Broken Clockwork von kaprikorn (don't look into the black pit) ================================================================================ Kapitel 10: No Rest ------------------- **** |[T]| **** Rushing ashore to meet her Foaming with loneliness White ends to follow and meet her Give her his loneliness [HOZIER · RUN] Der Fremde war eindeutig enttäuscht von Roses Reaktion auf seine blaue Kiste, die gut versteckt im Schatten der Trümmer geparkt worden war und nun als Zuflucht für sie diente: eine Zuflucht, die Rose begrüßte, die aber nicht dazu beitrug, dass sie die Situation wirklich kapierte. Die TARDIS sah beinahe so aus, wie sie sie kannte. Optisch ein wenig älter, etwas rampunierter und in Mitleidenschaft gezogen: an der Aussenfassade perlte die Farbe ab und im Inneren war es düster und ungewohnt frisch. Die Blonde fröstelte unweigerlich, drehte sich einmal um ihre eigene Achse und verengte dabei in völliger Irritation die Augenwinkel: "Ich versteh's immer noch nicht", gestand sie als dann und lehnte sich in einer Regung, von der sie hoffte, dass sie weniger angespannt als gelassen wirkte, an den Rahmen der Steuerkonsole. Der alte Mann musterte sie mit unverhohlener Neugierde, schmiss das Gewehr von sich in die Untiefen seines Schiffes, wo es mit lautem Poltern in einem Echo verging und stopfte die Hände in die Taschen seiner Jacke. "Ich kenn' dich nicht, also schätze ich, begegnen wir uns erst in meiner Zukunft." Er nickte zu sich selbst, traute sich allerdings keinen Schritt näher: "Hat er dir nicht erzählt, was wir TimeLords sind?" Rose schüttelte den Kopf, dann nickte sie: "Aliens, klar. Zwei Herzen, niedrigere Körpertemperatur, ein hohes Maß an Selbstüberschätzung und Arroganz … all sowas. Natürlich hat er." Der Alte stockte, ein wenig pikiert: "Ja, aber hat er dir auch von der Regeneration erzählt?" Rose zwinkerte, furchte die Stirn und musste abermals verneinen: "Könnt' mich nicht erinnern … ist das … schlimm? Ich meine, ich kapier's wirklich nicht. Ich hatte Sie verwechselt, irgendwie … aber irgendwie offensichtlich nicht, oder? Die Jacke. Die Jacke hat er auch, deshalb dachte ich, er wäre Sie." Der Doctor kam nicht umhin, ihr ein amüsiertes Grinsen zu schenken, was seinen Oberlippenbart zum Beben brachte, das seine Augen jedoch nicht erreichte. Nichtsdestotrotz genoss er ihre Irritation, das sah man ihm an und Rose war verführt dazu, ihm schon allein dafür einen harten Klaps auf den Hinterkopf zu geben. "Ich bin er", schloss er schließlich. "Oder er ist vielmehr ich, oder war es einmal gewesen." Seine Schritte waren schwer in den Stiefeln, das Blech unter seinen Füßen knatterte als er sich an sie heran wagte. "Weißt du, Kleine, TimeLords haben da diesen Trick. Und wenn ich's dir bisher nicht erzählt habe, habe ich's entweder vergessen oder bin zu feige dazu, also halte es mir nicht vor, wenn wir uns nachher wiedersehen … aber TimeLords können reinkarnieren. Wir sterben nicht wie ihr Menschen, wenn wir getötet oder verwundet werden. Unser Körper verändert sich, Zelle um Zelle. Es ist ein Trick, dem Tod von der Schippe zu springen. Man möge davon halten, was man will." Wenn Rose glaubte, sie tappte zuvor im Dunkeln, war es jetzt um sie herum wirklich zappenduster. Daher öffnete sie ihren Mund zu einer Erwiderung und schloss ihn ebenso schnell, weil ihr nichts plausibles mehr einfiel – wie bitte? Was? "Es ist wie ein Neustart und bis auf meine Erinnerungen verändert sich alles. Offen gestanden bin ich überrascht zu erfahren, dass ich den Krieg überlebe und so weit gehe, wieder jemanden mit auf meine Reisen zu nehmen." Die Britin rieb sich die Nasenwurzel, musterte ihren Gegenüber ein weiteres Mal und beschloss, seine Erklärung vorerst einfach so stehen zu lassen, bis sie wieder auf den grummeligen, deutlich jüngeren Mann traf, der ihr Rede und Antwort zu stehen hatte. "Doctor?", fragte sie nun mit echtem Zweifel nach. Wie schaffte man es, zuerst älter auszusehen und anschließend jünger zu sein? Der Angesprochene winkte ihr aus Kopfhöhe zu: "Hallo!" Sie seufzte. Blieb ihr etwas anderes übrig, als das Beste daraus zu machen? Der Doctor hatte gesagt, dass es sich um seine Zeitlinie handelte und sah man von den Äußerlichkeiten ab, sprach der Funken in den Augen des Anderen deutlich für sich, von der Bitterkeit auf seinem runzeligen Gesicht einmal abgesehen, die noch präsenter war, wie auf seinem vermeidlichen Ebenbild. "Okay." Sie gab Kleinbei, darauf herum zu reiten brachte nichts und folgen konnte sie ihm nicht. TimeLords waren praktisch unsterblich und änderten ihr Aussehen, soweit so gut. Rose rieb sich die Augen und sah sich in dem vertrauten und trotzdem befremdlichen Kontrollraum um. Alles schien an seinem gewohnten Platz und irgendwie auch wieder nicht; es war wie ein wahnsinniger Traum. Gut möglich, dass sie einfach ordentlich eines auf den Kopf bekommen hatte oder inzwischen tatsächlich tot war. "Wie sagtest du noch gleich, seid ihr hier gelandet?" Der Doctor kratzte sich seine raue Wange mit dem Mittelfinger, ging um die Steuerkonsole herum und presste einige Knöpfe, zog an einem Hebel und lauschte kurz dem Geräusch, das die Maschine von sich gab. "Wissen wir nicht", Rose, die sich eigentlich wie zu Hause fühlen wollte, ging dem Graubart zaghaft hinterher und fiel kraftlos auf den Pilotensessel zurück, der sie sanft federnd begrüßte. "Plötzlich war alles schwarz. Wir waren im Vortex, trieben vor uns hin; das machen wir nicht oft, aber der Doctor wollte etwas an der TARDIS reparieren, wir haben uns verquasselt und plötzlich bemerkte er, das etwas nicht stimmte. Da war's aber schon zu spät…" Roses Stirn furchte sich tief, ob der vagen Erinnerung, die mit Kopfschmerzen verbunden war. "Die Sterne waren verschwunden." Ja, richtig! Alles um sie herum war von Dunkelheit geprägt gewesen, doch nicht etwa wegen dem Aufprall und dem Unfall, sondern weil tatsächlich die Sterne aufgehört hatten zu leuchten. Bei ihrer Bemerkung stoppte der alte Mann jeden Falls in seiner Regung und fixierte sie mit einem stierenden Blick. "Die Sterne? Weg, sagst du?" Er neigte den Kopf in den Nacken, als glaubte er die Antwort an der Decke der TARIDS zu finden, den Mund nachdenklich einen Spalt dazu geöffnet. "Und was war da noch?" "Wir sind vom Kurs abgekommen, keine Ahnung. Sind gefallen, hatte mich angestoßen … wir waren hier, nachdem sich das Schiff beruhigt hat." Der Doctor nickte gemächlich, schloss die Augen, rieb sich wild hinterm Ohr und gab einen überraschten Ton von sich. "Wenn ich's nicht besser wüsste, würde ich behaupten, ihr hattet eine unliebsame Begegnung mit einem schwarzen Loch. Obwohl schwarze Löcher prinzipiell von den TimeLords erfunden wurden und wir sie studiert haben, bedeutet das nicht gleich, dass nicht andere mit der Materie, sozusagen, selbst experimentieren. Vor allem Gesindel und Gauner, die heimatlos umher ziehen, sind bekannt dafür, dass sie sich auf den Antrieb der schwarzen Löcher verlassen. Ausgerechnet hier gelandet zu sein, kann Zufall bedeuten. Auf der anderen Seite kann es aber auch der TARDIS-Anker gewesen sein, der euch her gebracht hat." Roses Gesichtsausdruck war Grund genug für den Doctor lächelnd anzumerken: "Du hast keine Ahnung, worum es sich dabei handelt, oder? Lass es mich dir kurz erklären … nun … die TARDIS ist in gewisser Weise mit ihrem Piloten verbunden." Er deutete dabei auf sich selbst. "Und sie ist intelligent, oh so was von intelligent, Kleines. Sie würde nicht nirgendwo landen wollen, wo sie oder ihr Pilot nicht mehr heraus kämen und schwarze Löcher kommen nicht selten mit Katastrophen einher: Paralleluniversen, Paradoxen, fremde Welten … Also wirft sie, unter gewissen Umständen, ihren Anker. Und das meine ich wörtlich: sie ändert den Kurs und katapultiert sich an ein Schlüsselereignis zurück, das den Anfang eines Fixpunktes des Piloten darstellt. Eine tatsächliche Begebenheit, die mit ihm und vorzugsweise mit ihnen beiden verbunden – also verankert – ist.“ Der Graubart nickte annähernd anerkennend: "Für gewöhnlich reist der TimeLord anschließend einfach weiter. Wenn du glaubst eure TARDIS sei beschädigt worden, war die Anziehungskraft des Lochs wohl ziemlich stark. Zwischen Gallifrey und dem Ort, der euch bevorstehen hätte können ist demnach nicht viel mehr Unterschied wie zwischen Pest und Cholera.“ Rose runzelte die Stirn und versuchte alles einigermaßen zu verarbeiten, was der alte Mann ihr erzählte. Sie wunderte sich nur einen Sekundenbruchteil, weshalb ihr Doctor noch nicht auf diese Lösung gekommen war und korrigierte sich stumm selbst, dass er es ihr bislang wahrscheinlich einfach nur vorenthalten hatte um anschließend damit anzugeben und sie zu beeindrucken. "Aber wir sind hier, mitten in seiner Zeitlinie." "Ja. Das seid ihr. Und das ist furchtbar … sei jedoch versichert, dass sich grundlegend nichts ändern wird." "Wieso?" "Weil es bestimmt ist und nicht geändert werden kann, ein Fixpunkt eben. Eure Anwesenheit ist am Ende nicht mehr wie ein Schatten, ein fahler Nachgeschmack. Eine Narbe, von der keiner weiß, woher sie eigentlich kommt. Habt ihr versucht, jemanden zu retten? Zwecklos. Zeit kann sehr grausam sein, Kleines." Die Zeitmaschine des Alien begann zu rotieren und der alte Kauz entschuldige sich kurz, weil er sich dem Monitor widmen musste, der ihre Position anzeigte wie ein Rückspiegel die Straße. Rose beugte sich etwas vor und klammerte sich in der Bewegung sofort am Sessel fest, überrumpelt von einem Schlenker der TARDIS, einer heftigen Gegenkurve und einer Landung, die sie schließlich von ihrem Sitz auf den harten Boden manövrierte. "Tut mir leid", murmelte der Doctor in gepresster Anstrengung und stemmte sich mit seinem gesamten Gewicht gegen einen Hebel, der nicht so wirklich seinem Befehl folgen wollte und erst beim dritten Versuch knirschend und widerwillig einrastete. Eine Reihe an Schimpfwörtern, welche die TARDIS nicht für ihre Ohren übersetzte, so wie einem neuerlichen Ruckeln später, keuchte der Alte atemlos, ein überlegendes Lächeln im Mundwinkel. "Ich glaube, wir haben deinen Freund gefunden, Kleines." Der Doctor klopfte mit dem Zeigefinger auf den Monitor und sah zu Rose zurück, die damit beschäftigt war sich an der Konsole auf die Beine zurück zu ziehen. "Sollte hier ganz in der Nähe sein … und – ah. Sieh an." Der Monitor verriet ihnen, dass sie in einem Gang gelandet waren. Marmorfarben, umringt von verzierten Säulen, die bis an die Decke reichten, wie man es in einem Palast vermutete; Rose kniff die Augenwinkel zusammen, bis das Bild vor ihren Augen verschwamm und ihre Nasenspitze das Glas des Bildschirms berührte. Sie stolperte einen halben Schritt überrascht zurück, als dann ein Schatten erkenntlich wurde, der sich kontinuierlich im Laufschritt auf die TARDIS zu bewegte; der Läufer stockte dabei nur kurz, einen zweifellos erstaunten Ausdruck auf dem Gesicht, den Rose mit einem heimlichen Grinsen quittierte. "Er wird mich umbringen." **** |[T]| **** Die Scharniere der Doppeltüren ächzten unter ihrer Regung, klapperten sogar ein wenig haltlos bei der Heftigkeit, mit der Rose sie nach innen öffnete, bevor sie nach draußen rannte, um dem hoch Gewachsenen auf halber Strecke zu begegnen. Wäre die Situation eine andere gewesen, hätte sie das Gesicht des Doctors bestimmt amüsiert, überrumpelt und dumm wie er mit seinen großen Ohren da stand, sichtlich abgekämpft von dem Marathon den er durch das Capitol zurück gelegt hatte. "Rose?" Seine Augen bohrten sich in ihr Konterfei, von der tiefen und missbilligten Falte einmal abgesehen, die sich auf seiner Stirn eingekerbt hatte und die Ärger bedeutete. Doch wenn er etwas sagen wollte, blieb ihm die Triade prompt im Halse stecken. Denn der alte Mann, der andere Doctor, war der Blonden gefolgt, sichtlich neugierig ob dem Aufeinandertreffen mit seinem künftigen Selbst. "Du!", bellte der Doctor den Graubart ungehindert an und zerrte etwas unwirsch und hektisch an Roses Oberarm, vor die er sich schließlich mit einem sicheren Schritt schützend aufbaute. "Du mischt dich nicht ein, verstanden? Du richtest schon genug Unheil an, wo du nur auftauchst." Der alte Mann erhob entwaffnend die Hände, zog die Unterlippe zwischen die Zähne und sah über die Schulter des Doctors zu der Blonden: "Ein bisschen unhöflich, dein Freund, findest du nicht?" "Er meint es nicht so." Aber der Blick des TimeLords sprach Bände und brachte Rose unweigerlich zum Schweigen. "Doch, das tue ich. Du darfst nicht einmal hier sein." Der Doctor schüttelte heftig den Kopf und blickte zu seiner Begleiterin zurück: "Was hast du dir nur dabei gedacht? Du solltest bei diesen Leuten bleiben, ich hab' hier alles wunderbar im Griff!" Wenngleich eingeschüchtert, musterte Rose ihren Gegenüber mit einem Anflug ehrlicher Skepsis. Für gewöhnlich zog der TimeLord Gefahren magisch an, zu behaupten alles wäre in Ordnung klang in ihren Ohren viel mehr nach einem schlecht erzählten Witz. Das abrupte Poltern am Ende des Ganges bestätigte das im selben Augenblick. Aus der Richtung, aus welcher der Doctor gekommen war, fand sich eine Traube von Männern, die gefährlich nach Wachen oder Soldaten aussahen. Jeden Falls trugen sie dunkelrote Uniformen die an Rüstungen erinnerten, ihre Gesichter waren von Helmen verdeckt und in ihren Armen hielten sie Gewehre. Der Gallifreyan neben ihr fluchte; sein Augenpaar blieb einen Atemzug lang auf der fremden TARDIS haften und noch während er nachdachte angelte er nach dem ledernen Kragen seines vermeidlichen Vorgängers, so dass er ihn in einer herrischen Bewegung entschieden unsanft mit sich zum Schiff zurück bugsieren konnte. "Doctor!" Rose gefiel das nicht – die anrückenden Männer in ihrem Nacken, und der aufgebrachte TimeLord, der sie offenbar völlig ausgeblendet hatte; trotzdem folgte sie ihm in den sicheren Schoß des Raumschiffs, an deren Holz die ersten Schüsse ungehört abprallten, die von den Soldaten auf sie abgefeuert wurden. Der Doctor schubste den alten Mann an die Steuerkonsole und machte sich gleich daran seinerseits neue Koordinaten einzutippen, ohne sich weiter zu erklären. Das stetige und aufgebrachte Brummen der TARDIS gefiel Rose dabei ebenso wenig, wie der Zorn ihres Freundes. "Der Moment ist in der Waffenkammer, ich ändere die Ypsilon-Koordinate. Zwei Punkte nach Null sollten uns nicht in der Kammer, sondern unmittelbar davor abliefern. Dort trennen sich unsere Wege." Kein Dank, kein längerer Blick in die Richtung des Graubarts. Rose glaubte den Doctor schon oft aufgebracht gesehen zu haben, aber wie er sich ihm – sich selbst gegenüber – verhielt, machte sie schaudern. Es gab diese gewissen Dinge im Leben, die man tat und auf die man im Nachhinein nicht stolz war; der Dunkelhaarige machte keinen Hehl daraus, dass es ihm mit diesem alten Kerl genau so ging. Die TARDIS bockte in ihrem Flug plötzlich wie ein störrisches Pferd und manövrierte die Britin dabei beinahe wieder zu Boden. So schnell die Rotoren jedoch begonnen hatten zu arbeiten, standen sie auch wieder still. "Können wir nicht zu unserer TARDIS zurück? Er könnte uns sicher dort abliefern, oder Doctor?" Die beiden Männer blinzelten in ihre Richtung und schüttelten dabei synchron das Haupt: "Die TARDIS ist bereits damit überfordert, zweimal die selbe Person zur selben Zeit zu transportieren", entgegnete der Dunkelhaarige finster. "Sie nach draußen zu schicken würde aus diesem verhältnismäßig winzigen Paradoxon eine Katastrophe machen.", beendete der Alte, indes er die Handbremse anzog. "Ich habe einen anderen Plan, Rose. Keine Sorge." Der Doctor knetete kurz die Hände und kam um die Steuerkonsole bedacht langsam auf sie zu, dabei klopfte er auf seine Jackentaschen. "Alles hier drin was wir brauchen, war eben auf dem Rückweg aus den Werkstätten, als mich die Patrouille bemerkte." Der Sturm hinter seinen eiskalten Augen ebbte ein wenig ab, er seufzte und rieb sich verloren die Stirn. "Du hättest auf mich warten sollen." "Ich weiß …" Der TimeLord verzog die Mundwinkel. Er konnte an ihrem Wesen und ihrer Sturheit nichts ändern und hatte bestimmt mit ihrem Reißaus gerechnet – obwohl … im Angesicht der Gefahr, die außerhalb der TARDIS auf sie lauerte, wohl tatsächlich nicht. Der Doctor unterbrach ihr flüchtiges Gespräch schließlich und wandte sich abermals seinem anderen Ich zu. Der alte Kauz verhielt sich ruhig, eine leichte Furche zwischen den Augenbrauen; er hob nonchalant eine Schulter, als sich ihre Blicke trafen. Dieses Mal machte der Doctor keine halben Sachen, schickte keine Warnung mit seiner schnellen Bewegung und den ausgestreckten Händen, die sich plötzlich auf die Schläfen des Alten pressten. Sein Kiefer mahlte, der Andere versuchte sich aus dem Griff zu lösen, bevor er inne hielt wie eine Katze, die man am Genick gepackt hatte. Der Doctor kniff die Augenlider aufeinander und beugte sich so weit vor, bis seine Stirn auf die des anderen traf. Rose war nicht einmal in der Lage einen protestierenden Schritt voran zu machen, geschweige denn einzuschreiten, weil der optisch ältere der beiden TimeLords bereits taumelte und benommen auf die Knie zurück fiel. Er keuchte. Ob wegen dem Überfall, oder etwaigen Schmerzen konnte Rose dabei nicht sagen. Ihr Begleiter angelte jedenfalls zielstrebig zur Flucht nach ihrer Hand: "Wir müssen hier weg", hauchte er so leise, dass sie Mühe hatte ihn zu verstehen. Und als er ihre Besorgnis bemerkte, bemerkte, wie sie sich gegen seinen Aufbruch wehrte, seufzte er enerviert und fügte hinzu: "Es geht ihm gut. Ich … ich dachte nur es wäre besser, wenn er uns vergisst... Erinnerst du dich noch? Wir wollten uns nirgends einmischen." Ja, das hatte seit ihrer Bruchlandung ebenfalls prächtig funktioniert, schoss es Rose träge und zynisch durch den Kopf, während dessen sie den Weg des hoch Gewachsenen einschlug und die blaue Telefonzelle ihrem eigentlichen Piloten überließ. Sah man einmal davon ab, dass sich die Zeitlinie am Ende selbst zu heilen schien, wenn sie dem alten Mann Glauben schenken durfte. Der Gang, in welchem sie sich jetzt befanden, glich dem anderen nahezu auf die letzte Säule, mit Ausnahme der Dunkelheit, die sich wie ein schattiger Arm über den weißen Marmor legte. Lagen Waffenkammern in Filmen nicht immer im Keller eines Schlosses? Rose wurde wieder spürbar kälter. "Du kannst also fremde Gedanken manipulieren?" Ihr Gesprochenes klang anklagender, wie gewollt, so dass der Doctor sich genötigt sah, ein Räuspern einzuwerfen. "Telepathie." Rose machte sich nicht einmal die Mühe zu verbergen, wie wenig sie von der Fähigkeit des Doctors hielt und wie wenig sie die Vorstellung mochte, dass ihr jemand im Kopf herum pfuschte. Das ungleiche Paar hatte bereits bei ihrer ersten Begegnung eine Diskussion darüber, was das unsichtbare Vernetzen und Spielen mit ihren Gedankenströmen – allein die Möglichkeit dazu – für eine Wirkung auf sie hatte. Seitdem umschiffte der Doctor das Thema, wo er nur konnte. Aber wie so vieles andere lag es nun einmal in seiner Gabe als TimeLord, Gedanken zu verändern und, wenn notwendig, auch zu kontrollieren. "Ich hatte keine andere Wahl." Sie nickte bloß. Stoisch; stumpf. Diese Fähigkeit war eindeutig Vertrauenssache und nichts, womit er sich brüsken sollte – ihrer Meinung nach. Rose war müde und ausgezehrt, überwältigt und überfordert. Möglich, dass der Griff um seine Hand deshalb eine Spur fester wurde. "Die Wachen auf diesem Gang werden sich gleich mit ihm beschäftigen, das verschafft uns Zeit. Allerdings nicht genug … Uns bleibt …" Der Doctor stockte, schloss die Augen, fühlte seine Umgebung, seine Erinnerung und das Pulsieren des zerbrechlichen Zeitstroms, streckte seine Sinne aus und unterdrückte ein tiefes Seufzen. " … uns bleibt noch diese Nacht." **** |[T]| **** Das Capitol war atemberaubend, ein Palast. Eine Akademie … und bis an die Zähne bewaffnet. Zu ihrem Vorteil kannte sich der Doctor in den unzähligen Gängen aus, zwängte sich durch Nischen, wenn es notwendig war und vermied es, Patrouillen in die Hände zu laufen. Von draußen und durch die prächtige, gläserne Kuppel konnte man die am Nachthimmel treibenden Schiffe der Daleks gespenstergleich verfolgen. Der Nachteil ihrer kleinen Wanderung war jedoch, so kam es Rose nach einer Weile zumindest vor, dass sie sich eher im Kreis, wie auf ihr Ziel zu bewegten. "Und du hältst das wirklich für eine gute Idee?" Sie standen inzwischen eingepfercht in einem kleinen Schrank, in welchem man höchstens alte Besen los wurde, weil sie beinahe direkt in eine der Patrouillen gelaufen wären, die damit beschäftigt war wild nach dem Einbrecher zu jagen, der sich Zutritt zum Capitol geschaffen hatte, um in die Waffenkammer einzusteigen. Es überraschte Rose irgendwie nicht, dass jeder wusste, dass es sich dabei um den Doctor handelte und sein Name daher von den hohen Wänden der Hallen und Gänge des Palastes wütend gellte, in der Not ihn ausfindig und dingfest zu machen. Es war, bis auf das blaue Licht des Schallschraubenziehers, völlig dunkel und der Doctor war ihr unweigerlich so nah, dass sie seinen kühlen Atem in einer ruhigen Regelmäßigkeit auf ihrer Haut spüren konnte. "Es geht am Schnellsten. Wenn wir eine der Kapseln erreichen, sparen wir uns den Fußmarsch durch die ganze Stadt. Ich würde das sehr begrüßen." Angeblich besaßen die TimeLords, nach Erzählung des Doctors, nämlich eine Reihe an Rettungskapseln mit denen sie kurze Strecken innerhalb des Capitols, oder eben des Landes überwinden konnten. An Sicherheitsvorkehrungen hatten sie nicht gespart, ihre Raum-Zeit-Maschinen hin oder her. Zwar konnte sich Rose nicht vorstellen, dass davon welche übrig sein sollten, angesichts der ausweglosen Lage, war sie jedoch zu müde um sich zu beklagen. „Sie verstecken sich hier drin, Rose. Das Capitol ist gerade der sicherste Ort auf ganz Gallifrey, niemand von ihnen würde es wagen Rassilon den Rücken zu kehren, bevor nicht die Hölle ausbricht.“ Die Blonde zwinkerte. „Die Dinger werden bestimmt bewacht, oder?“ „Ja, werden sie.“ Es schien den Doctor weder zu stören, noch zu beunruhigen. Ging es nach Rose, war sie mehr wie unruhig. Ihre Gedanken kreisten um ihre eigene Flucht, um ihre TARDIS, die sie vor viel zu langer Zeit nun zurück lassen mussten, um ihren Wagemut und den früheren Doctor. Irgendwann hielt sie die Stille, die sich zwischen ihr und dem TimeLord ausbreitete, nicht mehr aus: "Dieser Fremde, dieser andere Doctor … er hat mir erzählt, dass TimeLords nicht unbedingt sterben müssen, dass sie einfach ein neues Gesicht bekommen …" Rose haderte kurz. "Ich dachte zuerst, er wäre du, hab' nur die Jacke gesehen, sonst hätte ich ihn niemals angesprochen, wirklich nicht … dann ging alles so schnell und … ich hab' mich total verplappert, ich hab's einfach vermasselt und ich … -" "Rose", mischte sich der Gallifreyan sanft ein und musste ihren Namen sogar ein zweites Mal wiederholen, ehe sie aufgab zu stammeln. "Wärst du nicht auf ihn gestoßen, würdest du vermutlich draußen irgendwo herum irren. Ich bin um den Umstand mehr als froh … und was er dir erzählt hat, ist wahr. Ich hätte dich nicht so lange darüber im Unklaren lassen dürfen, über mich. Das betrifft auch die Sache mit der Telepathie … bin kein großer Redner, nicht über mich.“ Der Doctor hielt ihren dunklen Knopfaugen stand und verzog die Lippen in ein sanftes Lächeln, das im Schein des Schallschraubers verzerrt wurde: "Wir haben es fast geschafft, bald sind wir hier raus." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)