Fremde Märchen von Makoto17 (Wichtelgeschichte für Lilim-Angel) ================================================================================ Prolog: Märchen --------------- „Und, wisst ihr schon, was wir in dieser Projektwoche machen?‟, Reikas Lachen erfüllte den gesamten Raum, während sie den anderen ihren Wissensvorsprung auf die Nase band. „Ich weiß es schon. Ich weiß es, und ihr noch nicht.‟ „Findest du es fair, uns alle als unwissend darzustellen?‟ „Nun sag es schon, Tamaki. Wir wollen es auch wissen.‟ „Ja, genau.‟, bestätigten die anderen. Doch Reika blieb standhaft. Sie genoss das Gefühl, dass die anderen auf sie schauten. Das Gefühl, im Mittelpunkt zu stehen. „Was macht ihr da?‟ Die gesamte Klasse drehte sich zu ihrer Lehrerin Frau Seki um. Diese betrat gerade durch die Tür den Raum. Schnell liefen die Schüler zu ihrem Platz und setzten sich, mit erwartungsvollem Blick der Lehrerin folgend. „Wie ihr wisst, ist nächste Woche wieder die Projektwoche, und wie jedes Jahr steht uns etwas ganz besonderes bevor.‟ Frau Seki wartete kurz, bis sich die Aufregung der Klasse etwas gelegt hatte. „Dieses Mal bereiten wir ein Theaterstück vor. Und dieses Stück spielen wir dann am Ende der Projektwoche unserem Gästen vor.‟ „Was für Gäste?‟ „Wer kommt denn am Freitag?‟ „Und wieso bekommen wir Gäste?‟ Hatte Reika denn tatsächlich dicht gehalten? Frau Seki nickte ihrer Schülerin anerkennend zu. Nachdem diese im Lehrerzimmer beim Lauschen erwischt worden war, hatte sie ihrer Lehrerin versprechen müssen, ihren Mitschülern nichts darüber zu berichten. Sie war nicht sicher gewesen, ob Reika sich an ein solches Versprechen halten würde. Doch anscheinend hatte sie es dieses Mal geschafft. Die Fragen der Schüler bestätigten dies. „Das Thema unserer Projektwoche sind deutsche Märchen. Wir bekommen am Freitag Besuch von unserer Partnersuche, um die deutsch-japanische Freundschaft zu feiern.‟ Doch viele Schüler hörten ihr nicht mehr zu. Sie waren noch zu verwundert über das Thema, dass sie die Erklärung, wie es zu diesem Thema kam, nicht mehr mitbekamen. „Ein deutsches Märchen? Wie sollen wir nur so schnell die Handlung von einem Märchen aus einem fremden Land lernen?‟ Plötzlich fiel Hazuki etwas ganz Entscheidendes ein. „Müssen wir auch das Märchen auf deutsch vorspielen?‟ Auch die anderen Klassenkameraden waren jetzt eher schockiert als verwirrt. Sie konnten sich nicht vorstellen, wie dies funktionieren sollte. Ganz besonders deshalb, weil deren Sprache so anders war, ganz andere Laute kannte, die sie nicht annähernd aussprechen konnten. Als Frau Seki die Gesichter ihrer Schüler sah, mit weit aufgerissenen Augen und leicht blass um die Nase, lachte sie laut los. Es war sonst nicht ihre Art, ihre Schüler auszulachen. Und auch, wenn sie die Bedenken der Schüler kannte, sahen deren Gesichter zu komisch aus. Für einen kurzen Zeitraum genoss sie die Stimmung, bevor sie die Anspannung der Schüler löste. „Keine Sorge, ihr müsst das Theaterstück nicht auf deutsch vorführen.‟ „Und warum stellen wir ihnen nicht eines von unseren Märchen vor? Die Märchen von ihrem eigenen Land werden sie doch wohl in und auswendig kennen.‟ „Aber genau das ist der Grund dafür.‟ „Das verstehen wir nicht.‟ „Ganz einfach‟, begann Frau Seki, es der Klasse zu erklären. „Wenn wir ein japanisches Märchen spielen, und auch in unserer Sprache, dann verstehen die deutschen Kinder es nicht, da sie weder unsere Sprache verstehen, noch unsere Märchen kennen. Aber angenommen, wir spielen ihnen eine Geschichte vor, deren Verlauf sie schon kennen. Dann verstehen sie die Handlung, auch wenn sie die Sprache nicht verstehen. Sie kennen die Dialoge nämlich schon, und können so dem Märchen folgen.‟ Die Gesichter der Schüler erhellten sich. Frau Seki wusste, dass diese sie verstanden hatten. „Ich habe hier einige typische deutsche Märchen mitgebracht. Jetzt müssen wir nur noch abstimmen, welches wir vorführen wollen.‟ Frau Seki legte die Bücher nebeneinander auf dem Lehrerpult, und ließ ihre Klasse noch vorne kommen. Auf den Buchrücken waren Bilder abgebildet, die, so vermutete die Klasse, eine Szene innerhalb des Märchens darstellten. Vermutlich sogar die Schlüsselszene. - Ein Mädchen im Turm mit einem ganz langen Zopf - Ein Frosch mit einer Krone und einer Kugel am Brunnen - Ein Mädchen mit sieben Zwergen - Zwei Kinder vor einem Lebkuchenhaus - Ein schlafendes Mädchen in einem Bett neben einem Spinnrad - Ein Mädchen unter einem Haselzweig, in dessen Hintergrund zwei weitaus besser gekleidete Mädchen vor eine Kutsche standen - sieben Geißlein auf der Suche nach einem Versteck vor dem Wolf - sieben Fliegen auf einem Marmeladenbrot - Ein Mädchen mit einer roten Kappe mit einem Wolf im Hintergrund - Eine Katze mit einem Stiefel - Ein alter und ein neuer Schlüssel in der Hand eines Mannes - Ein Esel, ein Hund, eine Katze und ein Hahn, die aufeinander standen - drei Schweine vor verschiedenen Behausungen mit einem pustenden Wolf im Hintergrund - jeweils ein Igel am Anfang und Ende einer Rennstrecke, wobei ein Hase abgehetzt auf der Mitte liegt Viele Märchen, die die Kinder nicht kannten. Die Bücher waren dünn und enthielten viele Bilder. Kurze Zeit später zog Frau Seki die Aufmerksamkeit wieder auf sich. „Ich würde vorschlagen, dass sich jeder von euch eines der Bücher nimmt und bis morgen durchliest. Morgen stellt dann jeder sein Märchen vor. Am Ende des Tages stimmen wir dann ab, welches wir vorbereiten. Es kann auch sein, dass wir zwei Märchen nehmen, damit jeder etwas mitwirken kann. Immerhin gibt es nicht bei jedem Märchen genug zu tun. Und nun, sucht euch eines aus.‟ Jeder von ihnen nahm sich ein Märchen. Wenn sie darauf achteten, was für ein Märchen sie nahmen, orientierten sie sich an dem Bild. Eine andere Möglichkeit hatten sie nicht, zu entscheiden, ob es ihnen zusagte. „Hey, sieh mal, Hazuki. Ist das nicht der perfekte Mann für Majo Rika.‟ „Ein Frosch für einen grünen Klops.‟ „Ja, lasst uns das Majo Rika zeigen.‟ Begeistert sprang Aiko auf, schnappte sich das Buch und setzte zum Sprint Richtung Flower Garden an. „Senoo, die Schule ist noch nicht vorbei!‟ Abrupt stoppte sie, drehte sich um und ging zu ihrem Platz zurück. „Sorry, Seki-Sensei. Ich war wohl in Gedanken.‟ „Solange sich die Gedanken auf die Schule beziehen, habe ich nichts dagegen.‟ Die Klasse lachte. Den Rest des Tages verbrachten die Schüler damit, das Märchenbuch zu lesen und sich Notizen zu machen, die sie am nächsten Tag für ihre Präsentation brauchen würden. Da die meisten Märchen recht kurz waren, hatten die Kinder alle ihr Märchen gelesen, als die Schulglocke das Ende des Tages ankündigte. Die vier Hexenschülerinnen liefen zum Flower Garden. „Glaubst du wirklich, dass wir das Majo Rika zeigen sollten? Die wird ausflippen, dass weißt du doch.‟ „Was für ein Märchen habt ihr euch denn ausgesucht?‟ Auch wenn die anderen wussten, dass Doremi sie nur ablenken wollte, zeigten diese ihr ihre Bücher. Aiko hatte sich für „Hänsel und Gretel‟ entschieden, Onpu für „Dornröschen‟ und Hazuki für „Rotkäppchen‟. „Dir gefällt bestimmt der Gedanke, ein Haus voller Plätzchen zu haben, die man essen kann.‟ „Erwischt. Aber wenn es ein Märchen geben würde, bei dem es um Steaks geht, würdest du dieses bestimmt auch aussuchen.‟ Doremi drehte sich zu Hazuki und Onpu um. „Wonach habt ihr entschieden, welches Märchen ihr nimmt?‟ „Nun ja, ich hoffe, nicht allzu viel Text lernen zu müssen, wenn wir Dornröschen nehmen. Bei den vielen Drehtagen, die diesen Monat anstehen, hab ich kein Platz, noch viele weitere Szenen zu lernen.‟ „Wer sagt denn, dass du eine Rolle bei dem Märchen bekommst?‟ „Ich! Immerhin bin ich die einzige von unserer Klasse, die bereits Schauspielerfahrung vorweisen kann. Da kann Seki-Sensei nicht anders.‟ Auch Aiko drehte sich zu Onpu um. Diese streckte den anderen gerade die Zunge raus und zwinkerte ihnen zu. „Das heißt aber nicht, dass Seki-Sensei auch so entscheidet. Immerhin hat sie auch immer gesagt, dass wir dich nicht als Star behandeln sollen.‟ „Weiß einer von euch schon, wie ihr euer Märchen vorstellt?‟ Alle drei schüttelten den Kopf. „So ganz genau hab ich die Geschichte nicht verstanden.‟ Sie kamen gerade am Flower Garden an, als Majo Rika und Lala auf sie zu gestürmt kamen. „Wir haben schon auf euch gewartet. Ihr kümmert euch weiter um Hana, während wir etwas in der Hexenwelt erledigen.‟ Doremi musste bei den Anblick von Majo Rika grinsen. Der Gedanke an den Froschkönig, wie der um Majo Rikas Gunst warb, war einfach zu komisch. Aiko, der Doremis Gesichtsausdruck nicht entgangen war, stieß dieser zwischen den Rippen. „Was sollte das?‟ „Willst du dich etwa verraten?‟ Majo Rika spürte, dass etwas nicht stimmte. Sie drehte sich zu Doremi um. Diese stand gerade mit den Rücken zu ihr und versuchte, ihre Gedanken aufs Wesentliche zu konzentrieren, darauf, Majo Rika nicht auszulachen. Natürlich gelang es ihr nicht. „Warum lachst du mich aus, Doremi?‟ Jetzt, wo sie einmal damit angefangen hatte, konnte sie nicht mehr aufhören. Sie lachte so laut, dass man dies sogar noch einige Straßen weiter hören konnte. „DOREMI!‟, schrie Majo Rika. Doch dann erkannte sie, dass sie aus ihrer Schülerin nichts herausbekommen würde, wenn sie diese so an schrie. „Ach, was soll's?‟, mit diesen Worten verließ sie den Flower Garden. Die kleine Hana schrie. Ihr Schreien war kaum lauter als das Gelächter von Doremi, doch ihre drei Freunde bemerkten es dennoch. Während Hazuki und Onpu zu Hana nach hinten gingen, stupste Aiko Doremi an. Diese blickte zu ihrer energischen Freundin. Als Doremi Aikos strengen Blick in Richtung Hinterausgang sah, wurde sie augenblicklich still. Sie wusste, dass sie mit ihrem Gelächter Hana aufgeweckt hatte. Beide liefen zu ihren Freundinnen und Hana nach hinten. „Ist ja schon gut. Ich wollte nicht so laut sein.‟, sprach Doremi sanft zu Hana, während sie ihr in die Augen schaute. Hana, die die warmen Hände ihrer Pflegemutter spürte, beruhigte sich und öffnete die Augen, in der Erwartung, ihre Mütter zu sehen. Da ihre Erwartung erfüllt wurde, lachte sie. „Vielleicht sollten wir ihr die Märchen vorlesen, damit wir wissen, wie wir diese vorstellen können?‟ „Gute Idee.‟ „Ich bin dagegen.‟ Alle drei drehten sich zu Hazuki um. Warum war sie dagegen? Es war doch eine schöne Idee, Hana auch die Geschichten einer anderen Kultur nahe zu bringen. Wie aus einem Mund fragten sie alle: „Warum?‟ „Ganz einfach. Habt ihr euch die Märchen denn mal durchgelesen. Hana ist eine Hexe. Und Hexen sind in Märchen immer die Bösen. Willst du etwa, dass sie davon träumt, im Ofen verbrannt zu werden oder jemanden zu verfluchen?‟ Ganz verdattert schauten Aiko, Doremi und Onpu sich an. Sie hatten inzwischen einige Hexen kennen gelernt, und keine von ihnen entsprach dem, was die Märchen einem vormachten. Wenn sie Hana jetzt erzählten, dass Hexen immer böse sind, würden sie ihr Pflegekind dazu bringen, zu glauben, dass es selbst nie für das akzeptiert werden würde, was es war. Dies wollten sie ganz bestimmt nicht. „Stimmt‟, bestätigten sie alle Hazukis Zweifel. Der Nachmittag verging schneller, als die vier dies erwartet hätten. Sie gingen einen kleinen Teil gemeinsam, und überlegten währenddessen, wie sie die Hausaufgabe, die Frau Seki ihnen aufgegeben hatte, erledigen sollten. „Vielleicht sollten wir zaubern, um eine Idee zu bekommen.‟ „Genau. Wenn wir uns die Märchen einmal anschauen, wissen wir bestimmt, wie wir sie vorstellen sollen.‟ Alle vier schauten sich um. Es war fast dunkel, und die Straße, auf der sie sich befanden, war leer. Niemand ging hier entlang. Doremi wollte sich schon auf der Straße verwandeln, als Aiko sie zurückhielt. „Das ist viel zu unvorsichtig. Auch wenn es heute Nacht momentan still ist, kann sich dies recht schnell ändern.‟ Sie verzogen sich gemeinsam hinter einem Busch, und verwandelten sich im Schutz der Blätter. „Bereit?‟ „Bereit!‟ Alle drei angesprochenen Mädchen nickten Doremi zu. Sie stellten sich in der Form eines Quadrates auf, jeweils drei Meter von der anderen entfernt. Jede von ihnen nahm ihr Karkordion zur Hand und bewegte es in der Luft. „Pirika Pirarara Nobiyakani.‟ „Paipai Ponpoi Shinayakani.‟ „Pameruku Paruku Takarakani.‟ „Pururun Purun Suzuyakani.‟ Sie drehten sich aufeinander zu, bis ihre Karkordione sich zu einer Pyramide formten. Gemeinsam vollendeten sie ihren Zauber. „Magical Stage, zeig uns den Sinn dieser Märchen.‟ Jede von ihnen dachte an das Märchen, dass sie vor der Klasse vorstellen sollten. Da jede von ihnen so an ein anderes Märchen dachte, vermischten sich die Gedanken in der großen Blüte, die gerade über ihren Köpfen entstand und sich ihnen näherte. Die große Blume breitete ihre Blätter aus, bis sie die vier Hexenschülerinnen verschluckte. Kapitel 1: Der Fluch -------------------- Als Onpu ihre Augen öffnete, sah sie in das Gesicht ihrer Eltern. Sie fühlte sich seltsam, und der Anblick, der sich ihr bot, tat sein übriges, um diesen Eindruck zu verstärken. Ihre Eltern wirkten so groß, so gewaltig. Sie hoffte, dass sie nicht geschrumpft war. Sie hielt ihre Hände vor ihren Augen. Diese waren so klein, so Babyhaft. Moment mal, so Babyhaft. Sie schaute sich weiter um, während ihr ein Schrei entfuhr. Ihr Oberteil, ihre Hose, ihre Schuhe, dies waren alles Klamotten, die vielleicht ein kleines Baby im vorherigen Jahrhundert tragen würde, oder aber eine Kollektion von Hazuki. „Hazuki‟, wollte sie schon rufen, aber heraus kam nur ein: „Wähhh!‟ Was sollte das denn? Sie konnte nicht mehr reden? Warum kam sie sich nur wie ein kleines Baby vor? Ihre Mutter hielt sie so hoch, wie sie es früher immer getan hatte. Sie spielten Flugzeug. Onpu streckte die Arme aus, und ihre Mutter lief im Raum auf und ab. Der Raum wirkte altertümlich. Die Möbel aus Holz, nichts aus Plastik. Keine Kuscheltiere, auch wenn die Kleider so wirkten, als wenn ihre durchaus reich wären. Dies war so anders als ihr Zimmer. Sie war also nicht bei sich zu Hause. War sie bei Hazuki? Doch das ihre Eltern sie hielten, sprach dagegen. Diese Möglichkeit verwarf sie daher wieder. Onpus Eltern brachten sie auf den Balkon. Viele Menschen standen unten, schauten zu ihnen herauf. Als Schauspielerin war sie diese Menge an Leuten durchaus gewohnt. Doch bei diesen Gelegenheiten kannte sie ihren Text, im Gegensatz zu jetzt. Noch immer versuchte sie, herauszufinden, was hier vor sich ging. Das letzte, an das sie sich erinnerte, war, dass sie mit ihren Freundinnen den Magical Stage heraufbeschworen hatte. Direkt danach befand sie sich schon hier, in den Armen ihrer Mutter. Was auch immer passiert war, es war durch diesen Zauber zustande gekommen. „Ich präsentiere euch hiermit meine Tochter, Rose.‟ Moment mal, Rose? Sie hieß doch Onpu. Sie war im Märchen Dornröschen, schoss es ihr durch den Kopf. Aber warum musste sie dies nun aus Sicht eines Babys miterleben. Hatte sie etwa etwas überlesen, oder einfach schon wieder vergessen? Ersteres schien ihr wahrscheinlicher. „Ihr zu Ehren werden wir ein großes Fest feiern. Zwei Tage lang soll keiner arbeiten müssen, sondern jeder auf dem Schloss versorgt werden. Bereitet ein großes Fest vor. Es wird gefeiert!‟ „Unsere Rose ist noch jung. Sie sollte nicht so lange draußen in der Kälte bleiben.‟ Ihr Vater nickte ihrer Mutter zu, welche sie wieder ins Schloss brachte. Onpu wurde ins Bettchen gelegt. Von dort bekam sie kaum etwas mit. Sie schlief wieder ein, während das große Fest vorbereitet wurde. „Wir sollten auch die Feen einladen. Immerhin ist dies ein großer Tag. Und ein paar Gaben schaden unserer Tochter bestimmt nicht.‟ Eine Dienerin des Hauses ging zu der Glasvitrine, öffnete diese und holte die goldenen Teller hervor. Als sie sie auf den großen Tisch stellte, jeden Teller auf einen eigenen Platz, und diese dabei zählte, wusste sie, dass dies so nicht klappen würde. Sie ging zum König, traute sich aber nicht, ihm die schlechte Nachricht mitzuteilen. Doch der König, Onpus Vater, war in einem solchen Freudentaumel, dass er die ältere Frau nicht bemerkte. Er rempelte sie an. Die Frau richtete sich wieder auf und versuchte, möglichst schnell aus dieser Szenerie zu entkommen. „Was wollten Sie denn von mir?‟ Der König sprach sie an, sie persönlich. Dies kam nicht oft vor. Ganz besonders, da es üblich war, dass die Diener die Aufmerksamkeit des Königspaares erst erringen mussten, um ihr Anliegen vorzubringen. Die Geburt seiner Tochter musste wirklich etwas in ihm verändert haben. Auch wenn dies nur von kurzer Dauer sein mochte, wollte sie die Chance nutzen. Vielleicht war es nicht ganz so schlimm, wenn die Nachricht keine gute war. „Wir haben nicht genug Teller, um alle Feen einzuladen. Ein Teller fehlt.‟, sprach die Dienerin recht schnell, als wenn sie das Überbringen der Nachricht einfach nur hinter sich bringen wollte. Das Königspaar drehte sich kurz zu der Dienerin um, bevor sie sich stumm fragten, was sie nun tun sollten. Die Einladungen waren noch nicht draußen, und so konnten sie sich noch entscheiden, ob sie eine der Einladungen zurückzogen, ohne, dass die entsprechende Fee etwas davon mitbekam. „Und wenn wir den Tisch einfach mit silbernen Teller decken?‟ „Die Feen würden dies als Beleidigung auffassen.‟ „Aber würden die Feen nicht untereinander reden, dass eine von ihnen nicht eingeladen wurde?‟ „Das Risiko müssen wir wohl eingehen. Immerhin können wir es nicht wagen, die Fee zu verärgern, die keinen goldenen Teller vorgesetzt bekommt.‟ „Aber verärgern wir sie nicht auch, wenn wir eine von ihnen ausschließen?‟ „Dies würden sie wohl viel eher verstehen, als wenn wir sie mit minderwertigen Tellern begrüßen.‟ „Also gut.‟ Er hielt seiner Frau die Einladungskarten der Feen vor die Nase. „Aber ich mochte nicht entscheiden, welche Fee wir ausschließen. Also, wähle du die Karte, die wir nicht abschicken.‟ Die Königin wollte auch nicht die Verantwortung für das Ausladen einer Fee auf sich nehmen, aber dies konnte man auch keiner Dienerin auferlegen. Daher schloss sie die Augen und zeigte auf eine Karte, ohne wirklich zu wissen, welche Fee sie nicht einladen sollten. Langsam und bedächtig öffnete die Königin den Briefumschlag, den sie nun nicht mehr abschicken würden. Die Wahl fiel auf Hehe, der Schicksalsfee. Sie waren durchaus besorgt, dass die Schicksalsfee ihnen etwas antun könnte, wenn sie dies heraus fand. Doch sie hofften, dass die anderen Feen ihre Entscheidung nachvollziehen konnten. Vielleicht stellten diese sich sogar schützend vor sie. Die anderen Briefumschläge drückte der König einem seiner Diener in die Hand. „Bringe sie zu den Feen, aber achte darauf, jeder Fee den Brief persönlich zukommen zu lassen.‟ Der Diener schaute zwar etwas verwirrt, gehorchte aber umgehend. Er entfernte sich vom Schloss, ging in den Wald hinein zu dem Tal, in dem die Feen vermutlich lebten. Eine Stunde wartete er darauf, dass eine der Feen zu ihm kam, dann legte er die Briefe auf dem Baumstumpf, auf dem er zuvor gewartet hatte. Aus ihrem Kinderbett konnte Onpu nicht sonderlich viel erkennen. Inzwischen fragte sie sich, wo die anderen drei steckten. Immerhin hatten sie alle vier den Magical Stage gerufen. Ihre Eltern waren immer noch ihre Eltern, und unter den Dienern hatte sie ihre Freundinnen auch noch nicht entdeckt. Wie sollte sie sich in einem fremden Märchen zurechtfinden? Hehe beobachtete, wie der Mann aus dem Schloss in ihrem Tal ankam. Sie war so klein, dass sie sich gut verstecken konnte. Sie sah, wie er sich auf dem Stumpf ihrer Hauses setzte und nervös mit den Fingern gegen die Knie hämmerte. Sie überlegte, ob sie sich ihm zeigen sollte. Schließlich wollte sie zurück nach Hause, nachdem sie sich um die Bäume auf der anderen Seite des Waldes gekümmert hatte. Aber sie wollte sich auch nicht von einem Diener aufhalten lassen. Daher entschied sie sich dagegen. Sie war schon kurz davor, entgegen ihrer Entscheidung zu handeln, als dieser Mann doch noch aufstand und etwas Papier auf ihrem Haus legte. Sie wartete noch kurz, bevor sie zu dem Dach ihres Hauses flog. Mit dem Papier in den Händen schleppte sie sich in ihre Wohnung. Da sie die Menschenschrift kannte, durchsuchte sie das Papier nach einem Hinweis, dass einer dieser Blätter für sie bestimmt war. Lulu, Dodo, Rere, Mimi, Roro, Fafa, Lala, und das war's. Keine Post für sie. Sie wunderte sich darüber. Wer würde allen anderen etwas schicken, aber der Schicksalsfee nichts. Als sie wieder nach draußen flog, begegneten ihr zwei von den anderen Feen. „Lala, Lulu, wartet mal ganz kurz.‟ Die beiden Angesprochenen stoppten mitten im Flug, als sie die Stimme ihrer Anführerin vernahmen. Sie drehten sich zu dieser um. „Was gibt es?‟ „Wo sind die anderen. Ich möchte mit euch allen über einen Vorfall sprechen, von dem ich nicht weiß, was dies zu bedeuten hat.‟ Leicht beunruhigt schauten Lala und Lulu sich an. Einen Vorfall? Dies hörte sich ernst an. Mit einem Nicken trennten sie sich. „Wir treffen und bei dir am Baumstamm.‟, riefen sie Hehe noch zu, während sie sich auch schon auf die Suche nach den anderen Feen begaben. Kurze Zeit später standen und flogen alle versammelt am Baumstumpf von Hehe. „Warum hast du uns alle hier zusammenkommen lassen?‟ Hehe öffnete die Tür zu ihrem Haus, ging kurz hinein und schleppte die Briefe zu den anderen Feen hinaus. Jeder der anderen Feen erhielt einen Brief. Doch die Feen trauten sich noch nicht, die Briefe zu öffnen. Hehe ermutigte sie dazu. Während die anderen Feen ihren Brief lasen, flatterte Hehe zu Lulu hinüber, und schaute dieser beim Lesen über die Schultern. „Ich habe keinen Brief erhalten.‟, erklärte Hehe die anderen, während diese sich schon darüber unterhielten, was sie der Neugeborenen wohl für Gaben bringen wollten. Kaum hatte Hehe den Umstand mit dem nicht vorhandenen Brief erklärt, waren die anderen auch schon still. Die Feen berieten sich. Sollten sie überhaupt zu der Feier gehen, wenn sie nicht alle eingeladen waren. Und wie konnten die Menschen es überhaupt wagen, eine von ihnen nicht einzuladen? Wussten sie denn nicht, dass sie immer nur zusammen zu einem Fest kamen? „Wir sind eingeladen worden, wir sollten diese Einladung annehmen.‟ „Aber was ist mit Hehe?‟ „Die Menschen werden schon merken, dass das Nicht-Einladen von mir nicht toleriert wird.‟ „Was hat Hehe vor?‟ „Ich weiß es nicht. Ich hoffe nur, dass das Neugeborene nicht darunter leiden muss.‟ Das Fest begann. Zur Ankunft der Feen dröhnten Trompeten. Das Tor öffnete sich, und die Feen kamen in Menschengröße zu dem festlich gedeckten Tisch. Sie setzten sich auf die ihnen zugewiesenen Plätze, aßen und tranken gemeinsam mit dem Königspaar. Die Eltern des kleinen Mädchens erzählten, was sie sich für die Zukunft ihrer Tochter wünschten. Die Feen hörten sehr interessiert zu. Immerhin ging es auch darum, was sie dem Mädchen für Gaben schenkten. Auf ein Zeichen des Königs hin erhoben sich alle Teilnehmer des Festes. Sowohl der Besuch der anderen Königshäuser, wie auch die Adelsfamilien dieses Königsreichs nahmen an dem Fest teil. Er ging zur Wiege und hob seine Tochter aus dieser heraus. Wie zuvor auf dem Balkon präsentierte er Rose, bzw. Onpu, der Menge. Onpu staunte nicht schlecht, als sie ihre Elfe, und die der anderen, wiedererkannte. Sie konnte wieder in die Menge sehen, sie beobachten. Wie schon zuvor suchte sie die Menschen nach bekannten Gesichtern ab. Wieder fand sie zwar viele, die ihr bekannt vorkamen, aber Doremi, Hazuki und Aiko waren nicht dabei. Oder doch, in einigen anderen Wiegen lagen ebenfalls kleine Kinder. Anscheinend waren diese momentan auch im Körper eines Kleinkinds gefangen. Zumindest hoffte Onpu dies. Sie lächelte in sich hinein, als sie die anderen Babys sah. Der König legte seine Tochter wieder in die Wiege und bedeutete den Feen, jetzt ihre Gaben zu verteilen. Fafa trat als erste vor. Mit warmen Augen schaute sie das kleine Mädchen in ihrer Wiege an. „Ich wünsche dir, dass du von allen gemocht wird. Du wirst sehr beliebt sein.‟ „Du wirst allen Lebewesen gegenüber mit Freundlichkeit begegnen, und diese Freundlichkeit wird auch dir zuteil werden.‟ „Du wirst wissen, was andere Wesen fühlen. Du wirst dich in sie hinein versetzen können und verstehen, was diese dir mitteilen wollen.‟ „Du wirst wissbegierig sein. Das Lernen wird dir leicht fallen, und du wirst recht schnell die Zusammenhänge hinter allem erkennen.‟ „Du wirst fit und geschickt in sämtlichen Sportarten sein. Du wirst schnell rennen und reiten können.‟ „Du wirst andere gut führen können. All die Eigenschaften, die die anderen dir mitgegeben haben, werden dich zu einer guten Königin werden lassen.‟ Alle Feen berührten die Prinzessin, während sie ihren Wunsch äußerten. Roro wollte gerade nach vorne schreiten, als sich die Türen erneut öffneten. Dieses mal blieb die Trompetenbegrüßung aus. Niemand wollte den Besuch begrüßen, die sich soeben selbst eingeladen hatte. Hehe, die nicht eingeladene Anführerin der Feen, schritt mit schnellen Schritten auf das Neugeborene zu. Verächtlich schaute sie das Königspaar an, als würde sie diese dafür verantwortlich machen, was sie nun tun musste. Roro sprang entsetzt zur Seite. Auch sie konnte sich ihrer Anführerin nicht in den Weg stellen. Dies würde sie auch gar nicht erst versuchen. Alle anderen hatten ihre Wünsche für das Neugeborene bereits ausgesprochen. Was auch immer Hehe nun vorhatte, sie vermutete, dass es besser war, wenn eine von ihnen ihren Wunsch noch nicht genannt hatte. Hehe schaute den König direkt in die Augen, als sie ihren Wunsch für das kleine Mädchen bekanntgab. „All die Wünsche, die die anderen Feen dem kleinen Mädchen zugedacht haben, werden in Erfüllung gehen. Sie wird ein glückliches Leben haben, aber an dem Tag, an dem sie 15 Jahre alt wird, wird sie einen verbotenen Zauber sprechen. Und dieser Zauber wird sie umbringen.‟ Jeder im Raum riss schockiert die Augen auf, während sie beobachteten, wie Hehe wieder zur Tür hinaus ging. Sie konnten kaum glauben, dass der Wunsch der Fee so grausam sein konnte. Viele hielten ihre eigene Kinder, sofern diese mitgekommen waren, im Arm fest umklammert. Sie bekamen Angst um das Königskind, aber genauso auch um ihren eigenen Nachwuchs. „Kann man denn da nichts gegen machen?‟, fragte der König die noch versammelten Feen. Diese schüttelten nur den Kopf. „Nein, wir haben alle unserer Wünsche schon genannt. Jede Fee kann einem Neugeborenen nur einen Wunsch mitgeben, eine Gabe, nicht mehr.‟ Bei diesen Sätzen blickte der König nach unten. Die Hoffnungslosigkeit vergrößerte sich, und er überlegte schon, was er unternehmen konnte, damit diese Prophezeiung nicht eintrat. Wieder trat Roro vor, und ging zu dem kleinen Mädchen. „Es stimmt nicht ganz. Ich habe meinen Wunsch noch nicht ausgesprochen. Und ich werde ihn dazu nutzen, den Fluch von Hehe abzumildern. Ganz abwenden kann ich ihn nicht. Dazu reicht meine Macht nicht aus.‟ „Tu' was du kannst. Aber rette unsere Tochter.‟ Roro nickte. Sie konzentrierte sich auf die kleine Rose, und strich ihr über die Schulter, als sie ihren Wunsch aussprach. „Wenn du den verbotenen Zauber ausspricht, so wirst du nicht sterben, sondern 100 Jahre schlafen. Und das ganze Königreich mit dir, damit du nicht alleine sein wirst, wenn du wieder aufwachst. Zum Schutz wird das Königreich von Dornenrosen umringt, welche sämtliche Eindringlinge fernhalten.‟ In dieser Situation musste Onpu unweigerlich an die Zeit denken, als sie und die anderen Mädchen gerade die Hexenprüfung bestanden und als Hexen aufgeflogen waren. Würde das wieder ein ähnlicher Zauber sein? Sie hatte sich doch vorgenommen, keine verbotenen Zauber zu wirken. Was also würde noch passieren, dass sie diesen Vorsatz erneut brechen würde? „Mussten es 100 Jahre sein? Warum so lange, hättest du es nicht auf einen Tag begrenzen können?‟ „Nein, so leicht lässt dich ein solcher Fluch nicht brechen.‟ Der König trat vor. Er wollte nicht, dass seine Tochter dem Schlafzauber zum Opfer fiel. Er wollte nicht, dass seine Tochter das Zaubern lernte. Wenn er dies verhindern wollte, so gab es nur einen Weg. Er trat auf den Balkon. „Ab heute wird die Zauberei aus meinem Königreich verbannt. Jede Hexe, jeder Zauberer, muss noch vor Anbruch der Nacht mein Reich verlassen. Von nun an ist es strengstens untersagt, auch nur den kleinsten Zauber zu wirken. Alle Zauberutensilien, die sich ab heute Nacht in diesem Reich befinden, werden dem Feuer übereignet. Nichts darf das Leben meiner Tochter gefährden. Die Prophezeiung der Fee darf nicht erfüllt werden. Verkündet dies in alle Bereiche meines Reiches. Ab jetzt darf nicht mehr gezaubert werden.‟ Er drehte sich wieder zu den noch verbliebenen Feen um, als wollte er sich bei ihnen für das eben gesagte entschuldigen. Doch er musste seine Tochter schützen. „Dieses Verbot wird leider nicht zu dem Ergebnis führen, welches eure Majestät sich erhofft. Hehe ist zu mächtig. Ihr Fluch findet seinen Weg, das könnt Ihr nicht verhindern.‟ „Aber ich muss es wenigstens versuchen.‟ „Auch diese Rechtfertigung wird nichts daran ändern. Wir verstehen euer Handeln, auch wenn wir wissen, dass dies nicht vom Erfolg gekrönt sein kann.‟ „Ich denke, wir sollten euch jetzt ebenfalls verlassen. Hehe wird wissen, dass wir versucht haben, den Fluch abzuschwächen. Wir sollten zurückkehren. Euretwegen werden wir auch nicht in dieses Königreich zurückkehren, bis der Fluch ausgestanden ist.‟ Der König nickte ihnen zu. Immerhin hatte er von jedweder Magie gesprochen. Die Feen verließen den Festsaal und kehrten in ihre Häuser zurück. Sie wollten dort ankommen, bevor die Nacht anbrach. Die nächsten Jahre vergingen wie im Flug. Die Gaben, die die Feen ihr gewünscht hatten, traten alle ein, und Rose, alias Onpu, freundete sich mit Doremi, Hazuki und Aiko an. Natürlich wurden sie nicht bei diesen Namen genannt, sondern bei denen, die in dieses Märchen passten. Sie bekamen nicht mit, wie die Jahre vergingen. Ein Tag später waren alle vier 13 Jahre alt. Kapitel 2: Das Knusperhaus -------------------------- Mitten im Wald, in einem eher kleinem ungewöhnlichem Haus saß eine Hexe. Sie sah noch aus wie eine richtige Hexe, war also noch nicht in einen grünen Klops verwandelt worden. Majo Rika saß an einem kleinen Holztisch und trank Tee. Sie mochte die Ruhe hier im Wald, und konnte sich nicht vorstellen, in der Nähe der Stadt mit dem ganzen dazugehörigen Trubel zu wohnen. Lauter lärmender Kinder, die so dumm und solche Besserwisser waren, dass sie einem nicht zuhörten. Die Leute, die zu ihr kamen, brachten einen geheimen, starken Wunsch mit. Meist schaute sie sich den Wunsch selber nicht an, sondern half nur, diesen zu erfüllen. Sie verkaufte Zauberartikel, oder Plätzchen, die praktischerweise vom Haus selbst gespendet wurden. Momentan war es recht still bei ihr. Die Kinder schienen alle gesund zu sein, weshalb viele von deren Eltern nicht zu ihr gekommen waren. Die Wünsche der Erwachsenen waren recht vorhersehbar. Viele wollten entweder Kinder kriegen, oder ihre Kinder wieder gesund machen. Und das schlimmste, was die Menschen hier ihr antun konnten, war, dass diese ihre Kinder mitbrachten. Doremi, Hazuki, Onpu und Aiko spielten gemeinsam nahe des Waldes. Onpu durfte nur mit diesen drei anderen Mädchen spielen, weil ihr Vater genau wusste, dass die Eltern der Mädchen standesgemäß waren. Auch hatten diese dem Verbot der Zauberei zugestimmt, da sie selbst von deren Sinn überzeugt waren, und nicht, um dem König nach dem Mund zu reden. Die vier waren froh, dass sie zumindest sich hatten, wenn sie sich schon in einer anderen Welt befanden. Das eine Mal, wo sie wegen eines Zaubers in der Vergangenheit gelandet waren, waren sie noch in Misora gewesen, aber jetzt. Sie kannten den Ort nicht, sie kannten die Gegend nicht. Sie wussten nur, dass sie sich in der Welt der Märchen befanden. Eine Welt, die vermutlich in einem vorherigen Jahrhundert existiert hatte. „Und, wie heißt ihr in dieser Welt?‟ Onpus Frage verwirrte die drei noch mehr, als sie es ohnehin schon waren. Sie hießen doch immer noch so, wie ihre Eltern sie genannt hatten. „Wie meinst du das?‟, fragten sie daher. „Meine Eltern nennen mich Rose, und zwar ab dem Zeitpunkt, ab dem der Zauber uns in diese Welt gebracht hat.‟ Auch wenn die Mädchen jetzt wussten, worauf Onpu hinaus wollte, wussten sie nicht, wie sie nun in dieser Welt hießen. Sie waren vom Alter eines Babys direkt in den Körper ihres 12jährigen Ich gewachsen. Und das, obwohl sie zu dem Zeitpunkt, an dem sie ihren Zauber ausgesprochen hatten, gerade einmal zehn Jahre alt waren. „Ich fürchte, dass wissen wir nicht. An was kannst du dich noch erinnern?‟ „Hehe war auf der Feier zu meiner Geburt, und ich hab auch alle unsere Elfen gesehen, in Großformat. Hehe hat mich verflucht, weil sie nicht eingeladen wurde.‟ Da die Mädchen nur ihr eigenes Märchen gelesen hatten, kannten sie den Verlauf der anderen Märchen nicht. Aber Hazuki war sich sicher, dass dies in einem der Märchen stehen musste. „Und, kommt einer von euch diese Handlung bekannt vor?‟ Doremi und Aiko schüttelten den Kopf. Nur Onpu nickte leicht. „Das kleine Mädchen wird verflucht, und soll sich an seinem Geburtstag an einer Nadel stechen und in einem 100jährigen Schlaf fallen. Dann wird sie von einem Prinzen wach geküsst.‟ „Und in wie weit deckt sich dies mit dem, was du zuvor von der Handlung mitbekommen hast?‟ „Nun ja, Hehe hat mich verflucht, und Roro hat den Fluch abgeschwächt. Aber das, was vor dem Auslöser des Fluchs stattfinden soll, stimmt nicht mit dem Märchen überein.‟ „Das ist aber seltsam. Ich hätte erwartet, dass die Märchen so ablaufen, wie sie geschrieben stehen.‟ „So lange wir nicht wissen, wie wir in dieser Welt heißen, sollten wir es bei unseren tatsächlichen Namen belassen. Findet ihr nicht?‟ Alle drei nickten. Der Vorschlag war gut, auch wenn dies bedeutete, dass sie sich eventuell verraten würden. Doch eine andere Wahl hatten sie scheinbar nicht. Anscheinend sah das Märchen vor, dass sich die vier sahen. Vielleicht war dies auch der Grund für die Änderungen. „Sollten wir dich nicht besser Rose nennen, damit wir uns nicht komplett verraten? Das ist schon schwierig genug, nicht zu wissen, wann man selber angesprochen wird. Aber zumindest dich können wir daran gewöhnen, dass du reagierst, wenn du angesprochen wirst.‟ „Nur, dass ich mich recht schnell daran gewöhnen kann. Vermutlich sogar schneller als ihr, da man mich als Schauspielerin ständig mit verschiedenen Namen anspricht.‟ „Das stimmt auch wieder.‟ „Und wie finden wir jetzt heraus, wie wir in dieser Welt heißen?‟ „Keine Ahnung. Vielleicht brauchen wir das auch nicht.‟ „Wir sollten uns hier umsehen. Irgendwie habe ich gerade das dringende Bedürfnis, in den Wald zu gehen.‟ Doremi, Onpu und Hazuki schauten Aiko zwar etwas verwundert an, konnten sich aber vorstellen, dass dies irgendetwas mit den Zauber zu tun hatte. Jede von ihnen hatte nur an ihr eigenes Märchen gedacht. Daher war es sehr wahrscheinlich, dass der Zauber irgendwie alle Märchen miteinander verknüpfen würde. Onpu hatte sich Dornröschen ausgesucht, und jetzt war sie die Hauptperson dieses Märchens. Und wenn Aiko nun das Bedürfnis verspürte, in den Wald zu gehen, kam jetzt wohl ihres dran. Sie wussten nicht, wohin sie genau gingen. Die drei Mädchen folgten einfach nur ihrer Freundin in den Wald hinein. Wenn sie sich schon alle nicht auskannten, hofften sie zumindest, dass Aiko den Weg zurück finden würde. Noch wussten die Mädchen, wie sie wieder zurück zu Onpus Schloss kamen. Sie setzten sich hin und packten ihre Taschen aus. Dort drin befand sich etwas zu essen. Mit Ausnahme von dem Brot, dass Aiko in der Hand behielt, verspeisten sie alles, packten die Verpackung wieder ein und gingen weiter. Aiko merkte nicht einmal, wie sie die Brotkrümel auf dem Boden verstreute. Sie puhlte einen Krümel, so groß, dass dieser auch im Dunkeln zu sehen sein dürfte, ab, und warf ihn auf dem Boden. Warum sie dies tat, wusste sie nicht. Erst, als das Brot aufgebraucht war, bemerkte Aiko, dass etwas seltsam war. Sie starrte auf ihre Hände, blieb stehen und drehte sich um. Doremi stieß an sie, während Hazuki und Onpu rechtzeitig reagierten. Sie schaute auf den Weg, den sie eben alle entlang gegangen waren. Die Brotkrümel markieren den Weg zurück nach Hause. Jedoch liefen ihnen einige Hühner nach. Sie sahen, wie die Hühner die Krümel pickten. „Wie kommt denn die Krümelspur hierher?‟ Wieder schaute Aiko auf ihre Hände. Sie kannte die Antwort zwar nicht wirklich, glaubte aber, sie zu kennen. „Ich vermute, dass ich die gelegt habe.‟ „Was für ein Märchen hattest du dir ausgesucht? Worum ging es dabei?‟ „Aber haben wir nicht deshalb den Zauber ausgesprochen, um genau das herauszufinden?‟ „Dennoch solltest du uns wohl besser einen kurzen Überblick über das Märchen geben.‟ Aiko überlegte. Sie hatte während des Lesens viel mehr den Zeitpunkt entgegen gefiebert, an dem es um das Lebkuchenhaus ging. Was war ihr davon noch in Erinnerung geblieben. Die Brotspur verschaffte ihr einen Einstieg. „Zwei Kinder verirren sich im Wald. Der Junge legt eine Spur aus Steinen und Krümeln. Dann kommen sie an ein Knusperhaus und müssen sich gegen eine Hexe verteidigen. Diese will sie nämlich verspeisen, landet aber selber im Ofen.‟ Ja, das war eine ziemlich gute Zusammenfassung des Märchens, fand Aiko. „Also, wenn man bedenkt, dass wir selber auch Hexenschülerinnen sind, klingt dies nicht besonders gut.‟ „Stimmt, in unserer Welt schon. Aber ich bin mir nicht sicher, ob dies in dieser Welt ebenso ist.‟ Instinktiv suchten sie alle nach ihren Tabs, mit denen sie sich in Hexenschülerinnen verwandeln konnten. Sie suchten ihre Taschen und ihre Kleidung danach ab, fanden aber nichts. „Also, sind wir hier keine Hexenschülerinnen.‟, stellte Hazuki fest. Die anderen nickten bestätigend. „Wir sollten weitergehen, findet ihr nicht?‟ „Zurück können wir wohl kaum noch, oder?‟ Sie sahen alle zu den Hühnern, die sich soeben um den letzten Brotkrümel stritten. Daher liefen sie weiter in den Wald hinein. Sie verließen sich darauf, dass der Zauber sie, nachdem die Märchen über sie hereingebrochen waren, gesund und munter wieder in ihre Welt zurückbringen würde. Sie waren schon sehr lange im Wald unterwegs. Nach einer Weile roch Aiko etwas, was sie im Wald nicht zu Riechen erwartet hatte. „Plätzchen!‟, rief sie aus und rannte los, immer dem Geruch entlang. Sie staunten nicht schlecht, als sie an einer Lichtung ankamen. Das Haus, dass sich auf der Lichtung befand, war aus Lebkuchen gebaut. Pfeffernüsse und Lebkuchenherzchen mit Zuckerguss-Botschaften verzierten die Wände. Zuckerstangen sorgten für Stabilität und dienten als Griffe. Der Türknauf bestand aus einem kandierten Apfel. Mit anderen Worten, das Haus war ein einziges Schlaraffenland der Süßigkeiten. Alle vier Mädchen schauten sich das Knusperhäuschen genau an. Für jede von ihnen war etwas dabei. Da ihre Mägen nun, beim Anblick der Leckereien, energischer knurrten, riss sich jede von ihnen ein Stück des Daches ab und aßen diese. Sie vermuteten, dass dies die wenigsten Schäden verursachen würde. Doch diese Aktion blieb nicht unbemerkt. Majo Rika hörte das Lachen der Kinder. Sie hörte, wie ein Teil ihres Hauses abgerissen wurde. Sie spürte die Auswirkung der Risse. Diese Kinder hatten die Schutzwirkung der Außenwände zerstört. Sie wusste nicht, was sie tun konnte, damit diese Kinder aufhörten, ihr Haus zu verspeisen. Doch sie wusste, dass sie etwas tun musste. Am einfachsten wäre es wohl, die Kinder zu verscheuchen. Wie sie dies bewerkstelligen wollte, würde sich wohl erst noch herausstellen. Zu Beginn begann sie damit, sich in Richtung Tür zu bewegen. Ganz langsam öffnete sie diese. „Kommt rein, kommt rein, wer auch immer mich gerade verspeise.‟ Die Stimme klang genauso unheimlich, wie die Worte, die gerade verwendet wurden. Sie verspeisten doch niemanden, sondern nur Lebkuchen. Und daran sahen sie alle nichts Verwerfliches. War das Haus etwa lebendig? Alle vier Mädchen zuckten bei der Stimme zusammen. Doch dann bemerkten sie etwas. Sie kannten die Stimme, auch wenn ihnen im Augenblick nicht einfiel, woher. Gemeinsam sahen sie zur Tür. Onpu, die gerade vor dieser Stand, wollte schon klopfen. Doch da diese bereits geöffnet war, hielt sie es für sinnlos. Die Kinder betraten das kleine Häuschen. Es war so klein, dass sie kaum Platz hatten. Die Person, die sich ebenfalls in dem Haus befand, war weitaus älter als die Mädchen. In Doremi regte sich zwar etwas. Aber auch sie kam nicht darauf, um wen es sich handelte, auch wenn sie Majo Rika kannte. Diese kam gleich auf den Punkt. „Warum esst ihr mein Haus auf?‟ Jetzt fühlten die Mädchen sich irgendwie schuldig. Sie hatten sich nicht einmal vergewissert, ob jemand in dem Haus war, von welchem sie gerade aßen. Sie hätten vorher anklopfen können, aber dieser Gedanke kam ihnen erst jetzt, nachdem sie aufgeflogen waren. Etwas hatte zuvor nicht zugelassen, dass sie früher auf die Idee kamen. „Wir hatten Hunger.‟, antworteten sie daher ganz schlicht. Majo Rika blickte den Mädchen ins Gesicht. Ein Anzeichen von Lüge konnte sie nicht entdecken. Dennoch wollte sie die vier nicht so einfach davonkommen lassen. „Ihr werdet mir den Schaden ersetzen, damit das klar ist.‟ „Und wie?‟ „Indem ihr mir die entsprechenden Platten, die ihr vom Haus abgerissen habt, bezahlt. Und ihr werdet mir helfen, entsprechende Ersatzplatten herzustellen.‟ Die vier Mädchen fanden, dass dies nur fair klang. Sie griffen in ihre Taschen, und mussten erschrocken feststellen, dass sie gar kein Geld dabei hatten. Keine Münzen, nichts, von dem sie glaubten, dass sie es zum Bezahlen nutzen konnten. „Wir haben leider kein Geld dabei.‟ „Wie, kein Geld. Erst einfach etwas stehlen, und dann, wenn man erwischt wird, nicht zahlen. Solchen Kindern sollte man Manieren beibringen.‟ „Wie wäre es, wenn wir den Schaden einfach abarbeiten?‟ Majo Rika betrachtete die Gesichter der vier Mädchen. Der Vorschlag klang gut, auch wenn dies bedeutete, dass sie diese Mädchen noch länger ertragen musste. Sie glaubte nicht, dass die kleine Prinzessin sich wirklich schmutzig machen würde. Und auch bei den anderen drei dachte sie ähnlich. „Also gut‟ Ihr fiel nichts ein, was sie den Mädchen als Arbeit auferlegen konnte. Mit ihrer Magie erledigte sie das meiste selbst, nur das Backen der Außenwände und das Verkaufen der Plätzchen musste sie alleine machen. Doch dies wollte sie den Mädchen nicht unbedingt sagen. „Da hinten ist ein Besen. Ihr könnt damit anfangen, die Verkaufshalle zu säubern.‟ Die Mädchen schauten sich um. War es hier denn so schmutzig, dass man das Haus wirklich fegen musste? Sie fanden, dass dem nicht so war. Da der Vorschlag jedoch von ihnen kam, schnappte Aiko sich den Besen, Doremi und Hazuki die Kehrschaufel und Onpu räumte die Gegenstände aus dem Weg, damit Aiko mit dem Fegen gut durchkam. Majo Rika beobachtete die Mädchen. Diese beeindruckten sie, hatte sie dies doch nie für möglich gehalten, dass die sich so ins Zeug legten. Nach einiger Zeit bemerkten die Mädchen nicht einmal mehr, dass es in den Raum zog. Majo Rika jedoch spürte jeden Windhauch. Ihr war kalt. Und da die Mädchen, auch wenn sie sich laut unterhielten, aus ihrem Blickwinkel verschwanden, ersetzte sie die abgerissene Lebkuchenplatte durch eine intakte. Zu ihrem Leidwesen bemerkten die Mädchen diesen Zauber. Sie starrten die vermeintliche Hexe an. Majo Rika wusste, dass diese nun enttarnt war. Sie wollte verschwinden, die Zeit anhalten, die Vergangenheit ändern, aber zu alledem kam sie nicht mehr. Die Sprachlosigkeit der Mädchen, nachdem sie dies beobachtet hatten, hielt nicht lange an. „Hexe‟, riefen die Mädchen gleichzeitig. So eine verdammte Scheiße, dachte Majo Rika. Sie spürte, wie der Zauber, der gleich auf ihr lasten wird, zu wirken begann. Die Kinder bekamen beim Gesichtsausdruck der alten Frau Panik. Sie wussten, dass etwas falsch gelaufen war, und wollten sich nicht der Reaktion dieser Frau aussetzen. Wenn diese Frau wirklich eine Hexe war, wäre es besser, sie nicht zu verärgern. Majo Rika verwandelte sich zu etwas, dass einem Frosch ähnelte. Nur, dass der Kopf in Bezug auf den Körper überdimensional groß wirkte. Genauer gesagt, der Körper war nicht einmal ein viertel so groß wie der Kopf. Die vier Mädchen schlichen in Richtung Ausgang. Sie gaben sich alle Mühe, kein Geräusch zu verursachen. Und auch, wenn sie wirklich recht leise waren, blieb dieser Versuch nicht lange unbemerkt. Majo Rika sah nach der Verwandlung zu den Mädchen. Sie wusste, dass diese die einzigen waren, die sie wieder zurückverwandeln konnten. Daher musste sie dafür sorgen, dass sie dies auch tun würden. Der Sage nach musste es die Person sein, die die Verwandlung verursacht hatte. Diesbezüglich hatte sie ein Problem. Sie wusste nicht, welche von ihnen dies zuerst ausgesprochen hatte. Daher musste sie alle vier zu Hexen machen. „Hier geblieben!‟ Mit einen Satz sprang Majo Rika zwischen der Tür und den Mädchen. Diese schraken zurück. „Sollen wir einfach über sie steigen?‟ „Wagt es ja nicht!‟ Mit dem Schnippen der Finger verriegelte sich das Türschloss. Der Weg war somit versperrt. Die Mädchen versuchten danach, über den Kopf des Hexenklopses den Türknauf zu greifen. Aufmachen konnten sie die Tür aber nicht. Daher blieb ihnen nichts anderes übrig, als den Bedingungen der Hexe zuzuhören. Die vier Kinder staunten nicht schlecht, wie schnell sie diesmal zu vollwertigen Hexen wurden. Sie brachten zwar keine vernünftigen Zaubersprüche zustande, doch Majo Rika genügte es auch schon, dass die Mädchen sie zurückverwandeln konnten. „Nun, ich warte!‟ Alle vier wussten, dass es in diesem Königreich verboten war, zu zaubern. Daher taten sie sich auch etwas schwer damit. Genauer gesagt, wunderten sie sich über den Umstand, dass sie hier keine Prüfungen machen mussten, um das Hexenhandwerk zu erlernen, und um die Tatsache, dass ihnen die Zauberei so viel schwerer fiel als in der Realität. Sie versuchten es. Alle vier konzentrierten sich auf die Person, die Majo Rika war, bevor sie zu einem Klops verwandelt wurde. Sie sagten ihre Zaubersprüche auf und zeigten ihre Zauberstäbe auf Majo Rika. Jede im Haus spürte, wie die Magie zu wirken begann. „Verwandle Majo Rika wieder zurück zu einem Menschen!‟ Aber die Magie der Mädchen war nicht stark genug. Sie schafften es nicht, Majo Rika in ihre menschliche Gestalt zurück zu verwandeln. Aber die Tatsache, dass sie jetzt Hexen waren, verschaffte ihnen einen anderen Vorteil. Auch wenn sie diesen nur kurzzeitig nutzen würden. Da der Zauber nicht funktionierte, suchten sie wieder nach einer Fluchtmöglichkeit. Die Tür war immer noch abgeschlossen. Aiko ergriff die Initiative. Sie erkannte, dass die Hexe ihnen alle Macht gegeben hatte, um sich aus diesem Haus zu befreien. „Öffne die Tür und lass uns raus.‟ Das Schloss entriegelte die Tür. Die Tür selber öffnete sich. Die Mädchen nutzten ihre Chance. Immerhin waren sie darauf vorbereitet. Sie stürmten aus dem Haus von Majo Rika, die das nicht verhindern konnte. Sie wollten schnell von dort verschwinden. Sie liefen immer weiter, bis sie nicht mehr wussten, wo sie waren. Kapitel 3: Großmutter --------------------- Plötzlich stoppte Doremi. Sie wusste, dass sie sich verlaufen hatten, und das auch die anderen nicht mehr wussten, wo genau sie waren. Gut, sie waren der Hexe entkommen. Sie hatte erneut gesehen, wie Majo Rika sich in einen Hexenfrosch verwandelt hatte. Für die anderen war dies neu gewesen. Sie hatten Majo Rika nie in ihrer wirklich Gestalt gesehen. Die anderen blieben ebenfalls stehen. „Wisst ihr, wo wir hier sind?‟ Alle drei schüttelten den Kopf. „Ich hab nicht auf den Weg geachtet.‟ „Ich auch nicht, da ich nicht einmal wusste, wo wir uns vorher befunden hatten.‟ „Aber sollten wir nicht langsam schauen, wie wir wieder nach Hause kommen?‟ „Sollen wir noch einmal versuchen, zu zaubern?‟ Alle vier Mädchen überlegten kurz. Sie hatten die Tür mit Zauberei geöffnet, warum sollten sie also jetzt nicht mehr zaubern können? Doch als Doremi ihr Tab in die Hand nehmen wollte, stellte sie fest, dass sie es nicht dabei hatte. „Habt ihr eure Tabs dabei?‟ „DOREMI!‟ „Ich bin mir sicher, dass ich es NICHT verloren habe.‟ „Und wo ist es dann?‟ „Habt ihr denn eure dabei?‟ Jetzt schauten auch Aiko, Hazuki und Onpu nach. Sie schauten in den Taschen nach, fanden ihre Tabs aber nicht. Auch an ihren Schuhen und Jacken waren sie nicht zu finden. Da auch sie ihre Tabs nicht fanden, schüttelten sie nur den Kopf. „Vielleicht will die Geschichte nicht, dass wir zaubern?‟ „Und warum sollte sie das nicht wollen, wo wir auch eben zu Hexen gemacht wurden?‟ „Kommt das eigentlich in der Geschichte vor? Ich meine, dass wir zu Hexen werden?‟ „Nein, das ist auch der Grund, warum ich Hana die Geschichte nicht vorlesen mag. Wegen dem, was in der Geschichte mit der Hexe passiert.‟ „Sollten wir nicht mal langsam weitergehen?‟ „Ja!‟, kam es einstimmig von den anderen. Sie wussten, dass es keinen Sinn machte, hier länger zu warten. Hier im Wald würden sie bestimmt nicht weiterkommen. „Gehen wir also davon aus, dass einer von uns spüren wird, sobald wir wieder in die Nähe eines unserer Märchen gelangen. Und so lange laufen wir eben weiter.‟ „Dann hoffe ich nur, dass es nicht allzu lange dauert. Ich kann nämlich langsam nicht mehr.‟ „Hör auf zu jammern. Es dauert, wie lang es eben dauert.‟ Nachdem sie eine Weile gelaufen waren, keiner von ihnen wusste, ob es sich nun um Minuten oder Stunden handelte, bemerkte Hazuki etwas rotes an einem der Baumwipfel hängen. Sie erkannte dieses Teil aus einem der Bilder, die sich in ihrem Märchenbuch befanden. „Ich vermute, dass hier ist für mich.‟ Hazuki zeigte auf den roten Umhang. „Ich habe es schon auf dem Cover von dem Märchenbuch gesehen, dass Seki-Sensei uns gegeben hat.‟ „Dann solltest du es dir vielleicht holen.‟ „Aber es ist zu hoch. Ich komme dort nicht dran, und im Klettern bin ich auch nicht besonders gut.‟ Was Hazuki eigentlich sagen wollte, dass sie überhaupt nicht klettern konnte, behielt sie für sich. Sie ging davon aus, dass die anderen sie so gut kannten, dass ihnen dies auch so klar war. Aiko machte sich bereit, den Umhang für Hazuki vom Baum zu holen. Sie legte ihren Fuß in eine Kerbe der Rinde und zog sich mit ihren Armen hoch. Zwei Schritte gelangte sie auf diese Weise nach oben, bis sie auf eine magische Barriere stieß. Sie prallte ab. „Was soll das denn? Wieso komme ich nicht an den Umhang?‟ Beim nächsten Versuch, nach oben zu gelangen, stieß Aiko erneut gegen die Barriere. Doch dieses Mal war der Druck der Barriere so heftig, dass sie sich nicht mehr am Baumstamm festhalten konnte. Sie landete mit ihrem Hinterteil auf dem Boden und fluchte. „Steh wieder auf, Aiko-chan.‟ Doch dies brauchte Onpu ihr nicht zu sagen. Sie war schon im Begriff, aufzustehen, als ihre Freundin mit ihrem Satz angesetzt hatte, zu sprechen. „Aber wie kommen wir jetzt an den Umhang?‟ „Da dies ein Relikt aus meinem Märchen ist, muss ich es wohl selber holen.‟ „Solange du auch weißt, wie du dies anstellen willst.‟ Instinktiv griff Hazuki zu ihrer Tasche nach ihrem Tab. Sie verwandelte sich in eine Hexe und zauberte den Umhang nach unten. „Hey, wo hast du denn auf einmal dein Tab her?‟ Erst jetzt, als Aiko diese Frage gestellt hatte, registrierte Hazuki, dass sie ebenfalls zuvor festgestellt hatte, dass ihr Tab nicht aufzufinden war. Doch jetzt war er da. Dass sie bereits aus dem Zauber entlassen waren, glaubte sie nicht. Immer noch waren sie im Wald, in einer fremden Zeit. „Vielleicht erlaubt der Magical Stage in diesem Fall, dass wir zaubern. Und deshalb war mein Tab wieder da.‟ Dies klang einleuchtend. Hazuki verwandelte sich wieder zurück und steckte ihr Tab in die Tasche. Als sie kurze Zeit später wieder in die Tasche griff, einfach nur, um nachzusehen, ob es noch da war, war das Tab wieder verschwunden. Die Theorie stimmte daher, dies hatte sie damit bewiesen. Wann immer sie hier ihre Magie einsetzen können durften, würde der Magical Stage ihnen dies erlauben. Aber jetzt war es nicht so weit. Hazuki zog den roten Kapuzenmantel an. Es biss sich etwas mit dem Orange-Braun ihrer Haare, aber dies ignorierten die Mädchen. Sie gingen weiter, immer tiefer in den Wald hinein. Sie kamen an einer Blumenwiese vorbei. Gänseblümchen und Löwenzahn, Lilien, Gladiolen und Margeriten, Sonnenblumen, Petunien und Zauberglöckchen. Viele schöne Blumen, die gerade dazu einluden, einen Strauß zu pflücken. Sie lief auf die Blumen zu und begann zu pflücken, ohne auf das Tun ihrer Freundinnen zu achten. Auch die anderen gingen ihre eigenen Wege. Doremi und Aiko liefen in den Wald hinein, auf der Suche nach einem Jäger. Onpu spazierte zu einem Haus im Wald, welches sie nie zuvor gesehen hatte. Sie ging hinein, und wusste sofort, wo sich alles befand. Onpu war erschöpft. Sie legte sich etwas in das Bett, welches sich im fremden Haus befand. Nur, dass dieses Haus nicht mehr fremd war. Von allen unbemerkt schlich ein Wolf durch die Büsche. Sein Magen knurrte. Er war auf der Suche nach einer Beute. Er bemerkte ein Mädchen, das sich auf einer Blumenwiese befand. Dieses Mädchen schien zwar ein schöner Happen zu sein, würde ihm aber nicht reichen. Er beobachtete sie. Für wen pflückte sie die Blumen? Vielleicht befand sich hinter der Person, für die sie sich so vorbereitete, ein weiterer Happen für einen Wolf wie ihm? Dies musste er herausfinden. Langsam lief er zu dem Mädchen hin. Dieses Kind schien das einzige Wesen zu sein, dass sich zu Fressen lohnte, und auch das einzige, dass ihm gefährlich werden konnte. Die Vögel waren für ihn keine Bedrohung, und die Pflanzen wehrten sich auch nie, wenn man ihnen etwas antat. Auch der Jäger, der tagein, tagaus, im Wald herumlungerte, hielt sich offenbar schon einige Tage in einem anderen Gebiet auf. Sein Geruch war nicht mehr wahrnehmbar. Er schlich nicht, sondern ging einfach nur langsam auf das Mädchen zu. Er achtete sogar darauf, einige trockene Zweige zu zerbrechen, um die Aufmerksamkeit des Mädchens auf sich zu ziehen. Der Plan ging auf. Das Mädchen schaute ihm direkt in die Augen. Diese schien zwar erschrocken zu sein, was er nicht beabsichtigt hatte, aber sie beruhigte sich auch wieder. Er blieb stehen, damit das Mädchen sich nicht bedroht fühlte. Erst, als er hören und riechen konnte, dass sie keine Angst mehr ausströmte, ging er langsam auf sie zu. Als Hazuki das Zerbrechen eines Zweiges hörte, dachte sie zuerst an ihre Freundinnen, die vermutlich unachtsam durch die Gegend geschlendert waren. Doch sie wollte sich vergewissern, und schaute zur Ursache des Geräusches. Aber weder Doremi, noch Aiko und Onpu standen dort, außer, wenn diese sich in einen Wolf verwandelt hätten. Da dieser Wolf nicht böse schaute, suchte Hazuki nach Ähnlichkeiten zu ihren Freundinnen. Die typischen Merkmale waren bei jeder Verwandlung in ein Tier zu sehen gewesen. Dieser Wolf hatte weder die Notenschlüssel-Haarklammer von Doremi, noch hatte er bläuliches oder lila gefärbtes Fell. Auch die Augen des Wolfs waren grau, dies war ebenfalls bei keiner ihrer Freundinnen der Fall. Sie bekam Panik. Sie wollte weglaufen. Aber eine Fluchtmöglichkeit fand sie nicht. Ein Wolf würde schneller sein als sie, und im Klettern war sie auch nicht gut genug, um rechtzeitig auf einem Baum zu gelangen. Ganz abgesehen davon, dass sie erst einmal einen Baum erreichen musste. Sie wollte immer noch weglaufen, blieb aber erstarrt stehen. Der Wolf ging langsam auf Hazuki zu. Er ging sehr langsam, damit das Mädchen nicht wieder in Panik ausbrach. Er überlegte, was er zu ihr sagen wollte. Immerhin war er ein besonderer Wolf, einer, der die menschliche Sprache sprechen konnte. „Was macht ein so junges, hübsches Mädchen wie du so alleine mitten im Wald?‟ Hazuki fühlte sich von den Worten des Wolfs geschmeichelt. Ihr kam es nicht merkwürdig vor, ein Kompliment von einem Wolf zu bekommen. Als Hexe war sie inzwischen einiges gewohnt, was viele nicht glauben würden. Nur an Geister würde sie sich nie gewöhnen können. „Ich besuche meine Großmutter, und da wollte ich ihr Blumen mitbringen, damit sie sich an deren Anblick erfreuen kann.‟ Tue ich das wirklich, fragte Hazuki sich. Sie kannte zwar das Märchen, welches sie sich ausgesucht hatte. Aber das hatte sie ihm nicht verraten wollen. Warum sagte sie etwas, dass sie gar nicht hatte sagen wollen? Gab das Märchen dies etwa so vor? Konnte der Magical Stage sie dazu bringen, etwas zu tun, dass sie ansonsten nicht machen würde? Da sie dies eben verraten hatte, ging sie bereits davon aus. „Deine Großmutter also. Ich könnte dir Gesellschaft leisten, während du zu deiner Großmutter gehst. Dann wärst du nicht alleine.‟ Sollte Hazuki das Angebot des Wolfs wirklich annehmen. Er schien nicht böse zu sein, aber da sie das Märchen kannte, wollte sie nicht, dass der Wolf mit ihr kam. Sie brauchte eine Ausrede, und zwar dringend. „Wenn ich dort mit jemand Fremden ankomme, ist der Großmutter dies bestimmt nicht angenehm.‟ „Aber ich könnte dich nur ein Stück begleiten. Und das letzte Stück gehst du dann alleine weiter.‟ Dies klang gut. Hazuki nickte dem Wolf zu. Immerhin wusste sie selber nicht, wie der Weg zu ihrer Großmutter verlief. Vielleicht wusste der Wolf dies, und konnte ihr so helfen. Und sie würde dem Ausgang der Geschichte einen Strich durch die Rechnung machen. Denn, wenn der Wolf die ganze Zeit in ihrer Nähe war, konnte er niemanden fressen. Und dieser Gedanke beruhigte sie ein wenig. „Also gut, du kannst mit mir kommen.‟ Hazuki band die Blumen, die sie gepflückt hatte, zu einem Strauch zusammen, und machte sich gemeinsam mit dem Wolf auf dem Weg zum Haus ihrer Großmutter. Sie fragte sich, ob ihre Großmutter wirklich so wie ihre tatsächliche Großmutter aussah, oder vielleicht wie Baaya, oder wie jemand ganz anderes. Sie merkte, dass ihre Füße sie in eine bestimmte Richtung führten. Der Wolf erzählte ihr die Geschehnisse des Waldes, von denen er glaubte, dass sie ihn in ein gutes Licht rückten. Geschichten, in denen er anderen, meist jüngeren, Tieren half, sich gegen den Jäger zu verteidigen. Das er die Tiere später selbst verspeiste, behielt er für sich, auch wenn Hazuki sich dies denken konnte. Sie gelangten an einem Baum an, der sich von den anderen unterschied. Die Blätter dieses Baumes waren richtig groß, viel größer als die Blätter vieler anderen Bäume. Außerdem konnten sie von diesem Baum aus die Hütte der Großmutter sehen. „Vielleicht solltest du ein paar von diesen Blätter deinen Strauß hinzufügen. Dieser Strauß beinhaltet alle möglichen Farben, nur das Grün ist durch kein einziges Blütenblatt vertreten. Diese Blätter eignen sich wunderbar dafür, dies zu ändern.‟ Hazuki schaute von ihrem Strauß zu den Blättern des Baumes und wieder zurück. Es stimmte, sie hatte keine grünen Blüten in ihrem Strauß, und bis gerade eben hatte sie auch noch gedacht, dass dies gut so war. Aber jetzt, wo der Wolf das Thema angesprochen hatte, war sie sich dessen nicht mehr so sicher. Jetzt fand sie, dass dem Strauß wirklich noch etwas Grün fehlte. Sie trat näher zum Baum. „Vielen Dank für den Tipp. Ab hier komme ich alleine zurecht.‟ „Dann lasse ich dich ab hier alleine weitergehen.‟, verabschiedete der Wolf sich von Hazuki, während er dachte, dass dies ihm gerade recht kam. Immerhin konnte er sich so an die Hütte der Großmutter heranschleichen. Um das Mädchen nicht zu beunruhigen, schlug er zunächst einen Weg ein, der vom Haus der Großmutter wegführte. Ein Klopfen an der Tür weckte Onpu aus ihrem Schlaf. Sie fragte sich, warum sie während eines Zaubers eingeschlafen war, und vergaß, wo sie sich befand. Doch nach kurzer Zeit wusste sie es wieder. Sie sah sich in dem Zimmer um. Dort standen einige Schränke aus Holz. Auch die Wände und die Tür schienen aus Holz zu bestehen. Es sah sehr altmodisch aus. Plötzlich fiel ihr das Klopfen, wodurch sie überhaupt aufgewacht war, wieder ein. „Wer ist da?‟ „Hier ist das Rotkäppchen. Meine Mutter schickt mich mit Kuchen und Wein.‟ „Komm rein. Die Tür ist offen. Ich bin zu schwach, um herunter zu kommen.‟ Onpu fragte sich, warum sie so einen Unsinn redete. Sie fühlte sich nicht schwach, immerhin hatte sie soeben etwas geschlafen. Sie versuchte aufzustehen. Doch dann stellte sie erschrocken fest, dass ihre Beine nicht stehen wollten. Sie schaute an sich herunter. Ihre Arme waren faltig, und ihre Hände zitterten. Sie war also anscheinend zu einer alten Frau geworden. „Na hoffentlich hält dieser Zustand nicht allzu lange an.‟ Die Türe knarrte beim Öffnen, auch wenn der Wolf versuchte, dies möglichst leise zu tun. Er betrat die Hütte. Es roch nach alten Leuten, Mottenkugeln, irgendwie muffig. In den oberen Räumen war dieser Geruch intensiver. Daher ging er nach oben und verspeiste die Person, die er dort vor fand. Onpu war viel zu perplex, um etwas dagegen zu unternehmen. Sie befand sich nun im Bauch des Wolfs, außerstande, sich zu bewegen. Dass sie eigentlich viel zu groß war, um vollständig im Wolf zu existieren, darüber dachte sie nicht nach. Niemand hörte das Murmeln im Bauch des Tieres. „Irgendwie habe ich in diesem Märchen die falsche Rolle erwischt.‟ Nachdem Hazuki ihren Blumenstrauß erweitert hatte, machte sie sich nun wirklich auf dem Weg zum Haus ihrer Großmutter. Es war nicht weit, und offensichtlich kannten ihre Beine den Weg. Der Wolf wusste, dass er sich verkleiden musste, wenn er auch das Mädchen fressen wollte. Am besten wäre es wohl, einfach die Sachen der alten Frau anzuziehen und sich in das Bett zu legen, in dem diese zuvor lag. Dies würde die perfekte Tarnung sein. Er war damit fertig, noch bevor es an der Tür klopfte. „Wer ist da?‟ Der Wolf ahmte die Stimme der alten Frau nach. „Ich bin es, das Rotkäppchen. Mutter schickt mich mit Kuchen und Wein.‟ „Dann komm herein, liebes Rotkäppchen. Die Tür ist offen.‟ Auch Hazuki öffnete die Türe eher vorsichtig, wenn auch aus einem anderen Grund als zuvor der Wolf. Auch sie schaffte es nicht, diese geräuschlos zu öffnen, huschte schnell ins Haus und ging von der Neugier getrieben nach oben, um zu sehen, wie die Großmutter nun tatsächlich aussah. Als sie ins Schlafzimmer der Großmutter ankam, waren die Vorhänge zugezogen, so dass kaum Licht ins Zimmer fiel. Sie stellte den Korb ihrer Mutter auf der Nachtkonsole ab. Dann sah sie sich ihre Oma an. Irgendetwas an dem, was sie erblickte, stimmte nicht. „Großmutter, warum hast du denn so große Augen?‟ „Damit ich dich besser sehen kann, mein Kind.‟ „Aber Großmutter, warum hast du denn eine so große Nase?‟ „Damit ich dich besser riechen kann, mein Kind.‟ „Großmutter, warum hast du denn einen so großen Mund?‟ „Damit ich dich besser fressen kann.‟ Der Wolf sprang mit einem Satz aus dem Bett und verschlang Hazuki an einem Stück. „Was machst du denn hier, Onpu-chan?‟ „Anscheinend hier feststecken. Und du? Du bist doch momentan in derselben Situation.‟ „Aber ich bin mir ziemlich sicher, das Doremi und Aiko uns hier in Kürze raus holen werden. Im Märchen wird das Rotkäppchen und ihre Großmutter auch vom Jäger gerettet. Und wenn du in die Rolle der Großmutter geschlüpft bist, und der Wolf keiner der beiden ist, so wird einer der beiden ganz sicher der Jäger sein.‟ „Dann hoffe ich mal, dass du recht behältst. Lange halte ich es hier nämlich nicht mehr aus.‟ Währenddessen liefen Doremi und Aiko durch den Wald, ohne dass sie bemerkten, dass die anderen nicht mit ihnen gegangen waren. Keine von ihnen hatte während des Weges darauf geachtet, ob die anderen ihnen folgen. Ihnen waren keine Personen begegnet. Die Tatsache, dass Doremi und Aiko innerhalb der Gruppe die lauten Personen waren, verbarg das Verschwinden der anderen beiden Mädchen recht gut. „Sag mal, Hazuki-chan, sollte dein Märchen sich nicht langsam zu erkennen geben?‟ Es gab keine Antwort. „Hazuki-chan?‟ Da immer noch keine Antwort kam, drehten Doremi und Aiko sich um. Sie sahen nur Bäume, aber keine Freundinnen. „Seit wann sind die beiden nicht mehr hinter uns?‟ „Keine Ahnung. Ich frage mich auch gerade, wo wir uns wohl getrennt haben.‟ „Sollen wir zurück laufen?‟ „Wir wissen doch gar nicht, wo die beiden sind.‟ Ohne nachzudenken griffen beide in die Tasche nach ihrem Tab. Da auch die anderen Geschehnisse so weit fortgeschritten waren, ließen sich die Tabs auch finden. Doremi und Aiko verwandelten sich. „Pirika Pirirara Poporina Peperuto, zeig uns, wo Hazuki und Onpu sich befinden.‟ Aus ihrem Krakordion erschien ein Pfeil, der entgegengesetzt ihrer derzeitigen Laufrichtung zeigte. „Wir müssen zurück.‟ „Also los, gehen wir.‟ Der Pfeil änderte ab und an die Richtung, führte sie aber die ganze Zeit über die Waldwege, als wenn der Pfeil wüsste, wo sie entlanggehen durften. Die Anwesenheit des Pfeils beruhigte sie ein wenig. Dennoch war es ärgerlich, dass sie nicht genau wussten, wie lange sie noch laufen mussten. Einige Zeit später standen die beiden Mädchen vor der Tür einer Waldhütte. Der Pfeil schwebte nach oben zum Fenster im ersten Obergeschoss und zeigte dort leicht nach unten. Was der Pfeil ihnen sagen wollte, war ihnen allen sofort klar. Ihre beiden Freundinnen mussten sich im oberen Geschoss des Hauses befinden. Der Wolf schief fest im Bett der Großmutter. Er sah weder den Pfeil, der sich am Fenster zeigte, noch hörte oder roch er die weiteren Mädchen, die gerade die Holzscheite zu dem Fenster hoch kletterten. Aiko schaute durch das Fenster. Sie sah zwar jemand im Bett liegen, konnte aber von ihrer Position aus kaum etwas erkennen. „Sind Hazuki-chan und Onpu-chan im Zimmer?‟, fragte Doremi den Pfeil. Dieser nickte. „Wir sollten schauen, ob wir von der Haustür aus hier hoch kommen können.‟ Aiko kletterte wieder nach unten. Gemeinsam öffneten sie die Tür und schlichen sie nach oben. Der Pfeil schwebte ebenfalls nach oben und zeigte auf den Bauch des Schläfers. Erst jetzt erkannten sie, dass es sich bei dem Schläfer um einen Wolf handelte. Sie schauten unter dem Bett nach, ob die beiden sich vielleicht unter diesem versteckten. Aber auch dort waren sie nicht zu sehen. Plötzlich kam Doremi ein schrecklicher Verdacht. „Willst du uns etwa sagen, dass Hazuki-chan und Onpu-chan IM Bauch von dem Wolf sind?‟ Der Pfeil nickte. Aiko verwandelte sich in eine Hexe, während der Pfeil erkannte, dass er nicht mehr gebraucht wurde, und daher verschwand. „Pameruku Raruku Rari Rori Poppun, befreie Hazuki und Onpu aus dem Bauch des Wolfs.‟ Der Zauber erschuf eine Schere, die Aiko direkt in die Hand fiel. Diese verstand nicht, wie die Schere ihnen bei ihren Vorhaben helfen konnte. Fragend schaute sie ihre Freundin an. Auch Doremi war nicht der Art Mensch, die einfach einem Tier etwas antat. Ihr missfiel der Gedanke, dem Wolf den Bauch aufzuschneiden. „Und wenn wir den Bauch hinterher wieder zusammen zaubern? Irgendwie müssen wir die beiden da raus bekommen.‟ Hazuki und Onpu hörten abgeschwächt, was ihre Freundinnen gerade besprachen. Sie wussten, dass ihre Befreiung kurz bevorstand, auch wenn sie nicht genau wussten, wie die anderen das bewerkstelligen wollten. Sie wollten raus, und zwar schnell. „Jetzt schneide schon den Bauch auf! Doremi, Aiko, wir halten das hier drin kaum noch aus. Im Märchen werden die beiden auch so befreit. Dies ist nicht real! Ihr tut niemanden weh, wenn ihr das jetzt macht!‟ Aiko war hin und her gerissen. Sie wollte ihre Freundinnen befreien, aber auch dem Wolf nichts antun. Der Wunsch, ihre Freundinnen zu befreien, gewann das Duell der Gedanken. Aiko nahm die Schere in die Hand und setzte beim Bauch des Wolfs an. Sie schnitt vorsichtig den Bauch aus. Erleichtert kletterten Hazuki und Onpu aus dem Bauch heraus. Sie atmeten tief ein und wieder aus, wollten den Geruch der Innereien so schnell wie möglich loswerden. Sie schüttelten sich bei dem Gedanken, so etwas noch einmal erleben zu müssen. „Und was machen wir jetzt mit ihm?‟ Doremi zeigte auf den Wolf. „Im Märchen legen die Menschen dem Wolf einige schwere Steine in den Bauch und nähen ihn wieder zu. Der Wolf überlebt dies nicht.‟ „Das ist aber nicht sonderlich nett.‟ „Und warum sammelst du gerade ein paar Steine?‟ Aiko schaute zu ihren Händen. Diese hielten tatsächlich einige größere Steine, und ihre Beine schleppten sie zum Wolf. „Ich weiß nicht, warum ich gerade mache, was ich mache. Aber irgendwie weiß mein Körper, was in dem Märchen passiert. Und dieser handelt auch ohne meinen Willen.‟ „Als wenn du eine Marionette wärst.‟ Alle lachten, auch wenn Aiko diesen Gedanken nicht sonderlich witzig fand. Sie mochte es nicht, dass jemand anders bestimmte, was sie tat und was nicht. Sie wollte selbst die Gewalt über ihr Handeln haben. „Ihr seit auch nur Marionetten, oder habt ihr selbst bestimmt, was ihr hier tut?‟ „Nein.‟, kam es einstimmig von den anderen. Onpu holte Nadel und Faden aus dem Haus, und nähte dem Wolf den Bauch wieder zu. Sie fluchte in sich hinein. „Ich hoffe, dass ich das hier so schnell wie möglich vergessen werde. Ich will nicht ständig daran denken, dass ich einem Tier etwas in den Bauch nähe.‟ „Wenn wir zu Hause sind, nehme ich erst einmal ein langes, gründliches Bad. Das Gefühl, im Bauch gefangen zu sein, will ich möglichst schnell wieder vergessen.‟ „Gute Idee. Das mache ich auch.‟ „Aber erst einmal muss der Magical Stage uns aus dem Zauber entlassen. Vorher kommen wir nicht dazu. Oder glaubst du, hier in der Märchenwelt gibt es ein Bad?‟ „Gehen wir also erst einmal zum Schloss zurück. Immerhin steht noch ein Märchen aus.‟ Wieder gingen sie in den Wald hinein. Dass keiner von ihnen den Rückweg kannte, machte ihnen in diesem Fall nur wenig aus. Sie wussten inzwischen, dass die Magie schon dafür sorgte, dass sie den richtigen Ort erreichten. Kapitel 4: Der Hexenfrosch -------------------------- In weiter Ferne konnten sie alle das Schloss entdecken. Dieses Mal schienen sie den richtigen Weg einzuschlagen. Und zwei der Märchen hatten sie auch schon durchlebt, auch wenn diese etwas abgewandelt worden waren. Sie gingen auf das Schloss zu. Hazuki hatte immer noch den roten Umhang um, Onpu sah wieder aus wie eine Prinzessin und Aiko und Doremi sahen wie die Töchter reicher Familien aus. Sie wussten immer noch nicht, wer sie im nächsten Märchen sein würden. Aber dazu mussten sie den nächsten Märchenort erst einmal erreichen. „Da seit ihr ja, Prinzessin. Euer Vater wartet schon auf euch.‟ Die vier Freundinnen schauten sich leicht verwirrt an. Ein fremder Mann, der eine leichte Ähnlichkeit mit Frau Seki aufwies, stand ihnen gegenüber und schaute sie erwartungsvoll an. Sie wussten weder, wie sie den Mann ansprechen sollten, noch, wer von ihnen soeben gemeint worden war. Sie nickten alle und gingen an dem Mann vorbei. „Warten Sie, Prinzessin. Ich hab den Befehl, euch auf direkten Weg zu eurem Vater zu begleiten.‟ „Das würde uns zumindest die Peinlichkeit ersparen, dass wir nicht wissen, um wen von uns es sich handelt.‟ „Ganz abgesehen davon, dass wir so nicht nach dem Weg fragen müssen.‟ „Was gibt es da vorne zu flüstern, meine Damen?‟ „Nichts.‟, kam es aus allen Mündern gleichzeitig. Stumm verabredeten sie, nicht weiter über das Thema zu sprechen, solange die Wache bei ihnen war. „Folgen sie mir, meine Damen.‟ Der Mann überholte die Mädchen, während diese ihm zunickten. Er führte sie an den Wachen vorbei ins Schloss. Später standen sie dann alle ihren Eltern gegenüber. Erstaunt stellten sie fest, dass ihre Eltern sich auch in dieser Welt kannten. „Sehen wir unsere Prinzessinnen heute also doch noch? Immerhin gibt es gleich ein Fest zu deinem vierzehnten Geburtstag. Und dafür darf der Ehrengast nicht fehlen. Und du, Rose, solltest deiner kleinen Schwester ein besseres Vorbild sein. Du kannst sie doch nicht so einfach vom Schloss wegführen.‟ Die Frage, wer von ihnen jetzt nun tatsächlich gemeint war, stellte sich ihnen nicht. Die Eltern von Onpu schauten Doremi direkt an, weshalb sie wussten, dass sie gerade mit ihr sprachen. Als die Mädchen kurz alleine gelassen wurden, flüsterten sie miteinander. Das Abkommen von zuvor, nicht über ihre Lage zu sprechen, galt nicht mehr, da sie außer Hörweite der entsprechenden Personen waren. „Bin ich jetzt Rose oder die jüngere Schwester?‟ „Vermutlich die jüngere Schwester. Immerhin haben die mich schon als Rose vorgestellt.‟ „Stimmt. Aber hätten sie nicht eben auch meinen Namen fallen lassen können. Jetzt weiß ich immer noch nicht, wie ich in dieser Welt heiße.‟ „Das werden wir auch noch erfahren. Zumindest können wir davon aussehen, dass dein Name‟ Aiko deutete auf Hazuki „etwas mit dem Märchen Rotkäppchen zu tun hat. Immerhin trägst du den Umhang noch.‟ Sie lachten. Aiko hatte recht. Wenn der Name für das Märchen interessant war, würden sie ihn erfahren. Und wenn er für das Märchen nicht interessant war, vermutlich dennoch. Sie glaubten nicht mehr, dass sie immer mit Du, Ihr, Prinzessin oder dergleichen angesprochen wurden. Spätestens bei dem angekündigten Fest werden sie erfahren, wie Doremi nun tatsächlich hieß. Onpus Eltern führten Onpu und Doremi in den Festsaal, der zu dieser Zeit gerade für die abendliche Veranstaltung vorbereitet wurde. Zwei Männer brachten einige Tische nach draußen, um Platz für den Tanz zu schaffen. Die Musiker stellten ihre Bässe und Violinen auf oder stimmten ihre Instrumente. „Nun, Lily, freust du dich schon auf den Ball heute Abend?‟ Nach ein paar Schrecksekunden erkannte Doremi, dass die Augen des Königs auf sie gerichtet waren, dass sie also gemeint war. Was sollte sie antworten. Sie wusste doch gar nicht, was sie auf einen Ball machen würde. Etwas unsicher antwortete sie daher: „Ja, ich glaube schon.‟ „Seit wann bist du so unsicher. Eine Prinzessin hat selbstbewusst und bestimmt aufzutreten.‟ „Genug der Lektionen! Feiern wir ein wenig, bevor unsere Gäste kommen.‟ Das Königspaar verließ kurz den Raum und holte ein kleines Paket. Viele Geschenke gab es zu dieser Zeit nicht. Aber die Geschenke, die überreicht wurden, waren von besonderer Bedeutung. Doremi packte ihr Geburtstagsgeschenk aus. Es war eine goldene Kugel, die früher einmal ihrer Mutter gehörte. Das Dumme an der Situation war nur, dass sie nicht genau wusste, wie sie reagieren durfte. Es waren nicht wirklich ihre Eltern, auch wenn der Zauber dies suggerierte. Und sie wusste auch nicht, wie man als Prinzessin reagiert. Was waren das Königspaar für eine Reaktion gewohnt. Doch dann kam die typische Doremi wieder durch, und sie umarmte ihre Mutter einfach. Die Königin hielt die ungestüme Art, wie ihre Tochter sie umarmte, für eine Reaktion auf das doch sehr sentimentale Geschenk. Sie war überrascht, dass die Kugel ihrer Tochter so viel bedeutete, obwohl sie wusste, dass sie ihren Kindern immer wieder erzählt hatte, wie sie selber als Kind immer mit der Kugel gespielt hatte, und wie sie ihrem Vater damals die Aufgabe übertragen hatte, ihr die Kugel wieder zu beschaffen. „Spielt doch noch ein bisschen draußen, bis die Diener den Saal für den Tanz vorbereitet haben. Hier würdet ihr nur im Weg herumstehen.‟ Die vier Kinder liefen nach draußen zu einem Brunnen. Sie stellten sich etwas entfernt voneinander auf und warfen sich die goldene Kugel gegenseitig zu. „Was glaubt ihr, wessen Märchen jetzt dran ist. Das von Doremi-chan oder das von Onpu-chan?‟ „Vermutlich das von Onpu-chan. Immerhin sind ihre Eltern Bestandteil dieses Märchens.‟ „Ich denke eher, dass es das Märchen von Doremi-chan ist. Sie hat schließlich das Geschenk erhalten.‟ „Auch wieder wahr.‟ „Was hattest du noch einmal für ein Märchen.‟ Aiko warf Doremi die goldene Kugel zu. „Der Froschkönig. Mit dem Bild, wo ich sofort an Majo Rika denken musste.‟ Doremi warf Hazuki den Ball zu. Nach einer Weile passierte es dann. Aiko war leicht übermütig geworden, und warf den Ball nicht direkt ihrer Freundin zu, sondern über den Brunnen in einem hohen Bogen. Doremi versuchte, den Ball zu fangen. Aber kaum berührte sie den Ball, und wollte ihre Finger um ihn schließen, prallte dieser auch schon von ihrer Hand ab und fiel auf das Gemäuer des Brunnens. Sie ging einen Schritt auf den Brunnen zu und streckte ihre Hand aus. Das Märchen wollte es, dass sie mit ihrer Hand den Ball noch etwas weiter zum inneren des Brunnen schob. Der Ball begann zu rollen. Doremi machte einen Sprung nach vorne, versuchte, den Ball zu erwischen. Doch dieser rollte über das Gemäuer so weit, dass er schließlich in den Brunnen fiel. Ein Plantschen bestätigte das Vorhandenseins von Wasser im Brunnen. Doremi wusste nicht, was sie tun sollte. Der Ball, die goldene Kugel, was aus unergründlichen Gründen sehr wichtig für sie. Wenn sie später darüber nachdenken würde, hätte sie festgestellt, dass ihre derzeitigen Gefühle völlig sinnlos waren. Aber momentan war der Ball für sie so wichtig, dass sie zu weinen begann. „Wir können doch versuchen, die Kugel hier heraus zu zaubern.‟ Aiko griff nach ihrer Tasche, aber ihr Tab war nicht da. „Vielleicht solltest du es probieren, Doremi. Immerhin ist es dein Märchen. Und bei Rotkäppchen konnte nur Hazuki-chan den roten Umhang in Griffweite zaubern.‟ Doremi griff nach ihrer Tasche, in der Hoffnung, den Tab zu finden. Sie wurde enttäuscht. „Offensichtlich will der Magical Stage nicht, dass wir in diesem Fall zaubern. Jetzt wüsste ich nur gerne, wie wir den Ball wieder zurückbekommen.‟ Sie begann wieder zu weinen. „Jetzt hör schon auf, Doremi.‟ Hazuki legte ihrer Freundin eine Hand auf ihrer Schulter und versuchte so, sie zu trösten. Der König rief einen seiner Untergebenen heran. „Bring meine Töchter zu mir. Ihre Freundinnen können meinetwegen mit ihnen kommen. Das Fest beginnt gleich, und ich möchte, dass meine Töchter pünktlich anwesend sind.‟ Der Bedienstete ging aus dem Schloss hinaus zum Spielplatz, fand die Mädchen dort aber nicht vor. Dann schaute er sich um. Von den Wachen erfuhr er, dass die Mädchen den Hof nicht verlassen hatten, also mussten sie noch hier irgendwo sein. Auf dem Markt hatten sie nichts zu suchen. Er beschloss, zum Blumenbeet zu gehen. Mit ein bisschen Glück picknickten sie dort. Während er zu den Blumenbeeten ging, erblickte er die Mädchen am Brunnen. Dieser Zufall kam ihm sehr gelegen, so brauchte er sich nicht mehr auf die Suche nach ihnen zu begeben. Er lief zu den Mädchen hin. „Euer Vater schickt mich, Prinzessin Rose, Prinzessin Lily, um euch in den Festsaal zu geleiten. Das Fest beginnt gleich.‟ Doremi überlegte immer noch, wie sie ihre Kugel wieder zurückbekommen konnte. Es war ihr unangenehm, der Königin sagen zu müssen, dass sie ihr Geschenk verloren hatte. „Ich komme gleich nach. Ich muss nur noch etwas holen.‟ „Es ist das Fest zu eurem Geburtstag, Prinzessin. Also sei pünktlich.‟ „Zwei Minuten, dann komme ich nach. Versprochen.‟ „Wir helfen ihr holen.‟ Der Diener überlegte. Er wollte den Befehl des Königs nicht verweigern, allerdings wollte er sich auch mit der jüngeren Prinzessin gut stellen. „Also gut. Ich warte am Schlosstor auf euch, Prinzessin. Aber wenn ihr nach drei Minuten nicht auftaucht, komme ich euch holen.‟ Der Diener ging zusammen mit Prinzessin Rose zum Schlosstor, während Doremi hemmungslos zu weinen begann. Ihr Weinen konnte Steine erweichen. Aber es bewirkte etwas anderes. Eine Stimme fragte nach, warum Doremi denn weinte. „Ich habe meine goldene Kugel in dem Brunnen verloren, und jetzt traue ich mich nicht, zu meinen Eltern zu gehen und ihnen dies zu beichten.‟ Der Besitzer der Stimme erkannte die Notlage der Prinzessin, und seinen Vorteil daraus. Er wusste, wo die Kugel sich befand. Sie lag in seiner Reichweite. Aber er wusste auch, wenn er der Prinzessin die Kugel jetzt zurückgab, hätte er keine Chance, seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen. Die Forderungen musste er also vorher stellen. „Ich kann dir die Kugel zurückbringen. Aber dafür möchte ich, dass du mich auf deinem Geburtstag als deinen Freund vorstellst, mich von deinem Teller essen, mich aus deinem Glas trinken lässt und mich in dein Bett mit nimmst. Wirst du meine Forderungen erfüllen?‟ Doremi überlegte nicht lange. Dies war ihre Rettung, und sie würde der Stimme alles versprechen, nur um sich diese Peinlichkeit ersparen zu können. „Ich tue alles, wenn du mir nur die Kugel zurückbringst.‟ Majo Rika sprang mit der Kugel in den Händen aus dem Brunnen. Sie landete auf das Gemäuer. Als Doremi sie erkannte, riss sie erstaunt die Augen auf. Aber nach kurzen Überlegungen fand sie es nicht sonderlich erstaunlich, Majo Rika in diesem Märchen vorzufinden. Dann handelte es sich eben nicht um einen Froschkönig, sondern um eine Froschkönigin. „Und außerdem will ich, dass du mich wieder in meine ursprüngliche Gestalt zurückverwandelst. Immerhin hast du wohl inzwischen zaubern gelernt. Also dürfte es kein Problem mehr sein.‟ Majo Rika übergab Doremi die goldene Kugel, welche sich sofort auf dem Weg zum Schlosstor machte. Immerhin war sie sich sicher, dass die zwei Minuten längst vorbei waren. Sie wollte nicht, dass der Diener sich wieder auf dem Weg zum Brunnen machte. Das schlimmste, was ihr in dieser Situation passieren konnte, war, dass die anderen heraus fanden, dass sich auch Majo Rika hier befand. Wenn die Diener heraus bekamen, dass sie eine Hexe kannte, kämen sie auch schnell auf den Gedanken, dass auch Doremi eine Hexe sein könnte. Und dann würde sie sich auch in einen Hexenfrosch verwandeln. „Ich muss los.‟, rief sie Majo Rika noch nach. Der Hexenfrosch ärgerte sich, dass er nicht von vorne herein darauf bestanden hatte, von ihr mitgenommen zu werden. Jetzt musste er sich selber auf den kleinen Froschbeinen zum Schloss schleppen. Der Diener machte sich gemeinsam mit Onpu wieder auf dem Weg zum Brunnen. Er hatte noch eine Minute länger gewartet, doch dann wurden die Sorgen übermächtig, dass die jüngere Prinzessin sich verdrücken würde. Nachdem er das erste viertel der Strecke hinter sich gebracht hatte, sah er zu seiner Erleichterung, wie Prinzessin Lily auf dem Weg zu ihm war, gefolgt von ihren beiden Freundinnen. „Jetzt geht es aber zum Tanzsaal. Wir sind schon spät dran.‟ Dieses mal ging Doremi ohne zu murren mit. Er führte sie alle zu Onpus Eltern. Viele der erwarteten Gäste befanden sich bereits im Festsaal. „Ihr solltet euch besser umziehen. Immerhin ist dies die Geburtstagsfeier von Ihnen, Prinzessin Lily. Und die Gäste erwarten eine Prinzessin, keine dreckiges Mädchen. Sieh dich doch nur einmal an.‟ Die Mädchen wurden gemeinsam in ein Ankleidezimmer geführt, wo die geplante Garderobe schon bereitstand. Einige Frauen zogen sie um und wuschen sie auch zeitgleich. Es war seltsam für die Mädchen, von fremden Personen angezogen zu werden. Immerhin waren sie in ihrer Zeit in der Lage, sich selber anzukleiden. Fertig zurechtgemacht führten die Frauen sie in den Festsaal. Onpu und Doremi setzten sich auf ihre Ehrenplätze, während Aiko und Hazuki sich an einem der Tische platzierten. Der Gedanke, dass sie getrennt wurden, gefiel ihnen zwar nicht, aber sie konnten nichts dagegen tun. Zumindest konnten sie sich gegenseitig im Auge behalten. Das Essen war bereits aufgetischt, die Getränke verteilt und die Musikanten ließen einige Balladen erklingen. Doremi wollte gerade in ein saftiges Steak beißen, als es vehement an der Tür klopfte. Sie zuckte zusammen. Sie hoffte, dass das Klopfen nicht das bedeutete, was sie befürchtete. „Prinzessin Lily! Prinzessin Lily! Ihr habt mir was versprochen!‟ Alle Blicke richteten sich augenblicklich auf die junge Prinzessin. Doremi spürte genau, dass die anderen eine Erklärung von ihr erwarteten. Aber sie schwieg. „Lass mich rein!‟ Hilfe suchend wandte sich Doremi an den König. Sie erhoffte sich einen Rat, eine Bestätigung, dass sie sich richtig verhalten hatte. Doch er schaute sie nur fragend an. Auch er verlangte eine Erklärung von ihr. Langsam sah auch Doremi keine andere Wahl, als ihnen die ganze Geschichte zu erzählen. Sie kürzte dies allerdings ab. Sie erzählte ihnen nur das wichtigste, die Tatsache, dass sie einem Frosch versprechen musste, an ihrer Seite zu sein, weil sie etwas verloren und der Frosch es ihr zurückgebracht hatte. „Man muss halten, was man versprochen hat. Und als Prinzessin musst du mit gutem Beispiel vorangehen. Also, bitte deinen Gast herein.‟ Doremi ging zu der Tür und befahl den Wachen, diese zu öffnen. Sie ließen die Froschkönigin Majo Rika in das Schloss eintreten. Diese sprang mehr, als dass sie ging, zu Doremi hin. „Nimm mich in deine Hand! Meine Beine sind so klein, dass ich kaum mit dir Schritt halten kann.‟ Doremi suchte nach einem Ausweg. Irgendwie ekelte der Frosch sie an, auch wenn sie ihn vor dem Zauber lang genug kannte. Sie überwand den Ekel und streckte ihre Hand aus. Sie dachte an Pop, ihre kleine Schwester. Diese hatte nie Probleme mit Majo Rikas Erscheinung gehabt, hätte sich sogar gefreut, auch hier zu sein. Gemeinsam gingen sie zum Festsaal zurück. „Lass mich von deinem Teller essen!‟ Warum muss mir so etwas ausgerechnet dann passieren, wenn es gerade Steaks gibt? Komme ich denn nie dazu, ein Steak zu essen? „Was ist los? Ich habe dich um etwas gebeten. Oder hast du dein Versprechen schon wieder vergessen?‟ Doremi schnitt ein Stück von ihrem Steak ab und gab es ihr. Traurig sah sie dem Stück Steak nach, wie es im Mund von Majo Rika verschwand. Schnell schnitt sie sich selbst ein Stück ab und steckte es in ihrem Mund. Ja, sie hatte es geschafft. Sie hatte endlich ein Stück Steak in ihrem Mund. Es war schon so lange her, dass sie diesen Geschmack im Mund hatte. Ihre Zunge freute sich so sehr über den vertrauten, geliebten Geschmack, dass sie die Worte von Majo Rika nicht wahrnahm. „Ich habe dich etwas gefragt! Hörst du nicht zu?‟ „Warum bist du so laut? Ich habe doch nichts Unrechtes getan.‟ „Du hörst nicht zu. Da muss man doch lauter werden. Und jetzt gib mir bitte etwas von dem Wein in deinem Becher.‟ Doremi hatte keine Idee, wie Wein schmeckte. Sie hielt Majo Rika ihren Becher hin, auch wenn es ihr lieber gewesen wäre, wenn sie für ihren Gast einen weiteren Becher bekommen hätte. Aber der Hexenfrosch hatte darauf bestanden, den Becher mit ihr zu teilen. Als Doremi dann selber von dem Wein trank, wunderte sie sich, wie man dies überhaupt trinken konnte. Sie sahen den Gästen beim Tanzen zu, hörten die Musik, aßen und unterhielten sich. Ein Hofnarr jonglierte mit einigen Bällen und Pantomimen stellten einige Theaterszenen nach. Nachdem das Fest zu ende ging, gingen Onpu und Doremi mit Majo Rika in ihr Zimmer. Aiko und Hazuki folgten ihnen. „Weiß Majo Rika, was sie hier genau macht?‟ „Wissen deine Eltern das?‟ „Vermutlich nicht. Ich bin mir auch nicht sicher, ob es wirklich Majo Rika ist, oder ob es sich nicht doch um einen männlichen Frosch handelt.‟ „Was ist, wenn es wirklich Majo Rika ist?‟ „Dann werden wir ihr wohl erklären müssen, was wir hier machen. Und vor allem, was sie hier macht.‟ „Was habt ihr da hinten zu besprechen?‟ „Nichts wichtiges.‟ „Mädchenkram halt.‟ Aiko und Hazuki schlossen zu den anderen auf, bevor sie das Zimmer betraten. Sie würden alle gemeinsam im Zimmer übernachten. Da Doremi dem Frosch versprochen hatte, dass er bei ihr im Bett schlafen darf, zeigte sie auf ihres. Sie selber legte sich noch nicht hin. „Ich möchte, dass du bei mir im Bett liegst.‟ „Ich bin noch nicht müde. Ich werde erst später schlafen gehen.‟ „Dann gehe ich auch noch nicht ins Bett.‟ Nach einer Stunde war Doremi dann doch so müde, dass sie sich hinlegte. Majo Rika legte sich zu ihr. Das Mädchen bekam dies nur halb mit. Sie drehte sich so, dass sie Majo Rika unter sich erdrückte, und als sie merkte, dass etwas unter ihrem Rücken sie störte, packte sie den Frosch am Kopf und schmiss sie aus dem Bett. Majo Rika knallte mit dem Kopf an die Wand, so dass diese platt wie eine Flunder auf dem Boden landete. Kapitel 5: Konsequenzen ----------------------- Einige Tage später saßen die vier Freundinnen gemeinsam mit Majo Rika im Zimmer der älteren Prinzessin. Diese hatte inzwischen erkannt, dass die Mädchen sie nicht zurückverwandeln würden, wenn sie selbst es nicht in die Hand nahm. Die Kinder wussten nicht, dass jedwede Magie verboten war. Doremi, Hazuki und Aiko waren bei der Feier zu Roses Geburt nicht dabei gewesen, daher konnten sie sich nicht daran erinnern. Wenn sie damals dabei gewesen wären, hätten sie dies genauso vergessen, wie man die Geschehnisse, die einem als Baby widerfahren sind, auch in einer normalen Zeitlinie vergisst. Niemand sprach hier über die Magie, mit Ausnahme von dem Frosch und den vier Mädchen. „Ich möchte, dass ihr mich zurückverwandelt. Jetzt! Sofort!‟ Majo Rika brachte ihr Anliegen direkt auf den Punkt. Sie wollte es jetzt endlich hinter sich bringen, solange sie noch unbemerkt aus dem Schloss verschwinden konnte. Wenn sie erst einmal wieder eine Hexe war, so konnte sie ihre Gestalt selber wählen. Und sie würde als Fliege oder Schmetterling das Schloss verlassen, und nie wieder ein Frosch sein. Es klopfte an der Tür. Alle vier Mädchen erschraken, hatten sie doch nicht damit gerechnet. Der Hexenfrosch versteckte sich schnell, auch wenn er schon vor versammelter Dienerschaft aufgetreten war. Jetzt wollte er nicht, dass die Diener ihn sahen. Wenn er später zurückverwandelt wurde, müsste man sonst sein Verschwinden erklären. Onpu bat den Besuch herein. Der Diener, der Frau Seki ähnlich sah, betrat den Raum. „Prinzessin Rose, Euer Vater schickt nach Euch. Er möchte mit Euch eure Geburtstagsfeier besprechen.‟ Onpu fragte sich, wie viel Zeit wohl seit dem Geburtstagsfest ihrer angeblichen Schwester Doremi und dem Tag heute vergangen war. Allzu viel Zeit konnte es kaum sein, da es für sie alles am Tag zuvor geschehen war. Und doch ging sie nicht davon aus, dass beide Prinzessinnen nahezu zeitgleich Geburtstag hatten. Sie folgte dem Diener zu ihrem Vater. Wieder im Festsaal angekommen, erwartete der König seine Tochter. Er wusste, dass der morgige Tag entscheidend war für den Versuch, dem Fluch der bösen Fee zu entgehen. Er hatte alle Magie verbannt, den Feen verboten, noch einmal sein Reich zu betreten und seine Töchter davor geschützt, mit Magie in Verbindung zu kommen. Er war sich sicher, dass sein Plan aufgehen würde. Er hatte es so gut geschafft, und glaubte nicht, dass sein Plan in den letzten zwei Tagen scheitern konnte. Aber er wusste auch, dass Magie einen Weg zu finden vermochte, wenn sie nur stark genug war. Und die Fee, die Rose verflucht hatte, war mächtig. „Rose, ich möchte mit dir über den morgigen Tag sprechen. Immerhin handelt es sich um einen besonderen Tag.‟ Onpu fragte sich, um was für einen Tag es sich dabei handeln sollte. Da sie selbst gerufen worden war, musste es sich explizit um sie drehen. Die hatten doch wohl nicht etwa ihre Hochzeit geplant, schoss es ihr durch den Kopf. Panik breitete sich in ihr aus. „Gibt es denn etwas, dass du dir zu deinem morgigen Geburtstag wünschst?‟ Onpu beruhigte sich wieder. Es handelte sich also nicht um eine arrangierte Hochzeit. Aber jetzt musste sie sich schnell etwas überlegen, was sie denn haben wollte. Was durfte eine Prinzessin sich denn wünschen. Immerhin schienen sie auch in einer anderen Zeit zu sein. Eine Zeit, von der sie immer noch nichts wusste. Sie versuchte, sich an die Filme zu erinnern, bei denen sie als Schauspielerin mitgewirkt hatte. Doch auch, wenn einige ihrer Filme zu jener Zeit spielten, so waren diese doch von einer anderen Kultur geprägt. „Ein Ball mit allen Freunden.‟, fiel ihr dann doch noch ein. „Und ich möchte mit meinen Freundinnen in den Geburtstag rein feiern.‟ Der König lächelte. Dies hatte er ohnehin geplant, dafür brauchte er keinen Wunsch von seiner Tochter. Als er dann noch den zweiten Wunsch vernahm, wurde er leicht unruhig. Mit vierzehn hatte man, auch als Prinzessin, um 22 Uhr im Bett zu sein. Und auch mit fünfzehn sah dies nicht anders aus. „Deine Freundinnen sind schon bei dir im Zimmer?‟, erkundigte der König sich. „Ja, dass sind sie.‟ „Also gut. Dann will ich mal eine Ausnahme machen. Aber dass du mir morgen nicht verschläfst. Also feiert nicht zu lange.‟ Der König verabschiedete sich von seiner Tochter, da er noch einige Aufgaben zu erledigen hatte. Er wollte den Ball für den nächsten Tag vorbereiten, und die Planung eines solchen Ereignisses war zeitintensiv. Ganz besonders deswegen, weil nach diesem Tag der Fluch der Fee nicht mehr ausführbar sein konnte. Deswegen musste der Ball etwas ganz besonderes sein. Außerdem plante der König durchaus noch etwas anderes. Er hoffte, dass seine Tochter sich auf dem Ball in einen der anwesenden Prinzen verlieben würde. Er wollte sie nicht zur Hochzeit drängen, aber langsam wurde es Zeit, dass sie sich für einen Mann entschied. Die Einladungen in die benachbarten Königreiche waren schon kurz nach dem Geburtstag seiner jüngeren Tochter herausgeschickt worden. Unterdessen ging Onpu zurück zu ihrem Zimmer. Sie hoffte, dass die anderen auf sie warten würden, bevor sie zum Benimmunterricht mussten. Es konnte schon lästig sein, wie ihnen eingebläut wurde, welche Gabel man für welches Gericht nahm. Wozu überhaupt Gabel und Messer, mit Stäbchen zu essen war doch viel leichter. Aber dies durfte sie nicht laut sagen. Sie hatte Glück. In ihrem Zimmer warteten die anderen auch schon. Gemeinsam wurden sie von einer Kammerzofe zu einem Raum geführt, in dem die Lehrerin für ihren Unterricht auf sie wartete. „Sag bloß, wir müssen auch hier lernen.‟ „Sieht wohl so aus. Oder dachtest du etwa, dass das Leben als Prinzessin so einfach wäre, dass man nichts beherrschen muss.‟ „Ob auch die anderen aus unserer Klasse anwesend sind?‟ „Hier im Schloss?‟ „Vielleicht eine der Töchter der Hofdamen.‟ „Na, hoffentlich nicht so eine wie Tamaki.‟ Gemeinsam gingen sie in den Unterrichtsraum. Erschrocken stellten sie fest, dass sie offensichtlich nicht die einzigen aus ihrer Klasse waren, die in diesem Zauber gefangen waren. Marina und Reika befanden sich schon im Raum, während Schwester Yuki vorne stand und auf die Neuankömmlinge wartete. „Ausgerechnet Tamaki‟ „Warum so genervt, Prinzessin Rose?‟ Doch Onpu antwortete nicht, sondern setzte sich einfach an einem der noch freien Plätze. Doremi und die anderen setzten sich neben ihr. „Wie heißen die anderen hier eigentlich? Es wäre nichts peinlicher, als das wir alle mit dem falschen Namen ansprechen.‟ „Warten wir es ab.‟ „Prinzessin Rose, Prinzessin Lily, Greta, Elisabeth, Emilia, Marie, da wir jetzt vollzählig sind, fangen wir nun mit dem Unterricht an.‟ Sie setzten sich zu Tisch, ließen sich von ihrer Lehrerin erklären, was man wie verwendete, hörten allerdings nicht zu. Zu ihrem Glück schienen ihre Klassenkameradinnen nicht dem zu entsprechen, was sie von ihnen noch im Kopf hatte. Reika lachte nicht auf ihre typische Art. Stattdessen prahlte sie mit ihrem Wissen. Nach der Unterrichtsstunde entfernten sie sich aus dem doch eher improvisierten Klassenzimmer. Sie waren froh, dass sie nicht weiter den Umgang mit dem verschiedenen Besteck üben mussten. Der Tag verging recht schnell. Sie spielten im Schloss, da die Wachen sie nicht auf den Hof lassen wollten. Warum, dass wussten sie nicht. Da die Sonne schien, war nicht zu befürchten, dass sie ihre Klamotten versauten. Der Abend kam, und die Mädchen bereiteten die Geburtstagsfeier für Rose, beziehungsweise Onpu, vor. „Findet ihr nicht, dass es schwierig ist, in der Rolle eines anderen zu handeln? Ich komme irgendwie immer noch nicht damit klar.‟ „Vermutlich wirst du nicht mehr lange damit klarkommen müssen.‟ „Wie meinst du das?‟ „Drei der Märchen haben wir doch jetzt schon komplett durchlebt. Wir befinden uns jetzt im vierten Märchen. Wir haben also schon über die Hälfte des Zaubers hinter uns. Wenn das vierte Märchen vorbei ist, verliert der Magical Stage seine Wirkung, und wir sind wieder nahe am Flower Garden.‟ „Also, irgendwie beruhigt mich der Gedanke, wieder zurück nach Hause zu kommen.‟ Sie wollten zwar in den Geburtstag herein feiern, schliefen aber viel zu früh ein. Der König schlich sich zum Zimmer seiner ältesten Tochter. Da er seiner Tochter erlaubt hatte, in ihren Geburtstag herein zu feiern, dachte er, dass sie wohl noch auf sein würde. Daher wollte er ihr auch um kurz nach Mitternacht gratulieren. Als er vor der Tür stand, horchte er in den Raum hinein, um festzustellen, ob die Mädchen noch auf waren. Er hörte nichts. Waren sie Mädchen doch nicht aufgeblieben? Langsam öffnete er die Tür. Er rechnete schon damit, dass sie eventuell nur darauf warteten, ein Kissen nach ihm zu werfen. Er wollte die Mädchen aber auch nicht aufwecken, falls sie tatsächlich schon eingeschlafen waren. Im Zimmer war es bereits dunkel. Die Mädchen schliefen alle angelehnt an Roses Bett. Irgendwie hatte er es geahnt, dass die Mädchen noch zu jung waren, um die Nacht über auf zu bleiben. Die Mühe, die Kinder ins Bett zu legen, machte er sich nicht. Wenn sie schon in dieser Position einschliefen, würden sie nur aufwachen, wenn er sie ins Bett tragen würde. Als er den Raum wieder verließ, stand seine Frau vor ihm. „Vielleicht hat der Fluch doch nicht die Wirkung, die wir ihm zumessen.‟ „Wir sollten ihn nicht unterschätzen.‟ „Aber unsere Tochter ist bis zum heutigen Tage nicht mit Magie in Verbindung gekommen. Oder glaubst du etwa, dass die Fee Hehe morgen hier auftaucht und Rose beibringt, wie sie Magie verwenden kann?‟ „Nicht wirklich. Aber glaubst du wirklich, dass hier im Königreich niemand mehr ist, der nichts von Magie versteht?‟ „Misstraust du deinen Untertanen so sehr?‟ „Das nicht. Aber wissen wir denn, wer von unseren Untertanen sich wirklich mit Magie beschäftigt hatte? Wir haben nie danach gesucht, geschweige denn suchen lassen. Was ist, wenn doch noch eine Hexe hier ...‟ „Jetzt hör schon auf. Oder hast du Rose oder Lily schon einmal Magie einsetzen sehen? Jeder hier im Königreich weiß, dass dies strengstens verboten ist.‟ „Ist schon gut. Du hast ja recht. Gehen wir ins Bett.‟ Der nächste Tag brach an. Als die Mädchen erwachten, wussten sie, dass sie die nächtliche Geburtstagsfeier verschlafen hatten. Und heute würde ein Ball anstehen, auf dem sie wieder tanzen mussten. Einerseits freuten sie sich darauf, aber andererseits glaubten sie auch nicht, dass ihnen der gesellschaftliche Druck, den so ein Prinzessinnenleben mit sich brachte, auf Dauer stand halten konnten. „Warum musstest du dir auch unbedingt einen Ball wünschen?‟ Onpu drehte sich zu Aiko um. Sie wusste, dass Aiko an sich recht sportlich war. Was das Thema tanzen anging, könnte dies allerdings auch anders aussehen. Der Satz hörte sich so an, als wenn Aiko befürchten würde, sich beim Tanzen zu blamieren. „Was hätte ich mir denn sonst wünschen sollen? Oder hast du eine Ahnung, was ich mir hätte wünschen können?‟ Aiko schüttelte den Kopf. Sie hätte auch nichts gewusst. „Vielleicht sollten wir den Raum hier langsam verlassen. Ich bin mir sicher, dass wir schon erwartet werden.‟ Wie aufs Stichwort klopfte einer der Dienerinnen an die Tür. Sie sollte die Mädchen in den Thronsaal führen. Wie auch zu Doremis Geburtstagsfeier wurde der Festsaal dekoriert. Auch im restlichem Schloss herrschte reger Betrieb. Sehr viele Gäste wurden erwartet, da auch die Gäste, die zur Feier zu Roses Geburt anwesend waren, wissen wollten, wie es um den Fluch stand. Und auch, ob der König die Magie wieder erlauben würde, wenn der Fluch keine Wirkung mehr hatte. Die Mädchen bekamen nicht mit, wie schnell der Abend kam. Auf einmal standen sie alle festlich gekleidet im Festsaal. Wieder spielte die Musik, und wieder tanzten einige Paare. Die Mädchen selber tanzten nicht, sondern schauten nur zu. Irgendwie trauten sie sich nicht. Der Frosch von Lilys Feier tauchte wieder auf. Wieder verlangte er, dass Doremi ihm von ihrem Essen und Getränken abgab. Doch dieses mal wurde es Doremi zu viel. Sie schnappte sich den Frosch, hob ihn hoch und schmiss ihn auf dem Boden. „Vielleicht sollte ich allen euer Geheimnis verraten? Damit ihr auch so werdet wie ich.‟, flüsterte Majo Rika zu den vier Mädchen. Jedoch war das Flüstern laut genug, dass das Königspaar dies ebenfalls mitbekam. Der König wurde ganz blass. Wusste er doch, was dieser Satz zu bedeuten hatte. Doch er durfte nicht zulassen, dass seine Befürchtung wahr wurden. Noch hoffte er, dass es sich bei dem Frosch um einen verwunschenen Prinz, und nicht um eine Hexe handelte. „Was hat das zu bedeuten?‟ Eigentlich wollte der König diese Frage nicht stellen, da er sich sicher war, dass die Antwort ihm nicht gefiel. Doch als Vater war er sehr wohl interessiert, wenn jemand seinen Töchtern drohte. Er wollte den Grund dafür erfahren. Ganz abgesehen davon, dass er seine Töchter vor allen Gefahren schützen wollte. Niemand wollte ihm antworten. Doremi und Onpu hatten viel zu viel Angst, dass herauskam, dass sie etwas Verbotenes gemacht haben könnten. Stattdessen standen sie auf. Doremi nahm den Frosch in die Hand und lief mit den anderen Mädchen nach draußen. Dort wollten sie die Sache ein für allemal klären. „Was sollte das gerade?!‟ „Warum so laut? So hört uns doch jeder.‟ „Die Frage gilt dennoch. Was sollte das gerade?‟ „Ich will, dass ihr mich endlich zurückverwandelt. Und zwar sofort! Jetzt, wo ihr alle vier vereint vor mir steht. Ansonsten werde ich jede Festlichkeit mit meiner Anwesenheit stören und euch so in Bedrängnis bringen, etwas zu unternehmen.‟ Alle vier Mädchen nickten sich gegenseitig zu. Sie verwandelten sich, nicht in Hexenschülerinnen, sondern schon in ausgebildete Hexen. Alle vier konzentrierten sich auf den Wunsch, dem Hexenfrosch seine normale Gestalt zurückzugeben. Sie sprachen einen Zauber. Majo Rikas Erscheinungsbild wurde menschlich. Der König gab sich nicht ohne Erklärung zufrieden. Er folgte den Mädchen. Immer noch hoffte er auf einen Prinzen, doch als er die Tür öffnete, sah er fünf Hexen vor sich. Diese hatten ihn noch nicht bemerkt. Eine der Hexen verwandelte sich in einen Marienkäfer und flog davon. Die Tür öffnete sich noch ein weiteres Stück. Jetzt konnte nicht nur der König einen Blick auf die vier Hexen werfen, sondern auch sämtliche Bedienstete. Ein Raunen ging durch den Raum. Stimmen wurden laut. Die Stimmen brachten auch die Mädchen dazu, sich zu der entsprechenden Tür hin zu drehen. Die Situation kam den Mädchen schrecklich bekannt vor. Auch dieses Mal waren sie erst einmal geschockt, dass sie enttarnt worden waren. Sie dachten nicht mehr daran, dass sie sich mitten in einem Zauber befanden. Onpu erholte sich als erste von dem Schock. Sie nahm ihren Zauberkugel in die Hand und richtete diese auf die Anwesenden. „Pururun Purun Fami Fami Fa, lass alle hier vergessen, dass wir Hexen sind.‟ Der Zauber wirkte, und der Fluch, den Hehe zur Feier ihrer Geburt ausgesprochen und von Roro abgeschwächt worden war, ebenso. Onpu fiel in einen tiefen Schlaf. Im Gegensatz zu damals, als sie von der Prüfung zum ersten Grad zurückgekehrt waren, traf dieser Zauber auch Doremi, Hazuki und Aiko, sowie das gesamte Königreich. Niemand, der sich zu diesem Zeitpunkt im Königreich befand, war noch wach. Was als nächstes passierte, bekam daher niemand mit. Um das Königreich herum wuchsen jede Menge Rosensträucher, die kein Durchkommen ermöglichten. Sie wuchsen in die Höhe, während ihre Wurzeln das Graben unter den Sträuchern verhinderten. Die 100 Jahre vergingen wie im Flug. Der Magical Stage wusste wohl, dass sie nicht wirklich all die Jahre warten konnten, um das Märchen zu verstehen, ganz besonders, da sich während dieser Jahre nichts am Geschehen änderte. Nur die Feen bemerkten, dass das Reich schlief. Sie wussten, dass 100 Jahre vergehen würden, ehe erneut etwas passiert. Daher diskutierten sie sehr lange, ob sie sich nicht auf das Fest schleichen sollten, nachdem die Jahre vergangen waren. Sie wollten erfahren, ob das Verbot der Magie aufgehoben werden würde. Sie entschlossen sich dafür. Als sie dann alle erwachten, verwandelten Onpu und ihre Freundinnen sich ganz schnell zurück. Wieder sahen sie sich dem König und den Bediensteten gegenüber. Als auch jene erwachten, waren diese ganz verwirrt. Sie wussten noch nicht, was passiert war. Immer noch versuchten sie, die derzeitige Situation zu erfassen. Der König durchschritt die Tür, ließ seine Frau noch passieren und schloss diese dann. „Also gut, Rose, Lily,‟ Er schaute seinen Töchtern direkt in die Augen. „Was ist gerade passiert?‟ Die Mädchen überlegten, was sie ihm sagen konnten, und was nicht. Die Tatsache, dass sie alle vergessen ließen, dass sie Hexen waren, wollten sie lieber für sich behalten. Immerhin hatten sie den Zauber nicht ohne Grund ausgesprochen. „Keine von euch wird diesen Raum verlassen, solange wir keine Erklärung haben.‟ „Jetzt fang du nicht auch noch an, Mama. Wir haben doch selber keine Ahn...‟ „Ich kenne dich lange genug, um zu erkennen, wann du lügst. Also, was habt ihr angestellt?‟ „Hat eine von euch Magie verwendet?‟ Die Frage kam so überraschend, dass ihre Reaktion sie verriet. Da sie sowieso schon aufgeflogen waren, beschlossen die Mädchen, dem König alles zu erzählen. Sie erzählten, wie sie sich verlaufen hatten und wie sie sich aus dem Knusperhäuschen befreiten und dann zu Hazukis Großmutter nach Hause gelaufen waren. Das Königspaar hörte den Geschichten der Mädchen erstaunt zu. Sie fragten sich, warum ihnen dies alles entgangen war. Gemeinsam gingen die sechs Personen in den Festsaal zurück. Die Bediensteten folgten ihnen. Noch wussten die Diener nicht, dass sie alle 100 Jahre geschlafen hatten. Wieder im Festsaal angekommen, zog der König die Aufmerksamkeit auf sich. „Der Fluch ist überstanden. Die 100 Jahre sind vergangen, und das Verbot der Magie somit aufgehoben. Und jetzt lasst uns den 115ten Geburtstag meiner Tochter Rose feiern.‟ Alle Feen, die zur Feier der Geburt der erst geborenen Prinzessin anwesend waren, jubelten bei dieser Nachricht. Als die vier Freundinnen die Feen bemerkten, lächelten sie sich gegenseitig zu. Ob ihre Elfen wussten, dass sie sich alle hier in einem Zauber befanden, fragten sie sich nicht mehr. Sie feierten gemeinsam, bis der Tag vorüber war. Epilog: Die Vorstellung ----------------------- Wieder wurden sie von einer großen Rose am Himmel umschlossen, die sie aus der Märchenwelt hinaus zurück zu der Straße transportierte, auf der sie den Magical Stage zuvor gerufen hatten. Dort schien die Zeit still gestanden zu haben, denn sie waren nur für wenige Sekunden aus der Straße verschwunden. Alles sah genauso aus, wie sie es verlassen hatten. Niemand war zu sehen. „Wir sollten uns wieder zurückverwandeln, bevor uns doch noch jemand sieht.‟ Alle vier leiteten ihre Rückverwandlung ein, sodass niemand sie als Hexen oder Hexenschülerinnen identifizieren konnte. Dann verabschiedeten sie sich und liefen nach Hause, ohne sich darüber Gedanken zu machen, dass sie zu spät sein könnten. Am nächsten Tag stand die Vorstellung der jeweiligen Märchen an. Doremi war, nachdem sie zu Hause ankam, zu erschöpft, um ihre Hausaufgaben zu machen. Immerhin hatte der vorherige Tag gefühlte 100 Stunden besessen. Frau Seki überlegte, wie sie die Abstimmung leiten sollte. Es wäre fair, wenn jeder von ihnen eines der Märchen wählen würde, aber unter den Märchen gab es auch ein paar, bei denen nur wenige Schüler spielen konnten. Einige Schüler mussten sich zwar um die Hintergrundgestaltung kümmern, aber sie fand es besser, wenn mehr als nur 3 Personen auf der Bühne etwas zeigen konnten. Als sie die Klasse betrat, tuschelten die Schüler über ihre Märchen. Es schien fast so, als wenn sie sich schon in der Abstimmung befänden, oder dass Reika sich ihr Märchen sichern wolle, dass dieses auch von den anderen gewählt wurde. „Also gut. Fangen wir mit der Vorstellung der einzelnen Märchen an. Wer möchte beginnen? Ich möchte zusätzlich eine Einschätzung, wie viele Personen an dem jeweiligen Märchen auf der Bühne mitspielen können.‟ Viele Schüler meldeten sich. Lediglich Doremi und Hazuki hielten sich zurück. „Was ist mit dir, Hazuki-chan? Warum meldest du dich nicht?‟ Doremi wusste ihren Grund, aber ihre Freundin war so gut in der Schule, und hatte auch während des Zaubers genau gewusst, wie ihr Märchen verlief. Warum also sollte sie sich jetzt nicht melden? Frau Seki bemerkte, dass die Hände von nur zwei Schülerinnen unten blieben. Die beiden würden später drankommen, aber jetzt wollte sie ihnen noch eine Gnadenfrist für die Hausaufgaben geben. „Tamaki!‟ „Eine Prinzessin namens Schneewittchen wird von der neuen Königin gehasst, weil ein Spiegel ihr sagt, dass die Prinzessin die Schönste im ganzen Land ist. Sie will Schneewittchen töten lassen und schickt deshalb den Jäger aus. Doch der Jäger lässt sie laufen. Sie kommt an ein kleines Häuschen an, wo sieben Zwerge leben. Dort lebt sie mit den Zwergen eine Weile lang zusammen, während die Königin erfahren hat, dass Schneewittchen noch lebt. Sie versucht noch mehrere Male, Schneewittchen zu töten, scheitert aber aufgrund der Hilfe von den Zwergen. Die Königin vergiftet sie schließlich mit einem Apfel. Die Zwerge können ihr nicht mehr helfen, und stellen sie daher in einem Glassarg in dem Wald aus. Dort kommt ein Prinz vorbei, der dafür sorgt, dass sie fällt und das Apfelstück aus ihrem Mund heraus katapultiert wird. Schneewittchen erwacht wieder zum Leben und heiratet den Prinzen.‟ Dies klang nach einer langen Märchenbeschreibung. Reika war sehr ausführlich gewesen, weil sie wollte, dass ihr Märchen den Vorzug bekam. „Insgesamt können 13 Personen direkt vorne mitspielen, wenn man die Stimme des Spiegels und eventuelle Statisten nicht mit einbezieht.‟ Frau Seki schrieb an der Tafel >Schneewittchen - 13 Personen< und ließ nacheinander auch die anderen Schüler zu Wort kommen. Jedes mal schrieb sie anschließend das Märchen und die Anzahl der Personen auf, die an dem Stück vordergründig mitwirken konnten. Auch Doremi und Hazuki, die sich nicht gemeldet hatten, schafften es, ihr Märchen vorzustellen. Nachdem alle ihr Märchen vorgestellt hatten, folgte zuerst die grobe Abstimmung. „Wie viele Personen wollen wir denn mindestens mit einer Rolle versehen?‟ „Mindestens sechs.‟, kam es von einigen. „Mindestens fünf.‟, von einigen anderen, die nicht wollten, dass ihr Märchen aufgrund der Beschränkung aus der Auswahl flog. „Wir sollten anders vorgehen. Wir sollten eine Vorauswahl treffen, ob es überhaupt Interessenten für alle Märchen gibt. Jeder kann für mehrere Märchen abstimmen. So möchte ich herausfinden, welche Märchen überhaupt Zulauf finden würden.‟ Heraus kam, dass sich lediglich für Doremis Märchen keiner der Mitschüler begeistern konnte. Auch für Siebenschön, Rapunzel, die Bremer Stadtmusikanten, der Hase und der Igel und Rotkäppchen gab es viel zu wenig Stimmen. Die restlichen Märchen standen zur geheimen Wahl. Jetzt durfte sich jeder nur ein Märchen aussuchen. Nachdem die Stimmen ausgezählt wurden, gab es zwei Sieger, Schneewittchen und Dornröschen. Die Jungen in der Klasse stöhnten laut auf. Sie hatten ihre Stimmen auf die Märchen konzentriert, in denen es mehr als nur eine männliche Rolle gab. Und jetzt mussten sie sich mit einem typischen Mädchen-Märchen zufrieden geben. „Die geheime Wahl dauert zu lange. Ich wäre dafür, dass wir die Stichwahl ganz offen durchführen. Irgendjemand dagegen?‟ Alle schüttelten den Kopf. Es war schließlich nicht so, als wenn der Klassensprecher gewählt werden würde. Bei vielen Mädchen war klar, welches Märchen sie wählen würden. Schließlich hatte Reika alle ihre Freundinnen auf die Seite von Schneewittchen gezogen. Doremi und ihre Freundinnen hingegen favorisierten Dornröschen, und das nicht nur, weil es dort sehr viele Rollen gab. Sie wollten sich nicht vorstellen, wie Reika, die sich bei Schneewittchen sicher die Hauptrolle sichern würde, als anmutige Prinzessin durchging. Sie fanden, dass die Rolle der bösen Königin viel besser für sie geeignet wäre. Die meisten Jungen, auch jene, die nicht auf Reikas Seite standen, gaben dennoch Schneewittchen ihre Stimme. Die sieben Zwerge waren immerhin potentielle Männerrollen. Die Schüler stimmten eindeutig für Schneewittchen. Damit war die Entscheidung gefällt. Doch Reika bekam nicht, wie gewünscht, die Rolle der Schneewittchen, sondern musste die Rolle der bösen Königin spielen. Die Klasse gab Onpu die Hauptrolle. In den nächsten Tagen bereiteten sie die Hintergründe für das Haus der Zwerge, das Schloss der bösen Königin und den Wald vor, in dem die Zwerge lebten. Die Spieler studierten ihr Texte, während Hazuki die Kostüme nähte. Alle arbeiteten Hand in Hand. Dann kam der Tag der Vorführung. Die Klasse stellte die ersten bemalten Pappkartons auf, während die Parallelklasse die Stühle im Saal für die Gäste vorbereitete. Die Schauspieler warfen einen letzten Blick auf ihr Drehbuch und zogen sich für die Vorstellung um. Langsam trudelten die Gäste ein. Die vorderen Plätze waren für die Austauschschüler reserviert, während sich die Eltern und die anderen Schulkameraden auf die hinteren Plätze begaben. Der Schulleiter trat vor und nahm das Mikrofon in die Hand. Alle Blicke richteten sich auf ihn, während er die Gäste begrüßte. Zuerst sprach er über den Anlass des heutigen Besuchs, bevor er das Signal zum Start der Aufführung gab. Etwas abseits von ihm stand ein Dolmetscher, der jedes Wort auf Englisch wiedergab. Der Vorhang wurde aufgezogen. Zu sehen war die Kulisse eines Schlosses während des Winters. Einige Wattebüschel flogen nach unten, während weitere Watte am Fensterbrett als Schnee aufgetragen worden war. Marina saß am Fenster und schaute den Schneeflocken zu, während sie etwas nähte. Einen simulierten Nadelstich später tropfte etwas Tomatensaft auf die Watte. Schon bei dieser Szene ging den ausländischen Gäste ein Licht auf. Sie verstanden zwar nicht, was das Mädchen gerade in den Wind hinein gesprochen hatte, aber sie kannten den Text auch so. Außer natürlich, die Aufführung würde ihr bekanntes Märchen aufs Korn nehmen. Das Licht ging aus. Der Erzähler trat nach vorne, während einige Schüler die Bühne neu aufstellten. Wieder übersetzte der Dolmetscher ins Englische. „Die Königin bekam ein Mädchen, und da es so aussah, wie sie es sich in jener Nacht gewünscht hatte, nannte sie es Schneewittchen. Doch die Königin starb bei der Geburt. Einige Jahre später nahm der König sich eine neue Frau.‟ Der Erzähler trat zurück, während das Licht den Blick auf das Zimmer der Königin ermöglichte. Eine dunkle Holztruhe stand vor einem Wandspiegel. Das Zimmer war mit vielen glänzenden Vorhängen dekoriert. Reika ging in dem Raum auf und ab. Sie drehte sich zum Spiegel um und fragte: „Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die schönste im ganzen Land?‟ Naomi schaute hinter der Bühne dem Geschehen zu. Sie wusste zwar, wann ihre Einsätze waren, aber diesen verpennte sie. Reika musste ihren Spruch wiederholen, bevor Naomi antwortete: „Ihr seit die Schönste im ganzen Land.‟ Dieses Mal blieb das Licht an, während der Erzähler erneut auf die Jahre einging, die zwischen dieser und der nächsten Szene verging. Dieses Mal brachte die Antwort des Spiegels die Wut der Königin zum Vorschein. Sie befahl den Jäger zu sich. Aiko in Jägertracht trat vor die Königin. Sie befahl ihm etwas. Reikas Lachen, nachdem der Jäger gegangen war, passte richtig zu einer bösen Königin. Inzwischen bauten die Klassenkameraden die Bäume auf, und anschließend den Raum für die Königin ab. Da dieses mal keine Zeit zwischen den Szenen verging, konnte der Erzähler die Zeit nicht überbrücken. Aber die Schüler hatten sich vorbereitet. Schon während der vorherigen Szene konnten sie verdeckt die Bäume aufstellen. Aiko führte Onpu in den Wald hinein. Sie trug ein recht großes Messer am Bein, dass sie mitten im Wald zog. Damit ging sie auf Onpu zu. Diese schritt zurück. Onpu faltete die Hände zusammen und bat Aiko, sie gehen zu lassen. „Ich werde auch nie wieder zurück zum Schloss kommen. Bitte, ich verspreche es.‟ Danach trennten sie sich wieder. Beide gingen in entgegengesetzten Richtungen. Als das Licht wieder anging, bauten die Schüler sowohl das Zimmer der Königin inklusive dem Krönungssaal wie auch das Haus der Zwerge auf. Die Jungen schleppten einige Stühle, Tische und Betten in das Theater. Zwischen den nächsten Szenen musste nicht umgebaut werden, wodurch sie die Geschichte zusammenhängender erzählen konnten. Aiko trat gemeinsam mit Reika in den Bereich des Schlosses ein, während Onpu sich in dem Zwergenhaus setzte. Aiko überzeugte Reika, dass sie Schneewittchen getötet hatte. Diese aß die Beweise, während Onpu von jedem der Teller eine Kleinigkeit zu sich nahm. Aiko und Reika verließen kurzzeitig die Bühne. Auf der anderen Seite kamen sieben Schüler in das Haus hinein. Shiro öffnete die Tür, Ota stürmte nach vorne und setzte sich auf einen Stuhl, während Sammy, Nakata, Hasabe, Kenta und Masaharu sich an den Tisch stellten. Alle trugen kleine Zipfelmützen, die sie alle selber gestrickt hatten. Gemeinsam stellten sie fest, dass etwas nicht stimmte. „Wer hat von meinem Tellerchen gegessen?‟ Sammy schaute etwas verwirrt auf einen der Teller. „Wer hat von meinem Becherchen getrunken?‟ Ota hielt einen der Becher in der Hand. „Wer hat von meinem Gäbelchen gegessen?‟ Shiro brachte eine Gabel zur Spüle, weil diese offensichtlich benutzt worden war. „Wer hat mit meinem Messerchen geschnitten?‟ Habase folgte ihm. „Wer hat auf meinem Stühlchen gesessen?‟ Nakata schaute sich die Position ihres Stuhles genau an. „Und wer liegt in unserem Bettchen?‟ Kenta und Masaharu schauten zu der schlafenden Onpu hinüber. Die Tatsache, dass Onpu weitaus zierlicher war als die beiden Jungen, ließ die Szene etwas unglaubwürdig erscheinen. Sie stellten dich gegenseitig vor, und sprachen solange, bis die sieben Zwerge wieder den Raum verließen. Unterdessen schritt Reika zum Spiegel. Wieder gefiel ihr die Antwort des Spiegels keineswegs, verriet er ihr doch, dass der Jäger seine Aufgabe nicht erfüllt hatte. Sie packte ihre Tasche und verkleidete sich als alte Dame. Sie ließ einige alte und einige schöne Kämme in einen Korb fallen, nahm den Korb in die Hand und schleppte sich zu der nur einen Meter entfernten Hütte. Onpu hörte ein Klopfen an der Tür. Die Zwerge hatten sie gewarnt, niemanden ins Haus zu lassen und auch die Hütte nicht zu verlassen, solange sie alleine war. Aber sie dachte, dass eine kleine Unterhaltung nichts schaden könnte. Daher ließ sie die alte Frau in das Häuschen. Reika reichte Onpu einen Kamm, und steckte ihr diesen in ihr Haar. Es wirkte nicht so, als wenn Onpu es gewohnt war, solchen Haarschmuck zu tragen, auch wenn dieser Kamm ihr durchaus zusagte. Sie warteten ein paar Sekunden, bevor Onpu sich auf dem Boden fallen ließ. Reikas Lachen erfüllte den Raum, während sie diesen verließ. Die Zwerge kamen zurück und sahen ihre Mitbewohnerin auf dem Boden liegen. Schnell und hektisch liefen sie zu ihr hin. Da sie nichts besseres wussten, suchten sie diese nach ungewöhnlichen Objekten ab. Sie fanden den Kamm und entfernten diesen. Dies führte dazu, dass Schneewittchen wieder aufwachte. Reika lief jubelnd zum Schloss zurück, legte ihre Verkleidung ab und befragte erneut den Spiegel. Da die Antwort ihr wieder nicht gefiel, schmiss sie die restlichen Kämme zum Spiegel. Er fiel hin und zerbrach. Geschockt sahen die Schüler sich an. Diese Unterbrechung war seitens des Stückes nicht beabsichtigt gewesen. Die Technik löschte das Licht, während der Erzähler zu einer kleinen Pause einlud. „Was machen wir jetzt? Wo bekommen wir einen neuen Spiegel her, der so ähnlich aussieht?‟ Alle Schüler schauten sich panisch in der Requisitenkammer um. Doch sie fanden nichts. Hazuki fegte die Scherben auf und brachte diese nach hinten. Ein kurzer Blick genügte, um festzustellen, dass sie gerade unbeobachtet war. Schnell zog sie ihr Tab hervor und verwandelte sich in eine Hexenschülerin. „Paipai Ponpoi Puwapuwa Puu, bitte repariere den Spiegel.‟ Während sie diese Worte sprach, zeigte Hazuki mit ihrem Karkodion auf die soeben zusammen gekehrten Scherben. Es funktionierte. Der Spiegel reparierte sich selber. Nachdem sie sich zurückverwandelt hatte, schnappte sie sich den Spiegel und lief zu der Bühne. Ihre Klassenkameraden nahmen diesen erleichtert entgegen und stellten ihn auf die Bühne. Der Rest der Vorstellung verlief ohne Zwischenfälle. Die Vorstellung wurde zu einem vollen Erfolg. Während des Applauses standen die Gäste auf. Die gesamte Klasse ging gemeinsam auf die Bühne. Zuerst nur die Schauspieler, dann auch die Helfer hinter den Kulissen. Alle gemeinsam verbeugten sich dem Publikum gegenüber, um dann anschließend den Stücken der anderen Klassen zuzusehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)