Mittelerde für Anfänger von Katherine_Pierce (oder Ein Zwerg kommt selten allein) ================================================================================ Kapitel 2: Böses Erwachen ------------------------- Irgendwann tauchte Conny aus der Schwärze, die sie umfangen hatte, wieder auf. Stimmengewirr drang an ihre Ohren. Na super. Das konnte ja nur bedeuten, dass es Zeugen gegeben hatte. 'Alles, was ich schon immer wollte, mich vor Passanten mit dem Fahrrad auf die Fresse legen.', dachte sie zynisch, während sie blinzelte. Andererseits war es wohl ganz gut, dass Jemand in der Nähe gewesen war. Mit viel Pech hatte sie sich eine Gehirnerschütterung zugelegt. Vielleicht hatte sogar Jemand einen Rettungswagen gerufen. Obwohl diese Vorstellung weniger angenehm war. Bisher hatte Conny die Greifswalder Klinik nur zu zwei Anlässen von innen gesehen. Einmal weil sie sich dämlicherweise beim Befüllen ihrer Wärmflasche kochendes Wasser über die linke Hand gekippt hatte- und Junge, Junge, DAS hatte verdammt wehgetan!-, das andere Mal war aus einem noch peinlicheren Grund gewesen. Sie hatte es auf einer Party übertrieben, einer ihrer Kumpel hatte sie heimbringen wollen, da sie ganz in der Nähe gewohnt hatte (das war gewesen, bevor Jasmin und sie zusammengezogen waren). Irgendwann hatte Conny nicht mehr weiter gewollt, ihre gesamten Mageninhalt in einen Grünstreifen entleert und sich anschließend geweigert, auch nur einen Fuß vor den anderen zu setzen. David hatte sich nicht anders zu helfen gewusst, so dass er kurzerhand eben eine Rettungswagen bestellt hatte. Mit dem Ergebnis, dass die Blondine die Nacht in der Notaufnahme und mit Infusion im Arm verbracht hatte. Immerhin war ihr so ein Kater erspart geblieben, aber die Erinnerung an den Zwischenfall war so ungeheuer peinlich, dass sie es möglichst vermied, öfter daran zu denken als nötig. Ihre Freunde zogen sie jedenfalls ab und zu gern damit auf. Von ihnen hatte das noch niemand geschafft. Sogar Connys Eltern, die sie zwei Monate nach dem Vorfall, in Kenntnis gesetzt hatten, hatten sich ein paar amüsierte Bemerkungen und breites Gegrinse nicht verkneifen können. Wenigstens waren sie nicht sauer geworden... so wie sie zunächst befürchtet hatte. „Da, es tut sich was.“, ließ sich eine tiefe, dröhnende Stimme vernehmen. Langsam schlug Conny die Augen vollends auf. Zu ihrer maßlosen Überraschung war von der Umgebung, die sie erwartet hatte, nichts, absolut gar nichts, zu sehen. Kein Asphalt, kein verunglücktes Fahrrad, keine umher stehenden Gaffer, die sie beäugten wie ein exotisches Tier. Nicht die Häuser, die in ihrer Nachbarschaft standen. Keine Autos, keine Bäume. Nein, tatsächlich gab es Bäume, allerdings standen diese nicht in Grünstreifen am Straßenrand. Irritiert sah Conny sich um. Und wollte am Liebsten gleich wieder in Ohnmacht fallen. Eine Gruppe bärtiger Männer in Rüstung stand um sie herum. Das musste sie sich einbilden. Vielleicht hatte sie sich so sehr den Kopf angeschlagen, dass sie jetzt halluzinierte? Sich Dinge einbildete? „No fucking way...“, nuschelte sie, während sie ihre Hand hob, um ihren Schädel zu betasten. Er dröhnte innerlich leicht, aber der Hinterkopf war unversehrt geblieben, wie es schien. Dafür klebte Blut an ihren Fingern als ihre Stirn überprüfte. Super. Platzwunde ahoi. Jasmin würde ihr sicher eine Predigt darüber halten, dass Fahrrad fahren ohne Helm (hallo? Niemand, der über zehn war, trug einen Fahrradhelm!) gefährlich war. „Geht es dir gut?“, erkundigte sich einer der Bärtigen. Conny wandte den Kopf in seine Richtung und blickte in besorgt schimmernde blaue Augen. Das markante Gesicht des Kerls wurde von blondem Haar umwölkt. Aber besonders die geflochtenen Zöpfchen seines Barts fielen ihr auf. „No fucking way!“, wiederholte sie, diesmal allerdings so laut, dass man sie sehr gut verstehen konnte. Der blonde Kerl musterte sie noch immer, dann sah er kurz zu seinen Gefährten. „Heißt das ja oder nein?“, wollte er wissen. Doch darauf konnte ihm niemand antworten. Stattdessen sahen die anderen bärtigen Gestalten ähnlich ratlos drein. Was Conny Gelegenheit gab, sich zu Wort zu melden. Sie beschloss außerdem, dass es wohl klüger war, die Frage, ob sie halluzinierte auf später zu vertagen. Die Kopfschmerzen waren schlimm genug. Und vielleicht konnte ihr ja jemand was dagegen geben. Auch, wenn sie bezweifelte, dass einer der Anwesenden eine Ibuprofen springen lassen würde. „Ich blute am Kopf und fühle mich, als wär mir ein Hinkelstein drauf gefallen. Also nein, mir geht’s nicht gut.“, meldete sie sich mosernd zu Wort. Beinahe augenblicklich lag alle Aufmerksamkeit auf ihr. „Was ist ein Hinkelstein?“, wollte ein dunkelhaariger Typ mit keckem Blick wissen. Neugier stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Conny verdrehte nur leicht die Augen. Konnte ihr keiner erzählen, dass er Asterix und Obelix nicht kannte. „Ich glaub, ich spinne.“, kommentierte sie daher nur, was jedoch dazu führte, dass es einen genauso blöden Gegenkommentar gab. „Ach ja? Ich sehe kein Spinnrad. Wie wollt Ihr spinnen?“ Der Sprecher entpuppte sich als Glatzkopf mit braunen Wallebart und finsterer Miene. Wenn Conny es nicht besser gewusst hätte, hätte sie ihn als Dwalin identifiziert. Aber das konnte nicht sein, weil der nämlich fiktiv war. Und sie hatte sich ja schon viel eingebildet, doch so krass war nicht mal ihr Hirn drauf. Hoffte sie wenigstens, weil sie sich sonst überlegen musste, ob es nicht doch sinnvoll wäre, sich in Therapie zu begeben. Bevor sie den Mund aufklappen und eine unflätige Bemerkung machen konnte, kam ihr ein älterer Mann mit grauem Haar und kunstvoll geflochtenem Bart zuvor. „Lasst mich mal sehen. Gegen den Kopfschmerz kann ich Euch etwas geben.“ Wie vom Donner gerührt nickte die Blondine lediglich. War das jetzt Nori oder Dori? Nicht, dass das wirklich von Belang gewesen wäre, schließlich spielte ihre Wahrnehmung ihr einen sehr lebhaften Streich. Solange es dauerte, würde sie eben mitspielen. Was sie daran erinnerte, dass sie Jeans, eine Übergangsjacke und darunter ein ganz normales Oberteil trug. Nun ja, normal für ihre Standards. Und da war ja auch noch ihr Rucksack. Dessen Schulterriemen streifte sie ab, achtete aber darauf, dass niemand auf die Idee kam, dem guten Stück auch nur zu nahe zu kommen. Immerhin befanden sich ihre Barschaft und ihr Haustürschlüssel darin. Inzwischen machte der Grauhaarige sich an seinem Equipment zu schaffen. Dann reinigte er ihre Wunde- es brannte nicht, konnte also nur Wasser sein- und machte Anstalten, sie zu nähen. Da reichte es der Blondine wieder. „Kommt gar nicht in Frage!“, ereiferte sie sich, „Das ist doch nur ne popelige Platzwunde. Pflaster drauf und gut ist.“ Doch ihr Protest wurde total missachtet. Der Grauhaarige wies zwei seiner Gefährten an, sie festzuhalten. Obwohl Conny sich energisch wehrte, kam sie gegen die Kraft der Beiden nicht an. Als sie wild zu strampeln begann, griffen sich Blondie (in einem anderen Universum als Fili bekannt) und sein ebenso attraktiver, wenn auch dunkelhaariger Bro aka Kili ihre Beine. Derart ruhig gestellt sah die junge Frau keinen anderen Ausweg als laut loszubrüllen. Fast so als wollte man sie häuten, statt sich um ihre Verletzung zu kümmern. Erschrocken zuckten die Typen zurück, was Conny nutzte, um ihre Gliedmaßen an sich zu bringen. „Bleibt mir bloß vom Leib! Das ist ja gemeingefährlich!“, ereiferte sie sich. Hastig schnappte sie sich ihren Rucksack, durchwühlte die Taschen und musste feststellen, dass sie nicht mal eine Packung Taschentücher einstecken hatte. Eine einsame Damenbinde purzelte ihr bei ihrer Durchsuchungsaktion in die Hand. Prompt wurde sie rot. Verdammt, wie peinlich! „Ist das ein Pflaster?“, fragte der Typ, der Filis Klon hätte sein können vorsichtig. Nach einem kurzen Blick in die Runde stellte Conny fest, dass anscheinend keiner der Anwesenden auch nur den geringsten Peil hatte, was sie da in der Hand hielt. Auch gut. Erleichterung durchströmte sie. „So was in der Art.“, gab sie zurück, während sie die Binde aus ihrer Verpackung holte. Dann erkundigte sie sich nach einer Schere. Eine kleine Gestalt, kaum größer als ein Kind, kam mit einer solchen schließlich an. Genau wie bei Fili, Kili, Dwalin und dem Grauhaarigen- Conny wusste noch immer nicht sicher, ob das nun Nori oder Dori war(tatsächlich war es keiner der beiden, sondern Óin)- sah der kleine Kerl Bilbo Beutlin zum Verwechseln ähnlich. Was für ein krasser Trip. Rasch hatte Conny die Binde so zerschnippelt, dass sie als Pflaster durchgehen konnte. Sie brauchte jetzt nur noch etwas, um das Ganze zu befestigen. Aber da kam Dori-Nori, oder viel mehr Óin, zum Einsatz, denn schlauerweise hatte er Verbandszeug parat. Gut sortiert war er, das musste man ihm schon lassen. Wenn man als Einziger in einer Reisegruppe zum Sani ausgebildet war, blieb einem wohl kaum was Anderes übrig. Conny jedenfalls kam das gelegen. Keine Minute später hatte sie also ihren Willen bekommen. Die Blutung würde von dem behelfsmäßigen Pflaster hoffentlich gestoppt werden. „So Leute, war schön mit euch. Aber ich hab heute noch andere Pläne. Danke für die Hilfe, ich muss jetzt heim.“ Mit diesen Worten erhob die Studentin sich, angelte nach ihrem Eastpak und sah sich um. Das Waldstück, in dem sie sich befand, kam ihr unbekannt vor. Es hätte echt überall sein können. „Ihr habt nicht zufällig mein Fahrrad gesehen?“, fragte sie in die Runde. „Euer was?“, hakte ein gedrungener, weißhaariger Mann nach, der genauso gut als Weihnachtsmann hätte durchgehen können-hätte Tolkien ihn nicht schon Balin genannt. „Mein Fahrrad.“, wiederholte Conny ungeduldig. Langsam nervten diese Hirngespinste sie. Sie würde noch zu spät zu ihrem Treffen kommen, wenn das so weiter ging. Zumal sie gehofft hatte, dass die Halluzination aufhörte, sobald sie medizinisch versorgt war. Leider schien das nicht der Fall zu sein. Eine Tatsache, die sie unglaublich nervte. So gern sie die Hobbit-Filme mochte und so oft sie auch fantasiert hatte, sich mal nach Mittelerde zu beamen, im Moment wollte sie nur eins: nach Hause. „Ist das Euer Reittier?“, hakte der Balinverschnitt nach. Derweil sahen die anderen in der Gruppe sich um. Es schien fast so als hielten sie Ausschau nach Connys Drahtesel. „Könnte man so sagen.“, brummte sie. „Wir können nichts entdecken.“, erklärte Kilis Klon entschuldigend, „Aber vielleicht solltest du dich nicht allein auf den Heimweg machen. Wo lebst du überhaupt?“ So gerade eben konnte Conny sich ein genervtes Seufzen verkneifen. „Geht dich gar nichts an. Und ich kann auf mich aufpassen.“, murrte sie. „Hat man ja gesehen.“, kam es sarkastisch von Dwalins Doppelgänger, was Conny prompt damit quittierte, dass sie dem Glatzkopf die Zunge rausstreckte. Kollektives Luftschnappen war die Folge. Der Studentin war es gleichgültig. Sie hatte Hunger, sie hatte Kopfschmerzen und wollte einfach nur in ihr Bett kriechen und der Welt den Mittelfinger zeigen. Oder die Rote Karte. Bevor die Situation eskalieren konnte trat der Obermacker der Bande auf den Plan. Anscheinend war er mit jemand anders im Gespräch gewesen, einem, im Vergleich zu den restlichen Typen, hochgewachsenen, alten Mann mit spitzem Hut und einem knorrigen Stab. 'Ernsthaft? Ernsthaft?!', schoss es Conny unwillig und ungläubig durch den Kopf. Das durfte doch nicht wahr sein, verdammte Axt! Jetzt tauchten auch noch Thorin Eichenschild und Gandalf hier auf. 'Irgendwas ist echt falsch mit mir.', fügte sie gedanklich hinzu. „Was ist das hier für ein Aufruhr?“, verlangte Thorin mit ruhiger, aber autoritärer Stimme zu wissen. Sofort überschlugen sich alle darin, eine Erklärung zu liefern. Verständlicherweise führte das nur dazu, dass Thorin genauso schlau blieb wie zuvor. Erst als er „Ruhe!“ donnerte, verstummte die Schar. Anschließend wies der Anführer der Bande Balin an, ihm zu berichten, was sich in seiner Abwesenheit zugetragen hatte. Auch Conny hörte aufmerksam zu. Irgendwie musste sie hier ja gelandet sein, obwohl sie noch immer felsenfest davon überzeugt war, dass ihr Unterbewusstsein ihr einfach nur einen total fiesen Streich spielte. Konnte anders nicht sein. Oder doch? Balin berichtete in knappen Worten, wie sie das Lager aufgeschlagen und alles für das Abendessen vorbereitet hatten als wie aus dem Nichts Conny-deren Name bisher natürlich noch niemand kannte- vom Himmel gefallen und in ihrer Mitte gelandet war. Niemand konnte sich erklären, wo sie hergekommen war. Da man aber keine Waffen an ihr entdeckt hatte und sie überdies verletzt war, hatten die Herren beschlossen zu warten bis sie wieder bei Bewusstsein war. Klang so plausibel wie es in dieser Situation sein konnte. Während Balins Erzählung changierten verschiedene Empfindungen auf Thorins Gesicht. Unglauben bis hin zu Misstrauen und Feindseligkeit spiegelten sich darauf wider. Nicht, dass Conny ihm das hätte übel nehmen können. An seiner Stelle wäre es ihr kaum anders gegangen. Immerhin hatte er seine Unternehmung in Bezug auf den Erebor nicht gerade an die große Glocke gehangen. Aus gutem Grund. Wie auch immer, Balin kam zum Ende und sah abwartend Thorin an. Wie übrigens alle anderen Anwesenden auch. Selbst der Gandalf-Klon. Mehrere Minuten herrschte Schweigen. Der König im Exil schien sich die Sache durch den Kopf gehen zu lassen und das in aller Ruhe. Schließlich war er wohl zu einer Entscheidung gelangt. „Nun, wir haben Euch geholfen und Ihr wirkt nicht so als wäret Ihr stark verletzt. Ich denke, dass unsere Wege sich hier trennen werden.“, richtete er das Wort an Conny. „Seh ich auch so. Also, macht's gut und tretet Smaug ordentlich in den Hintern von mir.“ Schwungvoll warf die Blondine sich eine der Riemen ihres Eastpak über die Schulter. Die Stimmung schlug spontan um und das so gewaltig, dass man meinen konnte, nun hätten sie alle einen Schlag auf den Kopf geworfen. „Woher wisst Ihr davon?“, fauchte Thorin in drohendem Tonfall. Zwei der Anwesenden, Dwalin und Glóin-na, jedenfalls Gimlis Vater- vertraten Conny den Weg. Ups. Es war keine gute Idee gewesen, diesen Kommentar abzulassen. 'Scheiße- und jetzt?' Fieberhaft überlegte die junge Frau, wie sie sich aus dem Schlamassel befreien konnte. Wohin sie auch sah, sie erblickte nur finstere Mienen, Hände, die sich an Waffen legten. Conny schluckte. Sie saß echt in der Tinte. Und das nur, weil sie einfach nie ihre verdammte Klappe halten konnte! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)