Aeonar von Phinxie (Willkommen im berühmtesten Magiergefängnis Thedas') ================================================================================ Prolog: Hinter den Mauern Aeonars --------------------------------- Es war kalt. Zu kalt. Die kalten Steine drückten in den schmerzenden Rücken der Person, die verzweifelt und trocken schluchzend in der Zelle, die Beine mit den Armen umschlingend an den Körper gezogen und das unrasierte, dreckige Gesicht mit der Stirn voran an die Knie gelehnt. Es gab keine Tränen mehr, die den Körper des erschöpften Magiers verlassen konnten; denn zu lange, viel zu lange schon, saß er hier in der dunklen Zelle, umgeben von störender Anitmagie, sodass er seine Kräfte noch nicht einmal einsetzten konnte, um für ein wenig Licht zu sorgen. Das schwarze, wirre und strähnige Haar fiel über die leicht bebenden Schultern. Die Gelenke des Mannes schmerzten von dem langen Sitzen an der kalten Wand. Die Antimagie drückte auf seine Schultern; permanent war sie da, jeden Tag, jede Stunde; sie erinnerte sie alle daran, dass sie niemals entkommen konnten. In der kleinen Zelle des eingekerkerten Mannes roch es modrig; so, wie in den verschachtelten Gängen vor den Gitterstäben. Irgendwo quiekte lauthals eine Ratte; ja, selbst die kleinen Nagetiere fühlten sich, gefangen in diesen dunklen Mauern, nicht wohl. Es roch nach Nässe, nach gewissen Körperausscheidungen, nach Blut und Verwesung; denn einige, die in ihrer Zelle einfach starben, meist, ohne ein Laut von sich zu geben, wurden oft erst viele Wochen später abgeholt. Von draußen konnten die Ohren des Mannes den Wind gefährlich heulen können; wahrscheinlich war wieder ein Schneesturm im Anmarsch. Das beschwerende Quieken der Ratte erstarb in einem hellen, kreischenden Schrei, als sich klappernde Schritte näherten, klapp-klapp-schepper-schepper. Der gefangene Magier hielt kurz inne. Sein Herz pochte wie wild, und er hielt den Atem an, damit der patrouillierende Templer nicht auf ihn aufmerksam wurde. Das Blut rauschte in seinen Ohren und der zitternde Mann sandte ein Stoßgebet zum Erbauer, auf dass dieser ihn beschützen möge. Früher, da hatte er nichts von dem ganzen Kirchenzeugs gehalten, doch jetzt… jetzt, da waren seine kleinen Gebete ein einziger, schwacher Trost. Die Schritte kamen immer näher, wurden immer lauter. Wie eine Drohung schienen sie sich vor seiner Zelltür zu verlangsamen. Es kam dem Mann wie eine Ewigkeit vor, ehe sich die Schritte langsam weiter entfernten und ihn wieder in der einsamen Dunkelheit zurückließen, in der nichts anderes zu hören war als das leise Tropfen des Wassers, was sich einen Weg durch die dicken Mauern gebahnt hatte. Vorsichtig hob Jowan das Gesicht und erlaubte es sich, die Nase kurz hochzuziehen. Das Niesen, das verkniff sich der Gefangene aber; noch war der patrouillierende Templer nicht weit genug entfernt und konnte ihn hören. Er wusste, er war nicht der einzige Gefangene hier in Aeonar. Doch niemand traute sich, ein Wort oder einen Laut über die Lippen zu bringen, sobald der wachhabende, brutale Templer vorbei ging. Man hatte es ihnen gelehrt sich ruhig zu verhalten, sonst wurde man bestraft. Die Peitschenhiebe seiner letzten Bestrafung waren dem Maleficar noch gut in Erinnerung geblieben, obwohl sie schon Jahre her war. Am Anfang, ja, da war er noch aufmüpfig gewesen. Zwar hatte man sich im Zirkel in Kinloch Hold, Ferelden, immer nur schreckliche Sachen über das Gefängnis erzählt, doch nie hatte Jowan sich erträumen können, wie es wirklich war, ein Gefangener des berüchtigtstem Gefängnisses für Maleficare und andere, angeklagte Magier zu sein. Doch jetzt? Jetzt war Jowan genauso gebrochen wie alle anderen Insassen. Alleine schon seine Zelle brachte den Mann dazu, sich einfach nur zitternd und verzweifelt in die hinterste Ecke zurückzuziehen, eingehüllt in undurchdringbarer Dunkelheit und versuchen, nicht an das zu denken was geschehen könnte. Die Zellen waren klein; es passte gerade mal ein einziger Mann hinein, doch wenn die Templer schlecht gelaunt waren, steckten sie zwei Magier in eine Zelle. Meistens wurden diese Personen aufgrund des Platzmangels verrückt, schrien sich an, bis es zu einem Handgemenge tat, aus dem nur einer lebend hervorgehen konnte. Man bekam hier keinen Luxus; wenn man Glück hatte, kam einmal am Tag eine der Wachen runter und verteilte eine dünne, wässrige Suppe ohne Geschmack an die Insassen, damit sich nicht verhungerten. Und einmal im Monat wurden sie dazu gezwungen, ihre Zellen sauber zu machen, damit der Gestank von Urin verschwand; denn die abtrünnigen Magier hier in der Festung bekamen noch nicht einmal einen Kübel, wo sie ihr Geschäft verrichten konnten. Nur in wenig Stroh lag in der Ecke, doch das benutzte Jowan zum schlafen; ansonsten gab es nichts in der kleinen Zelle.   Hoch im Norden lag die Festung, am Ende des Kaiserlichen Hochweges, umgeben von felsigen Bergen und undurchdringbaren Schneestürmen. Ja, es hieß sogar, dass ein Hoher Drache über das Gebiet kreiste und jeden ungeliebten Eindringling fortjagte. Allerdings wusste niemand genau, wo die Festung lag; einzig alleine eine Handvoll Templer, die brutalsten und fähigsten, die der Orden jemals ausgebildet hatte, wussten dies; hielten hier Wache, passten auf die gefangenen Magier auf. Es schien so, als habe die Kirche hier keine Befehlsgewalt mehr. Die Templer besaßen freies Tun, was die Magier anging. Keiner der Verurteilten wurde mit Samthandschuhen angefasst, so, wie es eigentlich verlangt wurde. Jowan hatte bisher nur wenige Templer ohne robuste Rüstung und dem Helm mit dem schmalen Sehschlitz gesehen; ja, selbst bei seiner Ankunft vor beinahe zehn Jahren war es dem Mann so erschienen, als besäße die gesamte Festung nur die fünf Templer, die ihn am jenen verhängnisvollen Tag durch die langen, labyrinthartigen Gänge des Gefängnisses geführt hatten. Mehr als diese fünf, die ihn einst in seine Zelle geschliffen hatten, hatte er nie gehört. Früher hatte der Mann geglaubt, Besänftigung wäre das Schrecklichste, was sie einem antun könnten. Aber das stimmte nicht, nein; Aeonar, das war ein lebendig gewordener Alptraum. Jowan wünschte sich schon lange, er würde das sonnenförmige Mal auf seiner Stirn eingebrannt bekommen, um endlich nichts mehr fühlen zu können. Keine Angst zu spüren, keine Verzweiflung mehr. Das hätte das Leben in Aeonar bestimmt erträglicher gemacht. Zumindest für die Zeit, die der gefangene Magier noch vor sich hatte. Man musste nicht, was mit ihnen, den Gefangenen, geschehen würde. Einige saßen etliche Zeit in Aeonar ein, andere wiederum nur wenige Tage. Und dann wurden sie abgeholt, von einem Trupp erfahrener und schwer gerüsteter und bewaffneter Templer, nur, um ihrem Schicksal entgegenblicken zu können. Wurden sie getötet? Wieder in die Zirkel gesteckt, jetzt, wo man sie gebrochen hatte? Oder war schlussendlich doch eine Besänftigung ihre Bestrafung? All das schien noch harmlos zu sein; harmlos im Vergleich zu der Vorstellung, auf ewig an diesem schrecklichen Ort verweilen zu müssen. Jowan hatte Angst, dass genau das mit ihm passieren würde. Obgleich sich der abtrünnige Magier fragte, wie er es die letzten zehn Jahre nur hatte aushalten können. Ja, er hatte Fehler gemacht. Sein erster war gewesen, sich der Blutmagie zuzuwenden, um ein besserer Magier zu werden. Und sein zweiter war gewesen, zu fliehen. Ja, und der dritte – und am schwersten gravierende Fehler – war gewesen, dass er Loghain vertraut und Arl Eamon vergiftet hatte. Der Teyrn hatte den jungen Maleficar nicht geholfen, sondern ihm seinen Schicksal überlassen. Und als er Buße hatte tun wollen… ja, da wurde er nach Aeonar gebracht. Erst zum Zirkel zurück, wo sich Greagoir seiner annehmen sollte und schließlich in das Gefängnis. So hatte es der Knight-Commander Kinloch Holds entschieden und so war es auch gekommen.   Ob der alte Sack überhaupt wusste, wie schrecklich es hier war? Nein, wahrscheinlich nicht; Greagoir war vielleicht mürrisch und zählte Magiebegabte nicht gerade zu seinen besten Freunden, aber dennoch war der Mann zu sanftmütig, um Menschen oder Elfen – ja genau, denn das waren sie! – in eine solche Hölle zu schicken. Niemand wusste genau, was in Aeonar vor sich ging, außer denjenigen, die diese Festung als ihre Heimat bezeichnen konnten. Ganz weit in der Ferne konnte der Blutmagier hören, wie sich die schweren Doppeltüren öffneten. Sie stellten den Eingang zu dem Labyrinth aus Kerkerzellen dar und es schien in ganz Thedas keinen sicheren Eingang zu geben, wie hier in Aeonar: Fünf Türen, alle hintereinander und alle einzeln verschlossen bildeten das Tor zur ewigen Verdammnis. Ja, Jowan konnte sich noch gut an seine eigene Ankunft erinnern. Wie er selber zitternd und mit gefesselten Händen vor der ersten Tür gestanden hatte, bis sie geöffnet worden war. Wie er dann mit großen Augen die zweite Tür erblickt hatte, die dritte, die vierte und schlussendlich die fünfte. Jede von ihnen war mit großen Schlössern versehen, von starker Antimagie getränkt und fünf verschiedene Templer besaßen jeweils einen einzelnen Schlüssel; damit, falls es einem Magier gelingen sollte, einen Schlüssel in die Hand zu bekommen, dieser nicht so einfach entkommen konnte. Und dann hörte der abtrünnige Magier die Schritte. Das Klappern der Metallrüstungen, das schwere Stapfen der Plattenstiefel. Und die schlurfenden Schritte eines Neuankömmlings. Man schaffte es als Magier nicht, die Füße richtig zu heben; zu stark drückte die Antimagie auf die Schultern und brachte sie alle dazu, jämmerlich, klein und hilflos zu wirken. Der arme Mann, der jetzt gebracht wurde... Jowan fragte sich, was jener angestellt hatte, um einen Platz in dem sichersten Gefängnis Thedas‘ zu bekommen. Immerhin wurden hierhin ja nur die schlimmsten Verbrecher überstellt. Vorsichtig, um keine Aufmerksamkeit zu erregen, rappelte sich der geschwächte Mann auf. Wie ein Hundewelpe, der gerade erst Laufen lernte, tappte Jowan zu den Gitterstäben und umklammerte sie mit beiden Händen. Der Schmerz, als er das kalte Metall berührte, schoss durch seinen gesamten Körper, der schreiend protestierte, aber der schwarzhaarige Mann brauchte diese Stütze; sonst wäre er einfach umgefallen. Die empfindlichen Ohren des Magiers bekamen mit, wie die anderen Gefangenen es ihm gleich taten. Neuankömmlinge waren selten und ein jeder wollte einen Blick auf das Gesicht des bedauernswerten Magiers erhaschen, der ab sofort zu der Gemeinschaft in Aeonar gehören würde. Die Schritte kamen näher, genau wie das schwache Licht einer kleinen Kerze. Und da sah der Magier sie auch schon: Fünf Templer, einer ganz vorne, zwei dahinter, dann der Abtrünnige, und zwei weitere Templer bildeten die Nachhut. Der Magier in der Mitte keuchte ein wenig; holte immer wieder tief Luft. Die wirren, blonden Haare hingen ihm ins Gesicht und wie Jowan es erwartet hatte, ließ er die Schultern hängen. Und dennoch… Ja, er erkannte den Magier. Zuerst wollte er seinen Augen nicht trauen. Aber er musste es sein; eine Verwechslung war ausgeschlossen, denn der Maleficar kannte nur eine einzige Person mit einem fetten, goldenen und auffälligen Ohrring im rechten Ohrläppchen. Er umklammerte die Metallstangen so fest, dass die Knöchel weiß hervortraten und hätte am liebten auch das Gesicht gegen das Metall gedrückt, doch er hielt sich gewaltsam zurück. Mit offen stehendem Mund betrachtete er den gefangenen Magier, der an seiner Zelle vorbei und wieder in die Dunkelheit geführt wurde. Die spröden, blutig gebissenen Lippen des Abtrünnigen formten wortlos den Namen des neuen Zellengenossen; ungläubig und vollkommen verwirrt: „Anders…“   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)