Muzukashii Sekai von Harulein (MiA x Meto / Tsuzuku x Meto) ================================================================================ Kapitel 8: [meto] Act 8 ----------------------- Ich schwebte förmlich nach Hause, schlich die Treppe rauf in mein Zimmer und sperrte die Tür ab. Nicht zu glauben, dass meine Laune an diesem scheußlichen Tag noch mal in solche Höhen steigen konnte, doch sie tat es. Mein Kopf schwirrte vor lauter MiA, von seiner Stimme, seinen Lippen, seinen Händen, seiner lieben Art … Mit einem fetten Grinsen im Gesicht zog ich mich aus, ließ mich aufs Bett fallen und schnappte mir Ruana, um sie fest an mich zu drücken. Es ging mir wirklich richtig gut, ich war happy wie sonst was und verliebt bis in die Haarspitzen. Ruana schien sich fast ein wenig darüber zu wundern, nachdem ich heute Morgen so furchtbar verwirrt und durcheinander gewesen war. In dieser Nacht träumte ich nichts Besonderes und war darüber am Morgen darauf sehr, sehr froh. Als ich am nächsten Morgen aufwachte, kam mir der vergangene Tag wie ein böser Spuk vor, der ein irgendwie sehr wunderschönes Ende gehabt hatte. Beim Anziehen fand ich den Zettel mit MiAs Daten und steckte ihn in die Tasche meines Handys. Da würde ich ihn immer bei mir haben. „Na, Yuuhei, heute besser drauf?“, fragte mein Vater, als ich angezogen und geschminkt zum Frühstück erschien. Ich nickte, setzte mich und begann, stumm das Rührei, welches meine Mutter so gut wie jeden Morgen machte, zu essen. Irgendwie fiel mir dabei Tsuzuku wieder ein. Ich hatte ihm gestern wohl ganz schön seine seltene gute Laune verdorben mit meinem dummen Traum, und wollte so schnell wie möglich zu ihm, um mich zu entschuldigen. „Sag mal, Yuuhei …“, begann meine Mutter, als ich meinen Teller in die Spülmaschine räumte, „Wo bist du eigentlich den ganzen Tag?“ Was sollte denn die Frage auf einmal? Seit wann interessierte sie das? „Wieso?“, fragte ich. „Na ja, eigentlich halten wir uns ja aus deinen Sachen raus, aber… manchmal wüssten wir schon gern, wie du deine Tage verbringst …“ Das geht euch aber nichts an, dachte ich und schüttelte den Kopf, das ist meine Sache. Ich trennte diese beiden Welten, zwischen denen ich lebte, weiterhin so streng wie möglich. Auf beiden Seiten. Weil ich mir so absolut sicher war, dass sie einfach nicht zusammen passten. Yuuheis Welt war zu edel, Metos zu chaotisch, um der jeweils anderen zu begegnen. Es passte nicht und würde auch nie passen. Und da war ziemlich egal, ob es mich dazwischen zerriss. Ich hatte doch keine andere Wahl, oder? Ich machte mich dann ziemlich bald auf den Weg in den Akutagawa-Park. Tsuzuku war da und er schien auch ziemlich gut drauf zu sein. Allerdings war er überraschenderweise nicht allein. Haruna und Hanako saßen bei ihm und unterhielten sich mit ihm. Allein das kam selten genug vor, aber als er dann auch noch lachte, verwunderte es mich wirklich. „Meto!“, rief Haruna, als sie mich bemerkte, und winkte mich zu ihnen. Ich ging hinüber, setzte mich zu Tsuzuku auf seinen Schlafsack und fragte, so wie immer: „Wie geht’s dir?“ „Gut“, sagte er und das Leuchten in seinen Augen versicherte mir, dass er nicht log. Ihm ging es heute wirklich gut, sehr gut sogar. „Ich… wollte mich… noch mal entschuldigen, wegen gestern…“, brachte ich etwas verlegen heraus. „Ist schon okay, war wohl wirklich nicht dein Tag.“ Er griff nach meiner Hand und ich hatte den blöden Traum soweit vergessen, dass ich meine in seine schob. Was ich aber noch immer nicht verstand, war, warum Hanako und Haruna hier bei Tsuzuku saßen und wie sie es geschafft hatten, ihn zum Lachen zu bringen. Es war zwar nur ein kurzes Auflachen gewesen, aber immerhin. „Worüber… ihr denn… gerade… gesprochen habt?“, fragte ich Haruna. „Hanako hat was Lustiges erlebt. Da war ‘ne alte Frau, die hat sie „Fetzenfisch“ genannt“, sagte Haruna und zeigte auf Hanakos kunstvoll zerrissenes Kleid. „Fetzenfisch…“ Tsuzuku kicherte fast. „Ich sag euch lieber nicht, woran ich da denke…“ „Doch, sag!“, forderte Hanako. „Du gibst aber als Fisch im Kleid keine gute Figur ab.“ „Fetzenfisch, bitte sehr, Tsu! Das ist ein Seepferdchen!“ Hanako lachte. Ich saß mit großen Augen daneben und wunderte mich. So locker und offen hatte ich Tsuzuku selten erlebt. War irgendwas passiert, was ich nicht mitbekommen hatte? Da ich diese gute Laune jedoch nicht durch Fragen nach dem Warum dahinter kaputt machen wollte, fragte ich nicht weiter, sondern freute mich einfach, dass mein bester Freund einen guten Tag hatte. Wenn er lachte, fiel nicht mal mehr so sehr auf, wie dünn er war. Wie war es das letzte Mal gewesen, als er so richtig gut drauf gewesen war? Das war vor ungefähr zwei Monaten gewesen. Ich hatte ihn in den Zoo eingeladen, einfach, damit er mal rauskam aus dem Park und dem Straßenleben. Wenn wir nur zu zweit waren, dann war er durchaus manchmal gut drauf und wir hatten einen echt tollen Tag gehabt. Wie kleine Kinder waren wir im Streichelgehege gewesen und ich hatte erfahren, dass Tsuzuku Ziegen für sehr interessante Tiere hielt, während ich die Bären ein paar Gehege weiter lieber mochte. Elefanten, Tiger, Flamingos, Eulen, alle möglichen Tiere, dann Eis und ein paar Fotos. Es war ein total schöner Tag gewesen, aber eben nur zu zweit. Dass Tsuzuku jetzt offenbar auch mit Hanako und Haruna gut klarkam, freute mich. Vielleicht lag darin ja der erste Schritt raus aus seiner Einsamkeit und möglicherweise half ihm das, gesund zu werden. Ich hoffte es so sehr! Wir saßen den ganzen Vormittag zusammen, redeten über dies und das und waren alle vier ziemlich gut drauf. Aber irgendwann musste natürlich wieder was passieren. So war es doch immer im Leben. Gerade, wenn man dachte, es könnte doch eigentlich immer so schön bleiben, kippte die Stimmung und die dunklen Wolken am Himmel kehrten zurück. Und es war Tsuzukus Stimmung, die kippte, zerbrach. Ich bemerkte nicht, was der Auslöser war, nur, dass er sich auf einmal anspannte, meine Hand losließ und wie das Leuchten aus seinen Augen verschwand. Haruna und Hanako sahen es erst, als er sich mit den Fingernägeln über den Arm kratzte. „Tsu? Alles okay?“, fragte Haruna. Er stand wortlos auf, kickte seine Wasserflasche um und ging einfach weg, Richtung Fluss. „Was hat er denn?“, fragte Hanako. Ich zuckte mit den Schultern, weil ich ja wirklich keine Ahnung hatte, was auf einmal mit ihm los war. Er hatte das manchmal, dass seine Stimmung kippte wie Aprilwetter, aber weil er heute so gut drauf war, hatte ich natürlich, naiv wie ich war, nicht damit gerechnet. „Schaust du gleich mal nach ihm?“, fragte Haruna. Ich nickte und die beiden Mädchen gingen zu ihrem Stammplatz bei dem großen Baum in der Mitte des Parks zurück. Ich wartete noch ein bisschen, dann machte ich mich auf die Suche nach Tsuzuku. Er hatte sich auf eine versteckte Bank am Flussufer gesetzt, die Knie angezogen und machte sich wieder so klein. Ich warf einen vorsichtigen Blick in Richtung des daneben stehenden Mülleimers und schlug mir reflexartig die Hand vor den Mund vor Entsetzen. …Nicht schon wieder… Konnte es nicht ein Mal, ein einziges Mal, gut laufen, ohne diese fürchterliche Krankheit?! Musste meine Hoffnung, meine verzweifelte Stärke, immer wieder auf dieselbe Probe gestellt werden? „Tsu? Was ist denn los?“ „…Ich weiß nicht…“, antwortete er, ohne den Kopf zu heben. „Ich weiß es wirklich nicht…“ Es hatte keinen Sinn, weiter zu fragen. Wenn er selbst nicht wusste, was los war, warum seine Stimmung auf einmal in den Abgrund gerauscht war, wusste er es eben nicht. Was aber auch bedeutete, dass ich keine Ahnung hatte, wie ich ihm da raushelfen sollte. Ob überhaupt oder ob ich ihn jetzt vielleicht einfach in Ruhe lassen sollte. Doch meine Erfahrung mit ihm sagte mir, dass er in so einem Moment nicht allein sein durfte und dass ich der einzige Mensch auf diesem Planeten war, den er jetzt an sich ran lassen konnte. Zu gern hätte ich irgendwann mal gewusst, was es war, das seine Stimmung so schwanken, und oft genug gen Abgrund fallen ließ. Was es war, das er noch nicht mal selbst kannte, ihn jedoch immer wieder heimsuchte und ihn sich so verletzen ließ. Dieses verdammte Ungeheuer musste doch einen Namen haben! Ich setzte mich einfach neben ihn auf die Bank und wartete. Irgendwann löste er sich aus seiner sich klein machenden Haltung, seine Hand suchte meine und ich hielt sie ihm hin. Ohne ein Wort zu sagen, nahm er meine Hand und drückte sie so fest und lange, als wollte er mir damit etwas Wichtiges mitteilen. „Tsuzuku? Willst du mir vielleicht irgendwas sagen?“, fragte ich. Er schüttelte nur den Kopf. „Weißt du, ich hab schon ‘ne Weile das Gefühl, dass dir irgendwas auf der Seele brennt, was mich angeht.“ „Da ist nichts, Meto. Außer … na ja, dass ich dich sehr gern habe. Aber das weißt du ja.“ Ja, das wusste ich. Er hatte es mir je oft genug gesagt. Ich wusste, dass ich die Hauptrolle in seinem Leben spielte, zumindest, was die Menschen anging, mit denen er sprach. Da war ich eindeutig Nummer Eins. „Aber, Tsu, wenn irgendwas ist, kann ich mich drauf verlassen, dass du’s mir sagst?“ Er nickte und sah mich an. „Wem, wenn nicht dir?“ Aber trotz dieser Worte, trotz seines unverstellten Blickes, war ich mir nicht sicher, ob das alles war. Irgendein Gefühl sagte mir, dass er wieder nicht ganz ehrlich zu mir war oder mir zumindest nicht die ganze Wahrheit sagte. Aber so, wie ich ihn kannte, musste ich warten, bis er es mir sagte. Wenigstens schien seine Stimmung wieder ein wenig besser geworden zu sein. In dem Moment, als er mir gesagt hatte, dass er mich gern hatte, war ein wenig von dem Leuchten in seine Augen zurückgekehrt. „Hast du diesen MiA noch mal getroffen?“, fragte er. „Ja, gestern Abend.“ „Du magst ihn wirklich gern, oder?“ Ich nickte und der bloße Gedanke an MiA reichte aus, um mich zum Lächeln zu bringen. Aber so, wie Tsuzuku fragte … es klang fast ein wenig eifersüchtig … „Aber mit ihm… das ist ganz anders als mit dir“, sagte ich deshalb schnell und wahrheitsgemäß. „Er ist ja auch nicht so kaputt wie ich …“ „Tsu, sag doch so was nicht!“ Ich konnte es nicht leiden, wenn er sich so niedermachte. „Du bist mein bester Freund, mein allerbester, und ich hab dich wahnsinnig gern, hörst du?! Aber MiA ist jemand, den ich einfach unheimlich anziehend finde, körperlich und so weiter.“ „Tut mir leid… manchmal vergesse ich fast, dass du ja schwul bist…“ Er lächelte beinahe. Seine Laune war heute wirklich das reinste Aprilwetter. Mal oben, mal unten, und dazwischen war so gut wie nichts. „Wieso vergisst du das?“ Es dauerte eine ganze Weile, bis er leise antwortete: „… Weil wir Freunde sind …“ Irgendwann gingen wir zu seinem Schlafplatz zurück, er hob die Wasserflasche auf und nahm einen großen Schluck. „Mal ehrlich, Meto, manchmal muss ich dir doch direkt eklig vorkommen, oder?“, fragte er dann. Ich schüttelte den Kopf. Nein, eklig nicht. Krank, ja, das wirklich, aber es war eigentlich nie so, dass ich mich vor ihm ekelte, selbst wenn ihn die Bulimie überfiel. Ich ekelte mich eher vor der Krankheit, als vor ihm. „Ehrlich?“ „Ich finde, du bist krank, das weißt du ja selber, aber eklig finde ich dich wirklich nicht.“ „Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du zu gut für die Welt bist?“ „Ja, du jetzt.“ Er murmelte irgendwas, das sehr nach „… Und so ein Gutmensch gibt sich mit mir ab …“ klang. Okay, dann war ich eben zu gut für die Welt. Dann kämpfte ich eben für jemanden, den alle anderen einschließlich ihm selbst schon aufgaben! Ich war halt so und das konnte und wollte ich nicht ändern! Auf einmal, oder vielleicht auch gar nicht so überraschend, überkam mich der Wunsch, Tsuzuku fest in den Arm zu nehmen, damit er endlich kapierte, dass er ein liebenswerter Mensch war. Irgendwie musste das doch in seinen Kopf zu kriegen sein! Ich machte zwei Schritte auf ihn zu und legte meine Arme um seinen schmalen Körper. „Wann kapierst du das endlich, Tsuzuku?“, fragte ich. „Was?“ „Dass du ein toller Mensch bist. Und dass du aufhören sollst, dich kaputt zu machen.“ Er wollte wieder widersprechen, doch dieses Mal ließ ich das nicht zu und legte einen Finger auf seine Lippen. „Schscht!“, machte ich. „Lass das doch einfach mal so stehen.“ Er nickte zögerlich. Ich wusste, eigentlich wollte er sich nicht kaputtmachen. Aber er konnte nicht anders. Da war dieses furchtbare, viel zu mächtige Ungeheuer in seinem Kopf, das ihn dazu zwang und gegen das zu kämpfen ihm oft die Kraft fehlte. Viel zu oft glaubte er ihm, wenn es ihn niedermachte. Und ich kam dagegen einfach nicht an. „Gib nicht auf“, flüsterte ich an seinem Hals. „Wir schaffen das… irgendwie…“ Ich versuchte, sicher zu klingen, überzeugend, doch konnten mich meine eigenen Worte kaum selbst überzeugen. „Wenn ich mir da nur so sicher wäre wie du, Meto.“ Wir gingen durch den Park in die Innenstadt, liefen dort herum, wie wir immer herumliefen, einfach so, ohne irgendein bestimmtes Ziel. Irgendwann setzten wir uns an den Stadtbrunnen und ich gab Tsu eine Zigarette ab. Er war eigentlich süchtiger als ich, hatte aber oft nicht das Geld und war deshalb drauf angewiesen, dass ich ihm welche abgab, was ich natürlich gern tat. Auch, wenn ich wusste, dass es nicht gesund war. Er sagte, Rauchen entspanne ihn und so sah es auch aus. „Ich will echt einen Job“, sagte er irgendwann auf einmal und drückte die aufgerauchte Zigarette auf den nassen Steinen aus. „Brauchst du mehr Geld?“, fragte ich. „Du weißt doch, dass ich dir jederzeit was leihe.“ „Nein, Meto, du leihst mir schon viel zu viel Geld. Das kann ich ja bald nie mehr zurückzahlen, so viel ist das schon.“ Er sah mich an und hatte dieses bestimmte Leuchten in den Augen, das ich von mir selbst gut genug kannte. „Ich brauch mal wieder ein neues Tattoo. Und das will ich mir selbst verdienen.“ Ich wollte ihm nicht sagen, dass das in seiner Lage sehr, sehr lange dauern würde, vielleicht sogar unmöglich war. Und wahrscheinlich wusste er das auch selbst. Womöglich erlaubte er sich gerade nur, ein wenig zu träumen. Von einer Welt, in der es möglich war, von dem Loch Straße wieder wegzukommen. Wenn das so war, dann war dies ein wertvoller Moment und so schwieg ich. Ich kam kurz nach Mittag zu Hause an. „Yuuhei!“, rief meine Mutter aus der Küche, „Wozu hast du ein Handy, wenn du es lautlos schaltest! Wir haben auf dich gewartet!“ Sie stand vor der Spülmaschine und legte gerade den Tab ein. „Sorry…“ „Frau Hiranuma hat angerufen. Sie sagt, du kannst nächste Woche wieder zu ihr kommen. Sie hat wohl eine Idee, wie sie dir helfen kann, aber du musst natürlich auch mitmachen.“ Die Psychologin. Na klasse, die gab’s ja auch noch… Da ich aber wirklich nicht die geringste Lust hatte, mich wieder von ihr ausfragen zu lassen, schüttelte ich ziemlich trotzig den Kopf und verschwand ohne ein weiteres Wort auf meinem Zimmer. Dort blieb ich für den Rest des Tages, saß vor dem Computer und suchte dort mehr oder weniger erfolglos nach Möglichkeiten, Tsuzuku irgendwie zumindest einen kleinen Job zu besorgen. Eine Sache wurde mir dabei klar: Ohne festen Wohnsitz kein Job, ohne Job kein Geld, aber ohne Geld gab es keinen festen Wohnsitz. So der offizielle Teufelskreis. Es musste irgendwie anders gehen. Nur, wie? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)