Last Desire: Devious Desire von Sky- ================================================================================ Kapitel 5: Verunsicherung ------------------------- Als Nabi wieder zurück von der Post war, saßen sie gemeinsam am Mittagstisch, unterhielten sich und lachten miteinander. Und es gab auch wieder eine kleine Auseinandersetzung, als Samajim einen Mittagsschlaf halten wollte, was Nabi aber nicht zuließ. „Nichts da!“ rief er und baute sich vor seinem Herrn auf wie ein Feldwebel, der die neuen Rekruten zusammenstampfen wollte. „Ihr haltet morgen den Gottesdienst im Krankenhaus und müsst Eure Predigt vorbereiten.“ „Nicht ohne meine Twinkies. Ich brauch Zucker zum Arbeiten.“ „Nichts da! Die gibt es erst, wenn Ihr fertig seid. Ich kenne Eure Spielchen schon zur genüge und weiß, dass Ihr Euch erst recht drückt, wenn ich Eurer Bitte nachkomme. Und deshalb nein! Ihr bekommt erst was Süßes, wenn Ihr die Predigt vorbereitet habt.“ Und mit einem betonten Schmollen ging Samajim in sein Arbeitszimmer. Eva verabschiedete sich vorerst, da sie noch ein wenig von London sehen und auch ein paar der Asylanten besuchen gehen wollte. Als sie gehen wollte, hielt Nabi sie kurz auf, sah sich kurz um und fragte „Hast du schon mit ihm gesprochen?“ Nun, natürlich hatte sie schon mit Samajim gesprochen. Aber dummerweise durfte sie nichts sagen. Das konnte etwas problematisch werden. Sie überlegte kurz, wie sie seine Frage beantworten konnte und erklärte schließlich „Ja. Also das mit den Frauen war nicht wirklich so gemeint von ihm. Er will dich nicht loswerden oder dich verkuppeln. Er wollte dich nur ein wenig provozieren, das war alles. Mach dir mal nicht so viele Gedanken. Und wenn ich dir einen guten Rat geben darf, Nabi: hör nicht immer auf das, was sein Kopf dir sagt. Hör auch mal zur Abwechslung auf dein Herz und wag mal den Versuch. Was hast du denn schon zu verlieren? Die einzige Person, die dir im Weg steht, bist du selbst.“ Damit verabschiedete sich Eva vorerst von ihm und ging. Nachdem Nabi den Abwasch erledigt hatte, ging er wieder hinunter in den Keller, um die Wäsche aufzuhängen und die nächste Ladung in die Maschine zu werfen. Tja, dachte er und stand nun wieder mit einem Hemd von Samajim in den Händen da. So wie es aussieht, habe ich mich nur in irgendetwas reingesteigert. Aber… das hilft mir immer noch nicht so wirklich bei meinem Problem weiter. Wenn Meister Samajim das mit den Frauen wirklich nur als Provokation gedacht hat, dann muss ich mir jetzt mal ernsthaft überlegen, was ich tun soll. Am besten spreche ich heute Abend mal mit Nakash darüber. Vielleicht hat der ja eine Ahnung, was ich tun soll. Aber erst mal sollte ich mich besser auf die Arbeit konzentrieren. Um sich ein wenig von seinen Gedanken abzulenken, holte Nabi sein Handy hervor, stöpselte die Kopfhörer an und schaltete die Musik ein. Im Gegensatz zu Samajim bemühte er sich schon, sich auf dem neuesten Stand der Technik zu halten und hatte auch Gefallen an diesen kleinen Spielereien gefunden. Sie waren schon sehr praktisch und so passte man sich ja auch wunderbar an. Nakash pflegte ja immer zu sagen „Die Menschen sind zwar kurzlebig und beschränkt, aber kreativ sind sie alle Male.“ Und im Grunde hatte er ja auch Recht. Dafür, dass die Menschen nicht mal im Geringsten ahnten, was sich außerhalb ihrer kleinen und einfachen Welt befand, so hatten sie dennoch eine blühende Fantasie und ein enormes Ideenreichtum, was zum Beispiel ihre Erfindungen betraf. Und dafür verdienten die Menschen schon Anerkennung. Schließlich fand Nabi sein Lieblingslied „Shake it“ von Rediscover und schaltete die Lautstärke höher, während er die Waschmaschine in Gang setzte und wieder nach oben ging. Zwischendurch schaute er bei Samajim vorbei um sicherzugehen, dass er auch wirklich arbeitete, aber tatsächlich saß sein Meister brav am Schreibtisch und bereitete die Predigt vor. Die Musik besserte Nabis Stimmung deutlich und als dann auch noch „Happy“ von Pharrell Williams zu spielen begann, da war er in einer so guten Laune, dass er einfach nicht widerstehen konnte und sich eine kleine Tanzeinlage erlaubte, als er noch ein wenig aufräumte. Und der Song riss ihn letztendlich so mit, dass er erst viel zu spät bemerkte, dass Samajim sich am Türrahmen anlehnte und ihn mit einem amüsierten Grinsen beobachtete. „Wenn du dir so etwas vor 500 Jahren erlaubt hättest, dann wärst du ein Fall für die Inquisition geworden. Was wird das denn, wenn’s fertig ist?“ „Ich hör Musik.“ „Mit deinem Handy? Wie geht das denn?“ „Das ist die neueste Technik der Menschen. So was nennt sich Smartphone. Damit kann man auch ins Internet gehen und sich praktische Programme herunterladen… und welche, die eigentlich komplett überflüssig sind und die kein Mensch braucht. Ganz zu schweigen von unseresgleichen.“ Verständnislos schüttelte Samajim den Kopf, als er das Handy sah. Er hatte ja noch nie sonderlich viel mit Technik anfangen können und konnte nicht einmal einen Computer vernünftig gegeben und pflegte dann immer zu sagen „So was haben wir früher nicht gebraucht, warum also heute?“ In der Hinsicht war er wirklich wie ein alter Mann, was Nabi auch des Öfteren mal ansprach, wenn sie solche Diskussionen führten. „Früher waren die Handys so groß, dass sie nicht von einem Telefon zu unterscheiden waren, dann wurden sie immer kleiner, dass man sie fast verschluckt hätte und jetzt sehen sie aus, als hätte man sie mit dem Nudelholz plattgewalzt.“ „Seid doch froh, dass sie wieder größer werden. Immerhin habt Ihr Euer letztes Handy tatsächlich verschluckt.“ „Und anstatt mir zu helfen, musstest du mich natürlich anrufen, nur weil du wissen wolltest, ob mein Magen anfängt zu vibrieren!“ Nabi musste kichern, als er daran zurückdachte. Das war einer der witzigsten Momente der letzten Jahre gewesen, wenn man mal ganz von der Tatsache absah, als Samajim doch tatsächlich während des zweiten Weltkriegs einen Bombenangriff verschlafen hatte und nichts mitbekommen hatte, während in ganz London Panik herrschte. „Wer ist denn auch schon so bescheuert und verschluckt ein Handy? Ach ja, ich vergaß… es gibt solche Leute… Nicht wahr, Meister?“ Samajim seufzte und schüttelte nur den Kopf. War ja klar, dass dieser Frechdachs mal wieder diese peinliche Geschichte hervorkramte und ihn damit aufzog. Immerhin hatte er sich das Scheißding wieder herausoperieren lassen müssen und er war die absolute Lachnummer im Krankenhaus gewesen. Gleich neben dem Typ, der sich eine Glühbirne in den Hintern geschoben hatte. Er kam wieder auf Nabis Handy zu sprechen. „Und überhaupt: wie soll man so was bedienen, wenn es nicht mal Tasten hat?“ „Das nennt sich Touchscreen, Meister. Die Menschen haben es so entwickelt, dass man nur den Bildschirm berühren muss und die ganzen Tasten deshalb überflüssig geworden sind.“ „Ach hör mir bloß mit der Menschentechnik auf. Ich blick da sowieso nicht durch. Genauso wenig, wieso alle auf eine Marke abfahren, die im Grunde nicht mehr und nicht weniger ist, als angebissenes Obst. In ein paar Jahren kommen sie mit dem nächsten Schwachsinn. Wenn es kein Apfel ist, dann wahrscheinlich eine Ananas.“ „Aha…Von Apple zu Pineapple also? Sehr kreativ, Meister…“, kommentierte Nabi in seinem gewohnt sarkastischen Ton und steckte sein Handy wieder ein. „Mir doch egal“, gab Samajim kurzerhand zurück. „Jedenfalls lohnt es sich eh nicht, sich diese ganzen Spielzeuge zuzulegen. Später will die keiner mehr haben.“ „Ach ich finde das praktisch und außerdem profitiert Ihr ja auch davon mit Eurem 48 Zoll Full HD LCD Fernseher, wo Ihr Eure Shows gucken könnt. Also tut nicht so, als ginge Euch das komplett am Arsch vorbei. Wie weit seid Ihr denn eigentlich mit Eurer Predigt? Oder soll das hier nur wieder einer Eurer Versuche werden, Euch vor der Arbeit zu drücken?“ „Fertig. Also? Wo bleiben meine Twinkies?“ Nabi ging ins Wohnzimmer und holte aus dem Schrank zwei Twinkies und gab sie Samajim. In solchen Momenten fragte er sich wirklich ernsthaft, wer hier denn der Diener und wer der Meister war. Aber es war eben nicht nur seine Pflicht, die Aufgaben zu erledigen, die Samajim ihm auftrug, sondern es war ebenso seine Pflicht, dafür zu sorgen, dass dieser seinen Pflichten nachkam. „Meister, habt Ihr sonst noch Aufgaben für mich?“ „Im Moment nicht. Bist du heute Abend etwa verplant?“ „Ich wollte in den Pub und mit Nakash reden.“ Hier war deutlich in Samajims Blick zu sehen, dass es ihm ganz und gar nicht gefiel, dass Nabi wieder zu seinem besten Freund ging. Warum das so war, konnte sich der Schwarzhaarige nicht erklären. Vielleicht, weil einfach die Chemie zwischen den beiden nicht stimmte? Dabei war Nakash doch eigentlich ein anständiger Kerl und es konnte jedenfalls nicht daran liegen, dass er „nur“ ein Seraph war. Samajim gehörte zwar zu den großen Alten, aber er machte bei solchen Sachen keine Unterschiede. Naja, es konnte ihm ja auch eigentlich egal sein, denn Nakash war es sowieso egal, was man von ihm dachte. Solange er seinen irischen Pub hatte, war er zufrieden und brauchte auch sonst nichts. Schließlich fand Samajim aber sein Lächeln wieder. „Dann pass aber dieses Mal auf, dass du nicht allzu viel trinkst wie gestern, ja? Aber sag mal, du bist in der letzten Zeit recht häufig im McKerrigan’s. Ist es wegen dem Alkohol, oder hat der Blindfisch Amor dich doch endlich mit seinem Pfeil erwischt?“ „Das hättet Ihr wohl gerne, was? Nein, da muss ich Euch leider enttäuschen. Nakash ist mein bester Freund und wir reden gerne miteinander. Das ist alles.“ „Ja… es bleibt natürlich nur beim Reden.“ „Ihr mit Euren perversen Gedanken denkt aber immer auch immer nur an das Eine. Es ist mir echt ein Rätsel, dass die Leute noch zu Euch aufschauen können.“ „Ich weiß mich eben anzupassen.“ „Ihr seid ein guter Schauspieler, das ist es. So und jetzt entschuldigt mich. Ich wollte noch eben die neuen Mausefallen aufstellen und das Rattengift auslegen.“ Damit ging Nabi an Samajim vorbei und wollte mit seiner Arbeit weitermachen, aber da hielt der Blondhaarige ihn plötzlich am Arm fest. Nabi blieb abrupt stehen und sah ihn überrascht an, denn normalerweise hielt Samajim ihn nie fest. Überhaupt war er eher jemand, der eine gewisse Distanz zu anderen bewahrte. „Was gibt’s?“ fragte er und sah ihn etwas verunsichert an. „Ich habe gehört, dass es einen kleinen Unfall auf dem Dach gab.“ Insgeheim schon erleichtert atmete Nabi aus und lachte. „Ach das. Ich bin abgerutscht und war so mit meinen Gedanken woanders, dass ich den Sturz nicht rechtzeitig abbremsen konnte. Eva hat mich gefunden und meinen Körper zurückgesetzt.“ „Du bist schon den ganzen Tag so merkwürdig drauf. Beschäftigt dich irgendetwas?“ Nabi dachte nach. Vielleicht wäre ja jetzt der passende Zeitpunkt, um Samajim die Wahrheit zu sagen und ihm endlich reinen Wein einzuschenken. Tatsächlich stand Nabi kurz davor, ihm endlich zu sagen, was wirklich los war und was ihn so sehr beschäftigte. Aber dann war die Angst doch wieder größer und er schüttelte nur den Kopf. „Mich beschäftigt es nur, dass bald viele meiner alten Freunde für immer fortgehen werden. Zwar wird Nakash wohl bleiben, aber Nogah, Mayim, Ayil, Girit, Katha, Gavisha, Agam und die anderen werden wahrscheinlich nach Hause zurückkehren. Und das stimmt mich eben ziemlich traurig.“ Hierauf ließ Samajim ihn los und blickte ihn prüfend an. Nabi wurde unruhig und fragte sich, wieso sich sein Meister so merkwürdig verhielt. „Würdest du auch gerne gehen?“ Mit dieser Frage hatte der Schwarzhaarige jetzt nicht gerechnet und sie entwaffnete ihn auch ein Stück weit. Warum nur stellte sein Meister ihm auf einmal solch eine Frage? Er spüre, wie ihm etwas die Brust zuschnürte und es tat ihm einfach nur weh, dass Samajim ihn so etwas fragte. War das etwa schon wieder ein Test, oder wollte sein Meister ihn loswerden? „Wieso fragt Ihr das? Mein Platz ist doch bei Euch. Ich habe Euch immerhin geschworen, bis zu meinem Tod an Eurer Seite zu bleiben.“ „Und wenn ich dich von diesem Schwur entbinden würde?“ „Was… was soll diese Frage?“ Nun war er komplett verunsichert. So etwas hatte Samajim ihn noch nie gefragt und in diesem Moment bekam er Angst. Angst davor, dass sein Meister ihn tatsächlich lossprechen würde. Was sollte er dann sagen? Was sollte er dann tun? Der Schmerz in Nabis Brust nahm immer mehr zu. Er schaffte es kaum ein Wort hervorzubringen und in seinem Kopf war alles ein einziges Chaos. Und er schaffte es in dem Moment auch nicht, seine Gefühle unter Kontrolle zu halten, was auch Samajim nicht entging. Er hob Nabis Kinn an, um ihm in die Augen zu sehen und bemerkte dann, dass sich Tränen in diesen türkisfarbenen Augen sammelten. „Weinst du etwa?“ Sofort löste sich der Schwarzhaarige von ihm und schüttelte hastig den Kopf. „Ich… ich glaub, ich hab nur etwas Staub ins Auge gekriegt. Das geht schon.“ „Nabi“, sagte Samajim fest und verschränkte die Arme. „Jetzt mal ganz ehrlich: was ist los?“ Beschämt senkte der Sefira den Blick und wirkte in dem Moment, als wolle er gleich endgültig in Tränen ausbrechen. Er war völlig verkrampft und unsicher und das passte eigentlich nicht zu ihm. „Seid… seid Ihr etwa unzufrieden mit mir, Meister? Habe ich irgendwelche Fehler gemacht oder Euren Unmut auf mich gezogen, dass Ihr mich deshalb nicht mehr bei Euch haben wollt?“ „Wie kommst du jetzt auf so einen Unsinn?“ Es kostete Nabi eine unglaubliche Kraft, sich zusammenzureißen und seine Verunsicherung zu verbergen. Stattdessen lachte er nur und winkte mit der Hand ab. „Naja. Wenn man so auf unser bisheriges Leben zurückblickt… da haben wir uns ja ziemlich häufig in die Haare gekriegt und ich gebe ja zu, dass ich mich mit meinem Sarkasmus auch selten zurückhalten kann und ich mach mich damit auch nicht immer wirklich beliebt. Hätte ja sein können, dass Euch meine Art auf die Nerven geht, oder so. Wenn Ihr mich nicht mehr bei Euch haben wollt, dann ist es ja allein Eure Entscheidung, was Ihr mit mir machen wollt. Und ich werde mich dann auch nach Eurem Wunsch richten. Aber jetzt entschuldigt mich bitte, aber mir ist noch eingefallen, dass ich noch eben schnell was einkaufen gehen wollte. Sonst kann ich nichts für morgen kochen.“ Damit entfernte Nabi sich von ihm, eilte schon fast auf den Flur, schnappte sich seine Jacke und ging davon. Zuerst überlegte Samajim, ob er ihm eventuell folgen sollte, aber er entschied sich dann doch dagegen. Er kam auch sowieso nicht mehr dazu, denn da kam auch schon Eva zur Tür rein. Und die verstand nun rein gar nichts mehr und wusste diese Situation auch nicht wirklich einzuschätzen. Aber sie dachte sich schon, dass irgendetwas vorgefallen sein musste. „Was war denn mit Nabi los? Der war völlig durch den Wind und hatte Tränen in den Augen. Na sag schon. Was hast du jetzt schon wieder mit ihm gemacht?“ fragte sie vorwurfsvoll und stemmte die Fäuste in die Seiten wie eine Mutter, die gleich ihrem Sohn eine Standpauke hielt. Samajim seinerseits beließ es bei verschränkten Armen und er lehnte sich mit dem Rücken zur Wand, während er die Ruhe selbst blieb. „Wir kamen auf das Thema Begnadigung zu sprechen. Und da habe ich ihn eben gefragt, ob es ihm lieber wäre, wenn ich ihn lossprechen würde.“ Als die Weißhaarige das hörte, schlug sie sich die Hand gegen die Stirn und schüttelte fassungslos den Kopf. „Manchmal bist du aber auch echt ein Trampeltier. Als ich sagte, du solltest deine Strategie ändern, da hatte ich nicht damit gemeint, das du ihn gleich zum Heulen bringst. Ich bin ja eigentlich nur vorbeigekommen, weil ich mein Handy vergessen habe, aber so wie es aussieht, müssen wir beide noch mal vernünftig miteinander reden. Denn so wie es aussieht, muss ich dir noch mal ordentlich den Kopf zurechtrücken und dir klar machen, dass das absolut bescheuert ist, was du tust. Du kannst deine Spielchen spielen, wenn dabei niemand zu Schaden kommt. Aber dass du anfängst, mit Nabis Gefühlen zu spielen, nur um deinen Willen zu kriegen, ist nicht in Ordnung. Was glaubst du wohl, was er tun wird? Er wird sich erst mal irgendwo die Augen ausheulen und weiß dann überhaupt nicht weiter.“ „Mit anderen Worten also: er geht zu Nakash…“ „So sieht es aus.“ Hieraufhin verfinsterte sich Samajims Blick. Das hätte er sich ja gleich denken können. Na großartig, dachte er und kämpfte innerlich gegen seinen Ärger. Und der wird ihn natürlich trösten und dann schön nach allen Regeln der Kunst um den Finger wickeln, diese falsche Schlange… Es wurde langsam dunkel und Nabi war mit dem Bus zur City of London gefahren und stand wenig später vor dem McKerrigan’s, welches seit einer Stunde geöffnet hatte. Aber wahrscheinlich würde es noch nicht ganz so voll sein. Kaum, dass er drin war, hörte er schon die Musik spielen und ein paar der Gäste saßen bereits an Tischen und Nakash stand wie immer hinterm Tresen. Als er aber Nabi sah und in welcher Verfassung sich dieser befand, da kam er direkt zu ihm herüber und legte einen Arm um seine Schultern. „Hey, was ist denn mit dir los?“ „Ich… ich…“ Nabi konnte nicht weitersprechen, denn da brachen endgültig die Emotionen hervor und er begann zu weinen. Selten hatte Nakash ihn einem solchen Zustand gesehen. Vor allem, wenn sein bester Freund auch noch nüchtern war. Das Beste war, wenn er sich erst mal um ihn kümmerte und in aller Ruhe mit ihm redete. Was Nabi jetzt gut gebrauchen konnte, war ein guter Freund. Er brachte ihn erst einmal in sein Büro und wies seine Angestellte Dvora an, solange für ihn zu übernehmen. Als sie sich gesetzt hatten, schenkte Nakash seinem besten Freund und sich erst mal einen Whiskey ein und fragte ihn direkt, was denn los sei. Nachdem Nabi sein Glas in einem Zug gelehrt hatte, begann er ihn von seinem Gespräch mit Samajim zu erzählen und auch von seiner seltsamen Frage. Schlussendlich seufzte er niedergeschlagen und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. „Ich weiß einfach nicht, wie ich weitermachen soll, Nakash. Wirklich alles wird schlimmer und ich halte das kaum noch aus. Bis jetzt war ja alles noch in Ordnung gewesen, so dachte ich zumindest. Aber… inzwischen macht mich das echt fertig. Vor allem die Frage, ob ich nicht doch lieber in unsere Heimat zurückkehren will, wenn ich von meinem Schwur losgesprochen werde. Was wenn Meister Samajim mich tatsächlich gehen lässt und wieder allein sein will? Was, wenn ich für ihn nur eine Last bin?“ In der Hinsicht konnte Nakash ihn beruhigen und schenkte ihm sogleich ein Glas nach. Er selbst stürzte seines ebenfalls in einem Zug runter und schenkte sich selbst wieder nach. „Nun werde mal nicht gleich hysterisch, Nabi. Jetzt mal im Ernst: du machst doch wirklich alles für ihn. Du wäschst, du kochst, du führst die Reparaturen durch, du treibst ihn zur Arbeit an und noch vieles mehr. Ohne dich wird der Alte doch nicht auskommen und welchen Grund sollte er denn haben, dich wegzuschicken? Du machst doch wirklich alles für ihn und einen loyaleren Diener als dich wird er nirgendwo sonst finden. Das kann ich dir versichern. Krieg dich mal wieder ein und versuch dich etwas zu beruhigen. Wahrscheinlich hast du nur überreagiert und mal wieder die Probleme größer gemacht, als sie in Wahrheit sind. Oder wie die Menschen auch sagen: aus einer Mücke einen Elefanten machen.“ Eigentlich hat Nakash ja Recht. Ich mach wieder eine Riesenwelle aus der ganzen Sache, dabei ist das doch überhaupt nicht meine Art. Irgendwie macht mich das Ganze richtig fertig. Eine Weile lang schwieg der Barbesitzer, bevor er sich dann eine Zigarette anzündete und sich in seinem Stuhl zurücklehnte und nachdachte. Immer, wenn Nabi oder einer der anderen Asylanten ein Problem hatte, hörte er sich gerne mal das Problem an und gab Ratschläge. Er sah alles oft aus einer ganz anderen Perspektive und blieb ruhig und sachlich. Nicht umsonst wurde er „Nakash der Besonnene“ genannt. „Du weißt, wie ich zu der Sache stehe, mein Freund. Solange du nicht endlich mal die Karten offen auf den Tisch legst und das Risiko eingehst, wirst du immer in diesem Zwiespalt gefangen sein und irgendwann noch komplett vor die Hunde gehen. Das, was du da machst, ist doch nicht mehr gesund. Jetzt hör mal: sag dem Alten einfach, dass du bei ihm bleiben willst. Außerdem weißt du ja nicht, ob er nicht vielleicht wirklich etwas für dich fühlt. In dem Fall bleibt dir also nur die Option, dich zu vergewissern, was denn nun zutrifft. Versuch ihn mal genauer zu beobachten und vielleicht findest du ja auf diese Weise heraus, ob er nicht auch diese Gefühle für dich hat. Immerhin spricht ja allein schon die Tatsache dafür, weil er sich wirklich alles von dir gefallen lässt, egal wie oft du ihn ausschimpfst oder frech wirst. Glaub mir, die anderen großen Alten hätten dich dafür schon längst einen Kopf kürzer gemacht. Die lassen nicht mit sich spaßen und niemand sonst würde es wagen, dem Alten mit so was zu kommen wie du zum Beispiel. Deshalb sag ich dir nur: da steckt vielleicht mehr dahinter als nur Freundschaft.“ „Mag sein. Aber Eva behandelt ihn manchmal auch nicht anders und… naja… Wenn er sich wirklich nur von jenen so behandeln lässt, die er liebt, was ist dann mit Eva? Sie ist bildschön, hat einen aufrichtigen Charakter und ist freundlich und hilfsbereit. Eigentlich die absolute Traumfrau und wer würde denn nicht gerne mit ihr zusammen sein?“ „Da hast du Recht“, gab Nakash zu und nahm noch einen tiefen Zug von seiner Zigarette. Es war dieselbe Marke, die Samajim zu rauchen pflegte und unwillkürlich musste Nabi wieder an ihn denken. An seinen Meister, seinen Lebensretter, seinen guten Freund und seinen Beschützer. „Ich habe Eva auch schon Avancen gemacht, aber die hat sie leider zurückgewiesen. Tja, aber so wie ich höre, hat sie bisher jeden abgewiesen. Wahrscheinlich ist sie genauso eine eiserne Jungfrau wie du.“ „Danke, dass du noch zusätzlich Salz in meine Wunde streust… Ich bin aber auch selbst schuld, weil ich mich in den falschen Kerl verlieben musste. Hätte ich mich in Khalyl, Arnavet oder in Kaic verliebt, dann wäre es vielleicht viel einfacher geworden.“ „Ach jetzt mach dir mal nicht das Leben noch schwerer und lass den Kopf nicht hängen. Man sagt ja ohnehin: lass nie den Kopf hängen, wenn du bis zum Hals in der Scheiße steckst. Jetzt komm erst mal runter, dann komm mit und wir vergessen diesen Mist für heute Abend, ja?“ Tja, da hatte Nakash sein Machtwort gesprochen und dem Fall war es wohl das Beste, heute Abend erst mal das alles hier zu vergessen und wenigstens etwas Spaß zu haben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)