Leben nach dem Waisenhaus von Nightprincess ================================================================================ Kapitel 2: Erinnern ------------------- ~~~~~ Mokuba Kaiba ~~~~~ Mokuba befand sich gerade im Kellergewölbe der Kaiba Villa und sah sich zum ersten Mal mit dem Problem konfrontiert, dass sie keinen Platz hatten. Zumindest nicht genug Platz für einen schalldichten Musikkeller. Weiß der Geier, warum sich sein Sohn ausgerechnet für Schlagzeug interessieren musste, er war erst sechs. Aber gut, wenn er sich zu Weihnachten einen Musikkeller wünschte, inklusive Schlagzeug und allem was dazu gehörte, dann sollte er ihn auch bekommen. Leider hatte der Junge hier unten schon einen Karaoke Raum, einen Raum für seine riesige Modeleisenbahn und einen eigenen Partykeller mit eingebauter Theke, weil er im letzten Jahr darauf bestanden hatte, seinen Kindergeburtstag im Keller zu feiern, anstatt in einem der großen Säle der Villa. Wenn man dann auch noch den Weinkeller, die riesige Vorratskammer, den Fitnesskeller und die große Kühlkammer hinzuzählte, blieb kaum noch Raum für irgendetwas. Dem Schwarzhaarigen blieb also nichts anderes übrig, als einen der zwei Lagerräume im hinteren Bereich auszuräumen und umzubauen. Heute war Sonntag, Termine hatte er keine und seine Frau war mit seinem Sohn bei seinem Bruder im Ferienhaus, sie würden erst am Mittwoch wiederkommen. Er hatte also Zeit und Ruhe. Außerdem sollte das hier ja eine Überraschung für Eric werden, er sollte also nichts davon mitbekommen. Mokuba stand nun vor den unzähligen Kisten und seufzte niedergeschlagen. Es wäre natürlich einfacher, wenn er einfach irgendjemanden damit beauftragen würde, einen der Lagerräume zu säubern, das würde dann aber vermutlich bedeuten, dass der gesamte Inhalt dieser Kisten ungesehen im Container landete. In den Jahren, in denen er hier schon wohnte, und mit Sicherheit auch schon davor, hatte sich hier unten eine ganze Menge Zeug angehäuft. Nicht auszudenken, was alles verloren gehen könnte, würde er nicht alles erstmal ausgiebig unter die Lupe nehmen. Hier lagerten nicht etwa wertvolle Dinge wie Kunstgegenstände oder dergleichen, denn dafür hatten sie ein eigenes Lagerhaus am Domino Pier. Auch wichtige Akten der Kaiba Corporation waren hier nicht zu finden, denn heutzutage wurde alles nur noch digitalisiert. Was hier unten fein säuberlich in Kisten verpackt auf das Ausräumen wartete, waren Erinnerungen aus, wie Mokuba fast befürchtete, Jahrzehnten. Erneut seufzte er niedergeschlagen und schnappte sich gleich die erste Kiste aus dem Regal direkt neben der Tür. Beschriftet war sie mit: ‚Babysachen Eric‘. Er öffnete die Kiste mit einem Lächeln. Ja, das waren schöne Erinnerungen. Sein Sohn. Er nahm aus der Kiste einen hellblauen Strampler heraus, den Eric nur zwei Wochen getragen hatte, bis er ihm zu klein wurde. Damals konnte man beinahe zusehen wie er wuchs. Seufzend faltete er den Strampler wieder zusammen und legte ihn zurück. Er schloss die Kiste wieder und trug sie hinaus in den breiten Flur, um sie dort an der rechten Wand abzustellen. Er würde später mit Rebecca reden, ob man diese Sachen wirklich aufbewahren musste oder ob es vielleicht nicht sinnvoller wäre, sie an ein Waisenhaus zu verschenken, immerhin war es Mitte Dezember und Weihnachten stand vor der Tür. Eric würde die Sachen mit Sicherheit nicht mehr tragen und ob sie nochmal einen Sohn bekamen, war auch nicht klar. Und selbst wenn, könnten sie sich neue Sachen kaufen und waren auf die alten Babysachen gar nicht angewiesen. Nachdenklich nahm Mokuba die zweite Kiste aus dem Regal und lass: ‚Spielkiste Eric‘. Er musste nicht hineinsehen, um zu wissen, was sich darin befand. Es war ausgedientes Spielzeug, mit dem Eric einfach nicht mehr spielen wollte. Er würde mit ihm reden und ihn fragen, was denn mit den Sachen passieren soll. Vielleicht könnte man das auch an ein Waisenhaus verschenken. Also stellte der Schwarzhaarige die Kiste zu der anderen auf die rechte Seite des Flurs. Die dritte Kiste, die er dann aus dem Regal nahm, war etwas kleiner und hatte die Aufschrift: ‚Hochzeitskleid‘. Grinsend öffnete Mokuba sie und schaute fast ehrfürchtig hinein, ohne sich sonst irgendwie zu rühren. Er wagte nicht, das Kleid aus der Kiste zu nehmen, aus Angst er könnte es zerknittern. Es war zwar fein säuberlich in Folie verpackt und zusammengelegt, aber das spielte für ihn keine Rolle. Mokuba konnte sich noch gut an seine Hochzeit erinnern und an das Kleid, das Rebecca trug. Sie hatte sich damals für pink entschieden, scheinbar ihre Lieblingsfarbe. Und doch sah sie darin einfach hinreißend aus. Allerdings musste er sich eingestehen, dass das Kleid, das sie später am Abend getragen hatte, als die eigentliche Hochzeitsparty standfand, noch um einiges besser ausgesehen hatte. Für die Hochzeit selber wäre das Kleid aber eher unpassend gewesen, da es zu sexy war. Lachend schloss der Schwarzhaarige die Kiste wieder und schrieb neben der Aufschrift: ‚Hochzeitskleid’ noch den Hinweis: ‚Nicht wegwerfen‘ hinzu. Damals auf der Hochzeitsparty hatte es sich Seto nicht nehmen lassen, wenigstens einmal mit Rebecca zu tanzen. Das Bild der Beiden hatte Mokuba auch heute noch in seinem Kopf. Hätte er Rebecca nicht gerade erst geheiratet, wäre er wahrscheinlich an diesem Abend vor Eifersucht geplatzt. Aber so sah er einfach nur stolz auf seine Frau und seinen großen Bruder, seine Familie und schoss kurzerhand ein Foto, welches bis zum heutigen Tage oben im großen Speisesaal seinen angestammten Platz an der Wand gefunden hatte, zwischen anderen wichtigen Erinnerungen. Ein wenig verträumt stellte der Schwarzhaarige die Kiste auf den Flur, allerdings diesmal auf die linke Seite des Ganges. Er würde später einen anderen Platz für sie suchen müssen. Die vierte Kiste, die er aus dem Regal zog, war mit ‚Setos alte Sachen‘ beschriftet. Mokuba wurde neugierig. Er hatte keine Ahnung wer diese Kiste zusammengestellt hatte, entweder war es Rebecca oder sein Bruder selbst, was er sich aber schwerlich vorstellen konnte. Er schaute hinein und seine Augen weiteten sich erstaunt. In der Kiste lagen doch tatsächlich, kurz zählte er durch, vier von Setos weißen Mänteln, die er sehr gerne getragen hatte. Mokuba hatte angenommen, dass Seto die Mäntel mit in das Ferienhaus genommen hatte, als er sich, zwei Monate nach seiner Scheidung, dahin zurückzog. Doch anscheinend war dies nicht der Fall, denn alle seine Mäntel befanden sich in dieser Kiste. Mehr hatte er damals nicht anfertigen lassen. Unsicher, was er mit den Mänteln anstellen sollte, schloss der Schwarzhaarige die Kiste wieder und stellte sie vorerst links neben der Kiste mit dem Hochzeitskleid ab. Er würde heute im Laufe des Tages mit seinem Bruder telefonieren und ihn fragen, ob er die Mäntel behalten wollte. Zwei Stunden verbrachte Mokuba damit, jede einzelne Kiste nach seinem Inhalt zu überprüfen und links oder rechts auf dem Gang vor dem Lager abzustellen. Es war eine schweißtreibende Arbeit, denn einige der Kisten waren verdammt schwer. Er hätte natürlich ein paar Bedienstete fragen können, die ihm beim Tragen halfen, aber die hatten mit ihren eigenen Arbeiten in der riesigen Villa schon genug zu tun, der Schwarzhaarige wollte sie damit nicht behelligen. Und jetzt war er ohnehin fast fertig mit dem Ausräumen. Nur ein paar alte Pappkartons, die nicht sehr schwer aussahen, standen noch herum. Leider waren diese nicht beschriftet, was für Mokuba bedeutete, dass er jeden einzelnen Karton genauestens nach seinem Inhalt überprüfen musste. Vorsichtig zog er einen Pappkarton aus dem Regal, schaute hinein und keuchte erschrocken auf. In dem Karton befand sich altes Spielzeug. Spielzeug, das Gozaburo Seto damals weggenommen hatte, um ihn zu bestrafen, weil er angeblich von diesen ganzen Spielsachen abgelenkt wurde und nicht genügend lernte. Damals hatte Mokuba seinem Bruder wenigstens das Duell Monsters Deck wieder zurückgebracht und auch ein von ihm selbst gemaltes Bild eines Blue Eyes White Dragon. Seufzend schaute sich Mokuba den Inhalt des Pappkartons genauer an, das Spielzeug war wirklich sehr alt, es lag immerhin schon 20 Jahre hier unten. Eine alte Holzeisenbahn, dessen Farbe einmal rot glänzte und nun nur noch matt und blassrosa war. Ein alter brauner Teddybär, dessen linkes Auge fehlte. Ein altes zusammenklappbares Schachbrett ohne Schachfiguren. Ein ausgeblichenes Mau-Mau Kartenspiel. Ein weißer Plüschhund mit nur einem Schlappohr. Ein platter Fußball. Zwei Federballschläger, bei dem die meisten Saiten bereits gerissen waren. Eine zerbrochene Frisbeescheibe. Ein paar Actionfiguren, bei denen die Farbe abblätterte. Eine Handvoll kleiner Spielzeugsoldaten, denen zum Teil die Köpfe oder einige Gliedmaßen fehlten. Traurig schloss der Schwarzhaarige den Pappkarton wieder, diese Sachen waren leider nicht mehr zu gebrauchen und auch wenn es ihm sehr schwer viel, er würde sie als Abfall aussortieren. Beinahe schon ängstlich nahm Mokuba den zweiten Pappkarton aus dem Regal und öffnete ihn. Er blinzelte leicht und konnte es nicht fassen. In dem Karton lag Setos alte braune Tasche, die er damals im Waisenhaus bei sich hatte und auch die blaue Umhängetasche, die Mokuba sein eigen nannte, lag hier drin. Aber wie kamen die hierher? Gozaburo hatte die doch weggeworfen, weil sie alt und schäbig waren und nicht in seinen Vorzeigehaushalt hineinpassten? Schockiert setzte der Schwarzhaarige sich auf den kalten Fußboden des Lagers und holte seine eigene Umhängetasche aus dem Karton. Er schaute hinein und fand, außer ein paar bemalten Blättern und ein paar alten Buntstiften, jedoch nichts Besonderes darin. Angestrengt dachte er nach. Irgendetwas sagte ihm, dass da noch etwas in dieser Tasche sein musste, er konnte sich aber nicht daran erinnern, was es war. Mokuba durchsuchte die kleine Tasche genauer und entdeckte innen an der Seite einen fast unsichtbaren Reißverschluss. Ganz vorsichtig öffnete er ihn und griff in die kleine Seitentasche, um zu sehen, ob sich etwas darin befand. Er ertastete etwas, was sich nach Papier anfühlte und zog es heraus. Zwischen den Fingern hielt der Schwarzhaarige nun ein ganz klein zusammengefaltetes Zeichenblatt. Vorsichtig, um das Blatt nicht zu zerreißen, faltete er es auseinander und schnappte nach Luft. Auf dem Zeichenblatt war mit Buntstiften ein Bild aufgemalt, es war eine Abbildung von ihm und Seto als Kinder in einer liebevollen Umarmung, darunter stand in etwas krakeliger Schrift ‚für immer zusammen‘. Und ganz unten in einer Ecke hatte jemand einen kleinen, blonden Kopf mit Hundeohren und eine kleine Hundepfote gezeichnet, daneben die Worte ‚damit ihr mich nicht vergesst‘. Mokuba blinzelte. Er konnte sich nicht an dieses Bild erinnern. Wer hatte es gezeichnet? Stand irgendwo vielleicht ein Name drauf? Suchend drehte er das Blatt um und starrte auf keuchend auf die Worte, die auf der anderen Seite des Blattes geschrieben standen: „Für Seto und Mokuba, damit wir immer Freunde bleiben, euer Hündchen Joey“ Aber wie war das möglich? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)