Mittelerde für Anfänger von Katherine_Pierce (oder Ein Zwerg kommt selten allein) ================================================================================ Kapitel 1: Hit The Floor ------------------------ Donnerstagabend. Viertel vor Sechs, um genau zu sein. Es war lau, der Mai hatte bereits begonnen, Ostern war längst vorbei und so langsam machte sich der anstehende Sommer bemerkbar. Endlich grünte und blühte es wieder in Greifswald, einer Universitäts- und Hansestadt im Osten der schönen Bundesrepublik Deutschland. Das wirkte sich natürlich positiv auf die Laune aller Studenten und Dozenten aus. Es wurde nicht mehr so früh dunkel, die Sonne schien deutlich öfter, der Wind wehte weniger kalt und schneidend. Da machte das Fahrradfahren schon fast wieder Spaß. Selbst wenn man bis Viertel vor Sechs in der Uni hocken musste und ein Seminar zu kognitiver Linguistik besuchte. So interessant Metaphern waren, der Kurs ließ Cornelia, genannt Conny, ordentlich den Kopf rauchen. Sie stand mit Sprachwissenschaft, insbesondere der Englischen, auf Kriegsfuß. Leider erforderte ihr Studium es, dass sie auch diesen Teil der Anglistik mitnahm, obwohl sie lieber darauf verzichtet hätte. Klausuren waren ja schon schlimm genug gewesen. All der Kram, den sie hatte auswendig lernen müssen... Aber eine Hausarbeit schreiben? Darüber konnte die Blondine nur lachen. Sehr zynisch, nebenbei bemerkt. Sie bekam es nicht mal auf die Reihe, einen 10-minütigen Vortrag auf die Beine zu stellen, in dem sie nur ein grobes Konzept zu ihrer Forschungsfrage vorstellen sollte. Langsam verzweifelte sie an der Aufgabe, die ihr unüberwindbar vorkam. Normalerweise fand sie sich nicht dumm, doch in "Cognitive Linguistics: Metaphor and Language" fühlte sie sich absolut minderbemittelt und wie die letzte Idiotin. Wenn wenigstens ihre Mitbewohnerin und gute Freundin Jasmin ebenfalls diesen Kurs besucht hätte. Aber nein, sie hatte sich für "Politeness und Impoliteness" mit Herrn Gerner entschieden. Na herzlichen Glückwunsch! Umso eiliger hatte Conny es, ihre Siebensachen zusammenzuraffen, in ihren Rucksack zu stopfen, wo sich neben ihrem Geldbeutel, einer Flasche Wasser, dem Haustürschlüssel und diversem Krimskrams ihr Collegeblock, ein Semesterplaner und die ein oder andere Lektüre befand. Unter Anderem eine Sammlung der Kinder- und Hausmärchen der Gebrüder Grimm. Zwar studierte Conny Germanistik nur im Beifach, dennoch musste sie Veranstaltungen in der deutschen Philologie besuchen. Und deswegen hatte sie sich für ein Seminar zu Märchen entschieden. Wo sie im Übrigen eindeutig besser mitkam als in kognitiver Linguistik. Kaum hatte sie all ihre Sachen eingepackt, schnappte sie ihre Jacke, schlüpfte in diese und steckte sich die Kopfhörer ihres iPods in die Ohren. Wurde Zeit, dass sie aus dem Institut kam. Donnerstags traf sie sich für gewöhnlich mit einem Kumpel, um The Vampire Diaries zu gucken. Jasmin unkte immer, dass der junge Mann dies nur über sich ergehen ließ, weil er an Conny mehr als nur freundschaftliches Interesse hatte. Allerdings fand die Blondine den Gedanken ziemlich absurd. Es war nicht so als würde sie die Serie nicht mögen, doch donnerstags lästerte sie mit ihm zusammen über alles, was die Produzenten und Schreiber verbockt hatten. Kurz verabschiedete Conny sich von ihrer Dozentin, dann trabte sie auf den Gang hinaus, die Treppe herunter und verließ das Institut. Vor dem Gebäude hatte sie ihr Rad angeschlossen, welches sie nun von seiner "Fessel" befreite. Anschließend schwang sie sich auf den Sattel und sah zu, dass sie Land gewann. Zwar trafen ihr Kumpel und sie sich erst um Sieben, doch vorher wollte sie gern etwas essen. Ihr grummelte bereits seit geraumer Zeit der Magen und das obwohl sie sich mit mehreren Butterbroten und sogar einer Zimtschnecke eingedeckt hatte. Also nichts wie heim, sich an den Herd geschwungen und den Hunger gestillt. Obwohl das Rad fahren in der Fußgängerzone eigentlich verboten war, düste Conny so schnell sie konnte über die paar Meter Kopfsteinpflaster, ehe sie sich in sichereren Gefilden wieder fand. Nun ja, zumindest wenn man mit dem Drahtesel unterwegs war. Man wollte es kau glauben, aber tatsächlich kontrollierte die Greifswalder Polizei ab und zu, ob die zahlreichen Fahrradfahrer der Stadt sich an die StVO hielten. Es war schon vorgekommen, dass Jemand Bußgeld zahlen musste, weil er oder sie in der Fußgängerzone nicht geschoben hatte. Die zehn Euro konnte Conny besser investieren, fand sie. Obwohl sie sowieso ziemlich geizig war und jeden Cent fünfmal umdrehte, ehe sie sich dazu überwinden konnte, ihn auszugeben. Auf dem Weg nach Hause summte sie die Songs mit, mit denen ihr iPod sie beschallte. Da sie im Schlaf wusste, wo sie lang musste, achtete sie nur so sehr wie gerade eben nötig auf die Straße und die anderen Verkehrsteilnehmer. Ihre Gedanken schweiften ab. Tatsächlich nicht zum bevorstehenden Serienabend, sondern ihrem Vortrag, den sie über kurz oder lang würde halten müssen. Frustriert seufzte die Studentin. Ihr wollte partout keine geeignete Forschungsfrage einfallen. Ein paar andere Kursteilnehmer hatten echt coole Ideen gehabt. Christoph Winkelmann zum Beispiel hatte über die Personifizierung des Todes in Comics referiert und als Beispiele Deadpool und den Flash aufgeführt. Dabei hatte Semiotik eine Rolle gespielt, auch wenn Conny seit dem Bestehen von ihrer sprachwissenschaftlichen Klausur (es nannte sich The Linguistic tool-kit und war eine verdammt langweilige Vorlesung) längst erfolgreich verdrängt hatte, was Semiotik eigentlich war. Der Vortrag war gut gewesen, das war für sie die Hauptsache. Es gab nichts Schlimmeres als sich in der Uni zu langweilen. Meistens drifteten ihre Gedanken dann in irgendein Fandom ab. Das taten sie auch jetzt während sie gen Heimat radelte. Tatsächlich überlegte sie, ob sie wohl Game of Thrones oder Tolkiens Werke in irgendeiner Art und Weise für den Vortrag verwursten konnte. Die Mottos der verschiedenen Häuser waren teilweise durchaus metaphorisch, wie die Blondine fand. Man musste nur mal die Martells nehmen. Oder die Targaryens. Oder die Arryns. Aber ohne richtige Forschungsfrage und Hintergrundinformationen und wissenschaftlicher Lektüre konnte sie sich das gleich in die Haare schmieren. Gleiches galt für Tolkien, obwohl sie fest davon überzeugt war, dass irgendwer bestimmt schon auf akademischem Niveau über diverse Themen der Werke geschrieben hatte. Würde sie eben ebscohost prüfen. Da würde sich sicherlich etwas finden lassen. Hoffte sie zumindest. Wenn nicht sah sie reichlich schwarz für das Seminar. Die Dozentin war super, war locker drauf, aber alles hatte seine Grenzen. So beschäftigt mit sich selbst und ihren kleinen Sorgen übersah Conny glatt einen der gemeingefährlichen hohen Bordsteine. In ihrem Dusel war sie mit dem Vorderrad abgedriftet und dabei der Bordsteinkante deutlich zu nahe gekommen. Ehe sie sich versah flog sie kopfüber vom Rad und sah den Asphalt immer näher kommen, während ihr Rad zur Seite wegkippte. 'Scheiße!', schoss es Conny durch den Kopf. Doch da machte sie bereits Bekanntschaft mit dem Boden. Und zwar ziemlich unsanft. Sie hatte zu verzögert reagiert, um ihre Arme abwehrend vorzustrecken, so dass sie den Asphalt regelrecht knutschte und sich vor allem die Stirn ziemlich anschlug. Schmerz explodierte in ihrem Kopf wie eine Stange Dynamit. Tränen füllten ihre blauen Augen, ein Wimmern entrang sich ihrer Kehle. Regelrecht paralysiert von dem Aufprall schaffte sie es nicht, sich aufzusetzen oder sich auch nur zu rühren. 'Scheiße...', dachte sie wieder, während sie versuchte, sich irgendwie zu bewegen und das möglichst ohne dabei loszubrüllen wie am Spieß obwohl sie nichts lieber getan hätte als das. Heiß rannen Tränen über ihre Wangen, während der Schmerz weiter in ihr wütete wie eine Feuersbrunst. Weiße Punkte tanzten in ihrem Sichtfeld, der Asphalt verschwamm vor ihren Augen. Und dann umhüllte sie Schwärze. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)