Geheimnis in Dalaran von Skampi835 ================================================================================ Kapitel 2: Die Säuberung Dalarans --------------------------------- *****   Dreorwyn horchte auf, während er über seiner Arbeit saß und gerade eine goldene Schatulle mit winzigen Rubinen bestickte. Er nahm das makroskopische Auge ab, was ein unbequemes Metallgestell um seine Stirn, dass vielfach vergrößerte Linsen vor seinem Auge hielt, war. Er fuhr sich mit den Fingern müde durch seine krausen Haare und fuhr sich über die brennenden Augen. Abermals hatte der Juwelier die Nacht durchgearbeitet um diesen Auftrag so schnell wie möglich fertig zu bekommen. Je schneller die Aufträge beendet wurden, desto mehr Geld verdiente man dabei. Doch jetzt hob er seinen Blick von der Arbeit aus und spähte durch den Raum, der mager durch dämmernde Licht durch die Fenster und durch den Schein einer Schmiede beleuchtet wurde.   Hatte er sich das nur eingebildet, oder hatte er Schreie von der violetten Zitadelle her gehört? Dreorwyn horchte, doch er konnte nichts mehr hören. Der Magier wollte gerade wieder das makroskopische Auge aufsetzen um seine Arbeit fortzusetzen und den Schrei seiner Einbildung, hervorgerufen durch Schlafmangel zuschreiben, als er Klirren von Klingen hörte und das surren der Magie deutlich vernahm.   Wieder blickte er auf, in eine bestimmte Richtung. Es könnte so aussehen, als würde er nur eine Wand anstarren, man könnte allerdings auch annehmen, dass er etwas in dem mannshohen Regal suchte, die über und über mit Hämmern, Schleifern, Rauleder und anderen grobmotorischen Handwerksmaterialen bestückt waren. Nichts, was ein Juwelier oder Goldschmied wirklich gebrauchen konnte. Dennoch starrte Dreorwyn genau darauf - oder besser gesagt, hindurch.   Irrte er sich? Doch nein, erneut konnte er die flimmernde starke Essenz wie ein Leuchtfeuer aufblitzen sehen. Es kam nicht oft vor, dass man Magieessenzen bestimmten Magiern zuordnen konnte, doch die von Jaina Proudmoor war einzigartig. Dreorwyn würde sie überall erkennen. Doch was machte die Lady von Theramore wieder in Dalaran? Sollte sie nicht in Darnassus sein, um die Götterglocke zu bewachen? Diesem Artefakt, welches die Allianz aus Pandaria nach Azeroth brachte und vor Garrosh versteckte?   Dreorwyn wurde unsanft aus seinen Gedanken gerissen, als die Tür zur Schmiede krachend aufflog. Erst jetzt hörte er den Lärm, der durch die offene Tür von den Straßen hineingetragen wurde, als mehrere Sin'dorei in die Schmiede stürmten und die Türe schnell wieder hinter sich verschlossen. Allen voran eine Sin'dorei, die ihm nur allzu bekannt war. Er hätte sie gegrüßt, gefragt was der Aufruhr zu bedeuten hatte, wenn nicht alles so schnell gegangen wäre, als einer der Blutelfen direkt auf ihn zustürmte. Mit einem Faustschlag auf seinen Unterkiefer flog er nahezu rücklings von der Bank auf den Boden. Das makroskopische Auge zerschellte als der Sin'dorei ihn grob auf dem Boden gedrückt hielt, während Dreorwyn stöhnte und glaubte Sternchen zu sehen, oder waren das Magiepartikel? »Nehmt was ihr tragen könnt!«, orderte die Blutelfe die Dreorwyn eigentlich kannte in einem herrischen Ton an. »Macht schnell!«   »Was machen wir mit dem, Tolyria?«, fragte der Blutelf, der Dreorwyn noch immer zu Boden drückte über die Schulter. Seine rote Lederkleidung mit dem Wappen der Sonnenhäscher flatterte etwas, als wäre der Stoff zerfetzt und eingerissen. Und das wo die Sonnenhäscher doch nahezu penibel auf ihr Aussehen achteten. Die Sin'dorei fasste Dreorwyn in ihren Blick. Ihre sorgenvollen Augen weiteten sich etwas, als sie sich ihm näherte. »Shinu alah, Dreorwyn!«, es klang absolut überrascht und sie wirkte sogar etwas beängstigt über die Tatsache, dass er hier war. »Was macht Ihr schon in der Schmiede?!«   Dreorwyn antwortete nicht, verwirrt und entwaffnet starrte er die kräftige Blutelfe an, deren braune Haare für gewöhnlich zu einem einfachen Zopf zusammengebunden waren, jetzt jedoch strähnig über ihr Gesicht hingen, als hätte sie nicht genügend Zeit gefunden es ordentlich zu machen. Tolyria war die Erbauerin, Gründerin und Leiterin der Schmiede hier, stellte eher grobe Platten für Rüstungen her, hatte aber einigen Juwelieren gestattet die Schmiede mit nutzen zu können, solange sie ihr nicht im Weg standen. Sie hatte ihm sogar einige Tricks in der Schmiedekunst beigebracht und ihm gezeigt, wie er seine Fertigkeiten in der Goldschmiedekunst verfeinern konnte. Ihm, einem Juwelier. »Ich... bin nie weg gewesen... durchgearbeitet.«, brachte Dreorwyn ächzend heraus, da der Sin'dorei über ihm seinen Kragen sehr eng hielt.   Mit einem energischem Kopfnicken scheuchte Tolyria den Blutelfen zur Seite, weg von ihm. Sie murmelten kurz und sehr leise, in Thalassisch, ehe der Elf sie zunächst unverständlich anstarrte. Tolyria zischte ihm etwas zu, dann nickte er und lief in die Schmiede hinein. Dreorwyn folgte ihm mit den Augen, während er sich aufrichtete und erkannte, dass alle hektisch Waffen, Pläne, Werkzeuge und andere Utensilien in ihre Taschen stopften. Er rieb sich den Hinterkopf. Der Lärm von den Straßen Dalarans wurde immer lauter und stieg zu einem lauten Pegel aus Schreien und Chaos an. Die Blutelfen packten indessen weiter alles ein, was nicht Niet und Nagelfest war. Schubläden wurden herausgerissen und der Inhalt der unbrauchbar war, auf dem Boden verstreut. Pläne wurden durcheinander gewürfelt, zu große Blaupausen stopfte man in den Brennkessel der Schmiede um sie zu vernichten. Dumpf drangen die panischen und ängstlichen Schreie durch die Wände der Schmiede und dazwischen spürte Dreorwyn immer wieder die magischen Partikel, die in der Ferne fast wie helle Illusionen vor seinem Auge auffunkelten.   Tolyria stand über Dreorwyn und reichte ihm schließlich die Hand, nachdem sie ihn sehr lange gemustert hatte. Das Entsetzen stand ihr ins Gesicht geschrieben, als er ihre Hilfe dankbar in Anspruch nahm. »Entschuldigt.«, murmelte sie als würde sie neben der Spur stehen. So hatte der Magus sie noch nie gesehen. Normalerweise war Tolyria standfest und eindeutig männlicher als manch einer ihrer Volksgenossen. Doch jetzt wirkte sie einfach nur überfordert. »Was ist los, Tolyria?«, fragte Dreorwyn und rieb sich die schmerzende Stelle am Kinn, auf die der Sin'dorei geschlagen hatte. »Wird Dalaran angegriffen?« Er vermutete bereits das schlimmste. Ein Angriff von Abtrünnigen des blauen Drachenschwarmes? Vielleicht waren einige Kreaturen aus Ulduar ausgebrochen? Hatten die Titanen den alten Plan der Blaupausen wieder aufgenommen und würden nun Azeroth vernichten?   Die Schmiedin schüttelte langsam ihren Kopf. Sie atmete tief ein und dann wieder aus, ehe ihr Blick wieder ernst und stechend wurde, bevor sie Dreorwyn erkannt hatte. »Dies hier, betrifft Euch nicht, Dreorwyn. Die Sonnenhäscher wurden verraten. Wir müssen fliehen.«   »Verraten?« Der Juwelier runzelte seine Stirn, während er sie forschend betrachtete. »Fliehen? Wohin?«   Tolyria schüttelte ihren Kopf und ihre Felmagie benetzten Augen sahen Dreorwyn traurig an. »Die Götterglocke, Dreorwyn. Dieses verfluchte Artefakt aus Pandaria. Anar'alah belore, wäre dieses blöde Scheißteil doch nur dort geblieben!«, zischte sie. »Garrosh hat es stehlen lassen und über Dalaran geschmuggelt um in seinen Besitz zu kommen. Proudmoore glaubt, dass die Sonnenhäscher ihm geholfen haben. Aber wir wissen nichts darüber.«   Sie straffte ihre Schultern, als einer der Blutelfen an ihre Seite trat um ihr etwas zuzuflüstern. Sie nickte knapp und erwiderte etwas auf Thalassisch. Ein kurzer, ernster Blick wurde zuletzt noch ausgetauscht und die Sin'dorei verschwanden durch die Hintertüre. Tolyria blieb mit Dreorwyn zurück inmitten des Chaos, welches sie angerichtet hatten. Sie wirkte angespannt, aber ihr Gesichtsausdruck war hoffnungsvoll und erleichtert. Dreorwyn sah sie verwirrt an, als sie inmitten durch das Chaos aus zersplitterten Holz, kaputten Mobiliar und Pergament stampfte und einen einfachen Schmiedehammer vom Tisch zog. Sie fachte das Feuer im Kessel mit einem Schürhaken an, den sie direkt hineinhielt. »Sie fliehen nach Silbermond. Das einzige das ihnen bleibt. Ihr solltet auch verschwinden, Dreorwyn.«, sprach sie gefasst, als hätte sie sich vom ersten Schock beruhigt.   Dreorwyn blinzelte sie verstohlen an. »Ihr flieht nicht?«, fragte er erstaunt, fast hektisch. »Wenn Jaina in einem solchen Irrglauben ist - wer weiß was sie tut! Dies wäre bereits das zweite Mal, dass sie um eine Stadt die ihr am Herzen liegt betrogen wird.« Auch wenn er die Informationen die Tolyria ihm gegeben hatte nur langsam verarbeitete - mochte es an dem Kinnhaken oder allgemeiner geistiger Umnachtung liegen - war er der Überzeugung, dass seine Lehrmeisterin ebenfalls fliehen sollte. Ansonsten würde es sie das Leben kosten und auch wenn er in dieser Hinsicht auf der falschen Seite der Fraktion stand, wollte er dies nicht. Sie hatte ihm so sehr geholfen, ihn geschult, wenn auch mit vielen, sadistischen Kommentaren und Bemerkungen, doch letzten Endes, hatte sie ihm sogar das Leben gerettet.   Ein freudloses Lachen verließ ihre Lippen, während sie in die Flammen des Brennofens sah. »Ich lebe schon seit dem Wiederaufbau in Dalaran.«, sprach sie in die Flammen hinein. Schatten zogen sich über ihrem Körper und zeichneten die kräftigen Muskeln an ihren Oberarmen ab. »Ich werde nicht fliehen. Dalaran ist alles, was ich habe.«   Der Magus wollte ansetzen. Er hatte sehr viel zwischen den Sonnenhäschern, dem Silbernen Bund und den Kirin Tor mitbekommen. Mit ihnen gelebt und gehandelt. In Dalaran waren sie alle eins gewesen. Keine verschiedenen Fraktionen oder Rassen und dies war für ihn jetzt immer noch so. Doch bevor er auch nur dazu kam etwas zu erwidern, schnitt sie ihm das Wort ab. »Ich habe mein Leben Dalaran gewidmet. Ihm meine Liebe und mein Handwerk geschenkt, damit es zu dieser wunderschönen Stadt werden konnte, die sie jetzt ist. Vielen geht es so wie mir, Dreorwyn.« Ihr Blick war kalt, als sie wieder zu ihm sah. »Ich werde mein zu Hause nicht aufgeben. Wenn ich mein Leben hergeben muss, dann weiß ich, dass ich anderen meines Volkes zur Flucht verhelfen konnte und dass ich in der Stadt sterbe, die ich liebe.« Ihre Augen funkelten. Er sollte sie nicht versuchen zu überreden, es wäre verschwendete Zeit, dies und noch mehr lag in ihrem Blick, den Tolyria ihm zuwarf, ehe sie wieder in die Flammen sah. »Ihr solltet auch verschwinden. Ansonsten wird diese Hexe nicht zögern auch Euch von ihren Wassermonstern jagen zu lassen.«   Dreorwyn war wie erstarrt. Es vergingen mehrere Sekunden, in denen er sie einfach nur anstarrte, ehe er seine Tasche packte und den Mantel, der von den Sin'dorei vom Tisch gezogen und auf den Boden geworfen wurde aufhob. Er bewegte sich zum Hintereingang, hielt inne und sah über die Schulter zu Tolyria zurück. Sie hatte nicht wieder zu ihm aufgesehen, während die Metallstange bereits rot glühte. Sie würde kämpfen, doch sie würde fallen. Dieses Wissen schmerzte Dreorwyn, doch er konnte sie nicht überreden und diese Stärke der Sin'dorei bewegte ihn. Er neigte seinen Kopf vor ihr. »Ihr wart ein guter Lehrmeister, Tolyria. Danke dafür.« Mit diesen Worten öffnete er die Luke des Hintereinganges und schlüpfte hindurch an die Oberfläche.   Als er auf den Straßen Dalarans stand, erkannte er die wunderschöne Stadt, die Heimat der Kirin Tor, der Magie und des Wissens fast nicht wieder. Die Schreie die er nur dumpf zu sich hallen gehört hatte, stammen von blutelfischen Einheimischen, die hier sonst lebten. Wenn sie nicht gerade durch die Stadt rannten, auf der Flucht vor Wasserelementaren die frei herum waberten oder Hochelfen des Silbernen Bundes, dann wurden sie gerade von ihnen in ihren Kammern und Läden überfallen. Holz splitterte und erneut drangen Schreie zu ihm, als an einer Ecke eine Straße weiter gerade die Türe zur Schneiderei eingetreten und überfallen wurde.   Dreorwyn rannte los. Er musste in seine Kammer, vielleicht hatte Tolyria recht und er wäre von dieser 'Säuberung' nicht betroffen. Dennoch schlug ihm das Herz bis zum Hals, als er in eine Seitengasse einbog, bevor mehrere Sin'dorei seinen Weg kreuzten die panisch über die Schulter sahen, während sie vor etwas davonliefen. Eine Nachtelfe mit einer blau glühenden Runenklinge rannte ihnen brüllend hinterher und direkt danach folgte ihr ein weiterer Nachtelf mit einer braunen Füchsin als Gefährte. Sie trieben die Sin'dorei vor sich her, als wären sie irgendein Vieh. Dreorwyn konnte es fast nicht ertragen, aber er konnte ihnen nicht helfen. Er wäre ein Verräter. Nur Tolyria nahm seine Ehre für die Sonnenhäscher mit ins Grab. Er wusste, dass er sich auf die herrische Schmiedin verlassen konnte.   Der Magus atmete tief durch, stieß sich von der Seitenwand ab und folgte dieser mit schnellen Schritten. Wenn ihn jetzt jemand der Sonnenhäscher sah, hatte er schlechte Karten, sofern sie bewaffnet waren. Sie hatten Angst und Angst konnte sie zu Dingen treiben, die sie ansonsten nicht tun würden. Würde er jemanden vom Silbernen Bund über den Weg laufen, würde er sie bitten ihn zu seiner Kammer zu begleiten um diesen Grauen zu entgehen. Sie würden ihm helfen, davon war er überzeugt.   Vor ihm tauchte plötzlich eine schlanke Sin'dorei mit wehendem rubinrotem Umhang und flatternder Robe auf. Sie manifestierte sich erst gerade wieder und Dreorwyn musste stehen bleiben, um nicht in ihren Zauber zu geraten. Mit wachen, grün leuchtenden Augen sah sich die Sonnenhäscherin um, ehe sie Dreorwyn ins Auge fasste. Sie verengte diese und ging mit eiligen Schritte auf ihn zu, das Gesicht zu einer entsetzen Maske verzerrt.   Dreorwyn blieb dort stehen, wo er war und zog ein magisches Schutzschild vor sich auf. Er erwiderte grimmig ihren Blick, als sie ruckartig stehen blieb und ihn verwundert anstarrte. Dreorwyn hatte gehört, dass manche, begabte Sin'dorei die die Magie studierten jeden Schutzzauber erkannten, ob sie seinen Schutz sehen konnte und deswegen stehen blieb? »Ihr greift nicht an?«, fragte sie verwundert und mit einem angenehmen Dialekt in ihrer Stimme. »Ihr verteidigt Euch?« Sie wirkte erstaunt.   Der Magus nickte, senkte sein Schild aber nicht vor ihr. »Ich möchte Euch nichts tun, sondern lediglich zurück in meine Kammer. Aber wenn Ihr mich angreift, werde ich nicht zögern selbiges zu tun.« Sein Blick war entschlossen, seine Stimme ernst. Der Schild war gewöhnlich noch nicht einmal sichtbar, wenn man ansonsten mit der Kunst der Magie vertraut war. Die Sin'dorei blieb jedoch schließlich genau vor diesem Schild stehen und sah ihn durch diesen an, als könnte sie den matten Schleier sehen. Oder war es eine gehobene Kunst der Wahrnehmung, die in die Weissagung reichte? Ihr Blick war etwas ängstlich, ihre roten Haare lagen in großen Locken über ihrem Gesicht und standen stellenweise ab. Sie strahlte eine merkwürdige Ruhe aus, obwohl ihr Gesicht an einer Wange verrußt und ihr Mantel stellenweise zerrissen war und Frost darüber lag. Sie könnte ein gefährlicher Gegner sein.   »Ihr müsst Eure Lady zur Vernunft bringen.«, sprach sie mit zusammengepressten Zähnen. »Sie schlachtet meine Leute ab! Sie sind unschuldig!« Ihre Stimme zitterte, ebenso wie ihr Körper bebte, allerdings vor zurückgehaltener Wut. Sie entgegnete seinem Blick ernst. Bat sie Dreorwyn etwa darum?   Dreorwyn schüttelte seinen Kopf. »Ich kann nichts tun um sie zu beruhigen. Auf mich wird sie nicht hören. Ich bin nur ein einfacher Handwerker in Dalaran. Sie ist in ihrem Hass gefangen, ein zweites Mal verraten worden zu sein.« Er hebt seinen Blick zu ihr. »Wer hat Euch verraten, Sonnenhäscherin?«   Die Sin'dorei biss sich auf die Unterlippe und schüttelte energisch ihren Kopf. Frustriert stöhnte sie. »Der Name wird Euch nichts bringen, Magier.«, sagte sie schlicht und wand sich von ihm ab. »Aber es war einer der Sonnenhäscher. Wir wussten nichts von seinem Verrat an uns und an Dalaran. Ansonsten hätten wir es verhindert. Wir dulden einen solchen Verrat ebenso wenig wie Lady Proudmoore.« Sie wirkte erschöpft, während sie über die Schulter Dreorwyn musterte. Es war so, als würden sich ihre Augen durch ihn hindurch brennen. Ihre Magie neigte sich langsam dem Ende zu und sie wirkte leer, als er seine Wahrnehmung ausweitete um sie zu mustern.   »Ich muss sichergehen, wie viele wir verloren haben.«, murmelte sie leise und ging an ihm vorbei. Dreorwyn nickte lediglich, während sie an ihm vorbeiging und verharrte immer noch an derselben Stelle. Als sie an ihm vorbeiging, senkte er sein Schutzschild und sie blieb kurz stehen. »Ihr lasst mich einfach so ziehen?«, fragte sie über die Schulter, während die Luft noch immer von Schreien erfüllt wurde. Der Magier sah zu ihr zurück. »Ich habe keine Grund dazu.«, murmelte er leise und etwas deprimiert. »Wenn die Sonnenhäscher aus Dalaran vertrieben werden, verlieren die Kirin Tor einen wertvollen Verbündeten. In meinen Augen ist es eine unüberlegte Handlung.« Die Gesichtszüge der Magistrix wurden weich, während sie ihn dankbar musterte. Dann schritt sie weiter den Gang entlang.   Doch plötzlich legten sich magische Ketten um ihren schlanken Körper und zogen sie auf den Boden. Ein spitzer Schrei, eine Handbewegung von der Sin'dorei folgten, ein winziger, feuriger Funke entströmte doch dann drang kein Wort mehr über ihre Lippen, obwohl sie sich bewegten. Zornig sah die Sin'dorei an Dreorwyn vorbei und er wirbelte herum, um ihrem Blick zu folgen. Dreorwyn erkannte den Zauberer weiter hinten in der Gasse stehen und die Wachen des Silbernen Bundes auf sich zustürmen, bevor im grob ein Schild in den Magen geschlagen wurde. Er hustete, keuchte und seine Knie gaben nach, als er einen dumpfen Druck in seinem Nacken spürte. Dann verschwamm seine Sicht und Schwärze umhüllte ihn.   *****   Es war kaum zu glauben, dass seit der Säuberung von Dalaran erst sechs Monate vergangen waren. Dreorwyn wurde des Verrats bezichtigt, den Sonnenhäschern geholfen zu haben. Er erfuhr, dass Tolyria ihr Leben in der Schmiede gelassen hatte, als der Silberne Bund diese stürmte und sie sich weigerte, sich einsperren zu lassen. Die Sin'dorei aus der Gasse allerdings, wurde mit einigen anderen Sonnenhäschern, unter anderem Aethas Sonnenhäscher selbst, von einigen Blutelfen aus Silbermond befreit.   Dreorwyn selbst befand sich noch weitere zwei Monate nach der Säuberung in einer Art Quarantäne und wurde 'befragt'. Was bedeutete, dass sie sein Hirn bis aufs letzte Quintchen mit der Hilfe von speziellen, magischen Formeln durchwühlt hatten, zumindest was die aktuellen Vorkommnisse anging. Er hatte dies gehofft, und dies wurde letzten Endes auch bestätigt, ansonsten hätten sie ihn wohl kaum wieder laufen lassen, sondern hätten ihn direkt nach Sturmwind gebracht. Oder vielleicht hatte das, was er als Sarandar in Gilneas getan hatte, keinen Wert für sie, aber er bezweifelte dies. Er hatte damals wirkliches Glück gehabt.   Seine Augen lasen über die Zeilen mehrerer Briefe, die er in seiner Quarantäne geschrieben hatte.   *****   »Wenn ich es nur früher gesehen hätte, doch alles war wichtiger. Mein närrischer Stolz, mein falscher Eifer. Hätte ich nur früher erkannt, dass er mich von dem Menschen fern hält, dem ich doch am nächsten als irgendjemandem sein möchte. Doch stattdessen sehen meine Augen nur diese trübe, doch ich muss stark sein. Für Euch mein Herz, würde ich durch die Hölle gehen. Und bei den Gebeinen all jener, die ihr Leben in Gilneas lassen mussten, ich werde zu Euch zurückkehren.«   *****   »So sehr sich mein Herz auch schon immer nach Euch gesehnt hat, es war noch nie so stark wie jetzt. Es schmerzt mich und zehrt mich auf. Ich bräuchte Euch, doch ich wage es nicht Euch zu mir zu bitten. Nennt es Scham, oder Eitelkeit. Ich würde niemals wollen, dass Ihr mich in einer solchen Situation sähet, und nun stecke ich doch mitten drin.«   *****   »Stehe hier, so plötzlich der Moment, Unten, am Rande einer Kante... Schwarzer Vorhang fiel über die Welt Die vor Sekunden, herzlich lachte   Fühle, wie ich einsam in den Abgrund falle Schatten schlossen mich von allem aus Bin kleinlich nur, in dieser dunklen Halle Und gnadenlos, im Nichts verlorn   Stürze still, in Fassungslosigkeit Wie soll ich blind verstehen? Suche Antwort, irgendwo Finde nur die Leere hier«   *****   »Der Spott, der Hohn, ich könnte ihn nicht ertragen. Doch wer kann mich schon wahrnehmen? Eine einfache Kerze brennt, das einzige, was übrig bleibt. Ich fühle mich leer, doch meine Gedanken an Euch, Liebste, helfen mir, dies über mich ergehen zu lassen.«   *****   »Ich glaube ich werde wahnsinnig hier drin! Weshalb behalten sie mich so lange hier? Ich habe nichts getan!« Diese Zeilen wurden wieder durchgestrichen. »Ich versuche die Ohren steif zu halten. Wird schon alles gut werden. Immerhin habe ich nichts schlimmes getan. Ich war nur  zu einer falschen Zeit am falschen Ort.«   *****   »Wenn die Dunkelheit zu groß wird, die Stille zu qualvoll und der Schmerz zu endlos, wärmt mich der Gedanke, Euch im Tal zu wissen. In Sicherheit. In der Gemeinschaft Eurer Vertrauten und Freunde. Diese Gedanken machen für mich dies hier alles erträglicher. Auch wenn die Zeit dadurch nicht schneller vergeht, zeigt es mir, was ich schon viel zu lange aus den Augen verloren habe. Vernachlässigt. Ich hoffe Ihr könnt mir verzeihen, Liebste.«   *****   Dreorwyn seufzte langgezogen und faltete die Briefe wieder zusammen, um sie wieder aufeinanderzustapeln und mit dem Band zusammenzubinden. Er hatte sie nicht abschicken können. Einerseits, hätte sich Riwena zu viele Sorgen gemacht. Sorgen, die sie nicht gebraucht hätte und die er ihr nicht bereiten wollte. Nur Graumähne weiß, was sie getan hätte, wenn sie wusste, wo er sich aufhielt! Zum anderen, war es ihm untersagt gewesen. Er hätte sie mit Magie verschicken können, doch er wollte seine Unschuld nicht in ein schlechtes Licht rücken, indem er sich gegen die Regeln der Kirin Tor verhielt. Er hatte jedes einzelne Schriftstück abgeben müssen.   Bei seiner Freilassung schließlich, hatte er sie alle wieder überreicht bekommen. Viel gesagt hatten sie nicht, dass sie ihn irrtümlicherweise festgehalten hatten. Wirklich nachtragen konnte er es ihnen noch nicht einmal, da er später auch erfuhr, wie schwerwiegend dieser Verrat gewesen war. Doch seitdem hatte Dreorwyn Schwierigkeiten gehabt, sich in Dalaran wieder wirklich wohl zu fühlen und es als seine Heimat anzusehen. Es war nicht mehr so vertraut, nicht mehr so unbeschwert. Dalaran hatte an jenem Tag der Säuberung etwas verloren, was der Magus an dieser wunderschönen Stadt sehr geschätzt hatte und damit waren nicht unbedingt die Sin'dorei gemeint, doch es hing mit ihnen stark zusammen.   Doch vermutlich war dies ein weiterer Grund unter vielen, weshalb Dreorwyn dieser Stadt nun den Rücken kehren wollte, um wieder in das Weitblicktal zu gehen. Aber nein. Er schüttelte seinen Kopf, während er den Stapel Briefe zurück in das Regal legte. Er vermisste sie zu sehr und erst zwei Monate in absoluter Abgrenzung mussten ihm das erst beweisen. Dreorwyn hatte es immer gewusst, doch er hatte zu viel gefunden, das ihn ablenkte. Zu viel, das er für wichtiger hielt, doch wenn er so nachdachte, es hatte nie etwas wichtigeres als sie gegeben.   Der Blick des Magiers schweifte weiter über das Regal. Diese Kammer beinhaltete so viel von ihm, dass es fast schon beängstigend war. So viel, was er ihr selbst jetzt noch nicht gesagt hatte. Weil er nicht dazu gekommen war? Weil er Angst hatte, verurteilt zu werden? Er konnte sich selbst diese Fragen nicht beantworten. Vielleicht würde er Riwena eines Tages hierher führen und ihr alles erzählen, alles erklären, oder sie würde selbst darüber stolpern.   Einige Bücher über die Edelsteinkunde zierten eine Ecke des Regales, während daneben einige seiner eigenen Entwürfe gestapelt lagen. Der oberste zeigte eine Zeichnung von einem Kompass mit feinen, filigranen Gravuren. Eine wirklich sehr alte Zeichnung. Sie reichte noch so weit zurück zu der Zeit, als Dreorwyn die Schwarzmähnen verlassen hatte.   Dieser Kompass war einer seiner ersten Entwürfe gewesen, nachdem er sich dazu entschied das Handwerk zu verfeinern. Doch nur dieser Kompass hatte es von all den Entwürfen geschafft, auch gefertigt zu werden. Er sah recht simpel von der Herstellung aus, doch die komplizierten und feinen Verzierungen und Schnörkel rückten diesen einfachen Gegenstand in ein anderes Licht. Die Schnörkel auf dem Deckel waren sogar anders, als die im Blatt. Es könnte sogar etwas an den Stil von Gilneas erinnern. Leicht lächelnd steckte er seine Hand in die Hosentasche und zog den Kompass daraus hervor, der aus diesen Entwürfen entstanden war. Er öffnete das Schnappschloss an der Seite und der Deckel klappte auf. Die bronzene Hülle harmonierte mit dem dunkelgrünen und hellgrünen Blatt unterhalb der Nadel, die stets nach Norden zeigen würde. In dem Deckel hatte er eine Inschrift in feinen Schnörkeln eingraviert. »Damit Ihr stets den Weg zurück findet.«   Beherzt seufzte der Magier, während er auf die Inschrift starrte. Niemals hätte er erwartet, dass dieser Entwurf, mit dem er eine begehrte Stelle bei den Juwelieren Dalarans ergattern konnte, noch einmal von Bedeutung für ihn sein könnte.   ***** Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)