Babysitten für Fortgeschrittene von RedRidingHoodie ================================================================================ Kapitel 12: Extra: Weihnachten ------------------------------ Hinter Konohas Häusern versank langsam die Sonne, völlig ohne spektakulären Sonnenuntergang, da Wolken jede Farbe verschluckten. Vor einer Woche hatte es geschneit, aber inzwischen hatte der kalte Wind die Flocken auf den Hausdächern zu festen Eisplatten zusammengeschweißt, und seither war es zu kalt für neuen Schnee. Ähnlich trostlos fühlte sich der Hokage, der dieses Szenario durch sein Bürofenster beobachtete, anstatt sich den Dokumentenstapel vor sich zu widmen. Ihm war, als höre er die so ungewöhnliche Stille des Shinobi-Hauptquartiers an seiner Türe branden. Konnte es sein, dass er die einzige lebende Seele im ganzen Gebäude war? Und sie hatten ja Recht. Aber ihm hätte es nichts gebracht, nach Hause zu gehen. Nach Hause – was hieß das überhaupt? Naruto hatte immer starkes Pflichtgefühl und Verbundenheit zu Konoha empfunden. Er war stolz, wenn ihre Chunin sich bei den Prüfungen besonders gut anstellten oder seine Shinobi sich auf Missionen hervortaten und er verteidigte die Belange seiner Untertanen (obwohl er sie eher als seine Familie betrachtete) in internationalen Belangen. Was auch kommen würde, er würde das Dorf und seine Bewohner beschützen, in seiner Funktion als Hokage genauso wie als Bewohner. Hier gehörte er her. Aber das war Heimat, und Heimat war nicht zu Hause, wie Naruto in den letzten Jahren festgestellt hatte. Letzteres war für ihn etwas Privateres, ein Rückzugsort – und als Hokage hatte er diese Qualitäten als Luxus zu schätzen gelernt. Zu Hause hieß für ihn, seine Pflichten für ein paar Stunden in den Hintergrund zu schieben, denn ganz vergessen könnte und wollte er sie niemals. Zu Hause hieß sein, wie er war, denn so sehr er sich immer geschworen hatte, sich nie zu verstellen, gehörte dies doch in gewisser Weise einfach zu seinen Aufgaben. Diese Aufgaben ermöglichten es ihm, in einer luxuriösen Wohnung zu leben, obwohl er das persönlich nicht gebraucht hätte. Es gehörte wohl dazu, wenn man Staatsoberhaupt war. Und – bei dem Gedanken lächelte Naruto – seinem Verlobten gefiel es, obwohl er das natürlich nie zugegeben hätte. Es war nicht so, als stünde Sasuke auf Prunk und Protz; sein Stil war in jeder Hinsicht eher schlicht. Doch er mochte eindeutig hochwertige Güter, was ein Grund war, aus dem der Hokage damals Sakura seine Wohnung hatte einrichten lassen. Er wollte, dass sie Sasuke gefiel, damit dieser vielleicht doch einzog, und seine beste Freundin hatte eher ein Händchen für Minimalismus als er selbst. Geholfen hatte es nicht, sein persönlicher Starrkopf war nur äußerst selten bei ihm gewesen. Doch Naruto wusste, dass Sasuke das Mobiliar gefiel, sonst hätte er viel mehr bissige Kommentare gemacht. Und das war der Punkt, den Naruto ´Zu Hause` nannte: Sasuke. Er liebte es, in die Wohnung zu kommen und von seinem Verlobten begrüßt zu werden, weshalb er, seit sie offiziell zusammen waren, kaum eine Nacht im Büro verbracht hatte. Egal, wie müde er war oder wie spät es geworden war, er hatte sich immer nach Hause geschleppt. Und Sasuke war da. Zu Beginn hatte er sich nicht alleine ins Bett legen wollen und hatte entweder gewartet oder war auf der Couch eingeschlafen. Doch nachdem der Hokage seinen Liebsten ein paar Mal ins Schlafzimmer getragen hatte, war dieser dazu übergegangen, von selbst schlafen zu gehen. So kam es, dass Sasuke manchmal, wenn Naruto nach Hause kam, einfach die Bettdecke hob, sodass er darunter schlüpfen konnte, und kommentarlos weiterschlief. Naruto gefiel das sehr. Meistens war sein Verlobter jedoch eher zickig, wenn er geweckt wurde, was den Hokage jedoch genauso wenig störte, es gehörte eben einfach zu Sasuke. Bis es dazu gekommen war, hatte er jedoch einiges an Überzeugungsarbeit geleistet, denn natürlich hatte der Uchiha nicht so einfach Narutos Wohnungsschlüssel annehmen wollen. Irgendwann hatte er aber eingesehen, dass es praktischer war, direkt im Appartement des Hokages zu warten, wohin sie sich sowieso meist zurückzogen, um ungestört zu sein. Zwar verbrachten sie durchaus Zeit mit Takeshi und ihren Freunden, aber meist hatte Naruto einfach zu wenig Zeit, um sonderlich viel zu unternehmen. Er hatte allerdings nicht das Gefühl, als würde es Sasuke stören. Der war sowieso niemand, der ständig unterwegs sein wollte. Schade nur, dass er es gerade jetzt trotzdem war. Naruto wandte sich wiederwillig seiner Arbeit zu, als seine Gedanken diese Richtung nahmen. Dabei wollte er gar nicht daran denken, dass sein Verlobter auf einer Mission war – und zwar schon zwei Tage länger als ursprünglich geplant. Hatte er doch gewusst, warum er ihn nicht hatte gehen lassen wollen. Andererseits, musste er zugeben, wollte er ihn nie gehen lassen. Aber der Dickkopf hatte darauf beharrt, die Truppe zu begleiten, welche ins Grenzgebiet aufgebrochen war, um dortige Aufstände zu beenden. Er hatte gesagt, ´Es wäre gut, wenn der Hokage dort direkte Präsenz zeigte`, und sich damit so sehr als einen Teil von Narutos Leben und Persönlichkeit ausgestellt, dass dieser gar nicht mehr hatte nein sagen können. Er war dahingeschmolzen, und sein verdammter, berechnender Freund hatte das ganz genau gewusst. „Mistkerl…“, murmelte Naruto dem leeren Büro zu. Warum wusste Sasuke nur so genau, welche Knöpfe er bei ihm drücken musste? Manchmal war es zum verrückt werden, vor allem, weil er diese Fähigkeit meistens nutzte, um ihn in den Wahnsinn zu treiben. Wenn sie sich stritten, konnte der Uchiha ihn mit chirurgischer Präzision verletzten oder auf die Palme bringen. Das zeigte, wie gut er ihn eigentlich kannte, und Naruto fragte sich, wieso er das nicht manchmal durch nette Gesten zeigte. Aber nein, wenn Sasuke sich mal ´süß` benahm, dann nur, um seinen Liebhaber zu manipulieren. Obwohl dieser das ganz genau wusste, funktionierte es trotzdem jedes Mal. Gr. Und trotzdem hätte Naruto gerade alles getan, um den Bastard bei sich zu haben. Er hasste es, länger von ihm getrennt zu sein. Obwohl er eigentlich wusste, dass sein Verlobter auf sich aufpassen konnte, kroch jedes Mal die Verlustangst aus ihrem Versteck und zog ihre unruhigen Kreise hinter den Gittern in Narutos Kopf. Kurama hasste diesen Zustand, und er stauchte seinen Jinchuriki oft zusammen, doch irgendwann reckte das andere Biest in ihm wieder den Kopf. Es war stärker als der Neunschwänzige, und das wollte schon etwas heißen. Andererseits war es Liebe, also wohl nicht verwunderlich. Ein Klopfen an der Tür riss den Hokage aus seinen wehmütigen Gedanken. Auf seinen Ruf trat ein junger Mann mit kurzem Maulwurfshaar ein, der eine kurze Verbeugung andeutete und näher trat. „Hokage-sama.“ „Takeshi, schön, dich zu sehen“, begrüßte er ehrlich erfreut den ehemaligen Mitbewohner seines Verlobten. Er mochte den Jungen, obwohl er bisweilen rechthaberisch und launisch sein konnte. „Wie geht es dir?“ „Äh, gut, danke“, antwortete er, ein wenig verunsichert von den Smalltalk-Versuchen. „Und Ihnen?“ Naruto nickte lächelnd. Er verstand, dass es dem Jungen unangenehm sein musste, ein derartiges Vertrauensverhältnis mit seinem Staatsoberhaupt zu haben. Sie verstanden sich im Privaten recht gut, doch wenn sie bei der Arbeit miteinander sprachen, verfiel der Junge oft in seine steife Nervosität zurück. Mit dieser Mischung aus Freundschaft und Vorgesetztem konnte wohl nicht jeder so selbstbewusst umgehen wie Sasuke. Dem war damals scheinbar egal gewesen, welchen Titel sein Liebhaber trug, was den frischgebackenen Hokage sehr beruhigt hatte. Er hatte diese Bestätigung gebraucht. „Wie kann ich dir helfen?“ Scheinbar erleichtert reichte Takeshi ihm den Missionsbericht und fasste kurz alles zusammen. Irgendwas von wegen aufwieglerische Reden gegen Naruto, aber das kam alle paar Monate vor und war das Recht jeden Bürgers. Wenn sie ihn nicht mehr wollten, würde er abtreten. Die meisten schienen allerdings zufrieden mit seiner Arbeit, sodass er diese nach bestem Gewissen fortführen würde. „Sehr gut. Im Moment habe ich keine weitere Arbeit für dich, aber wenn etwas ansteht, werde ich es dich wissen lassen.“ Der Junge verneigte sich, zögerte, wandte sich halb ab, zögerte erneut. Naruto sah dem Spektakel halb amüsiert, halb verwirrt zu und verlangte schließlich schmunzelnd: „Spuck´s schon aus.“ Errötend straffte Takeshi die Schultern, bevor er erklärte: „Es geht um einen Platz in Ihrer Garde, Hokage-sama.“ Ah ja, darüber hatte er bereits mit seinem Verlobten gesprochen. Naruto hatte nicht unbedingt versucht, Sasuke zu überzeugen – das hatte sowieso keinen Sinn, wie er wusste. Aber er hatte dem Uchiha einige Argumente gegeben, die für den Jungen sprachen. Trotzdem hatte er natürlich nicht hören wollen, und es machte durchaus Sinn, was er gesagt hatte. „Ich fürchte, in der Hinsicht kann ich nichts für dich tun.“ „Aber Sie sind…!“, platzte er heraus, bevor er sich zusammenriss und die unangebrachte Bemerkung herunterschluckte. „Ich verstehe nur nicht, was dagegen spricht, mich die Prüfung machen zu lassen. Wenn er es nicht versucht, wird er nie sehen, dass ich gut genug bin. Außerdem weiß er ganz genau, dass ich stark bin.“ „Das ist nicht das Problem“, wiedersprach Naruto nachsichtig. Er verstand Takeshis Wunsch, Sasuke zu beeindrucken, der einerseits von der Ausstrahlung des Schwarzhaarigen und andererseits von seiner Funktion als Mentor herrührte. Nur war sein Verlobter nicht leicht zu beeindrucken, und von Leuten, die er mochte, erwartete er tendenziell eher noch mehr als von Außenstehenden, immerhin mussten sie seiner Aufmerksamkeit würdig sein. „Sasuke möchte nur Jonin in der Garde, die schon ein paar Jahre gedient haben. Sein Test ist hart und…“ „Also hält er mich doch für schwach“, platzte Takeshis innerer Teenager jetzt doch heraus. Allerdings merkte er sofort, dass er eine Grenze überschritten hatte, und zog den Kopf etwas ein. „Entschuldigen Sie, das war unangebracht. Es ist nur… So frustrierend.“ Naruto zuckte die Schultern. „Daran wirst du dich bei ihm gewöhnen müssen oder dir einen anderen Lehrer suchen. Er wird dir nicht mit Lob hinterher rennen – vermutlich wird er dich nie loben. Und seine Zuneigung zeigt er durch fehlende Abneigung. Er…“ „Ich weiß, dass Sasuke kompliziert ist, danke.“ Diese motzige, sarkastische Antwort erinnerte Naruto so sehr an ihren Gesprächsgegenstand, dass er schmunzeln musste. Ja, der Junge hatte sich eindeutig einiges bei seinem Lehrer abgeschaut. Wenn Sasuke Kinder hätte, ob die dann wohl genauso wären? „Tja, und was erwartest du dann?“ Er nahm sich ein neues Dokument und überflog die Überschrift. Steuern. Ugh. Aus dem Augenwinkel sah er zu Takeshi. „Dass er dir Beförderungen schenkt, weil du sein Lieblingsschüler bist? Das kannst du vergessen. Gerade deswegen wirst du härter arbeiten müssen als die anderen. Zeig ihm, dass du nicht auf den leichten Weg aus bist. Dass du arbeiten willst. Dabei hilft er dir sicher.“ „I-Ich wollte gar keine Abkürzung nehmen… Ich glaube einfach, dass ich dafür gut geeignet wäre. Und ich will Sie beschützen, Hokage-sama“, plädierte er mit wachsendem Selbstbewusstsein und zunehmend flammendem Blick. Das fand Naruto angesichts der Tatsache, dass er neben einer elitären Garde Kurama hatte, davon abgesehen, dass er selbst nicht gerade hilflos war, sehr niedlich, und er musste lachen, was Takeshi natürlich gar nicht passte, so, wie er die Lippen aufeinander presste. „Ich weiß deinen Einsatz zu schätzen“, erklärte er versöhnlich. „Aber ich bin Sasukes Meinung. Du brauchst noch ein paar Jahre. Gib dir selbst Zeit.“ Von der Ungeduld des Jungen hatte er schon so einiges gehört, und gerade bewahrheitete sich alles davon. Nun war es nicht so, dass Naruto Takeshi für unfähig hielt, ganz im Gegenteil. Unter einem anderen Gardenhauptmann hätte er die Prüfung wahrscheinlich ablegen und unter Umständen vielleicht sogar bestehen können. Normalerweise delegierte der Wachvorsteher des Hokage die Ausbildung an jemanden, hatte er doch selbst genug mit Planung, Training und eben Wacheschieben zu tun. Doch Sasuke delegierte nicht. Das hätte ja geheißen, sich auf jemand anderen zu verlassen. Oh nein, Sasuke riss alle Aufgaben an sich und erledigte sie natürlich mit Bravour, obwohl ihn gewisser Kleinkram nervte und er eigentlich zu viel zu tun hatte. Mit Vorliebe regte er sich über Dilettantismus unter seinen Leuten auf. Naruto riet ihm immer, die Zügel zumindest ein wenig lockerer zu lassen, anderen Arbeit zu geben, doch davon wollte er nichts hören. Er war Perfektionist, Narzisst und neigte zum paranoiden Misstrauen. Eine perfekte Führerfigur, eben. Man beachte den Sarkasmus. „Ich bin sicher, wenn es so weit ist, wirst du einer der besten Anwärter sein“, bemerkte Naruto noch, als sein Gegenüber wütend die Lippen aufeinander presste. Ein wenig entspannter deutete Takeshi eine kleine Verbeugung an. „Danke für Ihre Zeit, Hokage-sama.“ „Natürlich.“ Der junge Shinobi war schon auf halbem Weg zur Tür, als sein Vorgesetzter ihn nochmal zurückrief: „Ach, Takeshi… Möchtest du heute Abend zu mir kommen? Wir können zusammen Essen. Dann sind wir nicht so alleine.“ Takeshi sah Naruto ungläubig an, dann senkte er verlegen den Blick. „Ich kann leider nicht…“ „Du brauchst echt nicht verlegen sein. Weihnachten sollte man mit seinen Lieben verbringen. Wie wäre es, wenn wir…“ „I-Ich bin bei meiner Freundin, Hokage-sama.“ „Deine… Oh.“ Unbehagliche Stille trat ein. Naruto war fest davon ausgegangen, dass Takeshi aus bloßem Stolz behauptet hatte, nicht zu können, um nicht bedürftig zu wirken. Doch in Wahrheit war er selbst der Bedürftige. Er hasste es, alleine zu sein, und an Heiligabend konnte er sich nicht mal mit Arbeit ablenken oder mit Kollegen reden. Blöder Teme, warum musste er ausgerechnet jetzt weg sein, an ihrem ersten Weihnachten als offizielles Paar…? „Oh, ähm, das ist schön“, brachte er hervor und lachte, als Takeshi rot wurde. „Wie heißt sie?“ Leuchtend braune Augen strahlten ihn an, alle Verlegenheit vergessend. „Muuto Teru. Sie ist Bänkerin und echt süß!“ Gar keine Kunoichi… Ob das längerfristig gut gehen würde, stand wohl in den Sternen. Natürlich wünschte Naruto jedem das Beste, doch die Berufsbedingungen seiner Shinobi waren einfach schwierig. Obwohl sie in friedlichen Zeiten lebten, waren sie oft lange auf Missionen unterwegs, und verletzt werden konnten sie jederzeit. Daher waren so viele Kollegen untereinander liiert – was dann oft nicht lange hielt – oder eben single. Naruto selbst hatte das vor seiner Beziehung (oder Affäre, wenn es nach Sasuke ging) eher locker gehandhabt. Er war ein paar Mal mit Hinata ausgegangen (schließlich hatte sie ihm ein Liebesgeständnis gemacht), doch war sie so nervös gewesen, dass sie kaum ein Wort herausgebracht hatte, weshalb sich ihre Treffen irgendwie im Sande verliefen. Sein erstes Mal hatte er mit einer älteren Kollegin gehabt, mit der er danach noch eine Weile etwas gehabt hatte. Allerdings war er ihr irgendwann zu anhänglich geworden, sodass sie sich jemand anderen suchte. Danach hatte er sich ausgelebt, jedoch hauptsächlich mit Sakura eine Art ´Freunde mit gewissen Vorzügen`-Arrangement getroffen. Damals hatte er sie schon ´nur noch` als beste Freundin gesehen, und es hatte gut geklappt. Bis Sasuke zurückgekommen war. Natürlich hatte Sakura (wieder) versucht, den Uchiha für sich zu gewinnen. Offensichtlich hatte sie seine Verabschiedung als Versprechen interpretiert, wobei ihr jedoch recht schnell klar geworden war, dass es höchstens ein Versprechen auf Freundschaft gewesen war. Damals hatte Naruto seine eigene Erleichterung noch nicht verstanden. Jetzt kam es ihm bescheuert vor, aber er hatte tatsächlich nicht gemerkt, wie vernarrt er eigentlich in Sasuke gewesen war, hatte es für Freundschaft gehalten. Er hatte nicht gemerkt, dass er sich Nähe wünschte, körperlich und emotional. Er hatte nicht realisiert, dass dieses Kribbeln im Bauch, wenn ihre Blicke sich trafen, nicht ´normal unter so guten Freunden` war. Er war ein Vollidiot gewesen. Aber zum Glück hatte sich ja irgendwie alles zum Guten gewendet, und jetzt würden sie heiraten. Obwohl sie immer noch kein Datum festgelegt hatten, bemerkte er mal wieder mit einem Blick auf seinen Ring. „Mhm, und ich schätze, älter als du?“, führte Naruto das Gespräch fort. Takeshi grinste schief und kratzte sich am Kinn. „24.“ „Hm, das geht ja noch… Dann wünsche ich euch viel Spaß und schöne Weihnachten.“ „Danke. Ihnen auch!“, rief der Junge ausgelassen und verließ endlich das Büro. Scheinbar hatte er zumindest seinen Ärger wegen der Prüfung vergessen, die er noch nicht antreten durfte, das war immerhin etwas. Aber jetzt war Naruto alleine, und er würde es für den Rest des Abends bleiben. Ein unangenehmes Gefühl machte sich in seiner Magengegend breit, das er zu vertreiben suchte, indem er sich in die Steuertexte vertiefte. Er war bereits ein gutes Stück weiter gekommen und draußen war es inzwischen stockdunkel, als es erneut an der Tür klopfte. Diesmal trat eine junge Frau, Mitte 20, mit kinnlangem, hellbraunem Bob und intelligenten, grünen Augen, ein. Auf dem Arm hielt sie einige penibel sortierte Blätter, welche sie mit einem Lächeln auf den Stapel auf Narutos Schreibtisch legte. „Ist das dein Ernst, Chise…?!“, stöhnte der Hokage seine Assistentin erschöpft an, woraufhin sie scheu lächelte. „Ich fürchte, das muss noch erledigt werden, Hokage-sama.“ Ihr Blick fiel auf den Stapel der Papiere, die er bereits durchgearbeitet hatte, und ein Hauch von Unzufriedenheit schlich sich in ihre Augen. „Sie haben nicht so viel erledigt, wie wir angedacht hatten.“ „Ein Chunin war hier und hat Beratung gebraucht“, rechtfertigte er sich, nahm jedoch folgsam das nächste Dokument. „Außerdem ist es noch gar nicht so spät. Es ist erst… Oh“, stockte er, als er auf die Uhr blickte und feststellte, dass es bereits fast halb zwölf war. Der Gesichtsausdruck seiner Sekretärin wurde etwas weicher. „Nun, es ist Weihnachten. Vielleicht sollten Sie lieber nach Hause gehen. Heute schaffen wir sowieso nicht mehr viel.“ „Wundert mich eher, was du hier noch treibst. Alle anderen sind doch bestimmt schon heim, oder?“ „Solange Sie noch hier sind…“ „Das ist doch Quatsch!“, unterbrach Naruto und stand auf, um sie sanft an der Schulter zu nehmen und in Richtung Tür zu führen. „Ich bin immerhin Hokage und es ist meine Verantwortung, wenn ich zu lahmarschig bin. Dafür musst du dich doch nicht bestrafen!“ „Aber…“ „Du gehst jetzt nach Hause und isst gemütlich, was noch übrig ist, und ruhst dich ein bisschen aus, ja? Und gönn dir ein paar Kekse für mich mit.“ „Hokage-sama…“ „Das war kein Vorschlag, Chise“, beharrte Naruto, woraufhin sie sich kurz in die Augen sahen, er auffordernd lächelnd, sie unsicher die Stirn runzelnd, bevor die junge Frau langsam nickte. „Wie Sie möchten, Hokage-sama.“ „Ja, ich möchte.“ Bekräftigend öffnete er die Tür, musste sie jedoch beinahe nach draußen schieben. Ein wenig erschöpft sah er ihr hinterher. So ein Arbeitstier hatte er ja schon lange nicht mehr gesehen, sie war ja fast schlimmer als Sakura, die ihn zuvor bei administratorischen Aufgaben unterstützt hatte. Schließlich schloss er die Tür, um sich wieder an den Schreibtisch zu begeben. Dort griff er jedoch nicht nach der nächsten Akte, sondern öffnete eine Schublade, aus der er ein Foto nahm. Es zeigte ihn und Sasuke, ganz schlicht, keine Küsse, kein Händchenhalten oder kuscheln. Nur sie beide. Und damit alles, was Naruto sich wünschte. Viel lieber als es in die Schublade zu stecken, hätte er es auf den Schreibtisch gestellt, doch das wollte sein Verlobter nicht, weil ihn dann ja jeder sehen würde. Als würde ihn nicht sowieso schon jeder im Dorf kennen. Aber der Hokage respektierte die Wünsche seines Verlobten, und musste sich eben mit solchen flüchtigen Blicken wie jetzt begnügen. Eine Welle heißer Sehnsucht durchfuhr ihn plötzlich und unerwartet, und ihm schnürte sich die Kehle zu. „Ach, scheiße…“, murmelte er und rieb sich den Nasenrücken. „Du solltest doch jetzt da sein, Teme…“ Es war ihr erstes Weihnachten als richtiges Paar. Es war ihr erstes (und vermutlich einziges) Weihnachten als Verlobte. Es war einfach Weihnachten. Aber eigentlich war es egal, was für ein Tag war, denn Naruto wollte Sasuke immer bei sich haben. Er vermisste seinen Sarkasmus und seine Intelligenz und seinen Starrsinn und seinen Putzfimmel und seine Morgenmuffeligkeit und sein Lachen und seine Stimme und seinen Körper und seinen Geruch und seine Hand zu halten. Gerade vermisste er Sasuke so sehr, dass es körperlich wehtat, und dieses Gefühl rief schmerzhafte Erinnerungen wach an eine Zeit, als er nicht sicher gewesen war, ob er den anderen je wiedersehen würde. Seine Augen brannten unangenehm und er wischte darüber, doch die Erleichterung zu weinen war ihm sowieso nicht vergönnt. Fast war es, als könnte er seinen Verlobten: „Heulsuse“, sagen hören. Und dann fast so, als würde sich eine kühle Hand auf seine Wange legen, sein Kinn heben und warme Lippen sich an seine schmiegen. Doch dann blinzelte Naruto ungeweinte Tränen weg, und er war wieder alleine in seinem Büro. Er hatte sich noch nie geschämt, zu weinen, und jetzt kullerten ein paar Tropfen über seine Wangen, bevor er sich wieder einkriegte. Es reichte aber! Schließlich würde sein Teme schon bald wieder hier sein, vielleicht sogar am nächsten Tag. Da war es vollkommen unnötig, hier herumzujammern. Vermutlich war er nur übermüdet und sollte langsam ins Bett gehen, es war immerhin schon fast dreiviertel zwölf. Die paar Minuten bis Mitternacht würde er jetzt noch durchhalten, beschloss er, dann würde er sein Schlafzeug aus dem Schrank holen und es sich auf der Couch bequem machen. Während er also weiter arbeitete, bewegte der große Zeiger der Uhr sich unaufhörlich in Richtung der Senkrechten, auf seinen kleinen Bruder zu. Im ganzen Gebäude war es geisterhaft still. Naruto war jetzt wirklich die einzige lebende Seele im ganzen Gebäude. So kam es, dass er die Schritte auf dem Flur hörte bevor sie die Tür erreichten. Ein wenig verwundert richtete er sich auf. Wer wollte denn um diese Zeit noch etwas? Ein Notfall, vielleicht? „Her…“, fing er in Erwartung des obligatorischen Klopfens an, doch die Tür öffnete sich einfach und herein trat kein anderer als Sasuke. Zuerst dachte Naruto, er würde schon wieder phantasieren und schob endgültig seine Arbeit von sich. Doch dann sagte die Halluzination: „Du arbeitest also wirklich noch“, und seine Stimme jagte dem Hokage einen angenehmen Schauer den Rücken runter, den er sich gar nicht einbilden konnte, nicht mal in der ausschweifendsten Sexphantasie. Völlig verblüfft konnte er Sasuke nur ansehen. Ein paar Schneeflocken – Naruto hatte nicht mal bemerkt, dass es angefangen hatte zu schneien - hingen noch in seinem Haar und schmolzen. Über seine Schulter schlang sich der abgegriffene Gurt eines Rucksackes. Seine Kleider waren schmutzig und er hatte Ringe unter den Augen und er war es wirklich. „Sasuke!“, schrie der Hokage und sprang praktisch über den Tisch in die Arme seines Liebsten. Dieser taumelte unter so viel Begeisterung und brummte etwas Unwilliges, doch er legte die Hände in Narutos Taille, als dieser ihn überschwänglich küsste. Naruto grub die Finger in sein Haar und zog ihn enger an sich. Er wollte mehr, viel mehr, nach dem sie so lange getrennt gewesen waren und vor allem nach seiner vorherigen Sehnsuchtsattacke. Gott, da glaubte er gerade, es vor Einsamkeit nicht mehr auszuhalten, und genau in dem Moment tauchte der Bastard wieder auf. Und es tat so gut, ihn sehen, zu halten, zu schmecken, zu riechen… Er tat so unendlich gut. Schließlich löste Sasuke sich mit gerunzelter Stirn wieder. „Was ist los?“, wollte er misstrauisch wissen, doch Naruto lachte nur. „Nichts. Ich freue mich nur, dass du dich extra beeilt hast, um mich heute noch zu sehen.“ Wie erwartet wurden die schwarzen Augen abweisend, doch Naruto erkannte dies als Sasukes Art, verlegen zu werden. "Wir sind eben jetzt nach Hause gekommen, das hat nichts mit dir zu tun...", murrte er, doch der Hokage wusste es besser und grinste breit. Sein Blick fiel auf die Uhr. Samstag, der 24. Dezember, 23.59 Uhr. Er küsste seinen Liebsten nochmal. „Frohe Weihnachten, Sasuke.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)