Geheimnis in Dalaran von Skampi835 ================================================================================ Kapitel 1: In der Kammer ------------------------     Eine Gestalt huschte in der finsteren, kaum drei Schritte großen Kammer von einer Seite zur anderen. Kein Fenster war geöffnet, sodass man ihn, oder das was in der Kammer verborgen lag hätte sehen können. So war es nicht verwunderlich dass etwas scheppernd zu Boden fiel - etwas anderes rollte darüber - und ein gezischtes »Fahr doch zum Nether!«, erklang. Kurz darauf zischte es und es folgte ein erleichtertes Seufzen, als sich der Schein der entfachte Kerze entfaltete und die engen Wände des Raumes beleuchtete. Die Konturen der Regale waren in dem einfachen Kerzenschein deutlich zu erkennen und ein Schimmern huschte über diese. Die Kerze schwebte in der Luft und der Mann hob weitere mit dem wisch seiner Hand in die Luft, die vorher auf dem Boden verstreut gelegen hatten. Leises knistern folgte und diese entfachten sich ebenfalls und der Lichtkegel wurde immer größer und heller. Er würde neue hierher bringen müssen, denn einige hatten den Sturz aus dem Regal nicht gänzlich unbeschadet überlebt.   Mit jeder Kerze die entfacht wurde, erkannte man immer mehr von der Kammer. Sie war kreisrund und drei abgegrenzte Regale zierten die gebogenen Steinwände. Sie sahen vollgestopft aus, doch nur der Magus wusste, dass die verschiedenen Truhen, Bücher und einzelnen Pergamentfetzen geordnet waren. Der Mann - der einen graublauen Umhang und einen ebenso grauen Hut trug - kniete sich zu seiner Tasche hinab und zog eine hölzerne Kiste heraus. Oder sagen wir vielmehr, er mühte sich damit ab die Kiste aus seiner Tasche herauszubekommen. Vielmehr war es, dass er das Leder von der Kiste abstülpte. Er zog kräftig daran und fragte sich dabei, wie im Namen von Graumähne er es eigentlich geschafft hatte die Kiste durch die kleine Öffnung zu pressen. Mit einem weiteren Ächzen befreite er die Kiste von der Tasche - oder umgekehrt - und trug sie zwei Schritte weiter zu einem Regal. Er sah angestrengt aus, während er die Kiste in die unterste Reihe des Regals stellte. Das Holz ächzte, als er sie mit einem leisen Klirren des Inhalts abstellte, doch vielleicht auch nur, weil direkt neben dieser Kiste noch eine weitere, fast identische Kiste bereits gestanden hatte. Er selbst rieb sich die Hände.   Der Mann löste das einfache Schloss an der Frontseite und hob den Deckel um hineinzuspähen. Eine schimmernde Oberfläche aus runden Goldstücken ruhte in der Kiste, die von dem Kerzenschein fast flackerte. Der Magus strich darüber, wobei sich die runden Taler bewegten und es leise klirrte. Leise seufzte der Mann und zog sich seinen Hut vom Kopf um mit der rechten Hand über die eine Lederstulpe gebunden war, durch die schwarzen Haare zu fahren. »Ich weiß, dass es für dich weder ein Trost sein wird, noch dass es deine Schmerzen lindern wird. Und doch würde es eine Hilfe in Nöten sein, sollte es soweit kommen, Riwena.« Die Gedanken des Mannes entglitten ihm kurz, ehe er den schweren Deckel wieder schloss. In dieser Kiste befanden sich 15.000 Goldstücke und in der identischen Kiste daneben, noch einmal der selbe Betrag. Doch dies, war nicht das einzige, das er ihr hinterlassen wollte, sollte er nicht in ihrer Nähe sein um zu helfen, oder ihn ein frühes Ende ereilen.   Der Magus erhob sich aus seiner Hocke und blickte mit seinen braunen Augen über das Regal vor dem er stand. Vom Eingang der Kammer aus gesehen, dessen Tür inzwischen verschwunden war, stand dieses links und deckte 1/3 der Wand ab. Die Regale waren nicht sonderlich hoch, knapp über seiner Kopfhöhe befand sich die oberste Ablagestelle und einen halben Fuß darüber war bereits die Decke der Kammer erreicht. Das Regal war vollgestopft mit verschiedenen Kästchen, Truhen und Schatullen die in dem Kerzenlicht flackerten. Einige bestanden aus einfachem Holz, andere aus Silber und Gold, oder hatten Fassungen für angereihte Edelsteine die in verschiedenen Farben und Formen funkelten. In ihnen ruhten Edelsteine, die er eigenhändig sondiert und aufbereitet hatte. Viele hatte der Mann bearbeitet, geformt, geschliffen und Schmuck daraus gefertigt, doch ein Großteil dieser Edelsteine ruhte in seiner Rohfassung als Brocken oder Splitterscherben in den Truhen.   Mit den Fingern strich der Mann über eine besonders hervorstechende Schatulle aus Mammutelfenbein. Vielleicht lag es aber auch einfach nur an der Tatsache, dass diese kleine Schatulle alleine in einer ganzen Regalreihe auf Brusthöhe stand. Mit dem Daumen fuhr er über die winzigen, detaillierten Einkerbungen und Verschnörkelungen in der Form von Rosenranken und Blättern, die an der Deckeloberseite in ein Wappen einflossen. Das Wappen von Gilneas. Er drückte leicht darauf und mit einem leisen Surren und einem Klicken öffnete sich der Deckel der Elfenbeinschatulle.   Das Innere war mit einem braunen Samtstoff ausgepolstert. Ein ovales, daumengroßes, goldenes Medaillon mit feinen Einkerbungen auf dem Deckel ruhte darin. Es erinnerte an einen Stiel, den man schon lange nicht mehr gesehen hat. Vielen aus Gilneas mögen die Verschnörkelungen jedoch bekannt vorkommen, denn dort hatten die Damen hoher Schicht Schmuck mit ebensolchen Einkerbungen getragen und die anderen, die sich ein solches Schmuckstück nicht leisten konnten, kannten ihn dennoch. Es war ein Muster, welches sich einprägte und welches man immer wieder erkannte, egal wie lange man es nicht gesehen hatte. Das Medaillon ruhte zusammen mit einer langen, goldenen Kette darin. Der Magus nahm es an der Kette heraus und bettete es in seine Handfläche, ehe er es mit sanften Druck auf die Seite öffnete. Der verzierte Deckel schnappte langsam auf und er las über die Gravur die in der Innenseite des Deckels stand. »Es sind die schönen Erinnerungen, die zählen. In Liebe Dreorwyn.«   Der Mann seufzte schwer. Er hoffte es würde noch lange keine solche Zeit kommen, in der man ihn in Erinnerungen bewahren musste. Doch womöglich würde diese Zeit kommen. Mochte es auch nur durch einen magischen Unfall geschehen, in dem er sich zwischen Zeitebenen aufhielt und verfing. Er schloss den Deckel des Medaillons wieder und bettete es in den Samt der Elfenbeinschatulle, ehe er diese wieder schloss. Sein Blick glitt über die anderen Truhen und Schmuckkästchen die er hier gelagert hatte, die Schmuck, Gold und Edelsteine die er selbst hergestellt hatte beinhalteten. Die Münze könnte seinen Wert verlieren, aber dann könnte Riwena den Schmuck verkaufen, ebenso wie die Kästchen die diesen beinhalteten. Dreorwyn hoffte allerdings, dass sie dieses Medaillon, als sein letztes Geschenk an sie behalten würde.   Dafür, dass Dreorwyn ein - so nebenbei ziemlich guter - Goldschmied und Juwelier war, trug er selbst sehr wenig Schmuck bei sich. Das einzige was er bei sich trug, war ein Kristall in der Form einer Tropfenspitze in einer silbernen Fassung. Doch dieses Schmuckstück erfüllte auch nur einen sinnvollen Zweck und half ihm dabei, seine Magie besser unter Kontrolle zu behalten. Riwena, seine Lebensgefährtin und - leider - immer noch nicht Frau, handhabte dies ebenso. Schmuck war schön, doch es sollte nicht zu dick damit aufgetragen werden. Sie hatte ihre ganz eigene Vergangenheit, ebenso wie der Magus, vielleicht mochte es auch daran liegen.   Der Mann schüttelte seinen Kopf und die schwarzen Haare, die wieder einmal zu lang geworden waren flogen in alle Himmelsrichtungen. Mit einem energischen wisch seiner Finger legten sie sich etwas, doch sie waren zu widerspenstig. Er sollte dringend wieder einmal zum Babier. Seufzend drehte er sich dem anderen Regal zu, es stückelte direkt an jenes mit den Kisten und Schmuckschatullen. In diesem Regal befanden sich Bücher, teilweise sehr dicke Bücher und Dreorwyn wusste, wie schwierig einige Seiten von ihnen zu verstehen waren.   Drei Regalreihen sahen fast identisch aus. Zwei bis drei Bücher waren je ganz links aufgereiht. Mit etwas Abstand, ruhten einer oder zwei Stapel Pergamente daneben die mit einem Briefbeschwerer - einem einfachen Marmorstumpen - an Ort und Stelle festgehalten wurden und rechts davon ein paar Notizbüchlein. Auch wenn sich die drei Regalreihen auf den ersten Blick kaum unterschieden - außer dass eines den doppelten Inhalt hatte - war der Unterschied des Inhalts doch massiv.   Sie repräsentierten zwei der großen Runenoberklassen, Macht und Schutz, wobei die dritte Regalreihe eine Unterkategorie, Bannung für sich beanspruchte. Welchen Grund hätte er auch gehabt, Riwena in die Runen der Flüche einzuführen? Sie war so magisch wie ein Kaffeebecher, doch wenn sie diese Runen irgendwann einmal brauchen würde, wollte er nicht, dass sie Flüche nutzte die er ihr hinterlassen hatte. Die Bücher am Anfang der Regalreihen waren einfache Lehrbücher, die den Leser in die Handhabung der Runen einführen sollte. Es war etwas ausführlich, aber aus diesem Grund hatte Dreorwyn noch seine Notizbüchlein dazugelegt.   Die verschiedenen Symbole, die mit Magie in den Pergamenten eingebrannt waren, sowie die Bedeutung der magischen Macht die in ihnen wohnte und die Wirkung würden um sehr vieles klarer werden, wenn man die Bücher las. Riwena würde sich durch die Bücher lesen müssen und sich vieles merken, Formeln und Hinweise beachten, doch - und dessen war sich Dreorwyn sicher - würde sie wissen, wie man sie einsetzen konnte, wenn sie die Runen in Anspruch nehmen müsste. Die Magie, die diesen Pergamenten innewohnte, war mehr wert als all das Gold und die Edelsteine, die in dem ersten Regal lagen. Doch sollte er nicht mehr sein, konnten diese Runen Riwena schützen.   Dreorwyn zog eines der Bücher in dem mittleren Regal heraus. »Schutzrunen, einfache Anwendung.« Das Buch war bestimmt dicker als jedes Geschichtsbuch, welches Dreorwyn je gesehen hatte. Viele Seiten hatte er markiert, sodass es fast schon unübersichtlich wirkte. Er schlug es auf und überflog die ersten Seiten.   *****   »Runen sind eine uralte Schrift, die Formen verschiedener Leylinien nachbildet und so Symbole formt, welche Magie aus dem Nether saugen. So können selbst magieunbegabte auf den Schutz und die Macht magischer Kräfte zurückgreifen. Runen zu schreiben, die auch tatsächlich magische Kräfte innehaben, ist nicht einfach. Ähnlich wie bei vielen Zaubern kann es eine Weile dauern, bis die Rune magische Kräfte freisetzen kann. Ausnahme sind Runen, die direkt auf bestimmte Kraftfelder zurückgreifen können. Je komplexer und mächtiger die Rune, desto länger dauert der Prozess des Aufladens. Runen sind eine Kraftquelle, ein magischer Speicher.«   *****   Dreorwyn blätterte auf die erste Markierung die er in den Seiten gelegt hatte.   *****   »Geht man davon aus, dass man mit Magie nichts zu tun hat, so kann man die Kräfte dennoch benutzen. Man muss sich dann aber vergegenwärtigen, dass die Kraft in den einzelnen Runen irgendwann aufgebraucht ist. Viele Runen haben eine standardmäßige Wirkung von einem halben Tageslauf, bis zu drei Sonnenläufen. Je länger Magie auf eine Rune gewirkt wurde die verschlossen in dem Pergament ruht, desto länger ist die Wirksamkeit. Viele Schutzrunen sind auf einem Zeitraum von einem halben bis einem ganzen Mondzyklus ausgelegt. Es wird dem Magieformer der die Rune zeichnet sehr viel Magie kosten, um einen solchen Zeitraum zu beanspruchen, egal welcher Magieklasse er sich befindet.«   *****   Der Magus runzelte die Stirn. Warum genau hatte er hier eine Markierung gemacht? Riwena sollte kein schlechtes Gewissen oder dergleichen haben, weil er die Runen für sie angefertigt hatte. Außerdem hatte er so den magischen Überschuss abfiltern können, der ihn früher geplagt hatte, seitdem er diese 'Krankheit' gehabt hatte. Zu dieser Zeit hatte er sich dem Tal nicht genähert, wollte es auch gar nicht. Die Magie in ihm war unkontrollierbar geworden und nur die komplette Aufzehrung und schließlich der Kristall um seinen Hals, hatte zu einer Linderung verholfen. Dreorwyn seufzte und entfernte die Markierung auf der Seite. Es ratschte und eine kleine Ecke der Seite befand sich zwischen seinen Fingern, mit der Markierung. Genervt rollte er mit den Augen. War ja klar, dass ihm so etwas passierte. Dreorwyn blätterte auf die nächste Markierung, in der Hoffnung, diese nicht ebenfalls entfernen zu müssen.   *****   »Die Nutzung einer Schutzrune ist auch ohne magische Fähigkeiten sehr simpel. Man benötigt ein aufgeladenes Pergament mit der besagten Rune. Man zeichnet das Symbol zuerst auf dem Pergament nach, damit weckt man die Aufmerksamkeit der Magie. Anschließend zeichnet man die Rune in die Luft, den Gegenstand, oder die Person die geschützt werden soll. Anschließend tippt man auf das Blatt. Die Magie wird daraufhin freigesetzt und die Rune verschwindet von dem Pergament. Sie könnte in der Luft sichtbar sein, wenn sie auf einen Bereich gewirkt wurde, auch auf einem Gegenstand kann man ihn sehen. Allerdings wird eine Schutzrune, sollte sie sorgfältig angefertigt worden sein, nie auf einer Person selbst sichtbar.«   *****   Der Magus nickte zu sich selbst, schloss das Buch wieder und platzierte es wieder zu dem Stapel mit den Schutzrunen. Die eingebrannte Magie, welche in den Pergamenten schlummerte würde ewig erhalten bleiben, bis sie genutzt werden würden. Seine Liebe zu Riwena, würde ebenfalls ewig währen, selbst über seinen Tod hinaus.   Dreorwyn blickte über die unterste Regalreihe. Die Bücher der Magie, die dort gestapelt waren, würden Riwena weniger von Nutzen sein, aber vielleicht würde sie von ihnen etwas lernen. Vielleicht, dass Magie nicht nur schlecht war. Oder sie würde sie jemanden der anderen Animae Lupi geben, der sie gebrauchen konnte, oder einem verlorenen Kind...   Er richtete sich wieder auf. Sein Blick blieb an einem Stapel zusammengebundener Briefe hängen, die in dem angrenzenden Regal gestapelt lagen. Dieses Regal war vermutlich das unübersichtlichste. Überall lagen Schriftrollen, versiegelte aber nicht abgeschickte Briefstapel, Skizzen und Zeichnungen, Bücher, entweder noch heil, oder zerfleddert und teilweise zerrissen und Pergamentfetzen herum.   Doch diese zusammengebundenen Briefe ließen sein Herz erwärmen. Der Mann nahm sie und band das Paket liebevoll auseinander. Wie gerne er doch diese Briefe las. Diese Zeit konnte er sich noch nehmen, danach müsste er aufbrechen. Schließlich wollte er nicht zu spät kommen. Über den Nachmittag bis  zum Abend füllte sich für gewöhnlich das Weitblicktal mit den Animae Lupi. Sei es für eine Besprechung, eine zeremonielle Aufnahme in ihre Gemeinschaft, oder weil sie zusammensaßen, etwas aßen und über den Tag sprachen. Am Abend nahm man die Mitglieder der Gemeinschaft mehr denn je wahr.   Als Dreorwyn seine Kammer in der Bank von Dalaran aufgesucht hatte, war es noch Nacht gewesen. Jetzt würde es bestimmt bereits Dämmern und die Frühaufsteher gingen ihren Geschäften und den täglich anfallenden Arbeiten nach. Selbst er, war bis gestern noch so früh aufgestanden, um für seinen Meister zu schmieden, Edelsteine in ihre Formen zu schleifen, oder feine Gravuren zu ziehen. Doch diese Arbeit hatte er nun nicht mehr.   Er hatte über zwei Jahre diese ganzen Schätze, die sich in dieser Kammer befanden gesammelt, gekauft und gefertigt. Nicht um - wie so viele dachten, mit denen er hier in Dalaran oberflächlichen Kontakt pflegte - sich für einige Jahre zurückzuziehen, einen Hof zu kaufen und Glück in der ländlichen Ruhe zu finden. Nun gut, vielleicht hätte er das sogar getan, wenn es das Schicksal nicht anders, besser mit ihm gemeint gehabt hätte. Doch jetzt wo Dreorwyn so darüber nachdachte, waren dass doch wirklich sehr absurde Gerüchte gewesen. Nein, dies alles hatte er für Riwena angehäuft. Für den Fall, dass er - aus welchen Gründen auch immer - verhindert war und nicht selbst seinen Schutz und seine Unterstützung bieten konnte, könnte sie dies in ihrer Not finden und möglicherweise auch nutzen.   Wohlstand, Hinterlassenschaften, Schutz, Macht und unter anderem Gewissheit und Wahrheit.   Dreorwyn hatte das Band von dem Briefpaket gelöst und nahm den ersten vom Stapel. Es waren an und für sich nur zusammengefaltete Briefe, bereits versiegelt um verschickt zu werden. Er selbst hatte sie bis vor wenigen Wochen noch verfasst, über einen Zeitraum von fast einem halben Jahr, in dem er in Dalaran seiner Arbeit nachgegangen war, oder mehr oder weniger festgesessen hatte, als Lady Proudmoore die Stadt von den Sonnenhäschern 'säuberte'.   ***** Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)