm aufmerksam zu und lachte, da er nicht fassen konnte, wie sehr sich doch die beiden Brüder ähnelten, obwohl sie charakteristisch so unterschiedlich waren. „Wir sind da an zwei echt einzigartige Herrn geraten, was?“ „Oh ja!“ betonte Nabi und gab etwas Zucker in seinen Kaffee. „Aber ich bin trotzdem sehr glücklich an Meister Samajims Seite und wir beide lieben uns auch sehr. Ich bin manchmal auch irgendwie seine Nanny.“ „Da kann ich auch ein Lied davon singen. Manchmal ist es so, als müsste ich auf einen kleinen Jungen aufpassen und da fragt sich doch, wer der Meister und wer der Diener ist. Aber Meister Mala war nie böse deswegen auf mich. Er lässt sich immer von mir ausschimpfen und hat mich nie deswegen bestraft oder mich schlecht behandelt. Und… irgendwann ist auch zwischen uns der Funke übergesprungen und wir führen eine etwas eigenwillige Beziehung.“ „Und wie bist du zu ihm gekommen?“ „Ich wurde überfallen und als Diener an Miswa verkauft. So was nennt man wohl Pech… ich hab miterlebt, wie sie immer mehr ihrer Bediensteten enthauptet oder erschlagen hatte und auch ich bin nicht verschont geblieben.“ Damit zog er sein Shirt aus und zeigte Nabi eine schwere Verletzung auf seinen Rücken, die wie ein Brandzeichen aussah. „Alle Diener wurden auf diese Weise als Eigentum gekennzeichnet. Der Vorteil dabei ist zumindest, dass man an diesen Stellen die Peitschenhiebe nicht spürt.“ „Du wurdest ausgepeitscht?“ „Täglich. Meine alte Herrin hatte eine erstaunliche Vorliebe für Sadismus. Aber wenn man eben lange lebt, braucht man ein Hobby. Und das war nun mal ihres gewesen. Und da sie mich wohl nicht sonderlich leiden konnte, hat sie mir irgendein Vergehen in die Schuhe geschoben und wollte mich erneut foltern. Ich bin daraufhin weggelaufen aus Angst davor, was dann passieren würde. Ich wusste, dass das, was da in ihrem Folterkeller auf mich gewartet hätte, bei weitem schlimmer als der Tod wäre. Tja und da ich weggelaufen bin, hat sie eben die Head Hunter auf mich angesetzt. Weit bin ich aber nicht gekommen, weil sich meine Wunden entzündet hatten und ich kaum noch laufen konnte. Schließlich bin ich zusammengebrochen und wollte nur noch sterben, da hat mich Meister Mala gefunden, der damals Anführer der Head Hunter war. Doch anstatt mich zu töten, hat er mich gesund gepflegt und mich Miswa schließlich abgekauft. Damit war ich offiziell sein Diener.“ „Dann teilen wir beide wohl eine ähnliche Geschichte. Wäre Meister Samajim nicht gewesen, dann wäre ich hingerichtet worden. Wie es aussieht, sind wir beide vor einem schrecklichen Schicksal bewahrt worden.“ „Auf unsere heldenhaften Meister!“ Damit erhoben sie beide ihre Tassen und stießen an. Es war erstaunlich, wie gut man sich mit Abdiel unterhalten konnte, wo er doch am Tag zuvor ganz anders gewirkt hatte. Größtenteils aber auch hauptsächlich deswegen, weil er wegen Malakhs Verschwinden und dem Dukrav so wütend gewesen war. „Ich bin manchmal ein wenig überängstlich, was das Wohlbefinden meines Meisters anbelangt“, gab er schließlich zu, „aber das hat auch seine Gründe. Als Meister Mala während des Krieges in einen Hinterhalt geriet, war er mehr tot als lebendig, als ich ihn fand. Lediglich einem Wunder ist es zu verdanken, dass er überlebt hat. Ich habe es von Minha gekauft und es hat mich ein Vermögen gekostet, wenn ich ehrlich sein soll. Aber… das war es mir alle Male wert.“ „Du hast eines von Minhas Wundern gekauft? Was musstest du dafür hergeben?“ „Meine Vergangenheit vor meiner Dienerschaft und meinen wahren Namen.“ „Dann ist Abdiel nicht dein richtiger Name?“ Der Diener schüttelte den Kopf und senkte den Blick. „Nein. Ich erinnere mich auch nicht mehr an ihn, auch nicht daran was war, bevor ich an Miswa verkauft wurde. Und auch niemand sonst weiß von meiner Vergangenheit. Und da ich keinen Namen mehr hatte, gab Meister Mala mir einen neuen. Er hatte lange Zeit ein schlechtes Gewissen, weil ich wegen ihm meine Vergangenheit verloren habe, aber ich finde es nicht sonderlich schlimm. „Abdiel“ ist ein Name, den Meister Mala für mich ausgesucht hat und für mich ist er ein Geschenk.“ „Willst du deinen alten Namen und deine Vergangenheit gar nicht mehr zurück und wissen, wer du wirklich bist?“ Abdiel schüttelte lächelnd den Kopf und erklärte „Ich lebe im Hier und Jetzt bei meinem Meister und ich bin dankbar für das, was ich habe. Ich bin wer ich bin und das ist alles, was zählt. Meister Mala liebt mich auch ohne Namen und Vergangenheit und das ist für mich das Wichtigste.“ Nun, vielleicht würde es Nabi auch nicht anders in seiner Situation ergehen. Jedenfalls schien er Recht gehabt zu haben, dass sich Abdiel gut um seinen Herrn kümmerte. „Du passt wohl sehr gut auf ihn auf, was?“ „Klar, irgendjemand muss es ja machen und Meister Mala bringt sich oft genug selbst in Gefahr. Insbesondere beim Training. In der Hinsicht ist er manchmal ziemlich rücksichtslos und kommt manchmal mit schweren Verletzungen zurück, die ich dann versorgen muss. Und als er mit dem Vorhaben ankam, seinen älteren Bruder zum Dukrav herauszufordern, da hatte ich echt noch die Befürchtung gehabt, dass er dabei draufgehen könnte. Deshalb wollte ich ihn auch mit allen Mitteln davon abhalten, aber der Kerl hat mich eben einfach ausgetrickst.“ „Es ist ja zum Glück alles gut gegangen und Ain hätte mit Sicherheit auch nicht zugelassen, dass einer von den beiden zu Tode kommt.“ „Auch wieder wahr. Trotzdem hatte ich echt Angst um meinen Herrn. Naja, es ist ja alles gut gegangen und wir hatten auch mal die Chance, einander kennen zu lernen. War mir echt eine Freude, den berühmten Nabi zu sehen, dessen Hilfe es zu verdanken war, dass der Krieg gewonnen werden konnte.“ „Nur nicht übertreiben“, rief Nabi und wurde ganz verlegen. „Ich habe nur getan, was richtig war. Und außerdem…“ Er sprach nicht weiter, als die Tür aufging und Samajim hereingeschlurft kam. Er sah hundemüde aus und hatte wahrscheinlich auch nicht sonderlich gut geschlafen. Aber es war sowieso bekannt, dass er ein Morgenmuffel war, da brauchte man sich ohnehin keine Gedanken zu machen, weil er schlechte Laune hatte. Das Aufstehen war für ihn der größte Graus. „Morgen…“, murmelte er und setzte sich auf seinen Platz, dann ließ er sich von Nabi Kaffee einschenken. Er brauchte einen Moment um zu bemerken, dass Besuch da war. „Bist du nicht Abdiel?“ „Ja, ganz recht“, bestätigte der Diener, erhob sich und verbeugte sich tief. „Ich wollte mich noch mal entschuldigen, dass es mir nicht gelungen ist, meinen Meister davon abzuhalten, Euch zu einem Dukrav herauszufordern.“ „Schon in Ordnung“, sagte Samajim nur und winkte ab. „Ich bin von Mala ja sowieso nichts anderes gewohnt und da kannst du ja wohl am allerwenigsten für. Aber ihr beide scheint euch ja ganz gut zu verstehen, oder?“ „Kann man so sagen“, gab Nabi zu. „Sag mal Abdiel, werdet ihr wieder zurückgehen oder bleibt ihr hier?“ „Ähm… wenn ich meinen Meister richtig verstanden habe, meinte er sei deinen Feinden näher als deinen Freunden. Und egal wie es dieser Mistkerl geschafft hat, mich schon wieder zu besiegen, ich finde es schon noch raus und ich werde beweisen, dass er geschummelt hat. Ich interpretiere es also mal so, dass er erst mal hier bleiben wird. Das gilt dann wohl auch für mich…“ Als Samajim das hörte, schlug er sich die Hand gegen die Stirn und stöhnte genervt. „Das kann doch wohl nicht wahr sein. Aber das ist auch mal wieder so was von typisch für meinen Bruder. Nicht nur, dass er so ein verdammt schlechter Verlierer ist, er ist auch noch der größte Trotzkopf, der mir jemals untergekommen ist. Na wunderbar. Jetzt darf ich mich mit noch mehr Problemen herumärgern… und dabei hatte ich gehofft, es würde endlich wieder etwas ruhiger werden. Naja, da ist jetzt auch nichts mehr zu ändern. So wie ich diesen Knallkopf kenne, wird er erst Ruhe geben, wenn er mich besiegt hat.“ „Tut mir leid“, sagte Abdiel und verbeugte sich wieder entschuldigend, aber Samajim schüttelte nur den Kopf. „Ist ja nicht deine Schuld, dass dein Herr noch schwerer zu bändigen ist als ein Sack Flöhe. Na was soll’s. Solange er mir nicht ständig auf die Nerven geht, ist es ja in Ordnung. Aber leg ihm bitte nahe, dass er sich dann schon unauffällig in dieser Welt aufhält. Ich hab zwar mit der Kirche ein Abkommen getroffen, weshalb wir unsere Ruhe haben, aber wenn Mala zu sehr auffällt, dann kann uns die Kirche auch nicht mehr helfen und das wird nur ein einziges Durcheinander geben, welches letzten Endes ich wieder ausbaden muss.“ „Das werde ich tun“, versicherte Abdiel und verabschiedete sich auch schon sogleich. Nabi begleitete ihn noch zur Tür und sie vereinbarten, dass sie sich mal treffen könnten, wenn sie Zeit hatten. Im Anschluss kehrte Nabi zurück in die Küche und war sichtlich gut gelaunt. „Na?“ fragte Samajim, der sich einen Löffel Zucker nach dem anderen in den Kaffee gab. „Hast du einen Freund fürs Leben gefunden?“ „Scheint so“, gab der Schwarzhaarige zu und grinste. „Es ist schon verrückt, wie ähnlich ihr Brüder euch eigentlich seid.“ Nun sah Samajim von seinem Kaffee auf und sah Nabi fast schon entgeistert an. „Hast du dir irgendetwas in den Kaffee gemischt? Als ob ich mit diesem Knallkopf irgendetwas gemeinsam hätte. Er ist ein kindischer Dickkopf, dem du sagen kannst, was du willst und er macht doch nur sein eigenes Ding. Zudem ist er launisch, stur und unbelehrbar.“ „Das umfasst eigentlich so ziemlich die negativen Eigenschaften, die auch auf Euch zutreffen.“ „Aber nicht in der gleichen Weise wie dieser Kindskopf.“ Offenbar will wohl keiner von beiden sehen, wie viel er mit seinem Bruder eigentlich gemeinsam hat. Schon verrückt… Wie es aussieht, scheinen nur wir Diener das zu sehen. Naja, wir kennen unsere Meister ja auch mit all ihren Marotten und guten wie schlechten Angewohnheiten. Sollen die doch alles verleugnen und abstreiten, wir wissen es zum Glück besser. Nach dem Frühstück erledigte Nabi den Abwasch und brachte den Müll raus, während Samajim sich mit Laban beschäftigte, in den er fast schon genauso vernarrt war wie in seinen Diener. Als der Briefträger kam, drückte dieser Nabi einige Briefe in die Hand und verabschiedete sich auch schon sogleich. Neben einigen Rechnungen und der üblichen Werbung war dieses Mal ein Brief dabei, der Nabi neugierig werden ließ. Er war nämlich sowohl an ihn, als auch an Samajim adressiert. Also ging er wieder ins Haus, legte die anderen Briefe beiseite und ging ins Wohnzimmer, wo Samajim mit dem kleinen Kätzchen beschäftigt war. „Meister, da ist ein Brief für uns beide aus Boston angekommen.“ „Aus Boston?“ Sie wussten beide, was das bedeutete: dieser Brief stammte von Evas Familie. Also öffnete Nabi den Brief und überflog ihn. Wie sich herausstellte, war er von Dathan geschrieben worden. Dieser erzählte, dass Liam und Jeremiel inzwischen von ihrer Reise zurückgekehrt seien, genauso wie Beyond und L und dass demnächst ihre offizielle Verlobungsfeier stattfinden würde. Und gleichzeitig waren Nabi und Samajim auch eingeladen. Als Nabi das las, wandte er sich an seinen Herrn und konnte es selbst noch nicht glauben. „Meister, Araphel ist wieder zurück und er hat sich jetzt mit Jeremiel verlobt. So wie es aussieht, steht da wohl eine Hochzeit im Raum.“ Nun musste auch der blonde Sefira schmunzeln. „Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet Araphel mal heiraten würde. Aber andererseits… er ist ja auch nicht mehr derselbe, der er damals während des Krieges gewesen ist. Dem würde ich sogar zutrauen, dass er einen guten Vater abgeben würde. Na, das ist ja wirklich schön zu hören, dass die beiden glücklich miteinander sind und sich sogar verloben wollen. Aber andererseits… Er war damals schon mit Nikolaj so glücklich und wahrscheinlich wären die beiden auch diesen Weg gegangen, wenn sich das Nowgorod-Massaker damals nicht zugetragen hätte. Und wenn ich daran denke, wie sehr Araphel damals unter dessen Tod gelitten hatte… die Gefühle der Unvergänglichen sind viel stärker als die der Menschen. Sie bleiben ewig bestehen und das ist sowohl ein Geschenk, als auch ein Fluch. Deshalb ist es gefährlich, sich auf einen Vergänglichen wie etwa einen Menschen einzulassen. Denn wenn dieser Mensch alt wird und stirbt, sind nur wenige von uns in der Lage, noch mal von vorn anzufangen und sich ein zweites Mal zu verlieben.“ „Ist das der Grund, warum die Sefirot und Seraphim die Gesellschaft der Menschen für gewöhnlich meiden?“ „Ganz genau. Es kommt selten etwas Gutes dabei raus, wenn sich Vergängliche und Unvergängliche ineinander verlieben. Es gab sogar schon Fälle, wo einige von uns sogar Selbstmord begingen, nachdem ihre Liebsten gestorben waren.“ „Dann wird es für die beiden wohl nicht ganz so einfach werden, oder?“ „Ach Nabi, das ganze Leben ist nicht einfach. Es ist oft ein einziger Kampf, aber wenn der Wille da ist, dann findet sich ein Weg. Und Jeremiel ist bereit, sein Leben als Mensch hinter sich zu lassen und zu einem von uns zu werden, weil er für immer bei Araphel bleiben will. Die Menschen sagen ja nicht umsonst, dass der Wille Berge versetzen kann. Und das stimmt auch. Ich bin ja mal gespannt, wie Jeremiels Bruder auf diese Nachricht reagieren wird. Denn der schien ja nie sonderlich viel von Araphel gehalten zu haben.“ „Stimmt. Die beiden Brüder hatten sich deswegen auch ziemlich gestritten.“ „Das liegt auch daran, weil L Evas menschliche Wiedergeburt ist. Deswegen verhält er sich auch ein Stück weit wie eine überbesorgte Mutter, die ihr Kind vor dem bösen Partner schützen will.“ „Aber Jeremiel trägt ja auch einen Teil von Eva in sich.“ „Das schon, aber er ist nicht ihre Wiedergeburt, sondern die Verkörperung der Leere. Deshalb macht er auch sein eigenes Ding und sieht Araphel auch mit anderen Augen als die anderen. Naja, vielleicht wird es wieder Streitereien geben, aber ich glaube auch, dass die beiden das geregelt kriegen. Und so entschlossen, wie Jeremiel ist, wird er sich von niemandem in seine Beziehung reinreden lassen. Nicht einmal von seiner Mutter, aber die hat ja schon ihren Segen erteilt und ist glücklich genug, dass ihre Söhne nicht allein sind. Allerdings muss ich gestehen, dass ich mir eine Zeit lang ernsthaft Sorgen um Jeremiel gemacht habe.“ „Wieso?“ Samajim zündete sich eine Zigarette an und lehnte sich zurück, während Nabi sich nun mit dem kleinen Vierbeiner beschäftigte. „Nun, er hat sich ja mit seiner Proxy-Hälfte vereinigt und Sam Leens’ Erinnerungen angenommen. Für einen ehrlichen und rechtschaffenen Menschen wie ihn kann so etwas sehr belastend sein und wie ich wohl von Eva erfahren hatte, war er auch eine Zeit lang depressiv und still gewesen. Aber Araphels Familie scheint ihn ja wieder ganz gut aufgebaut zu haben. Und außerdem darf man eines nicht vergessen: er ist und bleibt nun mal der Sohn von Nastasja Kasakowa. Zugegeben, auch wenn ich nicht gerade das größte Interesse an den Menschen und ihren verrückten Ideen habe, so muss ich doch zugeben, dass diese Frau mich wirklich beeindruckt hat. Nicht nur, weil sie tatsächlich eine künstliche Seele konstruieren konnte, sondern auch wegen ihres Charakters. Ich kann da schon verstehen, dass Araphel sie auch bewundert. Erinnerst du dich noch, als wir uns den Kampf angesehen haben?“ Und ob sich Nabi daran erinnern konnte. Als es hieß, dass eine Menschenfrau ausgerechnet Araphel in Mixed Martial Arts herausgefordert hatte, wollte sich das kaum jemand entgehen lassen. Und so hatten sich Samajim, Nabi und ein Teil der Asylanten unerkannt zu der Meisterschaft begeben, um sich das selbst anzusehen. Und selten hatten sie einen Menschen gesehen, der so einen Sefira so in die Mangel nehmen konnte. „Nastasja Kasakowa hat einen starken Willen und das in vielerlei Hinsicht. Und dieser kann oft ein größeres Wunder bewirken, als man zu glauben vermag. Aber es gibt durchaus Menschen, die mit einer besonderen Begabung zur Welt kommen. Diese Menschen werden für gewöhnlich von den Sefirot auch „Chajal“ genannt. Obwohl sie nicht über die Fähigkeiten der Unvergänglichen verfügen, sind sie dennoch in der Lage, es mit ihnen aufzunehmen, wenn sie ihre Fähigkeiten hart trainieren.“ „Und Nastasja ist eine Chajal?“ „Auf jeden Fall. Aber die Zahl solcher Menschen ist extrem gering und noch weniger werden ihr Potential erreichen, weil sie es selbst nicht erkennen. Chajals sind sowohl körperlich als auch geistig äußerst begabt und es gibt auf der ganzen Welt gerade mal zehn Leute, die wirklich in der Lage wären, uns zu einer ernsten Gefahr zu werden, wenn wir in einem fairen Zweikampf gegen sie antreten würden.“ Es fiel Nabi schwer, sich vorzustellen, dass Menschen tatsächlich in der Lage waren, es mit Sefirot aufzunehmen. Vor allem, wenn er an den gestrigen Dukrav zurückdachte. „Und meint Ihr, Nastasja würde gegen Euch eine Chance haben?“ „Hm… es dürfte vielleicht schwer für sie werden, aber sie hätte gute Chancen, mir ein paar Knochen zu brechen. So viel steht fest. Also Nabi? Hast du Lust auf eine kleine Reise nach Boston?“ Nabis Augen wurden groß, als er das hörte. Es war Jahrhunderte her, seit er etwas anderes als England gesehen hatte mit der Ausnahme von Brighton. Und dann noch Amerika. „Gerne!“ rief er und war hellauf begeistert. „Und… wo bringen wir Laban unter? Fürs Fliegen ist er noch viel zu klein.“ „Frag doch mal Nakash, vielleicht kann er sich ja eine Weile um den kleinen Racker kümmern.“ „Das ist eine gute Idee. Ich frag ihn nachher mal. Er hatte ja selbst mal eine Katze und wird sich mit Sicherheit gerne um sie kümmern. Ach Mann, ich glaub es nicht. Wir fahren nach Amerika und wir sind bei der Verlobungsfeier dabei. Das wird sicherlich schön. Aber da fällt mir etwas ein! Meister, hält sich Sereas eigentlich noch in Amerika auf?“ „Ich glaub schon. Vermutlich hat er einen Auftrag.“ „Nicht, dass er noch hinter Araphel her ist. Teilweise sind die Listen ja ziemlich veraltet.“ Aber Samajim sah das Ganze wesentlich entspannter und sagte nur „Selbst wenn, dann kann man immer noch vernünftig mit ihm reden. Und außerdem halte ich es für äußerst unwahrscheinlich, dass tatsächlich nach all der Zeit noch Araphels Name auf der schwarzen Liste steht, nachdem er doch von Ajin Gamur selbst von seiner Todesstrafe freigesprochen wurde unter der Auflage, dass ich ihn bewache und unter Kontrolle halte. Manchmal machst du dir wirklich zu viele Gedanken. Du hör mal, du kannst schon mal deine Sachen packen. Ich organisiere uns den nächsten Flug.“ Dieser so plötzliche Aufbruch machte Nabi nun doch ein wenig misstrauisch und so langsam begann er zu ahnen, was der Grund dafür war und verschränkte die Arme. „Meister, kann es sein, dass Ihr nur deshalb die Einladung annehmt, weil Ihr bloß vor Eurem Bruder flüchten wollt?“ „So ein Unsinn“, rief Samajim, aber Nabi erkannte sofort, wann er log. „Als ob ich es nötig habe, vor meinem kleinen Bruder abzuhauen.“ „Ja, ja… redet Euch das ruhig selbst ein…“ Damit ging Nabi in sein Zimmer und begann damit die Koffer zu packen. Er wusste, dass sein Meister überhaupt nicht der Typ für große Veranstaltungen war. Dementsprechend nutzte er diese Einladung bloß als willkommene Gelegenheit, bloß schnell abzuhauen, bevor Malakh wieder angetanzt kam und ihm erneut auf die Nerven ging. Aber das war ihm jetzt auch egal. Er freute sich schon richtig darauf, auch endlich mal Amerika zu sehen und vor allem die anderen auch mal wiederzusehen und zu erfahren, wie es ihnen inzwischen ging. „Na dann“, sagte er zu sich selbst und konnte sich ein vorfreudiges Lächeln nicht verkneifen. „Auf nach Boston.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)