Geheimnis in Dalaran von Skampi835 ================================================================================ Kapitel 9: Unerwartetes Wiedersehen ----------------------------------- *****   Es war einer der Tage, an denen Dreorwyn sich selbst frei genommen hatte. Nun, viel mehr zwangsmäßig, da er keinen Auftrag zu bearbeiten hatte. Doch er war nicht untätig gewesen. Sein Besuch auf dem Marktplatz hatte ihm bereits drei weitere Kunden eingebracht, die ihm zusagten in den kommenden Tagen in der Schmiede vorbei zu sehen, um seine Arbeiten zu betrachten. Der Magier war zufrieden mit sich selbst, während er, gekleidet in seiner purpurnen Robe, durch die Gassen von Dalaran wanderte. Die Sonne schien lau auf ihn herab und er spielte sogar mit dem Gedanken sich einfach in das Gras zu legen und faul die Sonne auf sich herab scheinen zu lassen. Er hätte es sich verdient - hatte er doch, oder?   Dreorwyn hatte seine Mitte wieder gefunden, seine innere Ruhe. Er war mit sich auch ins Reine gekommen, was seine Vergangenheit betrifft. Unter dem Namen Dreorwyn Oldwater kannte man lediglich einen Goldschmied, der gerne ausgefallene Aufträge annahm um sich selbst zu übertreffen. Seine Vergangenheit existierte nicht mehr für ihn, ebenso wie er lange die Schwarzmähnen hinter sich gelassen hatte.   Seine Aufmerksamkeit wurde in den Himmel gelenkt, als ein Schatten über ihn vorbeizog. Ein merkwürdig großer Uhu umkreiste ihn. Merkwürdig, weshalb kreiste das Tier ruhelos über ihm? Doch plötzlich stürzte er sich auf breiten Schwingen vom Himmel herab, direkt auf ihn zu. Was zum...? Dreorwyn wollte bereits ausweichen, doch der Uhu landete vorbildlich auf der Parkbank neben ihm. Er zupfte an seinem Gefieder herum, ehe der Blick des Vogels direkt auf ihm ruhte. Dreorwyn hob eine Augenbraue, als er den Brief zwischen den kräftigen Klauen des Raubvogels ausmachte. Sein Name war darauf zu erkennen. Der Magier überlegte kurz, ehe er sich langsam vorbeugte und versuchte dem Uhu den Brief abzunehmen. Der Uhu ließ es glücklicherweise willig zu.   Noch immer etwas skeptisch über den Vogel entfaltete er den Brief. Es war keine Begrüßung zu sehen, nur der Text. Wie sonderbar... Irgendetwas wollte ihm an der Schrift bekannt vorkommen.   »Ich muss mit Euch reden. Wenn Ihr Euren, nicht zu Unrecht gekränkten Stolz überwinden könnt, so werdet Ihr mich an der« Dreorwyn hob runzelte die Stirn. Die nächsten Buchstaben waren dicker geschrieben, als hätte man lange darüber nachgedacht. Merkwürdig. »Dunkelküste in Lor'danel antreffen. Ich werde dort am Tag der Wochenmitte bis zur sechsten Abendstunde warten. Sichere Pfade.«   Dreorwyn stutzte. Kein Absender? Er runzelte die Stirn als er den Brief ein weiteres Mal durchlas. »Gekränkter Stolz?« Sein Blick verweilte wieder auf dem Uhu, aber ihm wollte nicht einfallen, wem dieses große Tier gehören könnte. Ihm fiel niemand ein, mit dem er in letzter Zeit eine Geschäftsbeziehung hatte, die irgendwie fehlgeleitet war. Die letzte Person mit der er einigermaßen etwas unternommen hatte und die wütend abgedampft war, war eine Nachtelfe gewesen. Allerdings hatte er mit deren merkwürdigem... Wesen nichts anfangen können. Sie verstand sich mit der Schattenmagie, er hasste diese Art von Magie, auch wenn er sie durchaus beherrschte. »Kenne, was du fürchtest.«   »Nein, vor ihr würden selbst Maden davon kriechen.« Dreorwyn sah in den Himmel und deutete die Uhrzeit. Wochenmitte, hm? Diese war heute. Da hatte es wohl jemand ziemlich eilig, oder? Nun, er hatte bis zu seinem Besuch noch etwas Zeit, aber er war doch Neugierig, wer ihm diese Nachricht geschrieben hatte. Ihn ließ das Gefühl nicht los, dass etwas sehr merkwürdiges heute noch geschehen würde. Der Magier ließ den Brief zusammengefaltet in seine Tasche wandern, während der Uhu seine Schwingen ausbreitete und wieder davonflog. Er sah ihm hinterher. Nun, man sollte seinen Besuch nicht warten lassen, nicht?   Zielstrebig ging er weiter durch die Straßen Dalarans. Hatte er alles erledigt? Doch ihm fiel nichts ein, was er noch hätte tun können. Schließlich wollte Dreorwyn sich auch Augenblicke vorher noch faul in das Gras legen. Er ging in eine Seitengasse in der es sehr ruhig war. Er drückte sich gegen die kühle Steinwand und schloss seine Augen. Er musste sich stark konzentrieren, Teleportzauber waren immer noch eine Sache für sich. Und wenn die Kraft nicht aus dem Nether gewonnen wurde, waren sie immer noch sehr kräftezehrend. Die Magie durchflutete ihn, während er sich langsam auf der Stelle auflöste und die Gasse alleine zurückließ.   Nachdem er über die Brücken von Darnassus bedenklich langsam geschritten war - wobei er sich immerzu Gedanken machte, wer ihn wohl zu sich bestellen könnte - und schließlich das Meeresrauschen hörte, wandelte er sich. Er schüttelte seinen schwarzen Pelz und musste seine Kapuze etwas zurechtrücken, damit sie wieder passend auf seiner nun breiteren Kopfform auch Halt fand. Anschließend mietete er sich einen der Hippogryphen zur Dunkelküste. Über den Flug begann sein Pelz angenehm vor Aufregung zu prickeln. Wer hatte ihm nur diesen Brief geschrieben? Welcher seiner Kontakte hatte einen Uhu? Doch beim besten Willen wollte ihm niemand einfallen. Als das große, gehörnte Tier landete, wurde es ihm von einem der Nachtelfen in Lor'danel abgenommen. Sein Blick schweifte aufmerksam durch die Umgebung, doch außer einigen Schildwachen konnte er niemanden erkennen. Wo in Lor'danel wollte man ihn treffen?   Seine Schritte lenkten ihn den Steg hinab, vorbei an dem Gasthaus und dort erkannte er bereits jemanden, der ihm sehr bekannt war. Mehr als ihm lieb war. Dreorwyn's Augen schmälerten sich, als sein Blick auf die Worgen fiel und sein Herz begann unweigerlich schneller zu schlagen. Ein Schmerz in seiner Brust machte sich breit, ähnlich einem Stich, doch er schluckte ihn hinunter und nickte ihr nur sachte zu. »Ehre Riwena.« Der Magier war angespannt und er wünschte sich, er würde sich in seiner Vermutung irren, während sie ihm ebenfalls ruhig, dennoch abwartend entgegenblickte. Sie trug eine rote Leder- und Kettenrüstung die mit einigen Fellen umsäumt war. Über ihrer Brust lag ein Wappenrock, der vermutlich zu ihrer selbst gegründeten Gemeinschaft gehörte. Er zog den zusammen gefalteten Brief aus seiner Tasche und hob ihn auf Riwenas Kopfhöhe. »Ist dieser hier von Euch?«   Die Worgen nickte knapp. Wie sehr hätte er sich gewünscht sie hätte den Kopf geschüttelt und wäre erstarrt, aufgrund dieses Zufalls, dass sie sich begegneten. »Wie ich sehe, war es Euch möglich zu erscheinen.«, sprach sie ruhig und beobachtete ihn aufmerksam. »Lasst uns ein Stück gehen. Das Gespräch sollte fernab lauschender Ohren stattfinden.« Anstatt einer Antwort abzuwarten, wandte sie sich um und ging den Ausgang über die Brücke hinaus. Dreorwyn hob skeptisch eine Augenbraue. Alle Sinne in ihm schrien, einfach wieder zu gehen, doch weshalb sollte sich Riwena, seine ehemalige Gefährtin, die Mühen auf sich nehmen gerade ihm zu schreiben? Aus welchem Grund bestellte sie ihn hierher, wenn sie doch gewusst hatte, ihn die ganze Zeit zu meiden? Langsam folgte er ihr hinaus. Während sie über den Strand gingen, warf der Magier einen fast sehnsüchtigen Blick zurück nach Lor'danel. Er versuchte sein Herz zu beruhigen, doch es schlug ihm bis zum Hals. 'Reiß dich zusammen', mahnte er sich selbst. 'Es mag schmerzen, aber die Zeiten sind vorbei. Komm drauf klar!'   Riwena führte ihn nicht weit von Lor'danel weg. Neben einem kleinen Anglerposten, der gerade leer stand, hielt sie neben einigen jungen Bäumen und Büschen und drehte sich zu ihm um. Mit gespitzten Ohren sah sie ihn an, vermutlich wusste sie nicht, was sie sagen sollte, jetzt wo er tatsächlich vor ihr stand. Ungeduldig funkelte Dreorwyn zurück. »Was ist es, was Ihr mit mir zu besprechen hättet? Ich wüsste nicht, dass wir noch irgendetwas teilen.« Seine Worte waren mehr gefüllt mit Abneigung, als er gewollt hatte. Er wollte ja nicht unhöflich wirken, dennoch war es ihm sichtlich unangenehm, dass sich Riwena hinter dem ominösen Schreiben befand.   »Ihr solltet wissen, dass wir sehr wohl noch eine Sache offen haben.«, erwiderte Riwena und trat etwas näher an den Magier heran. Sie suchte seinen Blick, doch er hob nur eine Augenbraue. Zwar wich er nicht zurück, als sie ihm so nahe kam, aber in seinem Blick war deutlich Abneigung und auch Abwehr zu lesen. »Redet nicht um den heißen Brei.«, knurrte er dumpf. Seine Stimme klang hohl und auch etwas trocken. Verdammt, er war nervös, doch er wollte es sich nicht zugestehen. Sein Pelz kribbelte unangenehm vor Ungeduld, doch auch vor Neugier.   »Es geschahen viele Dinge. Dinge, die geschehen mussten, doch die Art und Weise wie sie geschahen, wurden nie erklärt, nie ausgesprochen.« Ihre vorsichtigen Worte ließen darauf schließen, dass sie die Abwehr in seinen Augen erkannte, doch ihr Blick war matt und emotionslos. Dreorwyn konnte noch nicht einmal vermuten, was ihr im Kopf herumspukte, noch was sie gebissen hatte, um ausgerechnet jetzt, Jahre später, um dieses Thema anzusprechen. Er kräuselte seine Lippen und entblößte schwach einige seiner Reißzähne. »Wollt Ihr über die Vergangenen Geschehnisse sprechen? Deswegen der Brief?« Seine Worte triefen vor Unglauben und Sarkasmus. »Ist ein bisschen spät, findet Ihr nicht auch?«   Die Worgen sah ihn weiterhin mit trüben Blick an. Erst jetzt fiel Dreorwyn auf, dass sie merkwürdig mager und ausgemergelt wirkte. Was wohl geschehen war? Doch, wollte er dies wirklich wissen? Er wollte im Grunde genommen nichts mehr mit ihr zu tun haben. Er hatte so lange gebraucht über ihre Trennung hinwegzukommen in der Riwena ihn einfach ohne jedes Wort verlassen hatte. »Es widerstrebt mir, darüber zu sprechen.«, sie nickte ihm aufrichtig zu. »Aber was mir nicht gegen den Strich geht, ist eine Entschuldigung, die ich Euch schulde.«   Ungläubig kniff der Magier die Augenbrauen zusammen. »Ihr lasst Euch herab eine Entschuldigung auszusprechen, die schon längst hinfällig war?«, fragte er höhnisch und schüttelte seinen Kopf. Er wollte hier weg. In diesem Punkt musste er ihr zustimmen. Es widerstrebte ihm ebenso darüber zu sprechen. Es war Vergangenheit. Er hatte es abgehakt. Er hatte sie vergessen. Außerdem, was würde es verändern? Wollte sie sich jetzt, nach fast zwei Jahren entschuldigen und sich dann wieder dorthin verkriechen, wo sie nun lebte? Riwena war unglaublich. Was bildete sie sich ein, wer sie war?   »Die Vergangenheit die ich mit Euch teilte war in meinen Augen nicht schlecht, doch die Art, wie sich unsere Wege trennten war von meiner Seite rücksichtslos und kalt. Ich kenne mich gut genug um zu wissen, dass ich nie anders sein werden, doch war es-«, begann sie, doch Dreorwyn fuhr ihr ins Wort. Er wollte das nicht hören. Er wollte diese Worte nicht hören. »Richtig.«, unterbrach er sie. »Aber so wart Ihr schon immer. Nicht darauf bedacht, was Euer Umfeld von Euch hält.« Sein Blick war ernst und eisern. »Einerseits ist dies bestimmt von Vorteil, andererseits verliert Ihr das Gefühl für Euer Umfeld.«   Riwena zuckte unruhig mit ihren Ohren. Anscheinend war sie es nicht mehr gewohnt, dass man sie unterbrach, jetzt, da sie Anführerin war. Doch sie sagte dazu nichts. Sie ging noch nicht einmal auf seine Worte ein. »... mein Verhalten Euch gegenüber war ungerecht in jeder Hinsicht. Ich erkannte es und wollte es nicht wahrhaben, doch die Vergangenheit holt jeden ein. Ich möchte mich für mein Verhalten Euch gegenüber entschuldigen. Nehmt es an, oder lasst es, doch wisst meine Sicht der Dinge.« Sie nickte nach wie vor mit diesem emotionslosen Gesichtsausdruck. Hart wie Stein. Doch Dreorwyn wirkte so ungerührt, als würde es nicht um die dunklen Kapitel seines Lebens gehen. Er wollte dies nicht hören. Weshalb wollte sich Riwena ausgerechnet jetzt reinwaschen? Es musste etwas anderes dahinter stecken, aus welchem Grund sie ihn aufgesucht hatte. Diese Geschichte stand zwischen ihnen, doch was würde danach kommen? »Dann teilt mir Eure Sicht der Dinge mit, wenn es Euer Gewissen beruhigt.«, er nickte matt, seine Ohren waren unter der Kapuze nicht zu sehen, aber sie lagen flach an seinem Kopf an. »Lasst mich nur eines wissen. Ist dies der einzige Grund, weswegen Ihr mich treffen wolltet, oder braucht Ihr magische Unterstützung?«   Die Worgen zögerte, ehe sie zum sprechen ansetzte. Doch das Zögern verriet sie. Für einen kurzen Augenblick war ihre Maske aus Emotionslosigkeit verrutscht. Also kam die starke Gewichtsabnahme nicht von selbst. »Ob ich sie brauche oder nicht, sei dahingestellt. Es steht mir nicht zu sie zu fordern.« Ihre Blick schweiften kurz hinab, ehe sie wieder in seine Augen blickte. »Ich wünsche ein persönliches Gespräch, von Angesicht zu Angesicht.« Dreorwyn sah zur Seite. Stur war sie ja, das musste er ihr lassen, doch das war auch nichts neues. »So sei es.«, murmelte er und nickte mit dem Kopf zu seiner Seite zu den jungen Bäumen. »Wollen wir uns setzen?« Riwena musterte ihn für einen kurzen Augenblick, dann nickte sie. Vermutlich war sie erleichtert, dass er ihr wirklich zuhören wollte - oder zumindest so tat als ob - und er war erleichtert, dass sie seinem Vorschlag nachkam. Er glaubte, dass dies noch ein sehr langer Abend werden würde.   Nachdem sie sich gesetzt hatten und jeder in eine andere Richtung zugeneigt war, nur nicht zu dem eigentlichen Gesprächspartner, zog sich der Magier die Kapuze nach hinten. Sie ruhte auf seinen Schultern und sein Blick wirkte ausdruckslos, dennoch mit einem winzigen Funken Interesse. Doch das Interesse galt weniger dem Gespräch, welches sie vorgegeben hatte. »Ihr habt Fragen, wie es scheint?«, fing sie an, während sie ihn aus ihren grasgrünen Augen beobachtete. Ihre Ohren drehten sich langsam und achtsam in alle Richtungen.   Dreorwyn schüttelte den Kopf. »Eigentlich nicht, nein. Ich habe sehr lange an dieser Sache gehangen, aber ich habe sie vor einiger Zeit abgelegt.« Wie sehr er doch log. Zum Glück bedeckte Fell seine Wangen. Er war ein abgrundtief schlechter Lügner. Tatsächlich war nur eine Woche vergangen, an dessen Tage er nicht an Riwena hatte denken müssen. Dreorwyn wandte seinen Blick zur Seite zu der glitzernden Meeresoberfläche auf der sich die Strahlen der untergehenden Sonne spiegelten.»Es überrascht mich, dass Ihr ausgerechnet jetzt Euer Gewissen reinwaschen und mir reinen Wein eingießen wollt. Ihr wolltet mir Eure Sicht der Dinge erläutern. Ich denke wenn es Fragen gibt, werden sie hier aufkommen.« Der Magier machte sich noch nicht einmal die Mühe zu verbergen, dass er wenig Lust hatte über dieses Thema mit Riwena und ihm zu sprechen. Dennoch blieb er bemerkenswert ruhig. Es überraschte ihn selbst.   Riwena nickte. »Nun gut, dann werde ich nicht länger darauf warten lassen.« Sie machte eine kurze Pause, legte sich ihre Worte zurecht. Dies würde wohl eine längere Rede werden. Dreorwyn verkniff es sich angestrengt zu seufzen und blieb einfach weiterhin ruhig. »Ihr wisst, dass ich viel auf Reisen war. Mein Gemüt zog mich stets in die Ferne, immer dem Drang folgend jemanden zu suchen. Dieses Verlangen wurde zu stark um es abzuwehren. Es brachte mich immer wieder in Versuchung. Ich verlor das Gefühl von Heimat und die Dinge die dort vor sich gingen, waren für mich nicht mehr tragbar. Ihr erinnert Euch vielleicht an Berrymore? Ich würde ihm nach wie vor am liebsten die Haut abziehen, aber das ist eine andere Geschichte.« Dreorwyn blieb weiterhin ruhig, während er lauschte. Er antwortete nicht, doch am liebsten hätte er laut aufgestöhnt. Wie könnte er diesen Trottel vergessen?   Dreorwyn wandte seinen Blick, wissend, nun doch zu Riwena. Dass sie stets auf Reisen gewesen war, hatte er gewusst und er hatte es toleriert. Immerhin hatte er stets sehr viel zu tun gehabt als Berater von Väl, damals, als sie die Schwarzmähnen noch geleitet hatte. Die Vergangenheit mit ihrem Bruder hatte sie ihm ebenfalls erzählt. Scheinbar wartete Riwena nicht auf eine Antwort von ihm, oder einer Zustimmung, denn sogleich sprach sie weiter: »Wie dem auch sei, es passierte etwas, womit ich nicht gerechnet hatte. Die Details erspare ich an dieser Stelle besser. Veränderungen gingen in mir vor. Veränderungen, die ich nicht mehr erwartet hatte, seid diese Elfe mein Kind genommen hatte. Vermutlich...«, sie machte eine Pause und Dreorwyn runzelte seine Stirn. Veränderungen? Welche Veränderungen? Was wollte sie ihm denn jetzt erzählen? Natürlich wusste er von dem Vorfall mit der Nachtelfe die Riwena heimtückisch angegriffen hatte und das Kind in ihrem Leib starb, noch ehe es die Möglichkeit bekam zu leben. Seine Ohren zuckten nervös. Es war makaber, doch gerade dieses Ereignis hatte sie beide zusammengeschweißt und miteinander verbunden. Riwena fasste sich wieder und ihre Worte klangen schwer nach. »Vermutlich hatte ich Angst. Ich nahm Anlauf und rannte immer mehr in meine Vergangenheit anstatt die richtigen Schritte vorwärts zu schaffen. Auf einer weiteren Suche, als ich den Schwarzmähnen schon nicht mehr angehörte fand ich den für mich richtigen Weg. Ich begann etwas aufzubauen, dass mir mehr Heimat und Familie war, als ich jemals geahnt hätte.« Ihre Worte klangen nach und verursachten bei Dreorwyn einen ungewohnt bitteren Nachgeschmack. Weshalb trafen ihn ihre Worte so sehr? Er ärgerte sich über sich selbst.   Riwenas Blick schimmerte matt. »Aus Taten folgte Verantwortung. Grantar und ich wusste es beide, doch es blieb nicht bei diesen Gedanken, ansonsten wäre er nicht gefolgt.« Sie wirkte ruhig, während sie sprach, doch in Dreorwyn schien es eine Kettenreaktion ausgelöst zu haben. Sein Blick verfinsterte sich und er sah sie mürrisch an. »Und die Verantwortung mir eine Nachricht zu hinterlassen, dass Ihr gegangen seid?«, knurrte er unheilvoll. »Die Verantwortung, mir zu gestehen, dass Euer Herz jemand anderem gehört? Was war mit dieser Verantwortung?« Wie sehr wollte er dieses Gespräch doch nicht führen? Vermutlich aus genau diesem Grund. Er hing doch wohl noch mehr daran als ihm selbst lieb war. Herausfordernd und eisig entgegnete er ihrem Blick, als er versuchte den ihren zu deuten. Doch er vermochte es nicht, sie gab zu wenig von sich preis und ihre emotionslosen Gesichtszüge waren unleserlich.   »Angst ist eine einfache Ausrede, aber dabei will ich es nicht belassen.«, begann sie ruhig und sah ihm fest in die Augen. »Ihr hattet das Recht zu erfahren, was vor sich ging und ich konnte nicht für Euer Recht einstehen. Ich denke, dass unter anderem aus diesen Gründen die Entschuldigung hervorgeht.«   Der Magier kniff seine Augen zusammen und sein Blick ruhte weiterhin auf ihr. Vermutlich spürte sie seine Ratlosigkeit, deswegen fügte Riwena hinzu: »Ich meine damit, alle Erklärungen die ich Euch schuldig geblieben bin. Warum ich ging, ohne Euch etwas davon zu sagen, dass ich Euch im Stich ließ in dem Wissen, dass Ihr mir nicht verzeihen würdet.« Langsam nickte sie.   Drerowyn schnaubte. »Anscheinend konntet Ihr damit bisher recht gut leben.« Er wandte seinen Blick von ihr ab und sah nachdenklich auf seinen Stab. Er wollte gehen, doch ein Ohr drehte sich langsam in ihre Richtung. Er konnte nicht. Nicht jetzt. Weshalb nur konnte er ihr nicht einfach den Rücken kehren und verschwinden? Was brachte dieses Gespräch? Es riss nur Wunden auf, die bereits verheilt waren, zumindest bei ihm. »Warum ausgerechnet jetzt?«, fragte er leise, hob langsam seinen Blick wieder zu Riwena. Er sah sie teils betrübt, teils unerschütterlich an. Auch wenn es alte Wunden wieder aufgerissen hatte, er stand darüber. Es schmerzte nicht so sehr wie damals. Das bedeutete doch auch nur, dass er über Riwena hinweggekommen war, nicht? »Ihr hättet es auch unter den Tisch kehren können. Es wäre niemals geschehen.«   Riwenas grasgrüne Augen musterten Dreorwyn lange. »Weil auch ich lernen musste. Ich musste mehr vom Leben lernen und ich habe gelernt. Dinge unter den zu Tisch kehren ist dabei nicht der richtige Weg, Dreorwyn. Und das wisst Ihr vermutlich selbst.« Fast entfuhr dem Magier ein ungläubiges Schnauben. Natürlich, sie musste lernen. Dennoch nickte er langsam. »Gewiss, dennoch ist dies nicht Eure Art.«   »Was wäre Eurer Meinung nach meine Art gewesen? Ihr kennt mich lange und Ihr kennt viele Teile meiner Vergangenheit. Ich denke Ihr könnt diese Frage wohl beantworten.« Sie wirkte ehrlich und ruhig, während sie diese Worte sprach, doch er glaubte sich verhört zu haben. Bitter und kaltschnäuzig entgegnete er: »Denkt Ihr das? Unser letztes treffen war bevor ich nach Gilneas ging, um selbst meiner Vergangenheit auf den Grund zu gehen. Nach meiner Rückkehr wurde mir von Grantar die Nachricht überbracht Ihr wäret gegangen. Ich glaube, ich habe Euch nie wirklich gekannt.«   Riwena nickte langsam und gefasst. »Nein, das habt Ihr nicht. Auch wenn Ihr der einzige auf dieser Welt seid, der von meiner Vergangenheit weiß. Vermutlich gab es einst Hoffnung.« Nun wanderte auch ihr Blick zu der glitzernden Meeresoberfläche. Sie legte die Ohren an und in ihren Augen spiegelte sich das Glitzern des Meeres wieder, aber sie selbst schien so etwas nicht zu besitzen. Dreorwyn folgte ihrem Blick gefasst. Was wollte sie mit ihren Worten sagen? Und aus welchem Grund bereute er es ein bisschen, dass er seine Worte so hart ausgesprochen hatte? Dreorwyn hatte darauf keine Antwort und er wollte sie auch nicht suchen. Sie war zu tief vergraben. Wenige Momente die ihm wie Stunden des Schweigens vorkamen vergingen, doch es machte ihm nichts aus. Seine Gedanken mussten neu geordnet werden, neu sortiert. Er wollte von der Vergangenheit nichts mehr hören. Ob es ihm nun wirklich half, Klarheit zu haben? Der Magier hatte ihr bereits verziehen, mehr aus dem Grund, da sie nicht die eigentliche Schuld für ihre Taten trug. Die trug er selbst, doch er hatte wenig Lust dies jetzt zu erwähnen. Die Schmerzen und sein Leid, als er alles nach und nach herausgefunden hatte, würde er nie vergessen. Seine Ohren zuckten, als er glaubte in der Ferne Donnergrollen zu hören.   »Lebt Ihr gut, so wie es jetzt ist? Ist es so, wie Ihr Euch vorgestellt habt, Riwena?«, fragte Dreorwyn und musste schlucken, da seine Stimme merkwürdig schwach klang. Er machte sich zu viele Gedanken. Riwena sah ihn wieder an, für einen kurzen Augenblick schien ihr Blick zu verraten, was wirklich in ihr vorging. Sie wirkte unglaublich traurig, doch auch Missmut spiegelte sich darin. »Zu Anfangs war es das, aber ich wachse mit meinen Aufgaben als Anführerin. Es wird nie einfach sein, aber vielleicht besser als zuvor. Ich werde sehen, was die Zeit mit sich bringt.« Ihre Worte ließen erahnen, wie viel sie wirklich über das Leben gelernt hatte und dass sie bereit war, weiter zu lernen. Eine Eigenschaft, die Dreorwyn früher an ihr nicht gesehen hatte und sie berührten ihn. Ihr ging es also gut. Nachdenklich senkte er den Blick zu seinem Stab der an seiner Seite im Gras lag.   Riwenas Ohren richteten sich plötzlich auf und sie räusperte sich kurz. Straffte ihre Schultern und musterte Dreorwyn erneut, doch dieser hatte diese Reaktion kaum mitbekommen. »Jeden Tag wird man mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Einige bewältigt man besser, die anderen schlechter. Dennoch solltet Ihr nicht den Mut verlieren, stets das Beste zu wollen anzustreben. Man lernt sie auf, es ist nicht nur in der Magie so.«, murmelte er leise, und nickte dann sachte seinem Stab entgegen. Dann schüttelte er plötzlich seinen Kopf. Was war er für ein Narr, schon wieder schweifte er zu weit ab. 'Bleib im Hier und Jetzt!', schollt er sich selbst und hob seinen Blick wieder zu ihr. »Es ist gut zu hören, dass es Euch gut geht.«   Riwena nickte matt, schon wieder war da keine Emotion in ihrem Gesicht zu lesen. »Das tut es.«, sprach sie matt. Ihre Augen wirkten trüb, während sie Dreorwyn ansah. »Doch genug von mir. Wie erging es Euch in dieser langen Zeit?« Der Magier glaubte zu sehen, dass sie nicht sehr viel von sich preisgeben wollte. Oder nicht mehr, als sie schon getan hatte. Er behielt sie weiterhin im Auge, während er sie bedauernd ansah. »In den letzten Tagen ausgesprochen gut. Ich habe mich noch nie so frei gefühlt, dass ich den Tag für mich nutzen konnte.« Seine Gedanken waren woanders und womöglich konnte Riwena dies sehen. Er war nicht der Typ der viel über sich selbst sprach. Mal ganz davon abgesehen, dass er seinen weiteren Werdegang schlichtweg als normal bezeichnen könnte, verging kein Tag an dem er nicht an sie hatte denken müssen, auch wenn der Augenblick noch so kurz gewesen war.   Die Worgen ihm gegenüber beobachtete ihn genau. »Konntet Ihr Euch in der Magie weiterbilden?« »Das habe ich auch gemacht, während ich noch bei den Schwarzmähnen war.« Er schnaubte abfällig. »Ich habe das Studium fürs erste etwas zur Seite gelegt. Erworbenes Wissen muss schließlich auch gefestigt werden, bis es richtig sitzt.« Er grinste kurz, doch dann legte es sich doch schnell wieder. Seine Ohren zuckten aufmerksam und sein Blick lag neugierig auf ihr. Jetzt würde wohl der eigentliche Grund kommen, weshalb sie ihn hierher bestellt hatte.   »Dreorwyn, könnt Ihr Euch an den Schutzzauber erinnern, den Ihr mir einst auferlegt habt?«, fragte sie langsam und die Worte wirkten gut gewählt und zurechtgelegt. Der Magier fixierte Riwena mit einem nachdenklichen Blick. Er prüfte ihre Reaktion, doch dann nickte er langsam. Sie schien nichts davon zu erahnen, was er als nächstes sagen würde. »Gewiss, ich erinnere mich daran.«, begann er. »Und ich erinnere mich auch daran, ihn nie gebrochen zu haben.«   Das zu erfahren erstaunte Riwena anscheinend doch wirklich sehr, denn sie musterte ihn eingehend. »Ihr habt Ihn nie gebrochen?«, fragte sie nach, als hätte sie sich verhört. Langsam nickte Dreorwyn. Er wusste selbst nicht genau, weshalb er den Zauber nie gebrochen hatte, doch vergessen hatte er ihn gewiss nicht. Nicht mit den ganzen Gedanken, die er täglich an Riwena verschwendet hatte. Zumindest waren die Gedanken für ihn verschwendet gewesen. Doch zu seiner Überraschung schien Riwena über diese Neuigkeit nicht skeptisch oder argwöhnisch zu sein. Sie wirkte entspannt und auch irgendwie... zufrieden? Zumindest glaubte dies Dreorwyn so zu deuten, oder er deutete es falsch. Während Riwena weiter sprach, nickte er langsam. Er hatte gewusst, dass sie seine Hilfe benötigen würde. Deswegen hatte sie ihn zu sich bestellt.   *****   Der Magier blätterte weiter und las die nächsten Seiten. Wie lebhaft ihm dieses Ereignis in Erinnerung geblieben war. Es war bemerkenswert, da es sich ja eigentlich nur um ein Gespräch mit wenig Geschehen handelte. Doch, nein, er lag falsch. Es war einiges geschehen, zumindest in ihm. Dreorwyn lächelte leicht, während er weiter las. Damals hatte er es noch nicht gewusst. Seine Worte waren holprig geschrieben und schnell, ohne viele Gedanken. Es war beabsichtigt gewesen. Damals hatte er geglaubt, er hielte sich selbst zum Narren und wenn er mehr schrieb als notwendig war, würde es sich irgendwann rächen, würde er später noch einmal darüber lesen.   Doch Dreorwyn musste nicht lesen, was damals geschehen war. Es lag ihm noch sehr genau im Gedächtnis, fast so, als wäre es erst vor einer Woche geschehen und liegt nicht bereits mehr als ein Jahr zurück. Es war faszinierend, wie hartnäckig sich einige Gedanken doch im Gedächtnis eines Menschen festhielten, die ihn bewegt hatten.   ***** Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)