Leben nach dem Waisenhaus von Nightprincess ================================================================================ Kapitel 1: Vergessen -------------------- ~~~~~ Joey Wheeler ~~~~~ Joey war in seinem Leben schon vieles gewesen, Waisenkind, Gangmitglied, Raufbold, Duellist. Nach der Schulzeit hatte er angefangen als Profigamer zu arbeiten, leider war er darin nicht sehr erfolgreich. Er zeugte ein Kind mit Mai, zog mit ihr zusammen, heiratete sie, wurde wieder von ihr geschieden, weil es nicht mehr so richtig zwischen ihnen funktionierte und er mehr schlecht als recht für den Lebensunterhalt der Familie sorgen konnte und Mai irgendwann einfach die Nase voll hatte. Der Blonde brachte sich selbst Gitarre spielen bei und war für eine Weile Gitarrist in einer kleinen Band, die sich allerdings nach einem Jahr auflöste. Später versuchte er sich als Türsteher in einer Bar, bekam allerdings eine Anzeige wegen Körperverletzung von einem angetrunkenen reichen Schnösel, den er rausgeworfenen hatte. Er landete aufgrund dessen für zwei Monate im Knast. Als er rauskam, war er nicht mehr derselbe. Er hielt sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser, hatte immer gerade genug Geld um seine Miete für die Einzimmerwohnung, die sich in einem kleinen Dorf etwas außerhalb von Domino in einem Wohnblock befand und in der er seit der Scheidung wohnte, zu bezahlen und für alle anderen laufenden Rechnungen. Er war hochverschuldet und würde wohl sein Leben lang die Raten dafür abbezahlen müssen. Am Essen sparte er sehr häufig, auch Kleidung und sonstige Dinge leistete er sich nur im äußersten Notfall. Reisen hatte Joey schon seit seiner Scheidung kaum unternommen, auch sonstige Vergnügungen gehörten nicht zu seinem Alltag. Filme sah er sich nur noch im Internet an, auf illegalen Webseiten. Kinos hatte der Blondschopf schon seit sechs Jahren nicht mehr von innen gesehen und auf seinem alten Röhrenfernseher hatte er nur zehn Programme, auf denen allesamt meist nur Schrott lief. Wenn er Bücher lesen wollte, versuchte Joey meist, diese irgendwie im Internet runterzuladen, nicht alles, was er suchte, fand er auch, aber das war ihm egal. Ebenso verfuhr er mit Musik. Vor zwei Jahren hatte er angefangen, sich für Grafikdesign zu interessieren und sich über das Internet einiges an Wissen angeeignet, Programme runtergeladen und sogar für ein paar Leute Webseiten erstellt, anfangs noch ohne Bezahlung, doch später bekam er sogar Geld dafür. Leider hielten sich seine Aufträge in Grenzen, er konnte nicht davon leben. Joey wollte vergessen was war. Wollte die Vergangenheit hinter sich lassen. Allerdings machte die Zukunft ihm Angst, also versuchte er im Hier und Jetzt zu leben. Die Gegenwart war das Einzige, was für ihn zählte. Damals in der Schule hatte er noch Hoffnungen, Träume. Doch Seto Kaiba hatte sie alle zerschlagen. Hatte ihn einfach nicht wiedererkannt, nicht erkennen wollen. Und das obwohl er versprochen hatte, dass er ihn nie vergessen würde, dass sie sich eines Tages wiedersehen würden. Er hatte es sogar geschworen! Anfangs hatte Joey wirklich noch daran geglaubt, dass Seto sich irgendwann doch noch erinnern würde, an die gemeinsame Zeit im Waisenhaus, er hatte sogar angefangen wieder das Amulett zu tragen, das Seto und Mokuba ihm damals geschenkt hatten, bevor Gozaburo sie damals adoptierte. Selbst Mokuba schien ihn vergessen zu haben, doch ihm machte Joey keinen Vorwurf, er war damals erst sechs, kleine Kinder vergessen schmerzhafte Erfahrungen meistens recht schnell. Und der damalige Abschied musste für ihn sicher sehr schmerzhaft gewesen sein. Manchmal hatte Joey darüber nachgedacht, den Brüdern einfach alles zu erzählen, ihnen als Beweis das Amulett zu zeigen, in denen man noch immer ihre Namen lesen konnte, wenn man genau hinsah. Damals im Waisenhaus hatten sie das Amulett aus einer Aluplatte ausschneiden und ihre Namen eingravieren lassen, ebenso das Kanji für Freundschaft. Doch am Ende hatte sich der Blonde dagegen entschieden, er wollte sich nicht in dieses eigentlich ziemlich heile Familienbild der Kaiba-Brüder drängeln. Außerdem hatte er ja seine Schwester wieder, von der er sich allerdings in einer stillen Minute das Versprechen geben ließ, nicht mit Seto oder Mokuba über die Vergangenheit im Waisenhaus zu sprechen. Was Joey allerdings am meisten wurmte, war die Tatsache, dass Seto Kaiba ein arrogantes Arschloch geworden war. Nichts erinnerte mehr an den kleinen, liebevollen Jungen, den er damals im Waisenhaus kennenlernen durfte. Nur manchmal, wenn Seto seinen kleinen Bruder ansah, konnte man erkennen, dass doch noch etwas von dem alten Seto tief in seinem Inneren schlummerte. Joey war neidisch, weil der Braunhaarige nur seinen Bruder so ansah, sich allerdings nicht mehr daran erinnern konnte oder wollte, wer damals noch an seiner Seite war. Sie hatten damals sogar mehrmals in einem Bett geschlafen, sie hatten sich geküsst! Wie konnte Seto so etwas nur vergessen? Wie konnte er es wagen, ihn als einen Köter zu beschimpfen oder als Versager, wo er doch wusste, wie schmerzhaft diese Worte für Joey sein würden? Immerhin wusste Seto, aus welchem Grund der Blondschopf mit seiner Schwester überhaupt im Waisenhaus gelandet war und was sie vorher hatten ertragen müssen. An manchen Tagen war Joey so wütend, dass er sich am liebsten auf den brünetten Firmenleiter gestürzt und ihm die Wahrheit ins Gesicht geprügelt hätte. Außerdem schuldete er ihm noch immer eine Ohrfeige. Es machte ihn rasend vor Wut, dass Seto sich nicht erinnerte. Er hatte versucht, ihn zu hassen. Es gelang ihm nicht. Spätestens als Noah die beiden Brüder in der virtuellen Welt zu Stein erstarren ließ, hatte der Blonde erkannt, dass es egal war, ob die beiden sich nun an ihn erinnerten oder nicht. Sie waren ihm noch immer wichtig. Und er würde sie nie im Stich lassen. Egal was passierte. Dennoch machte ihm diese Erkenntnis die ganze Sache nicht viel einfacher. Ständig versuchte Joey die Aufmerksamkeit Setos auf sich zu lenken, mit allen Mitteln. Er forderte ihn zum Duell heraus, stritt mit ihm, gab ihm Widerworte, beschimpfte ihn sogar, nur um nicht von ihm ignoriert zu werden. Er fühlte sich jedes Mal elend dabei. Es zerriss ihn innerlich. Mai war damals eine willkommene Ablenkung. Aber als Marik damals während des Schattenduells dafür sorgte, dass Mai sich nicht mehr an den Blonden erinnerte, hätte er schreien können vor Verzweiflung. Joey hätte es nicht noch einmal ertragen, einfach von einer geliebten Person vergessen zu werden. Mit allen Mitteln hatte er versucht, Mai aus dieser Hölle zu befreien. Und doch musste er sich damals geschlagen geben. Seine Kraft reichte nicht, um gegen Marik zu bestehen. Damals war es Yugi, der zusammen mit dem Pharao alles zum Guten wendete. Als Mai damals seine Seele mit diesem Orichalcos Siegel einfangen wollte, war der Blondschopf bereit, sich zu opfern, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern. Für Seto und Mokuba hätte er damals dasselbe getan, ebenso natürlich für Yugi und Tristan und vielleicht auch für Duke und Rebecca. Joey wollte nicht vergessen werden, er hasste es, wenn man ihn ignorierte, es machte ihm Angst. Damals schon, als seine Mutter einfach die Familie verlassen hatte und sich danach erneut von ihm abwandte und einfach im Waisenhaus zurückließ, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Es waren damals harte Zeiten gewesen, lange hatte er alleine das Viererzimmer bewohnt, weil es keine Neuzugänge gab, allerdings auch kein anderes kleineres Zimmer, das gerade frei war. Manchmal in der Nacht ertappte er sich dabei, dass er schlafwandelnd in Setos leeres Bett hochgekrabbelt war, um sich dort zusammenzurollen. Am Tage verhielt er sich wie ein fröhlicher Junge, lachte, scherzte, alberte mit den anderen Kindern herum. Frau Shima war vermutlich die Einzige, die trotz allem den Schmerz in Joeys Seele erkennen konnte, immerhin hatte sie dafür gesorgt, dass ihre Tochter Kaori ihn damals adoptierte. Eine Zeitlang lief sogar alles Bestens. Kaori war eine gute Ersatzmutter, allerdings war sie noch sehr jung, der Altersunterschied war einfach zu gering, um ein echtes Mutter-Sohn-Verhältnis aufbauen zu können. Joey hatte sie stets mit Namen angesprochen, nie mit Mutter oder ähnlichen Begriffen. Trotzdem war sie immer für ihn da und auch heute noch, obwohl sie längst nicht mehr in seiner Nähe wohnte und er nur noch sporadisch mit ihr Kontakt hielt. Mit Mai lief das ähnlich. Auch nach der Scheidung standen sie regelmäßig in Kontakt, aber vermutlich eher notgedrungen aufgrund ihrer gemeinsamen Tochter, für die er Unterhalt zahlte, sofern ihm das möglich war. Seine Tochter Vanessa war mittlerweile 13 Jahre alt und fuhr auch schon alleine mit dem Zug, so dass es recht günstig war, wenn sie das Wochenende bei ihrem Vater verbringen wollte, was sie in der Regel alle zwei Wochen tat und in den Ferien auch mal für längere Zeit. Es war schwer für Joey gewesen, seine Tochter in Mais Obhut zu lassen, aber er hatte eingesehen, dass sie besser für Vanessa sorgen konnte, immerhin hatte sie ein gutlaufendes Gamecenter mitten in der Innenstadt von Domino City und ein schönes Haus. Er selbst hatte nur dieses eine Zimmer, wenn seine Tochter bei ihm übernachtete, musste er jedes Mal ein Klappbett aufstellen, da er sonst ja nur ein Bett besaß. Langsam wurde es aber komplizierter, da seine Tochter erwachsen wurde. Irgendwann würde sie es nicht mehr so gut finden, mit ihrem Vater in einem Zimmer zu schlafen. Der Blondschopf hatte Angst davor, dass sie dann nicht mehr zu ihm kommen wollen würde. Er stand zwar übers Internet und Telefon regelmäßig mit ihr in Kontakt, aber persönliche Gespräche und gemeinsame Unternehmungen waren trotzdem noch etwas ganz anderes. Joey hatte sich vorgenommen, nicht mehr zurückzublicken. Er würde alles hinter sich lassen. Alles vergessen. Und nur noch jeden Tag genießen und so leben, als wäre morgen schon alles vorbei. Er hatte es aufgegeben, sich mit Seto zu streiten, um dessen Aufmerksamkeit zu bekommen. Der Blondschopf wollte einfach nur noch frei sein, frei von diesem tiefen Schmerz. Die Wunden in seinem Herzen waren vernarbt. Es war egal, dass die Kaiba-Brüder ihn vergessen hatten, solange seine Tochter ihn niemals vergaß, war es in Ordnung für ihn. Sein Leben würde weitergehen, auch wenn Seto und Mokuba darin nie wieder eine allzu große Rolle spielen würden. Joey war über den Schmerz hinweg. So dachte er jedenfalls. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)